The Gap 124

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GLOCK — ein österreichischer kulturexport Car Culture / Lukas Meschik / Left Boy 124 Magazin für Glamour und Diskurs. MONATLICH. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN, P.B.B. GZ 05Z036212 M, Nº 124, MÄRZ 2012

Giantree. Grimes. Mockbusters. Haftbefehl. Xanadu. Bruce Springsteen. Dear Esther. Shame. Violetta Parisini. NZCA / Lines. Im Wortwechsel: Hat das Auto als Statussymbol ausgedient?


Die gr SSen

fünf⁄ zehn

10 Jahre

15 Jahre

wä h ri n g er str a s s e 5 9 · 1 0 9 0 w i en


Leitartikel von Thomas Weber

staats-streich   Noch dämmert es nur wenigen: Die Sparpakete I, II, III und IV werden massive Auswirkungen auf Kultur, Kunst und auch das Lebensgefühl des Landes haben. Wenn bloß noch der Glanz vergangener Tage strahlt, wird uns auch bewusst werden, dass Wien keine Weltstadt mehr ist.

N

och verhandeln sie oder verharren unauffällig in Deckung, darauf hoffend, dass es möglichst die anderen trifft. Unter vorgehaltener Hand berichten aber bereits erste Vereine von ausbleibenden Förderzusagen, deuten Institutionen gravierende Kürzungen und Einschnitte an. Wiens zerstrittene Off-Theaterszene tritt erstmals geeint auf und verlangt auch von den großen Bühnen eine Evaluierung ihrer Leistungen. Im Designforum im Museumsquartier bangt man um die Finanzierung der Einrichtung. Bei der Antrittspressekonferenz der neuen Departure-Chefin verwies die assistierende Wiener Finanzstadträtin in jedem zweiten Satz ihres Eingangsstatements auf die angespannte wirtschaftliche Lage und die schwierige Situation – obwohl die Gelder, die für die Förderung und Vernetzung der Kreativwirtschaft zur Verfügung stehen, 2012 in Wien gleich hoch bleiben. Anderen, der Grazer Diagonale oder dem Linzer Festival Crossing Europe etwa, brechen schlicht die Sponsoren weg, die sich nun lieber auf repräsentativere Events in der Bundeshauptstadt konzentrieren. Es ist offensichtlich: Es brechen harte Zeiten an. Und auch die Verteilungskämpfe werden härter geführt werden, wenn öffentliche Förder- und private Sponsoring-Budgets reduziert werden. Wobei die großen »Kulturtanker«, die ausgegliederten »Leitbetriebe« der Museumslandschaft

Noch ist all das in der Öffentlichkeit kaum ein Thema. Dazu ist der Druck noch nicht groß genug, dazu sind die Künstler wohl Leid und Kummer zu sehr gewöhnt. Vorgeprescht ist man – wieder einmal – in Linz. Die freie Szene ist dort bereits dermaßen ausgeblutet, dass man sich in der KAPU (dem alternativen Kulturzentrum der Stadt) nicht einmal mehr den Strom für die Konzerte leisten kann. Der Vizebürgermeister der Stadt reagierte zwar positiv auf einen offenen Brief und Straßenaktionismus. Doch, was soll’s: Es fehlt das Geld für zeitgenössische Kunst und Kultur – nicht nur in Linz. In Wien gibt es für die Kulturpolitik nämlich einen anderen schweren Klotz am Bein:

Wien ist längst keine Weltstadt mehr. Das Kaiserreich ist passé und die kulturelle Ausnahmestellung der Stadt projiziert sich primär als Behauptung auf die Bauten der Wendezeit vom 19. aufs 20. Jahrhundert. Natürlich: Wiens Museumslandschaft hat viel zu bieten. Aber überwiegend Altes. Und in vielen Bühnenhäusern betreibt man maximal touristisch relevante Brauchtumspflege. Dass wir glauben, wir befänden uns auch heute noch in einer Kulturstadt von Weltrang, liegt vor allem an der schillernden Patina der Ringstraßenarchitektur. Gut für uns, dass damals beim Bauen nicht gespart wurde. Gegen all das ist nichts einzuwenden. Doch gegenwärtige kulturelle Weltgeltung hat das keine. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Nicht alles Alte ist erhaltenswert – erst recht, wenn das Geld knapp und dieses auf Kosten von Gegenwart und Zukunft ginge. All das gehört diskutiert und entsprechende Entscheidungsprozesse gehören transparent gemacht. Ebenso, wie es von der Politik konsequenter wäre, von erfolgreichen (Glücksspiel-)Unternehmen eine zweckgewidmete Kultursteuer einzuheben als die gängige Praxis, diese in die Pflicht zu nehmen und zu halbherzigen Kultursponsorings zu nötigen. Dann muss sich im Nachhinein auch niemand die Frage gefallen lassen: Was war eigentlich die (politische Gegen-)Leistung?

Thomas Weber Herausgeber weber@thegap.at @th_weber

Bild michael winkelmann

»Dass es uns allen immer gut gehen wird.« – Kein Trinkspruch, sondern Stella Rollig vom Lentos Museum auf die Frage: Was ist der größte Irrtum der meisten Österreicher? (in der Zeitschrift Republik)

und die auch touristisch relevanten Großbühnen durchwegs in mehrjährigen Verträgen abgesichert sind. Doppelt und dreifach trifft es also die Vielzahl an kleinen, unabhängigen Initiativen, die sogenannte freie Szene sowie kleine Festivals, die zur Internationalisierung und zum Austausch beitragen. Mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls gefährdet: Einrichtungen auf dem Land, die – oftmals im Abseits agierend – für die politischen Entscheidungsträger weniger herzeigbar sind, sowie solche mit alternativen Ansätzen. Aufs Erste hat das Argument, dass gefälligst auch »die Künstler das Ihre dazu beitragen« sollten, wenn dem Rest der Bevölkerung Entbehrungen abverlangt werden, natürlich etwas Verlockendes. Doch aus ihm spricht Kulturferne und Unwissenheit. Denn die allerallerwenigsten Künstler können von ihrer Arbeit gut leben. Vielmehr leben sie mehrheitlich von der Hand in den Mund und weitgehend ohne Absicherung. (Wer das nicht glauben möchte, der google »Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich«, eine vom Kulturministerium in Auftrag gegebene Studie.)


Data Journalism – „Geschichten aus dem Datenwald“ Keynote Lorenz Matzat: „Datenflut – Wie Onlinejournalismus hier seine Stärken ausspielen kann“

20.03.2012, Einlass: 18.30 Uhr, Beginn: 19 Uhr The Hub Vienna, vienna.the-hub.net Wien 7., Lindengasse 56 / Top 18 –19 Hinter dem Stichwort Datenjournalismus steht eine ganze Menge mehr als bloß technisch versierte Redakteure, die die stetig wachsenden Datenwälder nach spannenden Geschichten durchforsten und die neue Zusammenhänge zwischen Inhalten herstellen. In Zeiten, in denen immer mehr Fakten in digitaler Form vorliegen, braucht es nicht nur die Fähigkeit und die Tools, sie entsprechend zu interpretieren, auch die Aufbereitung verändert sich zunehmend. An die Stelle von linearen Textgeschichten treten vermehrt Visualisierungen und interaktive Darstellungen komplexer Sachverhalte. Wo sich die Produktionsweise und die Medienprodukte selbst verändern, wird sich auch die Organisation von Redaktionen und Medienhäusern ändern. Und nicht zuletzt wird auch der Zugang der Mediennutzer zu den Geschichten, Visualisierungen und Animationen ein anderer sein. twenty.twenty geht der Frage nach, wie Datenjournalismus die Medienwelt in den nächsten Jahren bereichern und auch verändern wird.

Die Veranstaltungsreihe twenty.twenty widmet sich als offene Diskussionsplattform Zukunftsszenarien einer Welt 2020. Denn: Zukunft kann nicht gepredigt oder verordnet werden. Sie gehört diskutiert und gestaltet.


Keynote-Speaker:

Lorenz Matzat

Die Keynote-Speech mit dem Titel „Datenflut – Wie Onlinejournalismus hier seine Stärken ausspielen kann“ wird Lorenz Matzat halten. Matzat ist freier Journalist in Berlin und Autor des Blogs Datenjournalist. Er betreibt mit zwei Partnern das Unternehmen Open Data City, das interaktive Visualisierungen umsetzt, Datenjournalismus-Trainings bietet und Redaktionen konzeptionell und organisatorisch berät.

Podiumsteilnehmer:

Daniela Kraus

Daniela Kraus ist Geschäftsführerin des fjum_forum journalismus und medien wien (www.fjum-wien.at) und dort für die Konzeption und Programmierung des Bildungsprogramms für JournalistInnen verantwortlich. Zuvor hat sie die außeruniversitäre Forschungseinrichtung Medienhaus Wien mitaufgebaut und geleitet. Kraus ist Autorin und Herausgeberin der Reihe „Journalisten-Report“, sie hat Curricula für akademische Studiengänge und andere Bildungsprogramme entwickelt und trägt an Hochschulen und Trainingseinrichtungen vor.

Günter Hack

Günter Hack ist Kommunikationswissenschaftler und beschäftigt sich vorwiegend mit Netzthemen. Seine Dissertation hat er an der Uni Erfurt zum Thema „Synchronisierte Medienverbundformate: Taktgeber Internet“ verfasst. Er arbeitet seit Jahren auch als Journalist und kennt die Abläufe in Online-Redaktionen aus der Praxis.

Andreas Koller

Andreas Koller ist Grafiker, Gestalter, Interaktionsdesigner und Experte für Datenvisualisierung. In seiner Arbeit beschäftigt er sich hauptsächlich mit der Gestaltung von interaktiven Benutzeroberflächen, die komplexe Zusammenhänge und Prozesse erklären. Er ist Mitbegründer und Creative Director des Wiener Designstudios Strukt (http://strukt.com) und lehrt „Generative Design with Processing“ an der University for Applied Sciences Salzburg und an der Kunstuniversität Linz.

www.twentytwenty.at | www.facebook.com / exploring2020 | www.twitter.com / exploring2020 | www.youtube.com / 2020ExploringFuture


Left Boy Er ist seine eigene Hype-Maschine und Brand Manager. Labels und Magazine klopfen bei ihm an, während er aus dem Stand heraus das Wiener WUK ausverkauft. Left Boy wohnt in Kreativ-Brutstätten in Wien und Brooklyn und bastelt behutsam am Welterfolg. Und der ist näher, als man jetzt denken könnte.

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Magazin Glock 020 —— Die Glock ist eines der zentralen Kulturexportgüter aus Österreich. In Filmen, Serien und Songtexten wurde sie zum wichtigen Signum und verbreitet dort Angst und innere Sicherheit.

Golden Frame: Michael Snow 024 —— Beobachten und beobachtet werden ist das Thema der Multimediaskulptur von Michael Snow, die derzeit in der Wiener Sezession ihre Besucher überwacht. Acta 026 —— Zu Acta kursieren mindestens so viele Halbwahrheiten wie erschreckende Wahrheiten. Trotz massiver Proteste ist das Papier noch lange nicht vom Tisch. Left Boy 028 —— Irgendwo zwischen Sample-Klau, HipHop, Fake-Akzent, Style, Klick-Community und visueller Opulenz setzt Left Boy schon jetzt Maßstäbe. Haftbefehl 030 —— Haftbefehl sind »Mutterficker mit Stil«, meint Klaus Buchholz. Ihr Slang ist interkulturell, witzig – und geht teilweise über die Grenze.

Einfach Radel-Teams im Betrieb bilden und gemeinsam im Mai Radeltage sammeln!

Mockbusters 032 —— The Asylum drehen als Studio gnadenlos schlechte Filme – oft in Anlehnung an gerade angesagte Blockbuster. Das Business funktioniert: mit schönen Titeln wie »Megashark Vs. Giant Octopus«. Xanadu / Shame 034 —— Die europäische TV-Serie »Xanadu« und Steve McQeens »Shame« rücken den Sex ins Bild und die durch ihn entstehenden Distanzen zwischen den Menschen in den Mittelpunkt. Dear Esther 036 —— »Dear Esther« lässt Spieldefinitionen ins Wanken geraten und bietet dabei eine neue Form digitalen Erzählens und Unterhaltens. Lukas Meschik 038 —— Mehrere Romane hatte der 23-­Jährige bereits vernichtet, als ihn die Kritik für seine ersten beiden veröffentlichten feierte. Nun widmet er 600 Seiten der Stille – und ihrem Gegenteil. Car Culture 040 —— Im Linzer Lentos Museum werden Autos ausgestellt. Weil es Kunst ist, sind sie zweckentfremdet und transformiert. Vintage-Verpackungen 042 —— Im Verpackungs-Design ist ein neues Biedermeier ausgebrochen. Nach dem RebrushWahn heißt es derzeit back to the roots.


Car Culture Neigt sich die Ära des Benzinspuckers wirklich dem Ende zu? Wir nehmen die Ausstellung »Car Culture« im Linzer Lentos Museum als Anlass, uns über Mobilität Gedanken zu machen. Soviel steht fest: In der Kunst wird das Auto bereits von seinem Zweck befreit, wird modifiziert, überhöht, verbrannt, geschreddert oder weitergedacht.

040 Rubriken Leitartikel Inhalt Editorial Porträts / Impressum Fondue Fabula Rasa Unbezahlter Anzeiger Splitter Prosa: Milena Michiko Flašar Wortwechsel: Hat das Auto als Statussymbol ausgedient? Workstation: Veronique Giroud Lookk: London Fashion Week Reviews Introducing: Bjarne Mädel Termine

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Bild der Ausgabe Manchmal machen wir die Sachen aus dem Fernsehen einfach nach. Anfang Februar haben wir uns kollektiv als Armin Wolf verkleidet und via Facebook den Trend »Armin Wolfing« ausgerufen. Andere taten es uns gleich. Diese handgemachte Version von Jay Ipunkt hat dabei besonders gut gefallen. facebook.com/thegapmagazin

Kolumnen Zahlen, bitte Know-Nothing-Gesellschaft

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MITMACHEN! RAD FAHREN & TÄGLICH

GEWINNEN! 2011 waren über 1000 Betriebe dabei! Wir radeln auch 2012 wieder!

Eine Kampagne der Radlobby IG Fahrrad


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Waffen, Autos, Gold — Macht ist geil! – so könnte man das Motto der unsäglichen Nuller-Jahre zusammenfassen. Waffen, Autos und Gold waren die vielleicht wichtigsten Embleme dieser Blütezeit der Egomanie. Wenn The Gap sie nun zum Thema macht, geht es uns um den Wandel, den diese Zeichen seither erfahren haben. Die Ausstellung »Car Culture« im Linzer Lentos zeigt nicht einfach Autos, sie beschäftigt sich vielmehr mit der gesamten Kulturgeschichte, die dieses Objekt umweht und wie es in der Kunst verarbeitet wird (s. 040). Die Breite im Umgang mit dem Mobil dokumentiert auch unsere Workstation (s. 046). Und im Wortwechsel fragen wir nach, ob das Auto überhaupt noch als Statussymbol taugt (s. 044). So ähnlich ergeht es dem Verkaufs-Hit Glock. Nur wenige wissen, wie sehr Österreich vom Rüstungsexport profitiert, wissen um die diskrete Öffentlichkeitsarbeit des Familienbetriebs nahe von Wien und um die Rolle, die das Sicherheitsinstrument / Mordsdrum in Filmen, Serien und Musik spielt. Die Idee, mit Glock zu covern gab es schon lange, ein Aufdeckerbuch gab den Anlass (s. 020). Und Gold gibt es demnächst im Belvedere zu sehen (s. 074), der Erzengel Kurt Cobain tritt passend mit Gitarre und Schießgewehr auf. Die Faszination am Bling-Bling der Welt wird nicht so bald aufhören, auch wenn sich Sicherheitsdoktrinen, Bankengesetze oder Mobilitätskonzepte ändern. Die Zweckentfremdung in Bildern und Tönen zum Glück auch nicht.  Stefan Niederwieser niederwieser@thegap.at @the_gap

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Anna Leiser

Veronique Giroud

DJ ohne Mascherl — Es gibt DJ-Namen, die fetzen, und solche, die tun es nicht. Die meisten tun das nicht. Anna Leiser macht eine Ausnahme. Ihr DJ-Name (Anna Leiser) besitzt eine feine, musikalische Doppeldeutigkeit und ist noch dazu einfach zu googeln. DJ Bam, DJ Shack, DJ Andy, DJ Joja, DJ Yogi, DJ Clash und DJ Battle hätten sich mal besser ein Beispiel daran genommen. 2003 kam Anna Leiser in die große Stadt (äh, Wien) und legte sich gleich Decks zu. Wie so viele Künstler hängt sie dem, was sie macht, ungern ein Mascherl um. »Sieh mal, da legt sogar eine Frau auf« findet sie deshalb gar nicht so super. Was sie gerade auflegt – Deep House, Techno, Acid und Drum’n’Bass waren im Lauf der letzten zehn Jahre schon in ihrer Plattenkiste – will sie ebenfalls nicht klar definieren. Klar ist sie nachtaktiv, war sie angeblich schon als Kind. Klar ist sie Resident-DJ – bis Ende 2010 bei Resolut, seit 2011 bei Bebop Rodeo. SoundframeAV-Artist ist sie obendrein. Klar mag sie den Wiener Kreis – also die toten Philosophen –, erstaunlicherweise aber auch Sartre, Bernhard und Jim Jarmusch. Seit Anfang Februar hat Anna bei The Gap für einige Monate eingecheckt, Partys sind immerhin auch eine unserer liebsten Hauptbeschäftigungen. 

Fotos und Nachtleben — Auch wenn es die Szene so nicht gibt, für Veronique Giroud ist sie ein willkommener Background. Das Nachtleben bietet nicht nur all seine verruchten Verlockungen, sondern auch Netzwerke und Möglichkeiten. Veronique genießt beides. Als Fotografin hat sie neben uns bisher in erster Linie für einschlägige Auftraggeber wie Peng! oder Vice gearbeitet. Konzertfotos entstanden für den Rolling Stone in Berlin. Dabei war es gar nicht so klar, dass sie zur Fotografie zurückfindet. Vielfältig ist ihr Background: Sie ist halb Spanierin und halb Französin, ist in Lyon, Den Haag und auf Teneriffa mindestens viersprachig aufgewachsen und hat in München ein Fotokolleg besucht. Als sie vor drei Jahren nach Wien kam, hat sie bei einer Model­agentur als Bookerin gearbeitet und sich dann bei einer großen Agentur in Sachen PR versucht. Die vielen Gelegenheiten, zu fotografieren, der spezielle Blick durch die Linse, die Interaktion mit dem Fotografierten und auch das Spiel mit dem Moment haben sie zur Fotografie zurückgebracht. Derzeit arbeitet sie für Studiomato. Für uns hat sie mit diesem Heft schon die zweite Workstation (ab s. 046) fotografiert.  TEXT Martin Mühl BILD privat

TEXT Stefan Niederwieser BILD crowdstrudel

Impressum

HERAUSgeber Thomas Weber chefredaktION Martin Mühl, Stefan Niederwieser Redaktion Katharina Abpurg, Niko Acherer, Gregor Almassy, Michael Aniser, Matthias Balgavy, Claire Benedikt, Josef Berner, Sandra Bernhofer, David Bogner, Klaus Buchholz, Johannes Busching, Ivo Brodnik, Stephan Bruckner, Ann Cotten, Lisa Dittlbacher, Margit Emesz, Juliane Fischer, Holger Fleischmann, Manuel Fronhofer, Daniel Garcia, Lisa Gotthard, Manfred Gram, Dominique Gromes, Benedikt Guschlbauer, Jan Hestmann, Christoph Hofer, Sebastian Hofer, Lukas Hoffmann, Peter Hoffmann, Konstantin Jakabb, Reiner Kapeller, Iris Kern, Markus Keuschnigg, Hubert Kickinger, Michael Kirchdorfer, Stefan Kluger, Michaela Knapp, Katrin Kneissl, Markus Köhle, Christian Köllerer, Michael Bela Kurz, Philipp L’Heritier, Gunnar Landsgesell, Enrico R. Lackner, Artemis Linhart, Christiane Murer, Nuri Nurbachsch, Michael Ortner, Ritchie Pettauer, Stefan Pichler, Johannes Piller, Stefanie Platzgummer, Karolina Podolecka, Christian Prenger, Teresa Reiter, Werner Reiter, Georg Russegger, Joachim Schätz, Barbara Schellner, Bernhard Schmidt, Werner Schröttner, Richard Schwarz, Katharina Seidler, Wolfgang Smejkal, Cornelia Stastny, Gerald C. Stocker, Johanna Stögmüller, Peter Stuiber, Asha Taruvinga, Martin Tschiderer, Hanna Thiele, Horst Thiele, Raphaela Valentini, Jonas Vogt, Ursula Winterauer, Imre Withalm, Maximilian Zeller, Martin Zellhofer, Barbara Zeman PRAKTIKUM Andreea Dosa, Moritz Gaudlitz, Anna Hoffer, Teresa Pentzold termine Stefan Niederwieser AUTOREN Georg Cracked, Michaela Knapp, Michael Lanner, Moriz Piffl-Percevic, Stefan Tasch, Jürgen Wallner, Martin G. Wanko fotografie Florian Auer, Lukas Beck, Stephan Doleschal, Andreas Jakwerth, Georg Molterer, Ingo Pertramer, Karin Wasner, Michael Winkelmann Illbilly-illustration Jakob Kirchmayr COVER Sig Ganhoer WORKSTATION-FOTOstrecke Veronique Giroud ART DIRECTION Sig Ganhoer DESIGN Monopol Lektorat Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer web Super-Fi, Codeon, m-otion anzeigen Herwig Bauer, Thomas Heher, Wolfgang Hoffer, Micky Klemsch, David Kreytenberg, Martin Mühl, Thomas Weber (Leitung) Distribution Martin Mühl druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Pulverturmgasse 3, 1090 Wien geschäftsFÜHRung Bernhard Schmidt PRODuktion & MedieninhabERin Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/ III, 1040 Wien kontakt The Gap c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6/III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766-41; wien@thegap.at, www.thegap.at, www.monopol.at, office@thegap.at bankverbindung Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 abonnement 10 Ausgaben; Inland EUR 15, Europa EUR 35, Rest der Welt EUR 42; HEFTPREIS EUR 2,— erscheinungsweise 10 Ausgaben pro Jahr; Erscheinungsort Wien; Verlagspostamt 1040 Wien Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Für den Inhalt von Inseraten haftet ausschließlich der Inserent. Für unaufgefordert zugesandtes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Jegliche Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung der Geschäftsführung. Blattlinie The Gap ist als monatlich erscheinendes Medium den vielfältigen Erscheinungsformen der Alltags- und Populärkultur kritisch verpflichtet. Ziel ist es, trotz internationaler Ausrichtung österreichische Ausprägungen derselben zu fördern – sofern diese einem internationalen Vergleich standhalten. Der Pop-Begriff ist dabei bewusst weit gefasst und inkludiert die Themenfelder Musik, Film, Kino, Mode, IT, Wissenschaft, Politik, Grafik und Grafik Design, Kunst, Kultur, Mobilität, Games, Comics und Literatur. The Gap propagiert einen bewussten Konsum und fühlt sich der sogenannten offenen Gesellschaft verpflichtet.


FRÜHER, LÄNGER

MASCHEK DONNERSTAG NACHT 21:55


are you www.afri.at

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N D UE

Spähaugen und Schnappschützen aufgepasst: The Gap freut sich immer über bemerkenswerte Momentaufnahmen, optische Querschläger und belichtete Kuriositäten. Einsendungen an fondue@thegap.at

Mit den Kleinen kann man’s ja machen. Rollen­ weise neue Streifen, die aber komplett fürn Arsch sind. Wenigstens kann man im Gegensatz zum normalen Kino jederzeit vorspülen.

Probieren auch Sie: Als Salat mit frischer Beidlzucchini, Futpaprika und gehacktem Oaschlauch.

Sack my cack

Glück gehabt. Weil, wer sogar beim Matura-Ball durchfällt, schafft’s im Leben mit Beschnitt.pdf 04.03.12 16:37 sonst grade mal zu1 »Dancing Stars«.

Die Kardinalsschnitte fällt jedesmal zusammen, Schnitzel paganieren klappt aber einwandfrei.

Bild Stof Hofer, Ilse Kurz, Martin Mühl, Thomas Weber

Erste Anzeichen von Anarchie – ist der Funke des Arabischen Frühlings vom Teppichland zur Fliesen-City übergesprungen?

The Gap 02 2012 Filmladen 3er 1-4 Seite 210x70 Final


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LU M N E

Fabula Rasa Die Kolumne von Georg Cracked. Neue Standards in Sachen vertretbarem Kulturpessimismus.

Praktikant_in: sehr gern! Das Monopol Medienhaus sucht 2012 Praktikant_innen Grafik / Design. Du bist motiviert, Medien aller Art (von The Gap über Waves Vienna zu Corporate Publishing) mitzugestalten und dabei Know-how mitzunehmen? Du kannst deinen Photoshop, deinen Illustrator und dein Indesign? Bist aber auch abseits der Adobe-Suite gestalterisch und / oder konzeptionell tätig?

Passt. Portfolio bitte an ganhoer@monopol.at

Unser Freund Stefan war letztens total geknickt. Er hatte sich an einem stressigen Einkaufssamstag im Merkur irgendwo in eine Traube an den Kassen Anstehender gestellt, weil er, und wir wollen ihm das glauben, nicht wusste, wohin die Schlange genau ansteht. Und plötzlich wird er von einem ungehobelten Durchschnitts-Ehemann als Vordränger beschimpft. Natürlich will sich unser Clemens rechtfertigen, aber der ungestriegelte Bürohengst sagt nur zu ihm: »Interessiert mi net. Geh in Oasch, Unnedicha«. Zuerst hat er ihn gar nicht richtig verstanden, aber dann dämmerte es ihm: Unnötiger. Unnötiger? Sagt er zu uns, das finde ich noch schlimmer als du Oasch, weil damit ist man immer noch irgendwie mit einer Lebensberechtigung ausgestattet. Als unnötig braucht einen keiner für gar nichts. Als Oasch kann man, also … wenigstens noch scheißen gehen, ergänzt seine Freundin, und schüttelt sich vor Lachen. Das fand Roland dann gar nicht so lustig. Warum leben wir zusammen? Und sie schüttelt sich wieder vor Lachen. Er hat sich immer schon viel zu viele Gedanken gemacht. Markus stellte damals in der Schule die Theorie auf, die Boston Tea Party habe den Unabhängigkeitskrieg ausgelöst, weil bei den Briten Entsetzen darüber herrschte, dass in Boston zwar Tee ins Wasser geworfen wurde, aber keine Milch und Zucker. Kein Wunder, dass er seine Diplomarbeit über feministische Horrorfilme geschrieben hat (noch weniger ein Wunder, dass er damit durchgekommen ist). Jüngst verlautbarte Herbert, dass aufgrund des allgegenwärtigen und allumfassenden Internet-Wissens der einzige Platz für Hipstertum noch abartige Sex-Fantasien sind (er hatte einen Artikel zum Thema gelesen). Nur was man im eigenen Kopf weggesperrt hat, kann noch intimes Spezial-Know-how sein, mit dem man sich von anderen abheben kann. Blöd nur, dass man diesen Distinktionsgewinn nicht einlösen kann. An einem späten Abend kann man solche Gedanken ja spannend finden, aber am ernüchterten Morgen wünschte man sich doch wenigstens eine bleibende Idee. Aber wo findet man die heute schon? Bei Erwin sicher nicht. Auch wenn er sich manchmal fragt, warum sich verändernde Dinge hinterfragt werden, aber kaum jemals wird hinterfragt, warum etwas so bleibt wie es ist. Das einzige, was sich nicht verändert, ist die Tatsache, dass sich gar nichts verändert. Aber so ist er eben, unser Stefan. 

cracked69@hotmail.com


UNBEZ

HLTER A N Z EI G ER

Es gibt Dinge da draußen, die sind so gut, die sind Segnungen für die Menschheit, echte Hits der Warenwelt, für die machen wir freiwillig Werbung.

Kirkebrann

iPhone Ping Pong

Spar Veggie

Die Schnittmenge an Menschen, die gerne christliche Kirchen niederbrennen, dafür aber das Haus nicht verlassen wollen, mag auch im kalten Norwegen klein sein. Aber das ist ja das Schöne am Kapitalismus: Keine Nische ist zu winzig, um sie nicht zu bedienen. Aus der schönen Stadt Bergen kommt deshalb eine handgemachte Kerze, die Black Metal-­Fantasien wahr macht. Die erste Auflage von 100 Stück war im Handumdrehen ausverkauft. Aber keine Angst: Es wurden nochmal 666 Kerzen nachproduziert. www.kirkebrann.com

Man kann wohl behaupten, dass das iPhone mittlerweile die Golfklasse unter den Clever & Smartphones darstellt. In Ermangelung von typenscheinpflichtigem Zubehör müssen viele »Heim-Tuner« mit popeligen Kratz­ schutz-, Anti-Fingerabdruck- und Empfangsverbesserungs-Bumpern ihr Pimping-Auslangen finden. Dabei geht das ja auch weniger uncool, wie 123skins zeigt: Das iPhone in Ping-Pong-Ausführung mit Joola-Belag ist nicht nur ein tierischer Hingucker, sondern taugt auch für den schnellen Reaktionssport zwischendurch. www.123skins.de/ping-pong

Gwyneth Paltrow, die sich bislang beim Eurospar in Floridsdorf immer ihre 20 dag Pikantwurst geholt hat, ist jetzt draufgekommen, dass sie auch vege­tarische Sachen leiwand findet. Also finden wir das jetzt auch leiwand – schon sicherheitshalber, damit sie nicht wieder zum Weinen anfangen muss. Jedenfalls fährt der Spar für die terroristisch organisierten Baumkuschler gleich ein ziemliches Sortiment auf … und: Er macht das nicht schlecht! Erstmals in der Geschichte des pflanzlichen Essens hat z.B. der Räuchertofu auch innen einen feinen Geschmack.

Ihr ErSTEr KONTAKT FÜr ALLE DrEhArbEITEN IN WIEN WWW.VIENNAFILMCOMMISSION.AT


CH

RTS

A M RA D

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Asha Taruvinga

(Super-Fi, Monopol Medien, whatchado)

TOP 10

SONGS MIT DENEN ICH MICH WIEDER WIE EIN TEENIE FÜHLE

01 Crazy Town – Butterfly 02 MC Hammer – U Can’t Touch This 03 Salt-N-Pepa – Push It 04 Run DMC – It’s Like That 05 French Affair – My Heart Goes Boom 06 Craig David – Walkin Away 07 Blue – One Love 08 Five – If Ya Gettin Down 09 J. Lo – Play 10 Whitney Houston – It’s Not Right But It’s Ok

TOP 5

FASHIONDESIGNER, DIE ICH GERNE TREFFEN WÜRDE

01 Karl Lagerfeld 02 Vera Wang 03 Vivienne Westwood 04 Jil Sander 05 Marc Jacobs

Stars und Hypes Warum es keine Kurzfilmstars gibt, aber man David OReilly trotzdem kennen sollte, erklärt Daniel Ebner, der künstlerische Leiter der VIS.

auch nicht schlecht:

Denis Yashin

(RTS.fm / Schönbrunner Perlen)

TOP 10

VODKA-SORTEN

01 Altai 02 Grüne Marke 03 Mernaya 04 Beluga 05 Tsarskaya 06 Russian Standard 07 Tovaritch 08 42 Below 09 Stolichnaya 10 Absolut

TOP 5

ANSTOSS-SPRÜCHE

01 02 03 04 05

Auf die Gesundheit! Auf die Liebe! Auf den Erfolg! Auf uns! Auf die Fischerei!

auch nicht schlecht: Ein kaltes Mineralwasser am nächsten Tag in der Früh.

LINKS: TEXT daniel ebner BILD vis — RECHTS: TEXT manfred gram BILD Gerhard Klocker

Glutealaugmentation

Wie ist das denn nun eigentlich, wurden wir kürzlich gefragt, gibt es beim Kurzfilm eigentlich Stars? Also nicht einfach nur irgendwelche gehypten Youtube-Kaiser oder Glückspilze, denen zufällig von einer Jury mal ein Goldener Bär aufgebunden wurde, und auch keine Künstler, die mit ihren Videos dann und wann auch außerhalb von Galerien auftauchen, sondern so richtig aufregende Kreative mit Glamourfaktor, Breitenwirksamkeit und am besten auch noch Tiefgang, die einfach jeder kennt? Und während man im ersten Moment noch mit großer Geste zu einem »Natürlich!« ansetzt, merkt man schon, dass die Wahrnehmung da vielleicht ein bisschen auseinanderklaffen könnte. Oder haben Sie vielleicht schon von David OReilly gehört? Der gebürtige Ire hat es innerhalb weniger Jahre geschafft, sich mit der Aura des Wunderkinds ebenso zu umgeben wie mit der strahlenden Coolness des social-­ media-geeichten Netzwerkers. Egal auf welcher Festivität man sich befindet (und allein in Europa gibt es weit über 500 Festivals für Kurzfilme!), es ist erstaunlich, wie viel über OReilly gesprochen wird: Mit seinen zwischen Naivität und Komplexität changierenden, computergenerierten Animationsfilmen »Please Say Something« und »The External World« räumt er weltweit Preise ab (u.a. Berlin und Venedig), gestaltet hier ein Musikvideo für U2 und dort die Tour-Visuals für MIA, lebt mal in Italien, dann in Berlin – und schaut, wenn es sich ausgeht, auch schon mal in Wien bei VIS vorbei. Letztes Jahr gewann er hier immerhin Publikums- und Jurypreis. Nun ist es aber nicht so, dass es nicht genügend Personen gäbe, die immer wieder mal im Rampenlicht stehen oder Preise auf Kurzfilmfestivals gewinnen. Da gibt es die tollsten Geschichten, was mit den gerne 10.000 Euro übersteigenden Prämien nicht alles realisiert wurde – von der in die 50-Quadratmeter-Wohnung eingebauten Sauna bis hin zur riesigen Monstertruck-Modellsammlung. Und dennoch gelangen die meisten Kurzfilmschaffenden nie dauerhaft an die Öffentlichkeit, da der Kurzfilm – abgesehen von den Pixar-Shorts vielleicht – kaum kommerziell verwertbar ist. Dass OReilly trotzdem überall im Mittelpunkt steht, wo er (oder zumindest ein Film von ihm) auftaucht, ist wohl seiner Mischung aus grandiosem Werk und ironischer Grandezza geschuldet. Und dass er nun kürzlich nach Los Angeles gezogen ist, passt ins Bild. Dort sind Kurzfilmstars mit Sicherheit besser aufgehoben.  VIS Vienna Independent Shorts, Österreichs größtes Kurzfilmfestival, findet 2012 von 6. bis 10. Juni im Wiener Gartenbaukino und im Österreichischen Filmmuseum statt.


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In die Wüste geschickt Der Schriftsteller und Musiker Hans Platzgumer hat mit »Trans-Maghreb« eine schwungvolle Novelle zum Arabischen Frühling in Libyen veröffentlicht. Ein literarischer Beitrag zur jüngeren Vergangenheit mit besonderer Entstehungsgeschichte.

Fr, 23. März 2012 20:00 uhr

sa, 24. März 2012 20:00 uhr

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Herr Platzgumer, mit »Trans-Maghreb« reihen Sie sich in eine alte so, 25. März 2012 FüHrunGen, kOnzerte und Tradition ein. Das Buch ist eine literarische Auftragsarbeit: Bei IhkindertaG Gratiseintritt ins MuseuM. nen für den niederösterreichischen Bauträger und Immobilienentwickler RP Projektentwicklung. Wäre Libyen und der Aufstand Haus der Musik, seilerstätte 30, täglich 10 - 22 uhr, www.hdm.at gegen Gaddafis Regime auch ohne diese Anfrage ein literarisches Thema für Sie geworden? hans platzgumer: Der Impulsgeber für dieses Buch war tatsäch­lich RP-Firmengründer Reinhard Pacejka, der zum fünfjährigen Firmen­ RZ anz springbreak 105x140.indd 1 jubiläum eine Buchserie ins Leben rief, die jährlich erweitert wird. Er nannte es einen »Pirelli-Kalender für Intellektuelle«. Thematisch und stilistisch war es mir überlassen. Inwieweit hat man dafür Vorgaben vom Auftraggeber? Ich hatte völlig freie Hand. Es sollte nur nicht zu umfangreich werden. Ich entschied mich für eine Novelle. Eine, von der Textlänge aus betrachtet, Zwischenform, an der ich mich schon immer versuchen wollte. Keine Kurzgeschichte, aber auch kein Roman. Vergleichbar etwa mit einer 10"-Platte in der Musik. Inhaltlich war die einzige Prämisse, dass ein Bauträger in der Geschichte vorkommen sollte, der im »Idealfall« tot ist. Bei Ihnen heißt dieser Bauträger Anton Corwald – ein opportuner, aber auch charismatischer Geschäftsmann mit besten Kontakten überall hin. Einer seiner Mitarbeiter glaubt, ihn in einem BBC-Beitrag als an den Strand gespülte Wasserleiche erkannt zu haben. Sie lassen aber offen, ob der Tote in den Nachrichten tatsächlich Corwald ist … Ja. Auch, damit diese Figur Corwald in den kommenden Büchern der Reihe immer wieder auftauchen und kleine Camouflage-Auftritte haben kann. Sie beschreiben Libyen sehr genau, finden aber auch sehr plastische Worte zum Tiefbauingenieur, der von seinen Erlebnissen mit Land und Leuten erzählt und sich mitten in den Bürgerkriegswirren in einem Auffanglager für Ausländer wiederfindet. Haben Sie vor Ort recherchiert? Ich war nicht in Libyen, kenne aber andere Maghreb-Staaten gut und habe sie auch intensiv bereist. Große Teile der Geschichte beruhen auf den Erlebnissen meines Schwagers, der als Ingenieur in Libyen war, als sich dort im letzten Jahr alles zu verändern begann. Er hat mir viel Recherchearbeit abgenommen. Den Gang in die Bibliotheken und Archive konnte er mir aber auch nicht ersparen. 

Wintercamper Solo Exhibition

Hans Platzgumer: »Trans-Maghreb« (Limbus Verlag)

Daniel Gebhart de Koekkoek Vernissage 06.03.2012, 19.00 Uhr - Galerie Edition Photo, Gonzagasse 20, 1010 Wien

24.02.12


CH

RTS

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Bruno Sagarra Flores (Common People)

TOP 10

THE SMITHS ALBUM & SINGLES COVERS

01 The Queen Is Dead 02 This Charming Man 03 Singles 04 Meat Is Murder 05 William, It Was Really Nothing 06 The Boy With The Thorn In His Side 07 Shoplifters Of The World Unite 08 The World Won’t Listen 09 Strangeways Here We Come 10 Sweet And Tender Hooligan

TOP 5

JEANS, DIE ICH LIEBE 01 02 03 04 05

Levi’s 510, Black Point Nudie, Slim Jim Unwashed Dr Denim, Snap Rinsed Blue Cheap Monday, Vintage-666 14Oz. Unwashed April 77, Joey Overdrive II Raw

www.thegap.at/gewinnen

auch nicht schlecht:

Breaking Bad Staffel 4

Machmal Bio essen

Eine der aktuell immer noch besten TV-Serien überhaupt geht in die vierte Runde. Das Lachen und der Humor bleiben dabei immer öfter im Hals stecken, wenn Chemie-Lehrer Walter und sein Partner Jesse immer weiter in kriminelle Kreise vordringen. Ein Highlight aktueller Serien-Unterhaltung. Wir verlosen 2 DVD-Boxen. Betreff: 124 kriminelle TV-Kristalle

Mass Effect 3 Eines der größten und besten Rollenspiel-Abenteuer der letzten Jahre findet einen krönenden Abschluss, in dem es gilt, gemeinsam mit Commander Shepard die Erde vor einem Angriff der Reaper zu retten. Wir verlosen je 1 Exemplar für PS3 und für Xbox 360. Betreff: 124 Epische Schlachten mit Commander Shepard

Der Tatortreiniger

Klaus Buchholz

Hinter dieser neuen deutschen TV-Serie steht das Team von »Stromberg«, jener Serie aus der auch Hauptdarsteller Bjarne Mädel bekannt ist. Diesmal muss er sich der Aufgabe stellen, Verbrechens-Tatorte zu reinigen. Wir verlosen 3 DVD-Boxen. Betreff: 124 vom Blut gesäuberte Tatorte

(The Gap)

TOP 10

THE COSBY SHOW – SEASON 1

TOP 5

UK GRIME FEMCS

01 02 03 04 05

Shystie Amplify Dot Lady Leshurr Mz Bratt Lioness

auch nicht schlecht: www.tropicalbass.com

Xanadu

rechts: TEXT martin mühl BILD florian auer

01 »Physician of the Year« (Episode 15) 02 »Theo and the Joint« (Episode 17) 03 »You’re Not a Mother Tonight« (Episode 11) 04 »How Ugly Is He?« (Episode 9) 05 »Jitterbug Break« (Episode 16) 06 »Back to the Track, Jack« (Episode 20) 07 »Clair’s Case« (Episode 19) 08 »One More Time« (Episode 7) 09 »Independence Day« (Episode 14) 10 »Bon Jour, Sondra« (Episode 10)

Arte produzierte diese aufwendige, europäische TV-Serie um eine Familie im Pornobusiness. Der Sex trennt die Figuren und macht Risse sichtbar. Im Bild ist er selbstverständlich trotzdem. Wie verlosen 2 DVD-Boxen. Betreff: 124 europäische Serienein-Stellungen

One Way Trip Es ist der erste 3D-Film mit österreichischer Beteiligung. Die Schweizer Produktion featured die heimische Scream-Queen Sabrina Reiter und auch sonst ist alles dabei: Jugendliche in der Wildnis, Pilze mit schönen Effekten, ... wir verlosen 3 3D-Blu-rays. Betreff: 124 Visionen von Sabrina

New Multitudes Für »New Multitudes« versammelten sich US-Musiker, die sonst bei Bands wie My Morning Jacket, Uncle Tupelo oder Centro-Matic spielen, um auf Einladung der Tochter von Woody-Guthrie-Songs aufzunehmen, die auf Texten des Altmeisters basieren. Wir verlosen 3 Exemplare der Deluxe-Edition. Betreff: 124 Woody-Songs sind einfach besser


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SUBOTRON pro games

Veranstaltungsreihe zur Praxis von digitalen Spielen jeden Donnerstag im MuseumsQuartier | quartier21 | Raum D | 1070 Wien subotron.com/pro-games Diese wöchentliche Veranstaltungsreihe hat zum Ziel, durch die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Community die Weiterentwicklung und Etablierung der österreichischen GamesSzene zu unterstützen und zu begleiten. Im Raum D des quartier21 im Wiener MuseumsQuartier präsentieren SpieleentwicklerInnen die Geschäftsmodelle, Finanzierung, Projekte, Vermarktung und Vernetzung ihrer Firmen, Ausbildungsstätten geben Einblick in Voraussetzungen, Lehrpläne, Schwerpunkte und Ziele ihrer Lehrgänge, die verschiedenen Berufe in der Games-Branche werden erklärt und jeden letzten Donnerstag im Monat trifft sich die Games-Szene zum networking.

twenty.twenty: Daten-Journalismus Wir eröffnen den zweiten Jahreszyklus von twenty.twenty am 20. März 2012 im Wiener HUB mit dem Thema Daten-Journalismus. Spätestens seit den Diskussionen um das Stichwort Open (Government) Data sind Daten als Rohstoff nicht mehr wegzudenken. Sie sollen Grundlage für neue Geschäftsmodelle sein, es ermöglichen, beruflich und privat bessere (oder zumindest objektiv nachvollziehbarere) Entscheidungen zu treffen und nun auch noch den Journalismus verändern. Fakt ist, dass dank der sich ausbreitenden Digitalität immer mehr Daten vorhanden sind und sich aus neuen Quellen (z.B. Tweets, aber auch vieles andere) erschließen lassen. In diesen stecken Zusammenhänge, die sichtbar gemacht werden können. Auch von Journalisten, die diese aufspüren und als Storys, Interview-Backgroundwissen oder Kommentar konsumierbar machen. Daten-Journalismus ist in seinem Kern eine Methode, die mit den vier Schritten Daten finden, Daten filtern, Daten aufbereiten oder visualisieren und dann in eine Story verarbeiten zu beschreiben ist. Interessant ist Daten-Journalismus aber nicht nur als Vorgang, der eventuell zu Storys und Erkenntnissen führt, die ohne diese Methodik nicht möglich wären. Die Veränderungen könnten viel weiter reichen. Journalismus, der Daten aufbereitet, würde seine Dienstleistung für eine engagierte Öffentlichkeit aus Konsumenten, Bürgern, Politikern, Unternehmen oder auch NGOs auf ein neues Level heben und diese in der Medienlandschaft wieder relevanter machen. Neue Kooperationen zwischen Unternehmen, Privaten und Medien könnten nicht nur Politik und Verwaltung vor neue Herausforderungen stellen. Stichwort: Ja, dürfen die das überhaupt? Umgekehrt muss aber auch darüber diskutiert werden, welchen Aufwand dies für Redaktionen und Medienhäuser bedeutet und wer sich diesen leisten kann.  twenty.twenty ist eine Kooperation von The Gap, A1 und SmartWeb. Vienna. Alle Infos und Blog-Beiträge unter www.twentytwenty.at

Do. 05.04.12 Spieleentwickler stellen sich vor: Mi´pu´mi Games GmbH: Mag. Gregor Eigner Do. 12.04.12 Ausbildungsstätten stellen sich vor : Fachhochschule Hagenberg: Jeremiah Diephuis M.A. Do. 19.04.12 Global Game Jam 2012 – Austria Community Briefing Do. 26.04.12 Gamers Gathering – Branchenmeeting Do. 03.05.12 Bewerbung in der Games-Branche Alexander Ganz, Personalberatung Ganz & Stock, Frankfurt am Main Do. 10.05.12 Bildungsreise in die Broken Rules Studios Do. 17.05.12 Ausbildungsstätten stellen sich vor: Donau-Universität Krems / Applied Game Studies : Mag. Alexander Pfeiffer, M.A. Do. 24.05.12 Spieleentwickler stellen sich vor : Socialspiel interactive family entertainment GmbH : Helmut Hutterer Do. 31.05.12 Gamers gathering – Branchenmeeting Do. 07.06.12 Spieleentwickler stellen sich vor : Cliffhanger Productions Software GmbH: Michael Paeck Do. 14.06.12 Ausbildungsstätten stellen sich vor : SAE Institute Wien / Qantm Game Design & Animation: Alexander Eibler Do. 21.06.12 Spieleentwickler stellen sich vor : Bongfish Gmbh: Michael Putz & Klaus Hufnagl-Abraham Do. 28.06.12 Gamers gathering – Branchenmeeting Live: Gameboy Music Club Powered by www.creativespace.at – Die Kreativplattform der Wirtschaftskammer Wien

Medienpartner


Kolumne: Zahlen, bitte! von Thomas Edlinger

211.000   211.000 Euro wird Italiens Premier Mario Monti nun in Zukunft pro Jahr verdienen. Das geht aus einer Veröffentlichung der Steuererklärungen der italienischen Minister hervor. Auch im Berlusconi-Reich regiert nun der Imperativ der Transparenz.

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ngesichts des sich im Umgang mit Griechenland offenbarenden EU-Demokratiedefizits, der korrupten Seilschaften und der fast täglichen Untersuchungsausschuss­ enthüllungen ist es auch hierzulande schon zum Mantra geworden: ein Transparenz-Look für Politiker muss her bzw. am besten gleich eine Transparenzdatenbank nach der anderen. Gleichzeitig laufen aber viele, etwa die von den langen Jahrzehnten sozialpartnerschaftlerischer Munkelei hinter verschlossenen Türen geprägten, transparenzorientierten Grünen auch gegen die »Überwachungsgesellschaft« Sturm. Anti-Piraterie-Abkommen wie Acta werden zum Feindbild der Netzfreibeuter mit ihren hochgerüsteten Festplatten, und viele der potenziellen Grün-Wähler reagieren auf Facebooks Umgang mit privaten Daten mit Dot.com-Allergie. Man fordert also den gläsernen Politiker und fürchtet sich vor dem gläsernen Bürger. Ist der Politiker aber nicht auch ein Bürger? Muss ein Politiker sein Leben nach Vorbild des Berliner Reichtags wie eine blickdurchlässige Hülle fürs Wahlvolk anlegen oder darf er sein Innerstes auch in einer opaken Bunkerarchitektur á la MUMUK verschanzen?

Reichstag oder MUMOK-Bunker? Der in Seoul geborene und an dieser Stelle schon im letzten Heft diskutierte Philosoph Bjun-Chul Han hält nicht viel von dem reflexhaften Wunsch nach Durchsichtigkeit. In seinen Augen ist die Transparenz nicht eine Vorgabe von Demokratie, sondern ein Platzhalter für all das, was wir unmöglich wollen können: eine Gesellschaft, in der der Ausstellungswert von Körpern und anderen Waren zur Leitwährung geworden ist und in der kein Platz mehr bleiben soll für all jene Zwischentöne, die Kommunikation zu mehr machen als zu penetrantem Voyeurismus, der sich mal an der Beichte der Gefallenen, mal an der Verkaufsshow der Aufsteiger ergötzt. Hans jüngster Essay »Transparenz-

gesellschaft« plädiert daher für die Erotik des dunklen Geheimnisses und gegen die Gewalt der Ausleuchtung, für das Recht auf Entzug und gegen den Terror von Evidenz, für den interpretierenden, aus der Lücke herausgeschabten Sinn und gegen die Blindheit der additiven Information. In kurzen Sätzen mit selbstbewusstem Behauptungsgestus wird die Transparenzsucht kurzerhand zum neuen Popanz unserer Zeit erklärt, die sich an bekannte düstere Gegenwartdiagnosen von der tief ins Selbst versenkten Geißel der »Kontrollgesellschaft« bis zum Sennett’schen Terror der Intimität anschließen lässt. Sie symbolisiere »die Hölle des Gleichen«, sie negiere das Spielerische und das Andere, Nicht-Identische, sie sei distanzlos, obszön, pornografisch, inhuman und laufe letztlich auf die perfideste Form von Totalüberwachung hinaus: »Jeder kontrolliert jeden.« Auch einige der hochgelobten neueren US-Fernsehserien rücken die Praktiken einer unter Transparenzdruck stehenden Gesellschaft in den Fokus. »The Wire« etwa spielt nicht nur die technologische Palette der Überwachungsformen und der prophylaktischen, immer raffinierter werdenden Gegenmaßnahmen der organisierten Kriminalität durch (von den Telefonautomaten über Wegwerfhandys bis zur Einweg-Kommunikation über visuelle Codes auf den Displays). Die Serie zeigt auch, wie das aus der Transparenz gewonnene Wissen über jemanden anderen immer auch Macht bedeutet und selbst zur Ware wird, die man gegen andere Gegenwerte eintauscht – zum Beispiel in Gerichtsprozessen oder in Konkurrenzkämpfen um wichtige Posten. »Breaking Bad« kostet den Horror einer von einem unberechenbaren Drogenboss veranlassten Totalüberwachung in einem illegalen Drogenlabor aus. »Homeland«, eine seit Oktober in den USA laufende Serie über einen aus achtjähriger Gefangenschaft im Irak heimgekehrten Ex-Marine und das

Klima der kulturellen Desorientierung im endlosen Wirrwarr des war on terror, lässt sich nach den ersten beiden Folgen wie eine sinistre Illustration zu Hans Thesen lesen. Die selbst psychisch angegriffene, möglicherweise paranoide CIA-Agentin Carrie Mathison (Claire Danes) setzt eigenmächtig das um, was die Bush-Administration jahrelang gepredigt hat: Verdächtig ist, was wir für verdächtig halten. Im Glauben, dass der gefeierte Kriegsheld im Irak von Al-Quaida umgedreht und zum Terroristen ausgebildet wurde, lässt sie die Wohnung des Mannes verwanzen. Die 24-StundenSchnüffelei führt zu verstörenden Bildern: Mathison beobachtet den Ex-Soldaten beim ersten Sex mit seiner Frau, bei seltsamen Gesten und Blicken und bei seinen (gespielten oder echten?) psychischen Zusammenbrüchen. Noch verstörender dabei ist aber, dass die gebannt am Sofa vor ihrem Überwachungskamera-SplitScreen kauernde Agentin daraus nichts ableiten kann. Ihr Zielobjekt ist dauerüberwacht und trotzdem undurchsichtig. Hinter dessen Fassade lauert nichts als der Abgrund der Betrachterin, die in ihrem Kontrollwahn zwar eine Information nach der anderen notiert, aber nichts deuten kann. In ihrer hellwachen, auch stellvertretend für eine Gesellschaft verstehbaren Paranoia weiß sie nicht, ob sie irgendwann einen Schlüssel für das Rätsel des Anderen finden wird. Inzwischen wird sie freilich für sich selbst mehr und mehr zum intransparenten Rätsel werden. Die Qual der Zahl – 9 wie »Revolution Nr. 9« oder 99 wie in »99 Luftballons«? Schreibt uns eure Vorschläge, um welche Zahl zwischen 0 und unendlich es nächstes Mal gehen soll. zahlenbitte@thegap.at

Thomas Edlinger Journalist und Kurator


DAS

Ö 1 D I A G O N A L E -SPECIAL

FERRY RADAX: »AM RAND« UND »FORUM DICHTER GRAZ«

ZUR PERSONALE

MITTWOCH, 21. MÄRZ 2012, 18.00 UHR S C H U B E R T K I N O, S A A L 1 , M E H L P L AT Z 2 , 8 0 1 0 G R A Z I M A N S C H L U S S : G R AT I S S P E Z I A L I TÄT E N V O N D E L I K AT E S S E N F R A N KO W I T S C H , G Ö SS E R B I E R , M A K A v A D E L I G H T E D I C E T E A U N D G A S T E I N E R M I N E R A LW A SS E R

TICKETS AB 14. MÄRZ 2012 IM VORVERKAUF (KUNSTHAUS GRAZ UND CAFÉ PROMENADE) I N F O L I N E ( 0 3 1 6 ) 8 2 2 8 1 8 2 2 U N D W W W. D I A G O N A L E . AT AB 21. MÄRZ IN DEN FESTIVALKINOS Ö 1 C L U B - M I T G L I E D E R E R H A LT E N B E I D E R D I A G O N A L E 2 0 % E R M Ä S S I G U N G .

→ O E 1 . O R F. A T → W W W . D I A G O N A L E . A T

dynamowien | Foto: »Am Rand« © Aus der Sammlung des Österreichischen Filmmuseums

DIE VIELEN SEITEN DES Ö1 CLUB. DIESMAL:


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glock — Ein Österreichischer Kulturexport

Pop around the Glock Österreich ist weltweit bekannt für Mozartkugeln, Manner-Schnitten und Sound of Music. Weniger für Waffen. Und doch hat eine österreichische Pistole aus dem beschaulichen Deutsch-Wagram in den letzten 20 Jahren die amerikanische Popkultur erobert. Wie es dazu kam, warum wir das alle cool finden und warum das eigentlich fragwürdig ist.


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er Moment, in dem die Glock den Holster verließ und ihren Siegeszug in der Populärkultur antrat, ist relativ genau bestimmbar. Die Hauptdarsteller: Bruce Willis und ein dicker Polizeichef. Letzterer bleibt stur, da kann der Action-Star noch so auf ihn einschreien: »That punk pulled a Glock 7 on me, you know what that is? It’s a porcelain gun made in Germany. It doesn’t show up on your airport metal detectors!« In dieser Szene aus »Stirb langsam 2« aus dem Jahr 1990 verstecken sich gleich vier Unwahrheiten: Es gibt keine Glock 7, Glocks sind nicht aus Keramik, sie sind in Metalldetektoren sichtbar – und sie sind nicht aus Deutschland, sondern aus Österreich. Ja, richtig: Neben dem Bundesheer, den neuen irakischen Streitkräften, dem deutschen Cobra-Pendant GSG-9 und vielen weiteren Sicherheitskräften überall auf der Welt sind auch zwei Drittel der amerikanischen Polizei, des FBI und der Drogenbehörde DEA mit einer Waffe ausgerüstet, deren Siegeszug vor knapp 30 Jahren im niederösterreichischem Deutsch-Wagram begann. Wie schaffte es ein kleines Unternehmen, das bis in die frühen 80er keine Erfahrungen mit Schusswaffen hatte, »to dominate not just the American handgun market, but America’s gun conciousness«, wie die amerikanische Businessweek beeindruckt feststellte?

Porcelain gun made in Germany?

TEXt peter stuiber

Schwierige Spurensuche Im Dezember 2011 erschien in den USA ein Buch des Autors Paul M. Barett über die Geschichte der Pistole: »Glock – The Rise of America’s Gun«. Es ist mit Hintergrundwissen gespickt und strotzt nur so vor Zitaten. Das Problem: Es ist nicht autorisiert. Keine aktuell bei dem Waffenhersteller involvierte Person wollte sich mit Barett unterhalten, und so basiert das Buch auf Gesprächen mit Personen, mit denen Glock gebrochen hat. Mit solchen Informationen gilt es immer vorsichtig umzugehen. Von Glock direkt sind keine Informationen zu erwarten, das Waffengeschäft ist ein sehr diskretes. Die Firma besitzt nur ein Postfach und keine Mail-Adresse. Anfragen werden nur über Telefon oder Fax beantwortet. Im Normalfall allerdings gar nicht. Auch das Firmenreich aus diversen Stiftungen, der Luxemburger Holding Unipatent S.A. und ihren Auslandstöchtern ist kein Beispiel für Transparenz. Da sich Glock im Privatbesitz befindet, sind auch die Auskunftspflichten gleich null. Zu unseren Fragen wollte die Firma nicht Stellung nehmen. Firmengründer Gaston Glock meidet die Öffentlichkeit und braucht sie auch nicht. Ein Mordattentat im Jahre 1999, für das sein ehemaliger Geschäftspartner Charles Ewert, auch bekannt unter dem Namen »Panama Charly«, in den USA eine Strafe von 20 Jahren absitzt, machte ihn noch verschlossener.

Die Geschichte der Glock beginnt im Österreich der frühen 80er Jahre. Das österreichische Bundesheer schrieb einen Auftrag zur Erneuerung seiner Seitenwaffen aus, und Glock stach den traditionellen Lieferanten Steyr mit einer neuartigen Konstruktion aus: Einer Pistole, die zu einem nicht zu unterschätzenden Teil aus Plastik und sehr wenigen Einzelteilen bestand. Sie war leicht zu reinigen, versagte selten ihren Dienst und war gut auf verschiedene Kaliber zu modifizieren. (s. Kasten) Das Gerücht von der »Plastikpistole« schwappte Mitte der 80er in die USA. Dort hatte die Glock ihren ersten Auftritt in einem alarmierenden Artikel in der Washington Post mit dem Titel »Gaddafi Buying Austrian Plastic Pistols«. Angeblich hätte es ein Mitglied der Anti-Terrorismusbehörde im Pentagon in einem Test geschafft, eine Glock 17 in Einzelteilen durch die Flughafensicherheit zu bekommen. Der US-

Text jonas vogt Bild sig ganhoer

Es begann in Deutsch-Wagram

Designpublikationen haben in der Regel zwei blinde Flecken: Zum einen »anonymes Design«, d.h. Entwürfe, deren gestalterische Urheber man nicht kennt. Zum anderen Dinge abseits der normalen Wohn- und Konsumwelt. Kein Wunder also, dass man in den einschlägigen Nachschlagewerken oder im Web so gut wie nichts zum Design der Glock findet, obwohl sie zu den populärsten Waffen der Welt zählt und in dieser Hinsicht etwa mit der berühmten Kalaschnikow vergleichbar ist. Wie diese wirkt die Glock auf den ersten Blick nicht unbedingt als eine Waffe, deren Schönheit man in hohen Tönen preisen würde – weit entfernt von den ästhetischen Highlights der Büchsenmacherkunst. Das muss sie auch nicht, denn sie ist in erster Linie das innovative Produkt eines Ingenieurs, dem es einzig und allein um die Funktionalität der Waffe ging. Denn wer will schon in Schönheit sterben? Die konstruktiven Vorteile waren dann auch der Schlüssel zum Erfolg: Sicherungstechnik, Zündvorrichtung, der polygonale Lauf und andere Details haben der Glock zwei Attribute gesichert, die für viele Designklassiker gilt – Benutzerfreundlichkeit und Qualität. Die Glock funktioniert auch unter extremen Bedingungen, kann mit einer breiten Palette von Munition gefüllt werden, hat eine hohe Magazinkapazität und punktet vor allem mit ihrem geringen Gewicht, was dazu geführt hat, dass sie besonders bei Polizisten beliebt sind, die ja ihre Waffe stets mit sich herumschleppen müssen. Ihre deutliche »Leichtigkeit« verdankt sie dem Umstand, dass ihr »Designer« Gaston Glock mit einem Material gearbeitet hat, das bis dahin nur selten bei Pistolen eingesetzt wurde: Kunststoff. Allerdings ist es eine falsche Legende, dass sie die erste Pistole mit Kunststoffteilen ist. Ebenso eine Mär ist, dass sie gänzlich aus Kunststoff besteht und daher bei einer Sicherheitskontrolle nicht entdeckt werden könne: 84 Prozent des Gewichts der Glock stammen von Metallteilen, die das Polymer-Material verstärken und ergänzen (ganz abgesehen davon, dass ja auch die Munition aus Metall ist). Wie wichtig der Kunststoff für die Anmutung der Pistole ist, beweist auch die Tatsache, dass heute jede beliebige Plastik-Pistole oft als »Glock« bezeichnet wird. Abgesehen vom innovativen Umgang mit dem Material verkörpert die Glock auch den bekannten Design-Grundsatz »Less is more«. Denn ihre ästhetische Rauheit ist keineswegs gespielt: Sie besteht nämlich nur aus circa halb so vielen Teilen wie die sonstigen Handfeuerwaffen, ist also eher simpel gebaut. Daher kann man sie leichter reparieren und auch leichter reinigen. Das freut auch die Hausfrau.


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Die Glock im HipHop Die Glock hat sich seit den frühen 90ern im HipHop zum Inbegriff der 9mm-Waffe entwickelt und wird im Prinzip als Typbezeichnung für schwarze Pistolen genutzt. Und das ziemlich häufig: Im Track »Iron Flag / The Glock« vom Wu-Tang Clan kommt das Wort ganze 29-mal vor. Im Folgenden ein paar Beispiele aus den letzten 20 Jahren Rap-Historie. Well nigga lets get one thing clear I don’t leave the block without my Glock. Lloyd Banks, »Without My Glock«, 2005 Packed up my tools for my raw power move Glock nineteen for casket and flower moves The Notorious B.I.G. – »Everyday Struggles«, 1994 Golden rubbers in these denim pockets On my waist, there’s a black Glock Tylor The Creator – »She«, 2011 As I grab the Glock, put it to your headpiece one in the chamber, the safety is off release The Notorious B.I.G. – »Ready To Die«, 1994 Comin’ home at six o’ clock in the morning hand on my Glock, eye on the prize 2Pac – »Bury Me A G«, 1994 We rippin’ them guts with buckshots, pop, pop Me give up shots out to the Glock-glock. Bone Thugs-N-Harmony – »Shotz From Tha Double Glock«, 1996 Move up the block as we groove down the block See my girl’s house, Dre, pass the Glock Dr. Dre – »Bitches Ain’t Shit«, 1992 Shit makes you want to squeeze your Glock until it’s empty Young Jeezy – »F.A.M.E.«, 2011

Kongress spielte daraufhin mit dem Gedanken, die »Plastikwaffen« zu verbieten. Der Mythos war geboren. Washington Post, der Kongress und Bruce Willis – ein unschlagbares Marketing-Trio. Die Glock bekam das Image einer Terroristenwaffe. Doch das Gerede heizte die Verkaufszahlen eher an. There is no such thing as bad publicity.

How to make it in America Die Vereinigten Staaten sind das Mekka eines jeden nicht-amerikanischen Herstellers von Kleinwaffen. Das liegt nicht nur an der Größe des Marktes. Es ist auch ein tiefer Vorstoß ins Feindesland – als würde man Wodka nach Russland oder Olivenöl nach Italien exportieren. In den USA ist eine Waffe mehr als ein Instrument: Pistolen, Revolver und Gewehre sind dort stets Kultgegenstände von nationaler Symbolik. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt ist die Vorstellung, dass das Land nicht erdacht, sondern erobert, der widrigen Natur und seinen vorherigen Bewohnern abgetrotzt wurde, eines der großen amerikanischen Narrative. Das Winchester-Rifle ist auch unter dem Namen »The gun that won the west« bekannt. Über den österreichischen Waffenhändler Karl Walter begann sich Glock langsam in den USA zu verbreiten. Dieser setzte dabei Hollywood ganz gezielt ein. Walter hatte erkannt, welche Rolle Dirty Harry für Smith & Wessons Magnum 44 oder James Bond für die Walter PPK gespielt hatte. Glock gewährte Filmausstattern – branchenunüblich – großzügige Rabatte. Und man bestand nicht mehr darauf, dass nur die Helden eines Films ihre Pistole in den Händen halten sollten. Schnell fand die Pistole auch Einzug in den Rap. Die Glock tauchte in Texten von Genregrößen wie Three 6 Mafia, Cypress Hill und Tupac Shakur auf. Der Siegeszug hatte sicher auch mit dem Reimpotenzial zu tun: »drop«, »pop«, »cop«, »cock«. (s. Kasten) Damit war die Firma allerdings weniger einverstanden. Laut Businessweek ließen Glocks Anwälte in den 90ern amerikanische Plattenfirmen wissen, dass sie sich gegen die Benutzung des Namens in Rap-Songs verwehrten. Glock hatte aber nicht nur eine effiziente Waffe und einen cleveren Plan, sondern auch die Zeichen der Zeit auf seiner Seite. In den späten 80ern wendeten sich die amerikanischen Sicherheitskräfte und das Militär langsam weg vom Revolver und hin zur Pistole. Dabei kam der österreichischen Firma das amerikanische System, in dem einzelne Organisationen ihre eigenen Waffendeals abwickeln können, sehr zugute. Schrittweise hielt sie in einer Behörde nach der anderen Einzug. Das gilt weniger im Bereich des privaten Waffenbesitzes: Während die Europäer im professionellen Bereich längst mit ihren zuverlässigen und leichten Pistolen dominieren, hat Smith & Wesson immer noch einen dreimal so hohen Gesamtumsatz wie Glock. Hier gibt es deutliche Parallelen zur Autoindustrie: Dass Will Smith in »Bad Boys« stets Porsche und Mercedes fährt, heißt nicht, dass die Straßen nicht weiter von Fords und Chevrolets


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dominiert werden. Heute setzt Glock dem Vernehmen nach über 100 Millionen Euro im Jahr um, der Gewinn soll bei 31 Millionen liegen. Allein in New York laufen 20.000 Sicherheitskräfte mit einer Glock im Holster herum.

Moment mal: Was finden wir eigentlich an Waffen? In der Psychologie gibt es mehrere Erklärungsmuster, warum Menschen von Waffen fasziniert sind, obwohl mit ihnen irgendwo auf der Welt täglich Menschen getöt werden. Waffen werden als Instrumente, um anderen unseren Willen aufzuzwingen, bzw. als sexueller Fetisch gesehen. Darin schwingt immer der Begriff von Macht und Männlichkeit mit: Bürgerrechte waren über Jahrhunderte in vielen Kulturen mit dem Waffenbesitz verbunden – nicht umgekehrt. Waffen können töten. Deshalb werden sie gebaut. Michel Foucault bezeichnete das als die »Potentialität«. Wir müssen Waffen nicht einsetzen, um in den Genuss ihres Machtpotenzials zu kommen. Es kaufen sich auch Menschen einen Maserati, die ihn nie ausfahren können. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Durch Sammeln, Design und Gestaltung wird die Waffe ein Kulturgegenstand – ohne dabei aber den Zustand der Potenzialität völlig zu verlieren. Diese Faszination für tödliche Waffen wird gerne über den Sicherheitsdiskurs verkauft. Auch Sturmgewehre und Shotguns dienen der »Security«. Das Gesagte gilt für Faustfeuerwaffen noch einmal im Besonderen. Die Pistole ist der verlängerte Arm des Schützen, kann prinzipiell in jeder Alltagssituation an der Brust oder im Holster getragen werden und erreicht damit eine Symbolik, die ein Sturmgewehr oder eine Panzerfaust nie erreichen könnte. Pistolen sind das Werkzeug für den alltäglichen, urbanen Kampf, nicht für den Krieg. Rambo mag ein Maschinengewehr brauchen – Bruce Willis reicht seine Pistole. Die Glock ist eine Spezialistenwaffe und passt perfekt in dieses Schema. Sie ist schwarz, leicht und zuverlässig. Sie symbolisiert kalte, technische Effizienz. Sie bildet das Gegenstück zum klobigen, schweren und uramerikanischen Revolver. Es sind stets die Profis auf beiden Seiten, die zur Glock greifen: Sonny Crockett in »Miami Vice«, Jack Bauer in »24«, Tom Cruise in «Collateral« oder Javier Bardem als stummer Killer in »No Country For Old Men«. Das einfache und schmucklose Design der Glock ist auf reine Funktionalität ausgelegt.

Und was finden wir an Gewalt? Die meisten Menschen lehnen Gewalt ab – und trotzdem übt sie in Filmen eine unheimliche Faszination aus. Mediale Gewalt liefert einen Kick, den der Durchschnittsbürger bei der Betrachtung realer Gewalt nie empfinden würde. Warum eigentlich? Filme nutzen eine sehr schematische und konventionelle Darstellung, um unsere angeborene Hemmung zu »überlisten«. Durch gewohnte Bilder wird Gewalt ästhetisch rationalisiert. Deshalb erscheinen uns Filme wie

01 Bad Boys 2, 2003 02 24, 2001–2010 03 Mission: Impossible 3, 2006 04 Sopranos, 1999–2007 05 The Wire 2002–2008 06 The Dark Knight, 2008 07 Stirb Langsam 2, 1990 08 U.S. Marshals, 1998

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»The Human Centipede« oder die Szene in »Irreversible«, in der ein Gesicht mit einem Feuerlöscher eingeschlagen wird, auch so grausam: Sie sind im Grunde nicht gewalttätiger als »Der Herr der Ringe« oder »300«, aber wir kennen ihre Form der Gewaltdarstellung nicht und wissen mit ihr nicht umzugehen. Popkultur ist im Wesentlichen Ästhetik, und Änderungen passieren nicht im luftleeren Raum. Die Anzahl an russischen Hauptfeinden in Hollywood-Filmen nahm nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs rapide ab. Aber umgekehrt formt die Ästhetik des Films auch unsere Realität: Als 2009 der Rapper Raymond »Ready« Martinez von der Polizei erschossen wurde, spekulierten amerikanische Medien, ob seine Ladehemmung dadurch verursacht wurde, dass er die Waffe horizontal hielt – eine Schusstechnik, die sich in den 90ern in Hollywood verbreitete, weil sie Coolness ausstrahlte und die Möglichkeit gab, den Lauf und das Gesicht des Schützen gleichzeitig zu filmen. Wir kommen aus der Perspektive, Gewalt abzulehnen und sie im gleichen Moment ästhetisch abzufeiern, nicht heraus. Ein gutes Beispiel dafür ist auch der Film »Natural Born Killers«, der in jeder Szene gleichzeitig »Wie abartig, dass euch mediale Gewalt so amüsiert!« und »Er sticht ihm ein Auge aus, wie geil!!!« schreit. Die popkulturelle Aufbereitung macht es uns möglich, den Kick des Verbotenen zu genießen. Im Prinzip ist es beim Cover dieses Magazins nicht anders: Bei aller kritischen Betrachtung bilden wir die Glock auf dem Cover ab, weil wir sie halt letztlich irgendwie faszinierend finden.

Pop the Glock Außerhalb Österreichs produziert Glock noch in den USA, wo die Pistole eine treue Fangemeinde hat und zwei Drittel ihres Umsatzes macht. Es gibt einen lebendigen Magazinmarkt, Conventions und Foren wie www.glocktalk.com, wo sich über 75.000 Mitglieder über ihre Vorliebe für die österreichische Pistole austauschen. Onlineshops bieten alles, was das Fanboy-Herz begehrt: Goodies, Fotostrecken mit bewaffneten, leichtbekleideten Frauen, Baby-T-Shirts (»Future Glock Owner«) und vieles mehr. Die Glock hat die Popkultur fest im Griff. Sie ist heute die wohl meistgezeigte Faustfeuerwaffe im Film, kommt in unzähligen HipHop-Tracks vor und ist zum Inbegriff der 9 mm-Waffe geworden. Ein popkultureller Status, den Österreich sonst nur im Bereich von Mozartkugeln, Sound of Music und Manner-Schnitten genießt. Der Symbolwert der Glock geht teilweise so weit, dass sich das Wort vom ursprünglichen Produkt bereits gelöst hat: Der Sound der Waffe in Uffies »Pop The Glock« stammt eindeutig von einem Revolver. »Glock: The Rise of America’s Gun« von Paul M. Barnett ist bereits im englischen Original im Verlag Crown erschienen.


»The Corner of Braque and Picasso Streets«, 2009, Realtime Video Installation, Farbe, ohne Ton. Credits: Michael Snow


Michael Snow — The Corner of Braque and Picasso Streets

Ich sehe was, was du nicht siehst Schwer zu fassen und heiß begehrt: Alle reißen sich um Aufmerksamkeit. Es rauscht und fluktuiert in einer sich selbst ständig überholenden Informations- und Konsumgesellschaft. Der Siegeszug der visuellen Medien scheint vollzogen. Die gute Nachricht: Man gewöhnt sich an alles. Als Überlebensstrategie haben wir uns ein Teflon-Gemüt zugelegt. Oder ist das eben die schlechte Nachricht? »The Corner of Braque and Picasso Streets« zwingt uns, einen Moment inne zu halten und uns ein paar Gedanken über unsere Wahrnehmung der Welt zu machen. Die von neben- und übereinander stehenden Würfeln durchsetzte Leinwand wirkt zunächst etwas befremdlich. Ein viel absurderes Gefühl löst allerdings der Inhalt der Projektionen aus (an dieser Stelle bitte ich um Verzeihung – die Überraschung ist dahin). Zu sehen bekommt der Betrachter sich selbst, wie er stillschweigend beobachtet ins Museum spaziert. Denn was der Besucher bislang nicht wusste: Ein wesentlicher Teil der Arbeit befindet sich in Form einer Kamera außerhalb des Gebäudes, auf dessen Dach. Snow thematisiert hier nicht nur recht offensichtlich die Omnipräsenz von Überwachungsfunktionen im öffentlichen Raum, welche scheinbar nur allzu normal geworden sind und – vergegenwärtigt im White Cube – doch äußerst beklemmende Wirkungen auslösen. Die Zufallsaufnahmen der Kamera gewinnen in Snows wohlüberlegtem Video-Skulptur-Zwitter an Kontrolle. Das bewegte Bild, wie es in unserer übervisuellen Welt nicht mehr wegzudenken ist, kanalisiert die Aufmerksamkeit des Besuchers in der sakralen Ruhe der weißen Ausstellungsräume auf das zentrale Geschehen. Dieses Muster kennen wir aus dem Kino. Doch im entfremdenden Rahmen einer Kunstinstitution macht sich die verwandelte Autorität bemerkbar, nämlich die Übertragung der Aufmerksamkeitsregie auf die Kamera. Anders ausgedrückt: Was wir sehen, sehen wir über das medial vermittelte Bild. Was das Ganze mit Braque und Picasso zu tun hat? Ähnlich wie die Kubisten dekonstruiert Michael Snow mit Hilfe der Würfel das Gesehene. Die Arbeit des Kunst- und Film-Urgesteins ist voller Spannungsverhältnisse. Wir sehen sie, sind Teil davon, und doch von ihr ausgeschlossen. Nähe und Distanz kollidieren. Ebenso die Kategorien Video-Skulptur, Innen-Außen, Privat-Öffentlich, Betrachter-Werk. Sie rauben dem Besucher die Kontrolle, um sie ihm dann wiederzuschenken. Quasi auf dem Silbertablett bzw. der projizierten Leinwand. Am Ende ist alles wieder gut – die Ungereimtheiten haben sich in einer abgerundeten Begegnung mit dem Werk aufgelöst. Was bleibt, sind Fragen: Wer beobachtet? Auf welche Weise? Und: Wie nimmst du Welt wahr? Die Ausstellung »Michael Snow. Recent Works« ist bis zum 15. April in der Wiener Secession zu sehen.

Text franziska wildförster

Mit 81 Jahren hat Michael Snow seine Freude am Spielen nicht verloren – zwischen verschiedensten Medien und mit der geistigen wie sinnlichen Erfahrung des Betrachters. Eine Moral gibt es oben mit drauf.


acta — Ein Stopp bringt noch kein neues Urheberrecht

ACTA: Die Angst geht um 026 Nach einer riesigen Protestwelle soll das umstrittene Anti-Piraterieabkommen nun vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden. Dabei ist dieser multinationale Vertrag gar nicht so sehr das Problem. Das liegt nämlich viel tiefer.

Text werner reiter Bild karin wasner

Der Wahlspruch »Stop ACTA« war in den vergangenen Wochen quer durch Europa überdeutlich zu vernehmen. Ein Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produktpiraterie ist zum Symbol für den Kampf um Freiheit und Transparenz im Internet geworden und das, obwohl es im Grunde nur festschreibt, was in weiten Teilen schon gemacht wird oder zumindest geltendes Recht ist. Dass es dazu gekommen ist, hat zwei Gründe: Erstens ist ACTA jahrelang weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt worden und zweitens zementiert es gerade für Urheberrechtsverletzungen im digitalen Bereich eine Praxis für die Zukunft, die schon seit Jahren kritisiert wird, weil sie Service-Anbieter bei der Verbrechensverfolgung in die Pflicht nimmt und die Privatsphäre der Anwender aufweicht.

»Ihr demonstriert nicht gegen ACTA, sondern für die Demokratie.« Das sagte der grüne Bundesrat Marco Schreuder bei der Anti-ACTA Demo, die Ende Februar in Wien stattgefunden hat. Er bezog sich dabei sowohl auf den Entstehungsprozess des ACTA-Abkommens als auch auf die Formulierungen, die viel Interpretationsspielraum zulassen. Das sei nicht die Art einer transparenten Politik, die sich die Bürger wünschen. Mit ACTA würden Türen geöffnet, von denen man nicht weiß, wo sie hinführen. Ansatzweise weiß man das aber bereits, da vieles, was in ACTA steht, bereits in Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien der EU und damit ihrer Mitgliedsstaaten steht

und manche nationalen Gesetze sogar weit darüber hinausgehen. Das extremste Beispiel sind die »Three Strikes«, die zwar nicht in ACTA aufgenommen wurden, dafür aber im französischen Hadopi-Gesetz stehen. Internetnutzer werden in Frankreich bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen nach zwei Verwarnungen von der digitalen Lebensader abgeschnitten.

»ACTA ist gegen groSSangelegte illegale Handlungen gerichtet.« So argumentiert die EU Kommission. Der Anwalt Nikolaus Kraft, der in Österreich etliche Künstler und Rechteinhaber vertritt, unterstreicht das. »Es geht um vorsetzliche, gewerbliche Urheberrechtsverletzungen.« Damit meint er große Plattformen wie etwa Kino.to, die sich mit »Werbe-Kickbacks blöd verdienen«. Kraft betont, dass im EU-Recht und damit auch in österreichischen Gesetzen bereits vieles festgelegt ist, was in ACTA steht. Als Beispiel nennt er eine Regelung im österreichischen Urheberrechtsgesetz (§81 Abs 1a), die besagt, dass auch die Vermittler nach vorheriger Aufklärung über konkrete und nachgewiesene Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung geklagt werden können. Im Klartext heißt das: Von einem vorab informierten Internet-Provider kann verlangt werden, den Zugang zu gewissen Diensten oder Plattformen zu sperren. Kraft hält IP- und DNS-Blockaden für ein geeignetes Mittel, das nicht nur hierzulande eingesetzt werden kann. Die österreichische Regelung beruht nämlich auf einer EU-Richtlinie, die unter dem Namen »Info-Richtlinie« bekannt ist. Er sieht in solchen Maßnahmen keine Zensur, da Zensur immer eine


Vorab-Kontrolle von Inhalten ist, wohingegen bei Sperren im Nach­ hinein »nachgewiesene Rechtsverletzungen eingedämmt werden«. Das ist bereits jetzt in vielen Ländern möglich. Laut Kraft soll ACTA hier den EU-Standard international »exportieren«.

»Netzsperren wecken schnell andere Begehrlichkeiten.« Der Urheberrechtsexperte Florian Philapitsch, der unter anderem die Creative Commons-Regelungen an das österreichische Recht angepasst hat, widerspricht den Richtlinien der EU. Wenn Netzsperren tatsächlich umgesetzt werden, würde das rasch auch andere auf den Plan rufen, die diese für ihre Zwecke einfordern. Philapitsch ist generell der Meinung, dass man bei der Urheberrechts-Thematik nicht bei der Durchsetzung der Rechte ansetzen sollte, sondern bei den Businessmodellen und Vergütungssystemen. Mit Rechtsvorschriften lässt sich das Verhalten der User nur bedingt ändern. Die nach wie vor am weitesten verbreitete Methode, Songs oder Filme einzeln abzurechnen, entspricht nicht der Logik des Internets. Neue Konzepte wie etwa das Abo-Modell von Spotify oder dem hierzulande nicht verfügbaren Netflix seien da zielführender. Um solche Dinge durchzusetzen, braucht es aber eine deutliche Vereinfachung beim Lizenzerwerb. Philapitsch spricht sich daher für eine zumindest europaweite Vereinheitlichung bei Verwertungsgesellschaften aus. Auch Kraft sieht die Notwendigkeit, solche neuen Modelle zu testen. Allerdings: »Mit gratis kann man nicht konkurrieren«. Piraterie im großen Stil stehe diesen Versuchen im Weg und müsse daher unterbunden werden. Derzeit sei das aber ein »Hinterherhecheln mit Bleigürteln«.

Gute Künstler, böse Industrie In der Debatte um zeitgemäße Formen von Urheber- und Verwertungsrechten wird sehr oft auf das Missverhältnis zwischen Künstlern und deren Vertretern hingewiesen. Labels würden die Künstler ausbeuten und die Verteilungsschlüssel, nach den Verwertungsgesellschaften die Einnahmen ausschütten, seien intransparent und ungerecht. Kraft kennt aus seiner Praxis aber auch viele Fälle, wo diese Zusammenarbeit sehr fruchtbar ist. Die Künstler konzentrieren sich auf den kreativen Teil und die Labels um die Vermarktung. In der Tat gibt es nur wenige Beispiele, wo etwa Musiker langfristig gänzlich ohne Labels arbeiten, obwohl das Netz alle Voraussetzungen für die Eigenvermarktung bietet. Clap Your Hands Say Yeah, Arctic Monkeys oder Justin Bieber, die ohne Labels zu großer Bekanntheit gelangten, haben mittlerweile Verträge. Radiohead oder Nine Inch Nails sind wohl auch keine Vorbilder. Sie sind mit Unterstützung von Labels zu international bekannten Marken geworden und können jetzt leicht auf deren Unterstützung verzichten. Wie auch immer man sich in dieser Diskussion positioniert: Es herrscht Einigkeit darüber, dass Künstler für ihre Arbeit Geld bekommen sollen. Auch im Netz. Vertreter der Industrie verstehen es sehr gut, sich für ihre Anliegen einzusetzen. Das erkennt man an ACTA. Diese Anliegen zielen leider auf keine Neuregelung ab, sondern auf das Zementieren des Status quo.

Geistige Eigentumsrechte versus Informationsfreiheit Michael Nentwich vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sieht in ACTA und ähnlichen Vorstößen eine »Verlagerung der Kontrolle auf private Unternehmen mit Sanktionsandrohungen, die völlig unangemessen sind«. Der Ausgleich zwischen Interessen der Rechteindustrie und der Zivilgesellschaft sei schwierig, aber er müsse gefunden werden. Auch Nentwich ist der Meinung, dass die Lösungsansätze nur in den Bezahlmodellen liegen können. Er kann sich etwa vorstellen, dass ein Prozentsatz dessen, was man für Internet-Access bezahlt, in einen Fonds fließt, der die Leistungen von Künstlern kompensiert. Auch Philapitsch sieht in derartigen Modellen die größte Chance, egal ob die jetzt Leerkassettenvergütung, Festplattenabgabe oder anders heißen. Nentwich glaubt aber auch, dass die Wissenschaft teilweise als Vorbild für die Kultur dienen kann. Das Zitatrecht ist in der Wissenschaft auch für den digitalen Bereich klar geregelt und der Kern wissenschaftlicher Produktion ist, seine Arbeit im Sinne des Fortschritts anderen zur Verfügung zu stellen. Kulturelle Produktion könnte im digitalen Zeitalter auch so verstanden werden.

Am 15. Jänner 2012 wurde bereits protestiert, damals noch als »Occupy«. Die Proteste gingen fast nahtlos in jene zu ACTA über. Das Gefühl von wesentlichen Entscheidungen ausgeschlossen zu sein, die im Interesse der Wirtschaft getroffen werden, war dabei mindestens so sehr Grund zu demonstrieren, wie die Sorge um die Freiheit des Internets.

ACTA als Projektionsfläche ACTA hat in den letzten Wochen als Projektionsfläche für sehr tiefgreifende Fragestellungen gedient. Da ging es einerseits um die Art, wie Politik gemacht werden soll: Nicht hinter verschlossenen Türen, sondern nachvollziehbar für eine breite Öffentlichkeit. Es ging aber auch darum, welche Rolle staatliche Organe und private Unternehmen bei der Regulierung des Internet und bei der Verfolgung von Rechtsbrechern einnehmen sollen und wie sehr Informationen über einzelne Anwender in der Verfolgung von Straftaten verwendet werden soll. Die Anpassung des Urheberrechts an die Logik der digitalen Zeit und die Lösung der Frage der Kompensation für Kreativleistungen ist eine zentrale Aufgabe. Das wissen wir seit mehr als zehn Jahren. Jetzt muss endlich mehr passieren, als ACTA zu verhindern. Möglicherweise ist das Crowdsourcing-Projekt für den »Free Internet Act«, das aktuell auf der Plattform Reddit.com stattfindet, ein Ansatz. Das Dokument ist in einer sehr klaren Sprache verfasst, zielt auf einen vernünftigen Ausgleich ab und ist damit alles andere als ein anarchistisches Manifest. In der Version vom 24. Februar 2012 wird das Recht der User auf Anonymität im Internet betont und es enthält eine klare Absage an Netzsperren: »Service Providers shall not be required to alter their service in any way due to the illegal actions of a user of their service.« Der Initiator mit dem Nick RoyalwithCheese22 ist angeblich ein Österreicher.


left boy — Sieben Schritte vor dem Stardom

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Text stefan niederwieser Bild jasmin baumgartner

Left Boy könnte ein Großer werden. An Voraussetzungen dazu mangelt es nicht. Wir haben ihn getroffen, kurz bevor er sich entscheiden muss, ob er vom Fünf- oder Zehnmeterbrett springen soll.

Das Interview hat er dann nur in seiner gebügelten Version zum Abdruck freigegeben. Left Boy ist seine Präzision wichtig, selbst wenn es auf Kosten der Qualität geht. Einmal wechselt er im Gespräch versehentlich ins Englische. Es ist die Sprache, in der er lebt, in der er textet. Mit einer Reihe von genau überlegten Videos, einem Mixtape und Gratis-Tracks hat sich Left Boy viele Facebook-Fans gezüchtet, darunter Soap & Skin und Christina Stürmer. Er funktioniert als seine eigene Hype-Maschine, baut im Netz an seinen Meilensteinen zum Erfolg. Eine Million Youtube-Klicks, 1.500 Follower auf Twitter, ein maximal ausverkauftes Konzert im WUK. Woman hat ihn interviewt, Mica, FM4 und News wollten es – klingt beeindruckend, dabei ist Österreich gar nicht sein Fokus. Er wohnt halb in New York. Denn dort fragt man nicht so oft nach dem Papa. Der ist zwar nicht ganz egal, aber um den näselnden Weißbrot-Flow von Left Boy besonders zu finden, muss man keinen Umweg über die Biografie nehmen. In seinen Songs rechnet er stilvoll mit einer Ex ab, schickt die Neider heim, auf dass sie sich ficken mögen, erzählt von guten Momenten und den schlechten, seinem Swag und seinen Selbstzweifeln. Leute wie Drake, Casper oder Kanye haben spätestens 2011 einen Typus Rapper populär gemacht, der mehr mit seinen eigenen Schwächen beschäftigt ist als mit Knarren, Games und heftigen Aufschneidereien. Die Themen von Left Boy sind dabei noch nicht ungewöhnlich, er erzählt keine erdrückenden Geschichten von der Straße, aus dem Leben in der Unterschicht auf dem Weg nach oben, und seinen Sprachbildern fehlen noch Schärfe und jene Slogans, die man sich im sozialen Netz dann zuwirft. Aber seine Art zu rappen, diese grelle Art die Wörter zu drehen, sie herauszupressen und Silben hinauszuzögern, bekommt man schwer aus dem Kopf. Dass er noch dazu in seinen Videos die richtigen Bilder liefert, in denen er mal mit Luftballons, Messern oder Rauchbomben hantiert, aber irgendwie immer cool verloren wirkt, macht die Sache noch eindrucksvoller. In »Outro« entwickelt er über fast vier Minuten einen Synth in immer anderen Beat-Mustern weiter, klassischer Songaufbau ade. Für seine weltbekannten Samples von Daft Punk, Lana Del Rey oder Radiohead bekommt er allerdings kein grünes Licht, solange die grünen Scheine nicht stimmen.


Apropos Scheine: Der Vater von Left Boy heißt André Heller. Dieser Umstand bietet Voraussetzungen, die es ihm ermöglichen, international zu denken und seine Tracks, Videos und Postings so lange zu schärfen, bis auch letzte Zweifel verschwunden sind. Noch gibt es keinen offiziellen Left Boy-Release. Und kaum Interviews. Bei seinem Perfektionismus kann das eventuell noch bis 2013 dauern. Aber wenn dann wirklich ein Album kommt, dann mach dich auf eine Beats- und Bilderflut gefasst, die Swag, Kunst, Flow und Gefühle hat. Seit Sommer 2011 veröffentlichst du verstärkt Videos und Tracks. left boy: Ich hab meine Fanpage vor vier Jahren gestartet und bis ich 700 Likes hatte, habe ich eigentlich gar keine Promo gemacht. Damals gab es schon Songs von mir, die man heute nicht mehr so leicht im Netz findet. Bei 700 Fans hab ich eine Aktion gestartet, dass ich bei 1.000, 1.500 und 2.000 Fans die nächsten Tracks veröffentlichen werde – und über Nacht waren es 1.000 und eine Woche später schon 3.000. Ich hatte damals um die 20 unveröffentlichte Songs für ein Album und sah mich ein Jahr lang nach einem Label um. In der Zeit, 2009 cirka, hatte ich zwei Musikvideos gedreht, die nie rausgekommen sind, weil sie nicht meinen Vorstellungen entsprochen haben. Seit damals gibt es auch meinen Manager Gonzalo in Berlin und London, der mich mit seinem Enthusiasmus und seiner Einsatzfreude überzeugt hat. Da ich in dem Jahr wenig veröffentlicht habe, verlor ich an Hype und entschied als Reaktion, mein erstes Mixtape gratis ins Netz zu stellen. Seitdem versuche ich so oft wie möglich, ein Musikvideo zu drehen und es den Fans zu bieten. Letzten Jänner habe ich wieder eine Aktion gestartet, um für eine Veröffentlichung Likes auf Hypem.com zu bekommen. Damit habe ich es dort gleich dreimal in einer Woche in die Charts geschafft. Es ist ein gutes Gefühl, wenn eine Idee aufgeht. War das Material stärker? Vielleicht auch, aber mit Sicherheit war die Unterstützung massiver. Ich hab mittlerweile genügend fertige Tracks und warte noch darauf, dass der Hype groß genug wird. Ich bin in einer Phase, in der es darum geht, mehr Fans und Aufmerksamkeit zu generieren und das geht eben am besten durch Gratis-Tracks. Ab wann ist der Hype groß genug? Nie. Aber ein gutes Zeichen ist es, wenn man das richtige Angebot vom richtigen Label bekommt. In welchen Territories? Ich hab bereits Meetings mit mehreren Major-Labels in Deutschland und New York gehabt. Als Dimmak mir auf Twitter zu folgen begonnen hat, bin ich halb ausgeflippt, aber dass es ein Angebot gibt, ist ein Gerücht. Es gibt auch Interesse von mehreren Verlagen – wo ich genau landen werde, wird sich in den nächsten drei, vier Monaten klären. Hast du schon konkrete Angebote? Auch gute? Ja, die gibt es. Ich hab noch Ideen für ein paar Videos, die ich vorher gern machen würde. Die Offers klingen zwar verlockend, ich habe aber das Glück, dass ich das Geld derzeit nicht unbedingt zum Überleben brauche, dass es also nicht um den Vorschuss geht, sondern um die richtigen Generalumstände. Ich suche derzeit nach dem idealen Song. Bei »Jack Sparrow« wusste ich, dass ich nie die Rechte von Disney bekomme, obwohl ein Freund sogar mit dem Komponisten geredet hat. Mit »I Want To« wollte ich zeigen, dass ich auch ernstere Lieder schreiben kann – allein an dem Video haben wir ein Jahr lang gearbeitet. Bekommst du für »I Want To« oder »Video Games« die Rechte? Radiohead hat leider nein gesagt. Meine Hoffnung ist, dass solche Probleme mit einem Major-Label gelöst werden können. Ist das so? Jemand wie Kanye West kann sich Sample-Rechte leisten. Wenn es mich inspiriert, wenn ich was Cooles höre, sample ich das. Und wenn es mit den Clearances nicht klappt, veröffentliche ich es eben gratis. Das Spektrum an gesammelten Stilen ist sehr breit: Soul, ein Cover von »I Will Survive«, Lana Del Rey. Wie viel deines Materials beruht auf Samples? Ich habe in letzter Zeit immer öfter komplett original produziert.

Das Spektrum ist aber eigentlich immer so gewesen. Mein ganzer Katalog ist nicht draußen, aber es gibt das alles, akustische Liebeslieder mit Streichquartett, viel Elektronisches, klassischen HipHop oder Durchmischtes in Richtung Dubstep. In jedem Genre gibt es bestimmte Qualitäten, die mir imponieren. Wo ist das Verbindende? Ist ein Album mit diesem musikalischen Spektrum denkbar? Ich hab mir das immer so gewünscht, die größeren Labels wollen, fürchte ich, Eindeutigkeit. Am Ende des Videos von »Outro« gibt es ja schon fast eine komplette, grafische CI für Left Boy. Wie fertig ist dein Album? Es gibt aus einem großen Pool an Songs cirka zwölf, die die Basis bilden. Mit denen müsste ich noch ins Studio zum Aufpolieren. Ist 2012 realistisch? Es wäre schön. Am liebsten würde ich es ja in zwei Monaten veröffentlichen. In New York hast du eine ganz andere Welt kennengelernt, oder? Ich habe in Wien in der amerikanischen Schule gelernt und bin in einem behüteten Umfeld aufgewachsen. In New York war es das komplette Gegenteil, viele meiner Freunde hatten echte Existenzsorgen, konnten es sich nicht leisten, ins Kino oder in ein Restaurant zu gehen. Manche hatten Gefängnis hinter sich wegen Drogen oder Gewalt. Das hat mir die andere Seite des Lebens gezeigt. Die Einblicke dieses Jahres waren sehr wichtig für mich. In Brooklyn lebe ich mit fünf Freunden auf vier Stockwerken, in einer Art kreativen Factory, zwei sind Regisseure, die anderen Fotografen und Produzenten. Mit denen drehe ich auch all meine Videos. Davor bin ich versuchsweise wieder nach Wien und hab mich, als die Wohnung frei wurde, endgültig für New York entschieden. Es ist die Höhle des Löwen, und dort sollte man sein, wenn man es ernst meint. Woher kommt diese Art von dir zu singen, zu rappen, dieses hybride Englisch? Das ändert sich bei mir immer wieder. Es macht mir Spaß zu experimentieren. Das Hauptaugenmerk liegt bei mir auf dem Flow und dann geh ich stundenlang im Kreis herum und füge einzelne Worte und Sätze hinzu. Ich versuche etwas Stimmiges zu entwickeln, das aus mehreren Komponenten besteht. Und wie reagiert man in den USA auf diese Art von Reim-Flow? In den Staaten werden die Leute erst jetzt auf mich aufmerksam. Die Reaktionen der verschiedenen amerikanischen Blogs sind sehr unterschiedlich, aber größtenteils positiv. Bei Mike Skinner und Lena Meyer-Landrut gab es Diskussionen, ob sie einen bestimmten Akzent nur vortäuschen. Bei dir auch? Ich bin kein Deutschsprachiger, der Englisch singt, Englisch bzw. Amerikanisch war von Kindheit an meine Hauptsprache. Ich träume und denke auf Englisch. Das Spielen mit der Stimme gehört zum Handwerk. Solche Diskussionen interessieren mich nicht. Musst du dein eigener Social Media-Manager sein, um ein Label zu überzeugen? Selbstverständlich. Durch Facebook und Youtube bin ich dort, wo ich bin. Du singst in »Outro« über all die Haters. Ist es schon so schlimm? Durch das Internet zieht man natürlich auch negative Kritik an. Wie ich das Lied schrieb, wurde ich gerade von mehreren Leuten angegangen und musste meine diesbezügliche Genervtheit ablassen. Ich habe angefangen zu musizieren, um die Themen, die mich beschäftigen, zu bannen. Die Lieder sind wie mein Tagebuch. Gibt es für dich eine Deadline, um deine aktuelle Hypewelle nicht zu verpassen? Ich zerbreche mir ständig den Kopf darüber, was das nächste Video sein soll. Jetzt habe ich drei Konzepte für Musikvideos und einen vorgegebenen Zeitraum, um zu drehen. Die Ergebnisse müssen stimmen, sonst erlaub ich es mir nicht, sie zu veröffentlichen … ach so was, da drüben sitzt ja mein Vater. Ah ja, du solltest vielleicht rübergehen. Gibt es etwas, das du noch loswerden möchtest? Ne, das war eh ziemlich ausführlich. Dank dir.


haftbefehl — Gangsterträume mit Migrationshintergründen

Mutterficker mit Stil 030 Haftbefehl ist der neue Bürgerschreck des deutschen Rap. Sein neuartiger Gangsta-Slang verändert langfristig die deutschsprachige Szene und stürmt nebenbei die Charts.

Text Klaus Buchholz Bild Azzlackz

Angela Merkel ist eine Schlampe, hört nicht auf die Straße und schon gar nicht auf Haftbefehl. Das erklärt der Rapper im Track »Azzlacks sterben jung«. Aykut Anhan heißt der deutsch-kurdische MC, ist 26 Jahre alt, kommt aus Offenbach am Main und hat der HipHop-Szene eine neue Zunge wachsen lassen. Seit seinem Debütalbum »Azzlack Stereotyp« (2010) muss auf ihn gehört werden. Nicht, weil er die deutsche Kanzlerin beleidigt. Auch nicht, weil er mit Testosteron-Formeln provoziert, die seit Bushido und gut 30 Jahren US-Rap Gangsta-Standard sind. Haftbefehl stilisiert sich zur Projektionsfigur deutscher Hinterhöfe, Gossen und Rotlichtviertel. Er repräsentiert die Azzlacks: Das meint sein Umfeld und sein Label (u.a. Capo Azzlack, Celo & Abdi), sowie seine wachsenden Fans. Haftbefehl hat einen Sprachstil entwickelt, der vor internationalen Referenzen strotzt und trotzdem originell klingt. »Das ist kein Deutsch, was ich mache ist Kanackisch« – heißt es zu Beginn seines neuen Albums »Kanackis«.

Straight Outta Bahnhofsviertel Inspiriert haben ihn französische Banlieue-Rap-Ikonen wie Sefyu oder Booba, die ihre Wörter und Silben frei nach Bedarf dekonstruieren. Das Vokabular ist mehrsprachig und multikulturell. Dieses Rezept hat Haftbefehl für deutschen Gangsta-Rap neu interpretiert – wuchtige Synthie-Beats und außergewöhnlich atmosphärische Sound-Konzepte inklusive. Dialektdeutsch mischt er mit türkischen, arabischen, romanischen oder slawischen Slang-Begriffen. Schlagwörter, Abkürzungen, Markennamen und Imperative definieren seinen schleppenden Reimfluss, den Notorious B.I.G. geprägt haben soll. Sein Storytelling klingt verknappt, aber prägnant und präzise. Zwischen den Zeilen fiktionalisiert Haftbefehl dann die Milieus krimi-

neller Einwandererkinder. »Ich nehm’ dir alles weg, die Schlüssel zu deinem Haus, die Bitch, die du liebst, den Mercedes, den du fährst. Ich nehm’ dir alles weg und töte deinen Bruder. Ja du hast Recht, das Leben ist nicht fair!« – mit diesem Refrain startete 2010 sein Hype. Martialisch und materialistisch macht er Klassenunterschiede, Aufstiegsträume und Ganoven ohne Perspektiven zum Thema. Authentizität, Loyalität, Faustrecht, Sex, Drogen und Spaß vollenden sein Gangster-Melodrama. Anders als viele, die vor ihm harte deutsche Ghettos behaupteten, wirkt Haftbefehl geheimnisvoll und überzeugend. Zudem sind seine Übertreibungen humorvoll. Doch manchmal fehlt die Distanz zu seinen ambivalenten Inhalten. Seit dem Beginn seiner Karriere fällt Haftbefehl zwar vereinzelt mit antisemitischen oder antizionistischen Aussagen auf, wenn er von Verbindungen zwischen Juden und Finanzwelt spricht oder einen Boykott Israels für die Freiheit von Palästina fordert. In Interviews und Texten (»Free Palestina«) plädiert er dagegen für die Gleichheit aller und für harmlose Provokationen. Er reflektiere und repräsentiere den rauen Witz aller Straße, unabhängig von Herkunft. Sein erfolgreiches Modelabel Thug Life erhöht von Beginn an sein Identifikationspotenzial. So schnalzen die rauen Zungen flächendeckend für alle (Marginalisierten), die sich von Räuberpistolen unterhalten lassen wollen. Gemeinsam mit seinen Haupt-Produzenten M3&Noyd und Bazzazian hat Haftbefehl nun ein hymnisches zweites Werk geschaffen, das der spektakulären Kunstfigur gerecht wird. Die Hood ist, wo du bist. Unlängst enterte Haftbefehl mit »Kanackis« auf Platz 10 die deutschen Albumcharts. »Kanackis« ist im Februar via Azzlackz / Groove Attack erschienen. Das »Mietwagentape« von Celo & Abdi kann auf www.azzlackz.de gratis runtergeladen werden.



The Asylum — Die Mockbuster aus der Videothek

Hollywoods Irrenhaus 032 Die US-Produktionsfirma The Asylum hat sich auf das Abkupfern von Kino-Blockbustern spezialisiert: Handlungsstränge werden übernommen, aufgemotzt und als Billigprodukte kurz vor Release der Hollywood-Pendants für die Videotheken veröffentlicht. Die Substanz der Filme ist zwar fraglich, doch der Erfolg und die Fangemeinde dieser Mockbuster wachsen. Wenn der Titelheld aus »Almighty Thor« anstatt eines Hammers plötzlich eine Uzi schwingt, oder in »Snakes On A Train« eine riesige Schlange einen Zug vertilgt, dann hat man wohl gerade einen Mockbuster von The Asylum vor Augen. Frei übersetzt bedeutet Mockbuster so viel wie nachgeahmter oder parodierter (engl.: to mock) Blockbuster. Auch Titel und Filmcover sind stark dem Original nachempfunden, was durchaus zu Verwechslungen führen kann. Parodistisch ist an den Filmen meist jedoch gar nichts, zu unfreiwillig der Humor und jenseits von grenzwertig der Trashfaktor. Trotz alledem hat sich mittlerweile eine riesige Fangemeinde gebildet, dabei war der Erfolg des ersten Mockbusters einem Zufall zu verdanken.

Text volker müller Bild the asylum

Mockbuster vs. Eigenproduktionen 2005 drehte David Michael Latt, Gründungsmitglied von The Asylum, H. G. Wells’ »War Of The Worlds«. Als er hörte, dass Steven Spielbergs Adaption des Klassikers im selben Jahr in die Kinos kommen sollte, sah er eine Möglichkeit, zusätzlich etwas Geld zu verdienen und veröffentlichte seine Adaption direct to DVD, einen Tag bevor Spielbergs Film Premiere feierte. Die amerikanische Verleihfirma Blockbuster Inc. orderte sofort 100.000 Kopien des Films, wodurch The Asylum sieben- bis achtmal mehr einnahm als mit bisherigen Produktionen. Was folgte, waren zahlreiche weitere Mockbuster wie »Transmorphers«, »The Terminators«, »The Da Vinci Treasure« oder »The Day The Earth Stopped«. Doch bevor The Asylum mit ihren Kopien bekannt wurde, kämpften sie lange Zeit ums Überleben im Filmgeschäft. 1997 von Latt, David Rimawi und Sherri Strain gegründet, konzentrierte man sich anfangs noch auf eigenständige, jedoch erfolglose Low-Budget-Horrorproduktionen. 2009 avancierte dann »Megashark vs Giant Octopus« zum viralen Hit: Über fünf Millionen Mal wurde der Trailer, in dem ein Hai zunächst die Golden Gate Bridge und anschließend ein Passagierflugzeug im Ozean versenkt, bis dato angeklickt (Stand Februar 2012). Diese abgedrehten Ideen sind es wohl, die beim Publikum so gut ankommen, denn die Umsetzung befindet sich sowohl bei Eigenproduktionen als auch bei Mockbustern im inszenatorischen Nirgendwo. Wenn Carmen Elektra gemeinsam mit Brooke Hogan (Tochter von Ex-Wrestler Hulk Hogan) in »TwoHeaded Shark Attack« gegen einen zweiköpfigen Hai bestehen muss,

ist diese Begeisterung ob der Schauwerte vielleicht nachvollziehbar, die cinephile Begeisterung dafür bleibt unverständlich.

The Asylum vs. Roger Corman Auch wenn der Begriff Mockbuster vor allem in den letzten Jahren einen höheren Bekanntheitsgrad erlangte, existiert das Genre als solches bereits seit 1959, als Trash-Ikone Roger Corman »The Wasp Woman« in die Kinos brachte, damals inspiriert von dem Horrorklassiker »The Fly«. Ähnlich wie The Asylum heute, produzierte Corman einen Film nach dem anderen, stieß aber auf wenig Gegenliebe. Seine Filme waren jedoch stets handwerklich perfekt, was ihn zu einem einflussreichen Regisseur werden ließ. Zu seinen Protegés gehören unter anderem die Regie-Größen Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, James Cameron oder Ron Howard. Außerdem verhalf er Schauspielern wie Jack Nicholson, Robert De Niro oder Peter Fonda zu ihren Karrieren. 2009 erhielt Corman schließlich einen Acadamy Award für sein Lebenswerk. Doch ein mit Corman vergleichbares Maß an handwerklicher oder inszenatorischer Qualität lassen die Produktionen von The Asylum schmerzlich vermissen. Weiters fungieren die Filme meist als Auffangbecken für ehemalige Serienstars wie Jeremy London (»7th Heaven«), Richard Grieco ( »21 Jump Street« ) oder Lorenzo »Renegade« Lamas, die sich mit knackigen One-Linern wie »You are fish-food!« gerne selbst persiflieren. Highlight in dieser Hinsicht dürfte wohl der Auftritt von Jaleel »Steve Urkel« White sein, der in »Megashark vs Crocosaurus« einen taffen Sergeant mimt. Dennoch schreiben die Filme längst keine roten Zahlen mehr: Laut einer von Internet Movie Database veröffentlichten Liste der am meisten ausgeliehenen Filme 2011 stammen sieben Titel in den Top 50 aus dem Hause Asylum. Darunter filmische Perlen wie »Battle Of Los Angeles« oder »2012: Ice Age«. Rolling Stone platzierte »Megapython vs. Gatoroid«, eine Kollaboration zwischen The Asylum und dem Fernsehsender Syfy, gar auf Platz 19 der besten TV-Momente von 2011.

Schneewittchen aus Wien 2012 werden sich gleich zwei große Hollywood-Produktionen mit dem Grimm-Märchen um Schneewittchen auseinandersetzen. In »Mirror, Mirror« setzt Regisseur Tarsem Singh, zuletzt mit »Immortals« in den Kinos, auf einen eher kindlich-komödiantischen Zugang zum


Hulk Hogans Tochter im Kampf gegen zweiköpfige Haie – und das ist noch nichtmal das Absurdeste an den Filmen von The Asylum.

Märchen und soll so wohl ein etwas jüngeres Publikum anlocken. »Snow White And The Huntsman« hingegen zeigt Schneewittchen von einer bisher noch nicht da gewesenen, düsteren Seite und lässt »Twilight«-Sternchen Kirsten Stewart mit Schwert und Kettenhemd gegen die böse Königin Charlize Theron kämpfen. Klar, dass bei gleich zwei Blockbustern auch der dazugehörige Mockbuster nicht fehlen darf. Für die Dreharbeiten ist das Filmteam von The Asylum sogar extra nach Wien gereist, was von der Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen wurde. Qualitativ wird sich ihr »Grimm’s Snow White« sicher nicht von den anderen Mockbustern unterscheiden. Menschen werden gegen unfassbar schlecht animierte Monster antreten und das Drehbuch wird weniger als miserabel sein. Dennoch werden auch hier wieder genügend Zuschauer entweder a) sich von Titel und Cover täuschen lassen oder b) absichtlich zur DVD oder Blu-ray greifen, um sich eigenwillig zu amüsieren. Trash kann eigentlich sehr unterhaltsam sein, The Asylum zeigt jedoch auch, wie man des Schlechten zu viel produziert. »Viel, viel billigen Wein trinken«, antwortete AsylumMitarbeiter Paul Bales einst in einem Interview auf die Frage, wie die Filme am besten zu konsumieren seien. Willkommen bei The Asylum, willkommen im Irrenhaus von Hollywood. Filme von The Asylum finden sich häufig im Abendprogramm von Syfy oder Tele 5 wieder. »Grimm’s Snow White« erscheint am 13. März in den Videotheken. Mehr Infos auf www.theasylum.cc

Die Presse bezeichnet eure Filme oft als billige Kopien großer Hollywood-Produktionen und nennt sie Mockbuster. Du bevorzugst den Ausdruck »Tie-Ins«. Wo liegt der Unterschied? david michael latt: Man kann die Filme nennen, wie man will. Alles, was wir wollen, ist, dass die Leute sie sich anschauen. Uns ist egal, wie man sie nennt. Auch billige Kopie ist ok. Ihr werdet oft dafür kritisiert, dass ihr Handlungsstränge übernehmt und irreführende DVD- und Blu-ray-Cover kreiert. Habt ihr deshalb schon ernsthafte Urheberrechtsprobleme bekommen? Nein. Und niemand, der unsere Filme gesehen hat, hat uns jemals für die Übernahme von Handlungssträngen kritisiert.

Als ihr euch entschieden habt, hauptsächlich Trash-Filme zu drehen – war das nur, weil ihr gehofft habt, damit schnell Kohle machen zu können? Nichts geht jemals schnell. Ein Artikel des deutschen Wochenmagazins Der Spiegel hat euch einmal als die schlechtesten Filmemacher Hollywoods bezeichnet. Seid Ihr die schlechtesten Filmemacher Hollywoods? Ja. Wenn Der Spiegel ein Absatzmarkt für unheimliche, fette Pädophile ist, dann schon. Denkst du, dass eure Filme einmal Kultstatus erreichen? Nein. Es sind die schlechtesten Filme aller Zeiten, worauf Der Spiegel und du eindeutig hingewiesen habt. Deshalb könnten sie nur zu Kultfilmen werden, wenn du glaubst, dass eure Leser einen beschissenen Geschmack haben und Idioten sind. Fürs Protokoll: Ich denke, eure Leser sind sehr attraktiv und riechen auch noch gut. Ihr habt in letzter Zeit jede Menge Filme produziert. Ein Indikator für kommerziellen Erfolg. Zumindest in den Staaten. Wie schwer ist es, auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen? Europäer laden unsere Filme seit Jahren illegal herunter. Verfolgt Ihr irgendwelche besonderen Strategien, um eure Filme in Europa beliebter zu machen? Wir machen die Griechen regelmäßig schlecht, was uns bei den Deutschen zu mehr Popularität verhilft. Wer ist eure Zielgruppe? Journalisten mit Gesichtsbehaarung. Hin und wieder arbeitet Ihr mit ehemaligen TV-Stars, wie zum Beispiel Lorenzo Lamas oder Richard Grieco. Sind die dankbar, dass sie wieder vor Kameras stehen dürfen? Lorenzo Lamas und Richard Grieco haben über 100 Filme gedreht und sicher an die 500 Fernsehsendungen. Wenn die Frage lauten würde, »Sind sie dankbar, dass sie wieder mal am Set sein dürfen, um schlechtes Essen zu genießen?«, dann ist Lorenzo sicher dankbar, ja. Oder, »Sind sie traurig, weil du ihre Karrieren und Twitter-Feeds nicht verfolgst?«, dann sind sie wahrscheinlich traurig, ja. Aber ich denke, ich sollte mich wohl geschmeichelt fühlen – und kein Arsch sein – weil du glaubst, dass The Asylum ihre Karrieren wiederbelebt hat. Was Ving Rhames angeht, stimmt das natürlich … aber das gilt sicher nicht für alle anderen auch. Warum wolltet Ihr gerade in Wien drehen? Grimm wollte, dass das Märchen in Wien spielt. Unsere Version entspricht der des Buches. Die Elfen. Die Monster. Der Sex. Sehr authentisch. Und Österreich ist eine großartige Location. Willst du mal echte Blockbuster drehen? Nein. Nur gefakete. Was ist der beste schlechteste Film, den du jemals gesehen hast (neben Asylum Produktionen)? »Grimm’s Snow White«. So. Ich habe mich prostituiert. Jetzt brauch ich eine Dusche.


»xanadu«, »shame« — Trennungssex und filmische Intimität

Der Sex, der uns trennt 034

Text Klaus Buchholz Bild Sunfilm

Die Welt geht an ihrem pathologischen Sex zugrunde: Mit der ambivalenten Wirkungsmacht von Pornografie thematisieren die TV-Serie »Xanadu« und der Film »Shame« moderne Entfremdung. Gleichzeitig entwickeln sie die Filmwelt mit selbstverständlicher Intimität weiter. »Mein Schwanz ist alles, was ich habe. Die einzige Art, mich mitzuteilen.« Es klingt furchtbar lächerlich, wenn Pornodarsteller Brendon Hardon diesen Satz sagt. Er ist Teil eines ganzen Ensembles an tragischen Figuren, die in der Arte-Serie »Xanadu« durchexerzieren, wie moderne Menschen daran scheitern, miteinander intim zu werden. Fern von Vertrauen, Liebe, Familie oder Kunst verwahrlost hier jeder für sich. Vor dem Hintergrund von Mainstream-Pornografie, Gonzo-Leistungsdruck und fetischisierter Gewalt führt Sex zu tödlicher Einsamkeit. Xanadu ist ein Familienunternehmen der Pornofilmindustrie Frankreichs: In den 70ern war es berühmt für anspruchsvolle Erotik und das Starlet Elise Jess, der mysteriös verstorbenen Mutter der Familie. Vaterpatriarch Alex Valadine leitet 2011 immer noch die Firma. Er ist mit der schwangeren Ex-Darstellerin Varvara verheiratet und schwört vergeblich auf die Strahlkraft seiner verstorbenen ersten Frau. Die Industrie ist gnadenlos. Ihr Konkurrenzkampf wird in Zeiten von Streaming Media im Netz ausgefochten. Thronfolger Laurent will seinen Papa mit neuen Geschäftsmodellen verdrängen, wird aber von seiner Schwester Sarah und dem Regisseur-Bruder Lapo verdrängt. Die Ehen sind zerrüttet, die Familien dysfunktional und intrigant. Die überspitzten Pornodarsteller, wie Brendon Hardon oder Vanessa Body, sind (gemäß der Namen) Geiseln ihrer Körper, die jahrelang kapitalisiert wurden.

Pathologie des Beischlafs Regisseur Daniel Grou und Drehbuchautorin Séverine Bosschem inszenieren den Sex in »Xanadu« vor allem gewaltsam und roh. Gleichzeitig stilisieren sie Intimität als das fragilste und höchste Gut – als Oase, wo die selbstzerstörerischen Figuren Vertrauen spüren wollen. All das wird gerahmt von einer fatalistischen Gesellschaftsord-

nung, in der repressive Tabus und ein breiter Pornokonsum parallel stattfinden. Die Suche nach der Wahrheit bedeutet bei »Xanadu« eine bitterliche Suche nach Geborgenheit. Die verschachtelte Montage mit ihren Rück- und Vorausblenden, die surrealen Traumszenen und die unscharfe Kamera hüllen die Serie zusätzlich in einen geheimnisvollen Grauschleier. Mit dem flirrenden Soundtrack von Konstantin Gropper (Get Well Soon) wird »Xanadu« zum großen mysteriösen Familiendrama. Stilistisch und thematisch sehr ähnlich pathologisiert Steve McQueen Sexualität als Trennungssystem in seinem neuen Film »Shame«. in der betongrauen Atmosphäre eines unterkühlten New York spielt Michael Fassbender einen emotional abgestumpften Sexsüchtigen, der von seiner hysterischen Schwester (grandios: Michelle Williams) herausgefordert wird. Rastlos arbeitet sich Fassbender körperlich an seinen Begierden ab. Er ist ein sozial entfremdeter Prototyp, der Liebe braucht, sich aber zwischen Prüderie und Pornografie aufreibt. Bei »Shame« wie bei »Xanadu« wird dem Publikum eine düstere Welt gezeigt, in der Sex zum System der Trennung und Beziehungen zu Misstrauensverhältnissen geworden sind. Gleichzeitig wählen Serie und Film eine vorbildliche sex-positive Erzählperspektive, bei der Sex unmittelbar dargestellt wird. Durch das analytische Spielen mit seinen Formalia wird hier auf den filmischen Mainstream eingewirkt. So kann und muss zeitgemäßer Film, als Kino oder Fernsehen, selbstverständlich intim sein. So wird diese Pathologie des Sex abgerüstet, die bei »Xanadu« und »Shame« so eindringlich unter die Haut fährt. Die erste Staffel von »Xanadu« erscheint am 8. März auf DVD (Sunfilm Entertainment). »Shame« kommt am 9. März in die österreichischen Kinos (Filmladen).



»dear esther« — Ein Spiel ganz ohne Waffen, Gegner und Rätsel

Ein neues Erzählen 036

Text rainer sigl Bild steam

Meilensteine teilen die Geschichte in ein Vorher und ein Nachher, zeigen neue Wege oder eröffnen ganz neue Möglichkeiten und Richtungen. Das Indie-Game-Experiment »Dear Esther« ist so ein Meilenstein, vor allem, weil es eine grundlegende Frage stellt: Was ist ein Spiel? Eine einsame Küste, der dramatisch verhangene der Küste bis zum finalen höchsten Punkt der Insel, von einer ErAbendhimmel taucht die raue Landschaft in ein un- kundung zur Meditation in Spielform geworden ist. wirkliches Licht. Hinter uns der Atlantik, vor uns die sturmzerzausten Hänge einer felsigen Hebrideninsel, Interaktives Storytelling-Experiment Nach knappen 90 Minuten ist man auch schon am Ende angelangt irgendwo vor Schottlands Westküste. Weit hinten, hoch oben blinkt das rote Licht eines Radiomastes. – und bleibt seltsam berührt zurück. Dass hier im Medium Games So beginnt »Dear Esther«. In der aus First-Person-Shootern bekannten mit derartiger Eleganz etwas Neues unternommen wird, führt fast Egoperspektive bewegen wir uns im langsamen Spazierschritt durch automatisch zu einer Frage: Ist »Dear Esther« überhaupt noch ein diese unwirtliche Landschaft, folgen den Trampelpfaden durchs Hei- Spiel – oder nicht eher eine interaktive Installation? Ein Hörspiel dekraut und steigen schließlich in die surreale Höhlenwelt dieses zum Spazierengehen? Videospiel-Tourismus? Tatsächlich lässt das Ortes hinab, um schlussendlich den höchsten Punkt der Insel, den interaktive Storytelling-Experiment, das erstmalig 2008 von Macher Dan Pinchbeck von der Universität Portsmouth als Mod für »Halfweithin sichtbaren Radiomast mit seinem Warnlicht, zu erreichen. Es gibt keine Waffen, keine Gegner und keine Rätsel in »Dear Life 2« und nun grafisch auf Hochglanz poliert als Standalone-Titel Esther«, und auch der freien Erkundung sind recht enge Grenzen veröffentlicht wurde, fast alle »klassischen« Spielelemente vermissen. gesetzt. Trotzdem zieht das Indie-Games-Experiment den Spieler in Die von der belgischen Art-Games-Schmiede Tale of Tales (»The Path«) einen Bann aus Melancholie, Traurigkeit und Euphorie. Aus dem Off geprägte Schublade der »Not-Games« ist für Spiele wie »Dear Esther« begleitet uns die Stimme eines Erzählers, der aus einem Brief an entworfen worden – für Experimente mit dem Medium, die nicht die titelgebende Esther, aus alten Tagebüchern und Berichten vor- unbedingt »Spaß« als oberste Prämisse haben. Eigentlich ist es aber liest. Zum Teil wird diese fragmentarische Erzählung an bestimmten schade, »Dear Esther« auf diese Art per definitionem aus dem Medium Punkten des Entdeckungsspaziergangs vorangetrieben, zum Teil er- Games zu reißen. Was ist ein Spiel? »Dear Esther« gibt auf diese Frage eine originelle tönen die kurzen Textpassagen zufällig und regen den Spieler an, die unwirkliche Welt mit anderen Augen zu sehen. »Dear Esther« ist ein Antwort, die man so noch nicht gehört hat, und es zeigt, wie das Spiel, das hauptsächlich im Kopf des Spielers entsteht. Denn aus den Medium Games ein neues Erzählen ermöglichen kann. Es beweist, bruchstückhaften Texten schält sich nur langsam die Geschichte ei- wie professionell, selbstbewusst und abwechslungsreich die blühennes tragischen Verlusts heraus; es bleibt offen, ob die Wanderung, de Indie-Games-Szene inzwischen geworden ist. Der Eintrittspreis in die der Spieler unternimmt, vielleicht der Versuch eines Abschieds das kurze, für aufgeschlossene Spieler aber auch Skeptiker empfehist, ob die Insel selbst eine Gedenkstätte ist oder aber sogar nur der lenswerte Erzähl-Experiment liegt bei 7,99 Euro. Ansehen lohnt sich: Erinnerung selbst Form gibt. Staunend wandert man durch diese »Dear Esther« ist ein Meilenstein – denn es zeigt, was Spiele auch atemberaubend in Szene gesetzte Landschaft, die mit der Erzählung sein dürfen. verschränkt ist. Begleitet wird man vom hervorragenden, subtilen Piano-Soundtrack von Jessica Curry, bis die Wanderung selbst, von »Dear Esther« für Windows / Mac ist bereits via Steam erschienen.


whatchado*, die Karriereplattform einer neuen Generation * whatchado ist amerikanischer Slang und steht für die Frage „Was machst du?“

.net


Lukas Meschik — Über Drogen, die Welt und unsere Wahrnehmung

»Den eigenen Ton finden«

Text und interview erwin uhrmann bild julian simonlehner

Lukas Meschik veröffentlicht mit 23 seinen dritten, diesmal 600 Seiten starken Roman »Luzidin oder Die Stille«. Seiner Zeit voraus mit einer unverwechselbaren Sprache, die er über die letzten Jahre vorsichtig auslotete, ist Meschik ein literarisches Phänomen.

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»Thomas Bernhard sagte einmal: Die ersten 5.000 Seiten schreibt man für den Papierkorb. Das habe ich immer als gute Aussage empfunden.« Lukas Meschik hat viel von ihm Verfasstes vernichtet.

Lukas Meschik sticht in der heimischen Literaturszene hervor. Er ist jung, seine literarische Entwicklung hat er dennoch bedacht und sorgfältig angelegt. Mit 16 fasste Meschik den Entschluss, Schriftsteller und Musiker zu werden, brach nach langen Überlegungen die Schule ab, nahm Kontakt zu einem Verlag auf und konzentrierte sich intensiv auf die künstlerische Arbeit, ohne Zeit zu verlieren. Er zeigte Ausdauer, verwarf vieles gemäß dem Thomas Bernhard’schen Ausspruch, dass die ersten 5.000 Seiten eines Schriftstellers für den Papierkorb seien. Sein erstes Buch »Jetzt die Sirenen« erschien 2009 und wurde bereits von der Kritik im gesamten deutschsprachigen Raum gelobt. Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit etwa schrieb: »Es knallt, es dröhnt, es rockt. In seinem Romandebüt zelebriert Lukas Meschik einen kleinen, atemlosen Weltuntergang.« Trotz seiner Sorgfalt ist es immer noch verwunderlich, mit welch präziser und ausgefeilter Sprache, gleichzeitig mit welcher Freiheit und Sprachlust der Autor schreibt. Wer Meschik liest wird kaum glauben, dass er es mit einem 23-Jährigen zu tun hat. Mit Leichtigkeit nimmt der Autor den Leser an der Hand und geht mit ihm in die Tiefe seiner Figuren und Handlungen. In Lukas Meschiks Büchern wird fabuliert und assoziiert ohne gedankliche Schranken. Gerade Assoziation und Affekt gehen bei ihm eine Symbiose ein und dienen ihm als Anleitung für sein sprachliches Vorgehen, dem er in seinen Romanen und Erzählungen einen klaren Rahmen gibt. Lukas Meschiks Grundthema ist die Wahrnehmungskrise. Im aktuellen Buch »Luzidin oder Die Stille« etwa tummeln sich Figuren wie der von einem seltsamen Dröhnen verfolgte Angestellte Justus Geheimnis oder der Toilettentester und Waschraumexperte Ladislaus Kampf. Das Universum spielt eine tragende Rolle, die Droge Luzidin und die Frage nach Einbildung und Wirklichkeit. Selbst lebt Meschik eine Doppelidentität als Musiker und Schriftsteller, betreibt beides völlig unabhängig voneinander. Mit seiner Band Filou brachte er im Vorjahr beim Wiener Label Problembär das Album »Show« heraus. Lukas Meschik: »Luzidin oder Die Stille« (Jung und Jung) Buchpräsentation am 22. März 2012, um 19.00 Uhr in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur (Wien 1., Herrengasse 5)


Lukas Meschik über Karl Farkas, Jelinek und sein Band-Projekt Filou.

Dein neuer Roman trägt den Titel »Luzidin oder Die Stille«. Was verrät dieser Doppeltitel? lukas meschik: »Luzidin« hatte ich von Anfang an als Arbeitstitel. Es ist ein erfundenes Medikament, eigentlich eine Droge. Der Verlag war mit dem Titel zuerst nicht ganz glücklich und ich war einverstanden, das zur Diskussion zu stellen. »Die Stille« passte sehr gut dazu, auf sie nehme ich als Topos oft Bezug. Luzidin ist ein erfundenes Wort, es vermittelt einen guten Klang, eine gute Stimmung, aber auch den Wahnsinn, die Stille ist der Gegenpol dazu. Das Buch hat beachtliche 600 Seiten. Wie lange hast du dafür gebraucht? Die Ideen dazu habe ich mir über einen langen Zeitraum zurechtgelegt. Im Jahr 2009 habe ich meinen Zivildienst gemacht. Ich wusste, ich kann nicht viel schreiben in dieser Zeit, aber ich habe Ideen gesammelt und dann geordnet. Von Frühling 2010 an habe ich dann ein Jahr lang daran geschrieben. Du bist noch sehr jung. Seit wann schreibst du eigentlich? Mit 14 habe ich erste Schreibversuche unternommen. Seit ich 16 bin arbeite ich ernsthaft daran. Damals habe ich mir vorgenommen, in meinem Leben zu schreiben und Musik zu machen. Ich hatte also kein klassisches Erweckungserlebnis, das mich zu diesen Dingen brachte. Als Kind hatte ich durch meine Eltern sehr früh schon Berührung mit dem Nachkriegskabarett, wie etwa Karl Farkas, was meine Lust an der Sprache und ein gewisses Sprachbewusstsein weckte. Wenn man dann erstmals Handke und Jelinek liest, dann tauchen plötzlich viele Fragen auf: Wie machen die das? Wie kann ich meinen eigenen Ton finden? Das war dann auch mein Wunsch, den eigenen Ton zu finden. Musik und Schreiben kamen also gleichzeitig? Mit 16 habe ich meine Band Filou gegründet, auch das war immer schon mehr als ein Hobby. Ich hatte und habe die Vorstellung, aus dieser Mischung von Dingen, Musik und Literatur, zu leben. Wolltest du damals schon freier Schriftsteller sein? Ich bin damals noch zur Schule gegangen, meine Leistungen haben aber allmählich stark nachgelassen, weil ich mich intensiv mit Musik und Literatur beschäftigt habe. Deshalb habe ich die Schule schließlich aufgegeben, was für mein Umfeld überraschend, für mich aber nach langer Überlegung geschah.

Wie hast du den Verlag für Deinen ersten Roman gefunden? Mit 16 habe ich bereits Texte an den Luftschacht Verlag geschickt, die dort natürlich nicht publiziert wurden – sie meinten aber ein Potenzial zu erkennen und so brach der Kontakt nie ab. Ich habe sie immer weiter beschickt und wir haben die Texte besprochen, bis es schließlich 2009 dann klappte mit dem ersten Buch »Jetzt die Sirenen«. Das heißt, du hast laufend Texte produziert? Ich habe sehr viel geschrieben. Thomas Bernhard sagte einmal: Die ersten 5.000 Seiten schreibt man für den Papierkorb. Das habe ich immer als gute Aussage empfunden. Ich habe viele Romane begonnen, viele auch zu Ende gebracht, aber später vernichtet. Von Anfang an habe ich aber das Schreiben von Romanen angestrebt. Ich produziere auch jetzt noch sehr viel, sehe aber, dass es langsam konzentrierter wird. Hast du nicht das Gefühl, dass dir gute Ideen verloren gehen, wenn du sie in den Papierkorb wirfst? Nein. Jede Zeile ist ja in meinen Fingern. Nichts ist je verloren, alles ist gemacht. Manche dieser Werkstücke muss ich einfach wegschmeißen, In der Musik ist es doch auch ähnlich. Man probt herum, hat Ideen, und soll doch nicht immer alles gleich notieren. Wenn es gut ist, kann ich mich eine Woche später auch noch daran erinnern. Wie arbeitest du? Du machst Literatur und Musik. Gibt es da Zusammenhänge? Oder existiert das völlig nebeneinander? Die beiden Bereiche sind ganz stark getrennt, es sind zwei verschiedene Leben. Es gibt kaum Überschneidungen. Ich würde mich aber nicht komplett fühlen, wenn ich auf eines von beiden verzichten müsste. Schreiben ist einsam, die Musik laut und geladen. Würde nicht das eine das andere ergänzen, würde ich verrückt werden. Natürlich kommt es vor, dass ich manchmal lange und tief im Schreiben stecke und mir denke, das ist das einzig Richtige. Umgekehrt ist es aber auch so, wenn ich Konzerte mit der Band spiele, auf der Bühne stehe und nachher mit den Kollegen ein Bier trinke, dann fühlt sich das wiederum als echt an und das andere ist entfernt. Mein Anspruch ist, dass beide Bereiche für sich lebensfähig sind. Außerdem gibt es eine positive Konkurrenz in mir, so komisch es klingt, aber es ist gut, in sich eine solche Konkurrenz zu spüren. Gibt es ein Grundthema in deinen Büchern? Im aktuellen Roman und auch in den vorherigen zwei Büchern geht es immer um die Wahrnehmungskrise. Jelinek und Handke beschäftigten sich mit dem sprachkritischen Ansatz, dass man der Sprache nicht mehr trauen kann. Bei mir bezieht sich dieses Misstrauen auf die gesamte Wahrnehmung. Kann ich eigentlich dem trauen, was ich sehe? Ist das, was ich wahrnehme, überhaupt real? Was ist virtuell, was ist real? In meinem ersten Buch ist es ein namenloser Archivar, der Filme sichtet und selbst eine Art Katastrophenfilm durchlebt. Meine Figuren sagen das eine und machen das andere. Kann ich also dem trauen, was ich empfinde oder wahrnehme? Das ist die zentrale Frage. Hast du Vorbilder? Ich würde nie jemandem nacheifern. Aber es gibt Vorbilder in der Haltung, wie jemand sein Ding durchzieht und sich nicht vereinnahmen lässt. Wichtig bei einem Schriftsteller ist, dass man es sich nie zu einfach macht, nie stehen bleibt, sondern immer etwas Neues erfindet. Deshalb mag ich Handke, er ist mein Lieblingsschriftsteller. Ich empfinde die österreichische Literatur, auch Bernhard, als angenehm, mag aber auch Paul Auster.


Text margit emesz Bild ecke bonk (hartmut nägele), gottfried bechtold (kunusthaus bregenz), vbk wien, michaela meliån & barbara gross galerie


car culture — Kunst-Ausstellung im Lentos Linz

Vom Highway ins Museum 041 Das Linzer Lentos wird demnächst Parkplatz für »Car Culture« und führt das Automobil als Skulptur vor. Im Angesicht der rasanten Omnipräsenz ist ein künstlerisches Befassen unausweichlich – aber haben die motorisierten Vehikel das Zeug zum Kunstobjekt? Stellen wir uns vor, wir lebten in einer Welt ohne Autos: Stille. Freie Straßen, Wiesen und Bäume so weit das Auge reicht, saubere Luft. Die Gardinen blieben ohne graue Patina und Gewichtsprobleme gehörten bewegungsbedingt der Vergangenheit an. Wir hätten deutlich weniger Tote auf den Straßen zu beklagen, würden sonntags mit dem Fahrrad ins Wirtshaus gondeln und könnten Nerven und Geld sparen, weil Benzin, Versicherung und Winterreifen keine notwendigen Anschaffungen mehr wären. Auf einen Schlag wären wir da einige Belastungen los, sowohl ökologisch als auch finanztechnisch. Aber mal ehrlich: Was würde Ryan Gosling aka The Driver dann wohl als Fluchtfahrzeug benutzen? Ein Fahrrad, einen Motorroller? Uncool. James Bond ohne Bentley oder Aston Martin, Batman ohne Batmobil, Marty McFly hätte den DeLorean gegen einen Tretroller tauschen müssen. Autos sind neben ihrem Nutzen als zweckdienliche Transportmaschinen zu Kultobjekten geworden – und ohne sie würden wir alle kräftig an Individualität einbüßen.

Skulpturenbegriffs unter Verwendung eines untypischen Werkstoffs. Auto-Bestandteile wie Reifen, etwa in der Versuchsanordnung »Der Lauf der Dinge« (1987) von Fischli / Weiss oder Allan Kaprows Happening »Yard« (1961) finden sich in der Bildenden Kunst wieder und wieder. Autohersteller wie BMW machen sich eine Symbiose mit der Kunstszene zunutze: Seit 1975 designen ausgewählte Künstlerpersönlichkeiten wie Roy Liechtenstein, Jenny Holzer oder Jeff Koons die Lackierung verschiedener Modelle für die BMW Art Car Collection.

Die Freiheit hinter dem Steuer? Während seines 125 Jahre langen Bestehens entwickelte sich der motorisierte Untersatz zu einer entscheidenden Komponente im menschlichen Dasein. Er ist kein simples Fortbewegungsmittel von A nach B – da könnten wir ja den Bus oder die Bahn nehmen. Das Auto verhilft uns zur Unabhängigkeit. Tür auf, Motor an und los geht der Road Trip im kleinen Schneckenhaus. Leider gibt es da aber auch die Bequemlichkeit: Kaum ein Weg ist mittlerweile zu kurz, um ihn nicht motorisiert zurückzulegen. Wir scheinen gebunden an dieses Blechgehäuse, das für viele Verlängerung des Egos oder subtile Messlatte einer gut oder weniger gut gefüllten Geldbörse bedeutet. Das zum Lebensstil passende Gefährt wird zur Freizeitbeschäftigung, im Idealfall wochenends shampooniert und möglichst schrammenfrei gehalten. Natürlich erfüllt es auch seinen Zweck als Transportmittel – schließlich kann man ja nicht alles zu Fuß herumschleppen, und Einkauf und Nachwuchs lassen sich zusammen schlecht auf den Drahtesel packen oder durch die U-Bahn schleusen.

Das Auto als Kunstwerk Die Begeisterung fürs Autofahren wird dem Menschen in die Wiege gelegt – das Kinderspielzeug auf vier Rädern rangiert in der Statistik ganz weit vorne. In Amerika sind Städte wie L.A. auf die Motorisierung des Menschen ausgerichtet, was einerseits an der Weite der Umgebung, andererseits an den industriellen und wirtschaftlichen Gegebenheiten liegt. Die Ballungszentren sind vollgeparkt – und das weltweit. Gebrauchsgegenstand, Transportmittel, Arbeits- oder Sport­ utensil, Statussymbol, das alles ist im Auto vereint. Kein Wunder also, dass sich seit Jahrzehnten auch die Bildende Kunst mit dem Fetisch Automobil auseinandersetzt. Der Futurismus erkor Anfang des 20. Jahrhunderts im Rausch der Geschwindigkeit das Auto zum dynamischen Wunderwerk, die Faszination für Speed ist aber ein Dauerbrenner in der künstlerischen Beschäftigung geblieben – Gerard Richter betitelte 1964 ein Bild zweier vorbeibrausender Rennwagen treffend mit »Ich fahre also bin ich«. In den 60er und 70er Jahren avanciert das Auto zum plakativen Kult- und Werbeobjekt und damit zu einem Aushängeschild der Konsumkultur. Aber auch Kritik wird geübt am destruktiven Charakter der Raserei, etwa in Andy Warhols »Car Crash«Bildern aus der »Death and Disaster«-Serie. Fälschlicherweise mit der Faszination für den Unfall in Verbindung gebracht wurden John Chamberlains Skulpturen aus Autoschrott. Dem letztes Jahr verstorbenen Bildhauer ging es seit den 50er Jahren um das Aufbrechen des

Laue »Car Culture« in Linz Das Linzer Lentos eröffnet nun ab März 2012 den Autosalon für die Ausstellung »Car Culture«. Die bedauerlicherweise sehr abgespeckte Version der zuvor im ZKM Karlsruhe gelaufenen gleichnamigen Schau möchte vor allem den skulpturalen Aspekt des Vierradvehikels beleuchten. Die abgeparkten Exponate sind teils Nachbauten, Verfremdungen oder Abstrahierungen des Objekts »Auto«. Gottfried Bechtold, bekennender Porsche-Fetischist, greift Chamberlains Idee vom zusammengedrückten Blech auf und verschrottet einen Luxuswagen. »Gimme Gummi« (2003), eine rummelplatztaugliche Installation von Severin Hofmann, David Moises und Leo Schatzl, hängt als VW-Schaukel in den Seilen. Hinters Licht führen Hannes Langeders sogenannte »Mimikry«-Skulpturen: Pseudovehikel ohne Motorantrieb – eine »Hommage an die Entschleunigung«. Tobias Rehbergers Arbeit beschäftigt sich mit der falschen Wahrnehmung eines gewohnten Anblicks und Aufarbeitung der NS Vergangenheit des Volkswagens. Neben Imitationen oder Umbauten bekannter PKW-Marken zeigt die von Stella Rollig und Magnus Hofmüller kuratierte Schau auch subtiler auf den formalen Aspekt des Autos ausgelegte Installationen. Michaela Meliáns »Berta Benz« (1989 / 99) lässt nur Konturen unter einer weißen Abdeckung erkennen. Während Peter Weibel zur Metapher des Schildkrötenpanzers anregt, bietet die Künstlergruppe »superflex« eine willkommene Abwechslung in Form eines Videos, das das Abfackeln eines silbernen Mercedes dokumentiert. Erfrischend unlustig, denn irgendwie drängt sich der Eindruck auf, dass die Mehrzahl der Autoskulpturen auf Witzigkeit abzielt – richtig, ein Erwin Wurm darf im Inventar natürlich nicht fehlen. Ecke Bonks »Deutsche Einheit / German Unit: Trabant E Klasse« (1989 / 2009) sticht als sozialpolitisch motivierte Arbeit heraus: K.I.T.T. Baujahr Mauerfall, eine Computerstimme im Inneren des Wagens spricht »Das Kapital«. Die Thematik »Auto als Skulptur« und die dabei getroffene Auswahl erweist sich als allzu beliebig. Sicher wird diese Ausstellung Schaulustige anziehen, bei echten Autofreaks und Kunstbegeisterten könnte aber eventuell ein schaler Nachgeschmack bleiben.


verpackungsdesign — Relaunches, Rebrushes und Back to the Roots

Heimat im Regal 042

Text PETER STUIBER Bild perludi

Was wir kaufen, hängt oft nicht vom Inhalt ab, sondern von der Verpackung. Besonders in Krisenzeiten suchen wir das Vertraute im Supermarkt: Willkommen im neuen Biedermeier! Kaum jemand in Österreich kennt Silvio Raos. Doch wohl jeder von uns hat schon ein Produkt konsumiert, dessen Verpackung von seinem Büro gestaltet wurde. Sei es nun ein Fruchtsaft von Rauch, ein BioProdukt der Spar-Eigenmarke, Milka-Glückstaler oder Ölz-Toastbrot. Raos ist schon eine halbe Ewigkeit im Geschäft. Der Vorarlberger startete 1978 als One-Man-Show und spezialisierte sich bald auf den damals noch stiefmütterlichen Zweig des Verpackungsdesigns, wobei es anfangs hauptsächlich um die berüchtigte Behübschung von Produkten ging. Das hat sich grundlegend geändert. Heute ist Verpackungsdesign fest integriert in die große Corporate Design-Maschinerie, bei der nichts dem Zufall überlassen bleibt. Wie die meisten Verpackungsdesigner kommt Raos von der Grafik, er hat sich aber im Laufe der Jahre zum Markenstrategen und Allrounder entwickelt, der mit seinem 14Mann / Frau-Büro ein weites Feld abdecken kann. Bekannte andere Player auf dem Markt sind Werbeagenturen wie Demner & Merlicek,

kleinere Büros haben aus Kapazitätsgründen kaum eine Chance, einen größeren Pitch zu gewinnen.

Einfachheit und Biedermeier Raos selbst würde sich nicht als Verpackungsdesigner bezeichnen, sondern als »Concept Designer«, der seinen Auftraggebern gelegentlich auch ganz von sich aus Produktlinien vorschlägt. »Was man dabei unbedingt braucht, ist ein Gespür für Marken und das Know-how, wie die technische Umsetzung aussehen kann.« Die Veränderungen der vergangenen Jahre seien enorm gewesen, allein schon, was die Drucktechnik auf den Verpackungen angeht. Was die Grafik betrifft, lässt sich ein eindeutiger Trend feststellen, passend zum sonstigen westlichen Lifestyle: »Mehr Simplicity«. Also weg von den Schnörkeln, hin zur Klarheit. »Und was man nicht vergessen darf: mehr Information. Heute gibt es Konsumenten, die zuerst auf die Nährwert-Tabelle schauen und erst dann erst auf das Branding.« Die Verpackung spricht also nicht nur emotional zu uns, sondern hat auch


immer umfangreichere Hard Facts mitzuliefern. »In naher Zukunft wird sicher auch den QR-Codes eine größere Rolle zukommen, wenn es um hinterlegte Informationen und Möglichkeiten zum Response geht.« Gesellschaftliche Entwicklungen lassen sich auch in der Motivauswahl, der Fotoästhetik und den Farbcodes ablesen, mit denen Verpackungsdesigner arbeiten. Raos’ Zeitdiagnose fällt hier eindeutig aus: Wir sind mitten im neuen Biedermeier. »Da gibt es das typische Cocooning-Verhalten: Die Menschen wollen gut leben und ihre Welt heil und in Ordnung sehen, davon leben die Bereiche Einrichtung, Heimtextil, Freizeit und eben gutes Essen. Selbst urbanere junge Menschen kochen immer öfter und entwickeln eine höhere kulinarische Kultur, auch weil sie sich Restaurantbesuche nicht mehr leisten können.« Darauf reagiert die Lebensmittelindustrie, große Revolutionen sind dabei allerdings tabu. Alle drei, vier Jahre folgt ein sanfter Relaunch, der dem Konsumenten gar nicht bewusst wird – Gott sei Dank, er oder sie wäre sonst womöglich verstört. Einer, der die Veränderung von Produktverpackungen archivarisch verfolgt, ist der Grafikdesigner Christian Thomas. Seit acht Jahren dokumentiert er in seinem Fotoblog auf www.vorher-nachher.at die Weiterentwicklung der Warenwelt. Unter den derzeit rund 150 Produkten finden sich Marken wie Maggi, Iglo, Inzersdorfer oder Nesquick. »Mir geht es nicht um Nostalgie, sondern um Bewusstmachung von Design, das kaum thematisiert wird, obwohl es so großen Einfluss auf unser tägliches Leben hat.« Sein Interesse geweckt hatten die vielen Relaunches von Marken um 2000. »Da gab es eine enorme Nervosität, jeder glaubte, etwas Neues machen zu müssen, selbst Produkte, die es in ihrer Form schon seit Jahrzehnten gab, blieben

davon nicht verschont.« Mittlerweile habe sich diese Hyperaktivität wieder etwas gelegt, auch die grafische Überladung inklusive rasanter optischer Effekte (erst möglich durch neue Drucktechniken) wurde zurückgenommen, heute tendiere man zur Übersichtlichkeit. Immer wieder hat Thomas auch missglückte Relaunches beobachtet, etwa bei Baileys, bei dem die stilisierte irische Landschaft aus dem Etikett entfernt wurde, um schließlich nach einem Jahr wieder ein Comeback zu feiern: Romantik rules!

Retromania Wie sehr Konsumenten Halt im Design von Konsumartikeln suchen, beweist auch das inflationäre Vorkommen von sogenannten Nostalgiepackungen, sei es für Schokolade, Coca-Cola oder MannerSchnitten. Kein Wunder daher, dass einige das Thema Verpackungsdesign für sich auch als Experimentierfeld entdeckt haben: Mit ein paar klugen Tricks lassen sich Erwartungshaltungen spielerisch erkunden. Ein Beispiel dafür ist die türkische Designer-Truppe Antrepo, die durch gezielte Reduktion das typografische Skelett von großen Marken wie Red Bull bloßgelegt hat. Solche konzeptuelle Herangehensweisen machen einem erst bewusst, wie sehr Produktverpackung in unserem Unterbewusstsein verankert ist. Wem der Hang zum Vertrauten im Supermarkt allzu verdächtig nach Heimatnostalgie klingt, der sollte sich eine nackte Zahl vor Augen halten: Von 100 Produkten halten sich gerade mal drei langfristig im Supermarkt, der Rest verschwindet. Wenn wir uns nicht an den drei Prozent orientieren könnten, was würde uns sonst Halt geben? www.vorher-nachher.at — www.raos.at


MICHAEL STRABERGER

der wortwechsel. vier personen zur frage:

Präsident des Österreichischen Werberats

Hat das Auto als Statussymbol ausgedient?

»Inszenierung legt einen Gang zu« — Das Auto zeigt seit seiner Erfindung auf seinen Besitzer und auf dessen Umfeld eine besondere Wirkung. Nicht nur die Distanzüberwindung selbst, sondern auch die »Fortbewegung« an sich hat ein Eigen- und ein Fremderlebnis, das eher mehr als weniger ausgelebt sein will. Vereinzelt auftretende, scheinbare Statussymbol-Verweigerer, die das Auto auf reine Nutzengenerierung reduzieren wollen, schaffen damit primär Argumente, einer Inszenierung des Autos noch mehr Kraft zu geben. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir mit Hybrid oder reiner elektrischer Energie fahren werden, höchstens, dass die Innovation besonderen Reiz stimuliert und sich die Begehrlichkeit beim Nutzer und beim Betrachter weiter steigert. Marketing und Werbung übernehmen dazu hilfreich ihren Beitrag und legen für eine der Schlüsselindustrien des Wirtschaftsmotors immer noch einen Gang zu.  Michael Straberger, 47, ist Geschäftsführer von Straberger Conversations, einer Agentur für Vertriebs- und Beziehungsmarketing in Wien sowie Präsident des Österreichischen Werberats. Darüber hinaus hat er eine Vorliebe für schwere, geländegängige Fahrzeuge.

»Was mein Auto angeht«, rappt MoTrip aus Aachen, »bin ich zufrieden, wenn mein Auto angeht«. Das ist geradezu unerhörtes Understatement für ein Genre, das sonst seinen FuhrparkFetisch zelebriert. Der Showdown des Videos zum gleichnamigen Track findet im Autohaus statt: Der Rapper retourniert den Wagen an einen verdatterten Verkäufer, der erkennen muss, dass die Probefahrt bloß genützt wurde, um günstig einen Videoclip zu drehen. So geht’s: Borgen statt stehlen – und nach der Spritztour einfach wieder zurückgeben. HipHop-Lifestyle in Vollkasko, ganz ohne gepanzerte Limousinen. Das ist ziemlich zeitgemäß, denn was Jeremy Rifkin bereits im Jahr 2000 prophezeit hatte – »The Age of Access. The New Culture of Hypercapitalism« – verändert nun die Automobilität als solche. Immer mehr Menschen ist es nicht mehr wichtig, selbst ein Auto zu besitzen – sondern eines nutzen zu können, wenn sie es brauchen. Seit längerem setzt Carsharing.at (Denzel) auf dieses Prinzip. Seit Dezember 2011 bringt Car2Go (Daimler) Bewegung in den Spontanverleihmarkt. In Salzburg startete Rewe gemeinsam mit der Salzburg AG Anfang März ein Verleihservice. Demnächst gehen Angebote in Leibnitz und in der Buckligen Welt in den Testbetrieb. Dabei ist dieser eher leidenschaftslose Zugang zum Thema Auto in etwa das Gegenteil der Formel, mit welcher der damalige ÖVP-Newcomer Sebastian Kurz bei der letzten Wien-Wahl punkten wollte: Sein »Geilomobil«, ein schwarzer Hummer-Geländewagen als Wahlkampfturbo, stand für nichts anderes als für Auto = geil. Der Erfolg war mäßig. Wobei die eigene Automobilität aber gerade ganz Jungen immer wichtiger erscheint. Dafür darf die Anzahl der Führerscheinneulinge als Indikator gelten: 2010 wurden um 1,5 Prozent mehr neue Führerscheine ausgestellt als 2009 (Statistik Austria). Konkret waren das 91.500 neue Lenkerberechtigungen allein 2010. Demgegenüber stehen 11.000 registrierte Carsharing-Kunden und jene 100.000 Kunden, die das Unternehmen gegenüber den Salzburger Nachrichten als Potenzial nannte. »Menschen, insbesondere jüngere, sind heute pragmatischer unterwegs. Das Auto dient da nicht mehr so sehr dem Angeben, seinen Status in der Gesellschaft muss man nicht mehr mit der Zahl der Zylinder darstellen. Das wird heute durch andere Insignien dargelegt, durch Smartphones, wie man sich kleidet, welche Musik man hört«, sagt Wolfgang Grob von Opel. Nachsatz des Marketingmanns: »Opel baut aber ohnehin keine Statussymbole, sondern Autos die Spaß machen, umweltfreundlich und am letzten Stand der Technik sind.« Ganz ausgeträumt hat ihn scheinbar aber auch MoTrip aus Aachen nicht, den Traum vom symbolträchtigen Schlitten. Anders lässt sich die Drohgebärde gegenüber seinem Gegenspieler kaum erklären: »Ich geh zu Fuß los und komm mit deinem Porsche nach Haus.« The Gap wird das Thema auf www.thegap.at weiter verfolgen.

dokumentation moritz gaudlitz text thomas weber

Radfahren ist schick, Parkraum wird bewirtschaftet und Carsharing-Projekte beginnen nichturbane Landstriche zu erschließen. Wie sieht sie aus, die Zukunft des Automobils?


Maria Vassilakou

Roman Stiftner

Christine Chaloupka-Risser

Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin

Verkehrssprecher der ÖVP Wien

Verkehrspsychologin

»Auto hat Kratzer abbekommen« — Ein Statussymbol soll die soziale Stellung des Symbolträgers demonstrieren. Je wertvoller das Symbol, desto höher wird das Einkommen des Besitzers geschätzt. Und Geld bedeutet Macht, Einfluss und Erfolg. War es im Mittelalter und früher Neuzeit die Ritterrüstung – je teurer, desto statusträchtiger – ist es jetzt die mobile Blechschüssel, die das Selbstwertgefühl im alltäglichen Straßenkampf bestimmt. Also VW Polo verliert gegen Porsche Cayenne. Oder Opel Corsa gegen Audi Q3. Aber stimmt das so noch? Sind im Stau nicht alle gleich? Oder bei der verzweifelten Parkplatzsuche? Statussymbole halten sich oft zäh, doch das Mobilitätsverhalten ist im Wandel und damit auch die Einstellung zum Auto. Wien wächst. Jedes Jahr kommen rund 20.000 neue Wienerinnen und Wiener dazu. Dadurch steigt die absolute Zahl an Autos in der Stadt. Der Autobesitz pro Kopf nimmt jedoch weiter ab und ist mittlerweile mit 394 Autos pro 1.000 Einwohner der niedrigste in ganz Österreich. Und: Auf Wiens Straßen – ausgenommen der Autobahnen – sinkt seit 2005 das Verkehrsaufkommen. Trotz steigender Zulassungszahlen sind weniger Autos unterwegs. Das heißt nichts anderes als: Immer mehr Autos stehen immer öfter herum. Das Autofahren verliert an Reiz und wird einfach zu teuer. Das Statussymbol Automobil hat einige Kratzer abbekommen. Mobil sein ist aber mehr denn je Statussymbol und ist viel weiter gefasst. Dafür genügt das Auto schon lange nicht mehr. Die Statussymbole von heute sind smart, klein und flexibel.  Maria Vassilakou, 43, ist Vizebürgermeisterin in Wien und als Stadträtin u.a. für Stadtentwicklung, Verkehr und Klimaschutz zuständig.

»Brauchen keinen Autofetischismus« — Das Auto sollte kein Statussymbol, sondern als eine Möglichkeit gesehen werden, um den Mobilitätsbedarf des Einzelnen zu befriedigen. In Wien brauchen wir daher weder einen Autofetischismus noch einen Autohass in der Verkehrspolitik. Das Auto muss durchaus in einem urbanen Raum wie Wien seinen wesentlichen Platz haben. Auch Autofahren ist für viele Menschen ein Teil der Lebensqualität, vor allem für jene, die beruflich auf das Auto gar nicht verzichten können. Wir setzen daher auf Wahlfreiheit bei der Verkehrsmittelbenützung. Wer auf das Auto verzichten will, dem sollen auch die entsprechenden öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen. Ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel ist daher eine wichtige Forderung an die Stadtregierung. Vor allem ein rascher Ausbau der U-Bahn ins Wiener Umland wäre wichtig. Das wäre die Voraussetzung dafür, möglichst viele autofahrende Pendler von den Autos in die öffentlichen Verkehrsmittel zu bekommen, um damit die alltäglichen morgendlichen Staus zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist auch die Errichtung von P & R-Anlagen, in denen die Einpendler ihre Autos gleich am Stadtrand parken können, eine wichtige Forderung. Überhaupt muss das Parkplatzproblem rasch gelöst werden, um den Verkehr in Wien stadtverträglicher zu gestalten. Keinesfalls wollen wir aber in dieser Stadt, dass die einzelnen Verkehrsteilnehmergruppen gegen­ einander ausgespielt werden – alle haben ihre Berechtigung und sollen auch nebenund miteinander existieren können. 

»Dramatischer Werteverfall beim Umweltschutz« — Vor einiger Zeit wies eine Studie des ÖAMTC eine erhöhte Anzahl von SUVs gerade in Wien aus. Die Verkaufszahlen von PKW sprechen eine eindeutige Sprache: Es gab 2011 einen wahren Boom. Nach der neuesten ARAL-Studie 2011 sehen Kriterien für den Autokauf so aus: Die Finanzkrise scheint vor dem geistigen Auge der Autokäufer überwunden, wobei Frauen sich preisbewusster zeigen. Auf den Preisfaktor folgen drei Kriterien mit einem Anteil von jeweils 46 Prozent: Design, Komfort sowie Verbrauch / Wirtschaftlichkeit. Die ersten beiden haben seit 2003 einen deutlichen Anstieg in ihrer Bedeutsamkeit erlebt, Wirtschaftlichkeit hingegen ist nicht mehr so relevant (Rückgang von 60 auf 46 Prozent). Der Umweltschutz erlebt einen dramatischen Werteverfall: 2003 interessierten sich noch 49 Prozent der Befragten dafür – aktuell sind es nur noch 19 Prozent, unabhängig von Alter und Geschlecht! Männer achten insgesamt vergleichsweise stark auf Komfort und ein großes Platzangebot, während sich Frauen eher von einem auffälligen Design zum Kauf verleiten lassen. Offensichtlich sind die Ökologiewünsche noch nicht stark genug und die Autowirtschaft tut alles, damit das Auto nicht an Wirkung verliert. Und die Politik bläst ins selbe Horn, anstelle die Ökologiewertigkeit zu forcieren: in Zeiten, wo alles versucht werden sollte, um das Kyoto-Protokoll umzusetzen, gab es »Verschrottungsprämien«. Was man nicht so sehr sieht: Das Umdenken vom Autobesitz hin zur –verwendung sowie das Lancieren von Carsharing oder Mitfahrzentralen. Diese sind bei Jugendlichen in Österreich durchaus ein Thema. 

» Umweltschutz ist nur mehr für 19 Prozent Thema – unabhängig von Alter und Geschlecht.« (C. Chaloupka-Risser)

Roman Stiftner, 42, er ist Verkehrssprecher der ÖVP Wien und seit 2005 Wiener Gemeinderat und Landtagsabgeordneter.

Christine Chaloupka-Risser, 55, ist Verkehrspsychologin und Geschäftsführerin des Wiener Forschungsinstituts factum Chaloupka & Risser.



Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Claudia Schulik, 32, Verkaufsleiterin

Ja, ganz so ausgefallen wie an diesem Abend ist der Arbeitsplatz von Claudia Schulik (Mitte) nicht immer. Aber Aktionen wie diese am Rosenball gehören doch zu ihrem Tätigkeitsfeld. Grundsätzlich ist Claudia Schulik Autoverkäuferin bei Mini Wien, der einzigen Niederlassung in Österreich. Nach dem für sie farblosen Alltag bei einem Telekom­anbieter weiß sie seit vielen Jahren die abwechslungsreiche Tätigkeit mit »ihren« bunten Autos sehr zu schätzen. Sie ist vom Produkt überzeugt und genießt es, mit dem Kunden den passenden Wagen zusammenzustellen und damit den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Sie verkauft Emotionen und Lifestyle. Langeweile kommt nicht dabei auf. Auch außerhalb des Mini Zentrums finden in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern Events statt: Künftig tritt Mini Wien auch im Grünen auf, denn seit Jänner sponsert die Marke die Vienna Vikings, Wiens bekannteste American Football-Mannschaft. www.mini-wien.at

bild Veronique Giroud dokumentation Martin mühl


Workstation — MENSCHEN AM ARBEITSPLATZ

Mario Neugebauer, 36, Künstler

Mario Neugebauer füllt Räume schnell mit seiner Präsenz und nicht nur jene, die ihn aus dem (Wiener) Nachtleben kennen, spüren die Kraft und Erfahrung, die seine zum Teil bewegte Jugend und Vergangenheit mit sich bringen. Seine Aussagen sind klar, zeugen von Leidenschaft, Humor – und einem hohen Grad an Reflexion. Genau diese Eigenschaften begleiten auch seine Arbeit. Zuerst lernte der Wiener Karosseriebauer bei Mercedes. Nicht immer legale Beschäftigungen führten ihn zu Graffiti und Street Art, später studierte er an der Bildenden in Wien und in Düsseldorf Kunst. Bekannt ist Neugebauer, der schon als Kind Motorsport (Moto-Cross-Rennen) bestritt, für seine Arbeiten mit Karosserieteilen: Mit seinen Tischen aus kaputten Motorhauben bewegt er sich bewusst zwischen Franz West und Richard Prince, KarosserieAbgüsse gibt es in Realmaßen und Motorenteile werden zu bunten Körper-Skulpturen. Darin steckt mitunter gehörig Spiel mit der Faszination des Unerreichbaren. Und wenn er über seine aktuellen Bilder (Collagen) spricht, kommt er schnell zur Aussage, dass Bilder in erster Linie Werbung, Eigenwerbung (Auto Agitation) für den Maler (Künstler), seien. Mittlerweile stellt Neugebauer international aus, war als Kurator im Zögernitz in Wien tätig und betreibt mit Rambo Contemporary wechselnde Ausstellungsorte in Berlin. . www.marioneugebauer.com



Advertorial — powered by impulse

Glas als künstliche und natürliche Lichtquelle

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Fotos: www.lightglass.net

Die innovative Technologie LightGlass zur Bearbeitung von Architekturglas spannt den Bogen zwischen Ästhetik, Funktion und Nachhaltigkeit. Besonders im Nahen Osten fand man im Zuge der Baumesse 2009 in Dubai daran Gefallen. Die 2005 patentierte Entwicklung mit dem Namen LightGlass bietet findige neue Möglichkeiten zum Einsatz von Glas in Architektur und Raumgestaltung. So wird Glas zur Lichtquelle, zum Beleuchtungskörper oder zu einem Raumteiler mit individuellem Design. Außerdem erlaubt es die Integration technischer Module. Dabei kommen zwei unterschiedliche Modelle zur Anwendung: Mit »LightGlass Luminis« lässt sich Glas vollflächig beleuchten, indem in einen Isolierglasverband ein von der Seite mit LEDs bestrahltes Spezialmaterial eingesetzt wird. »LightGlass Color« hingegen ist ein neues Verfahren zur Herstellung von Glas mit dreidimensionaler Farbwirkung durch Integration eines speziell mit Laser geschnittenen Acrylglases. Mit seiner Transparenz intensiviert es so den natürlichen Einfall des Sonnenlichts oder wird transluzent zur Lichtstreuung bzw. als Blendschutz einsetzbar. Die individuelle Produktion erfolgt mit Lizenzpartnern, die Architekturglas herstellen. Mittlerweile besteht das kleine transdisziplinäre Team (seit 2010 eine Kommanditgesellschaft) aus DesignerInnen, EntwicklerInnen und BetriebswirtInnen und das Patent erstreckt sich auf sieben europäische Länder und die USA. Derzeit wird an einer Stärkung der Kontakte zu Lizenznehmern und des Vertriebsnetzes beziehungsweise an der Etablierung am europäischen Markt gearbeitet. www.lightglass.net

»Wir wollen mit der Vermarktung unserer Technologie nicht nur eine ökonomische Basis des Unternehmens realisieren, sondern Visionen in Bezug auf architektonische Möglichkeiten umsetzen, die durch eine echte Innovation geschaffen werden.« (Linda Czapka)


Linda Czapka über impulse Forschung und Entwicklung ist teuer, wir mussten viele Komponenten erst entwickeln. Prototypen serienreif zu bekommen kostet einiges und ohne Förderung wäre das unmöglich. Auch das Errichten und die Aufrechterhaltung einer effektiven Intellectual Property, alles was mit Patent- und Rechtsschutz zu tun hat, wäre nicht realisierbar.

2005 wurde LightGlass patentiert. Was ist seither passiert? Ein Netz aus qualitativen Lizenznehmern und Vertriebspartnern aufzubauen ist viel Arbeit. Nach dem Erfolg in Dubai sind wir 2010 nach Las Vegas zur größten amerikanischen Baumesse geflogen, auch da gab es tolles Feedback. Der amerikanische Markteintritt steht aber noch aus, zuerst wollen wir uns in Europa etablieren. Wir arbeiten stets an der Weiterentwicklung, alle verwendeten Komponenten wurden in Zusammenarbeit mit Spezialisten eigens entwickelt – viel Forschungsarbeit, die ihre Zeit braucht. Wie erklären Sie sich den großen Absatzmarkt im Nahen Osten? Welche Bauvorhaben wurden dort realisiert? Trotz des großen Interesses und zahlreicher Anfragen kam es dort bis dato noch zu keiner Umsetzung eines Bauprojekts. Der Bauboom in Dubai etwa stagniert derzeit, der Absatzmarkt ist aber sicher da. Das Interesse erklären wir uns unter anderem dadurch, dass aufgrund kultureller Gegebenheiten die »Angst« vor dem Einsatz von Farben dort nicht so groß ist wie hier, zum anderen gibt es eine alte Tradition von farbigen Ornamenten. Für Europa und den Nahen Osten besteht mittlerweile ein nahezu flächendeckender Vertrieb, in den USA fehlt bislang noch ein Distributionssystem. Es ist viel Arbeit, ein umfassendes Netzwerk an Lizenznehmern, Produzenten und Vertriebspartnern aufzubauen. Wir wollen nur mit Partnern arbeiten, die unsere Standards auch einhalten. Der Zeitpunkt des amerikanischen Markteintritts hängt auch davon ab, wie schnell es uns gelingt, in Europa gut aufgestellt zu sein.

Beim Anbau der Technischen Lehranstalt Klagenfurt kam LightGlass großflächig zum Einsatz. Sind es vorwiegend architektonische Konzepte oder gibt es auch Kunstprojekte, in denen das Produkt Anwendung findet? Wir wollen uns primär unter Architekten etablieren, da die Technologie den Einsatz von Glas in einer noch nicht dagewesenen Form und damit neue architektonische Konzepte ermöglicht. Laufend kommen aus den verschiedensten Gebieten Anfragen zu unterschiedlichsten Anwendungsmöglichkeiten unserer Produkte – vorwiegend aber aus der Architektur.

Das Förderprogramm impulse der aws unterstützt LightGlass im Rahmen von impulse XL. www.impulse-awsg.at


Gründerserie Lookk No 20 von Andreas Klinger

Fashion Weeks sind schön … weird   Von weiblichen Mitarbeiterinnen belagert, die immer kreativere Gründe finden, warum sie auf gerade diese Fashion-Show müssen, versinkt Andreas Klinger, Co-Founder des Fashion Internet-Startups LOOKK.com, im paradoxen Zirkus der London Fashion Week.

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lötzlich laufen alle nur noch in High Heels und engen Lederhosen herum. Von heute auf morgen ist jeder dreimal so stylish und lässt ab nun die Irony HipsterGarderobe im Kasten. Blogger fliegen aus Nirgendwoslavia samt Kamera, rsvp Cards und iPhone-Ladegerät ein. Und die eigene freie Couch ist auf einmal populärer denn je zuvor. Jeder will in die richtigen Shows, auf die richtig coolen Afterpartys. Dort reinzukommen kann schnell mal ein paar Tage hin- und hermailen bedeuten – aber dann gibt es rsvp’s für alle! Champagner zum Einstimmen und am Besten direkt auf die Afterparty. »Ach, kreisch, du bist auch ein Model? Wie toll, ich bin Fotograf!« Vielleicht nehme ich das Ganze etwas zu einseitig wahr, aber London – und vor allem unser Büro – implodiert momentan im Rahmen der Fashion Week.

Like! Einst in den 90ern war es das große Ding, aus teuren Modemagazinen zu erfahren, welche Trends in sechs Monaten »in« sein werden. Aber mal ehrlich – Fashion Weeks sind inzwischen weit weg von dem, was sie einmal waren. Blogger bloggen ihre Blogs in Echtzeit und echt zeitig voll und Pinterest, Instagram sowie Twitter schießen die Vogue im Vorbeigehen tot. Tumblr schickt Blogger all-inclusive auf die New York Fashion Week und TrendForecaster nutzen lieber Facebook-Likes als journalistische Expertisen. Das exklusive Flair von verschlossenen Türen für alle außer Retailer und Top-Presse ist lange passé. Modewochen werden zu MedienEvents der Unterhaltungsindustrie – wer reinkommt, donnert auf und feiert ab.

Wer zu fett ist, geht halt stattdessen zur Superbowl. Nachfrage ist da und Shows gibt es auch genügend, nachdem jeder Seitenstraßenverein eigene Subevents der Fashion Week macht und zusätzlich jedes Kaff zur lokalen Modewoche ruft.

Noise! Überall Lärm, und neue Shows gehen in dem Trubel eher unter als auf. Neben den Shows gibt es die Trade Fairs, wo ja das eigentliche Business stattfinden sollte. Letztere erscheinen mir gänzlich paradox und unlogisch, denn sie sind erschreckend unrentabel für Jungdesigner. Mit Lockargumenten, vom Shop-Einkäufer bis zum Medienvertreter, werden Designer zur Selbstversklavung überredet und ihnen dann mehrere tausend Euro für mittelgute Stände abgeknöpft. Die Idee ist simpel: Präsentiere Shop-Einkäufern deine neue Kollektion, sammle Aufträge für die anschließende Produktion und Saison und erhalte Presseberichte ohne Ende. Die Praxis sieht aber meist anders aus: Die Einkäufer verhalten sich äußerst zögerlich. Eingepfercht in ihren Ständen, eingekreist von ihren Kollektionen und ihresgleichen, warten auf sie die Jungdesigner. Gelangweilt und aufgeregt zugleich gehen sie im Kreis oder starren ins Leere. Nähert man sich einem Stand, weckt man Hoffnungen,

Augen werden groß, Lippen schmal, ehe man einen Schritt weitermacht und im nächsten Stand verschwindet. Fährt ein Designer nach mehreren Tagen mit zwei oder drei neuen Shops im Vertriebsnetzwerk nach Hause, ist er unter den Glücklichen. Und so fühle ich mich persönlich auf den Fairs eher wie im Adoptionsbereich im Jungdesigner-Tierheim: Gelte es nicht als gängige Praxis, wäre es eigentlich menschenverachtend. Das traditionelle Industriesystem ist angeschlagen, funktioniert gleichzeitig aber noch gut genug, um mit vollem Tempo weiterzumachen. Hier mit Innovation entgegenzutreten ist unsere Aufgabe mit lookk, und diese Aufgabe ist teilweise so schwierig, dass ich selbst oft nicht mehr weiß, was als Nächstes zu tun ist, um nicht als Clown im in diesem Zirkus zurückzubleiben. Und im Versuch, nicht einfach durchzudrehen, erwische ich mich immer öfters, wie ich grinsend im Mode-Smalltalk mitmache: »Honey, I love your skirt! Und ja sowieso ist deine Vintage Fake FurJacke total chic. Hier, trink deinen Sekt und iss bitte endlich deinen Keks. Wir müssen dann ja noch zur Afterparty …« F*ck. Nach dieser Woche brauch ich eine Fashion Detox.

Andreas Klinger @andreasklinger


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Prosa von Milena Michiko Flašar

milena michiko flaŠar mag innere monologe. gleichzeitig beherrscht sie die kunst, gedankenstrudel strukturiert ausufern zu lassen. was einem museumswärter alles durch den kopf geht, liest man in dieser kurzgeschichte.

Tags im Museum Ohne Punkt und Komma – Eine Elegie Formularbeginn Formularende Name: Gustav G. --- Alter: 58 --Beruf: Museumsaufseher … verrückte Bilder das! Ich mein, da fällt einem alles auseinander. Der Tisch dort, der Stuhl. Und der Vogel da! Der ist was Symbolisches und hat aber gar keine Flügel und kreischt. Ganz weiß ist der, wo doch sonst alles rot. Und die Tür! Die Palette! Die wackelt so ohne Gewicht. Zum Verrücktwerden, mein ich. Wer kann sich das anschauen? Ich nicht, jedenfalls macht mich das blind. Aber muss wohl, muss! Ist große französische Kunst und das soll einer verstehen und grad einer wie ich! Ja, der Braque!, haben die gesagt und stehen und schauen, als ob sie’s verstehen. Ich mein, da fällt einem doch alles auseinander. Die Frau dort ein Würfel, der Mann da ein Strich. Und ich hier, gar nicht hier und bin doch echter als die mit ihren Sonntagsgesichtern. Keine Ahnung haben die, wie ich da in meiner Ecke. Dabei bin ich doch hier! Manchmal krieg ich eine Lust eins der Bilder zu zerhauen oder mit dem Kopf mitten durch … … aber besser ich halt mich da raus. Wird schon alles vorbei und ist ja nur weil die vom ams. Es ist halt schwer, haben die gesagt, so ohne Ausbildung und mit kaputten Knien. Ja, da kann man nichts machen. Und so Kunst, hab ich gedacht, das ist vielleicht gar nicht so schlecht. Wo ich ja selbst auch als Kind gern mit Wasserfarben und für die Mama ein paar Blumen. Die hat sie rahmen lassen, überm Esstisch, und hat sie hergezeigt der Tante Fritzi. So richtige Blumen, nichts Krixikraxi, so richtige, echte Blumen mit Stängel und Blüte. Aber der Braque, nicht wahr? Da fällt einem alles auseinander! Oder war der schasaugat oder was? Oder zerschossen vom Krieg wie der Onkel Hans,

der Tante Fritzi ihr Mann, der ist mit so halbertem Körper in der Küche und das war direkt zum Schlechtwerden, ich mein, wie mir der mit seinen drei Fingern den Teller zu. Und das Aug! Der hatte ein Glasaug. Und das Bein nur ein Stumpf, so zerschossen war der … … aber der Braque! Ich mein, der hat doch zwei Augen gehabt. Nein, sowas versteh ich nicht, dass man zwei Augen hat und dann. Dem seine Blumen sind ja nicht echt. Und so blöd bin ich auch wieder nicht von wegen Ausbildung. Nämlich mir kann man nicht so schnell was erzählen und ich glaub ja vieles, was man so sagt, aber dass man neun Euro bezahlt für was, was nicht echt ist, das geht mir partout nicht in den Kopf. Überhaupt Kopfweh krieg ich da herinnen, wie die da stehen mit ihren Ketterln und schauen. Ich mein, ich mach ja auch nur meine Arbeit und geh am Abend wieder heim und mehr soll man ja gar nicht mehr wollen. Naja, ein Bier ab und zu. Weil wo kommt man sonst hin? Ich mein, g’rad jetzt, wo die Wirtschaft und das kracht ja bummzack. Dabei hab ich mir das auch einmal anders gedacht. So mit sechzehn, da war ich schön dumm. Und die Welt war noch irgendwie ganz und nicht so Wischiwaschi. Ja, wenn ich d’ran denk, könnt ich direkt eine Sehnsucht bekommen. So nach einem kleinen Stückerl Erde und das gehört einem dann. Und da legt man sich hin und hat seine Ruh. So in der Sonne liegen und schauen. Und wenn dann das Licht. Ich mein, das tut schon gut, wenn’s so brennt. Weil die Natur, sag ich immer, auf die kann man sich noch verlassen. Da geht garantiert

nichts schief. Außer vielleicht das mit dem Klimadingsbums … … aber das geht mich nichts an. Ich mein, da tut man und tut und am Ende ist eh alles wuascht. Überhaupt seit die Mama tot ist. Und das hab ich mir auch nicht gedacht, dass so ein Mensch, wenn er geht, dass der dann wirklich nimmer da ist und dass dann, ich mein, die Ewigkeit, das kann man sich überhaupt nicht vorstellen, und dass man selber auch einmal und manchmal bin ich ja schon sehr müd, weil so wenig da ist, so wenig echt, und dann schau ich aus dem Fenster und denk, jetzt fängt der Winter wieder an und die Bäume so kahl und keine Blätter mehr. Alles am Boden. Scheiß Natur. Ja, wirklich, muss man schon sagen. Jetzt, wo ich drüber nachdenk, ist die ja auch nix Fixes … … aber ich denk zu viel. Fasson, hat der Papa immer gesagt. Das ist französisch so wie der Braque. Und wie der hat hauen können, der Papa, da war ich acht, haut der der Mama ihre Blumen überm Esstisch runter, dass alles nur so kracht, und hupft mit den Füßen drauf und fragt mich, ob ich mich nicht genier von wegen ob ich nicht was Besseres als malen. Das war ein Saustall, mein Lieber, die ganzen Farben am Boden. Fast wie das Bild da! So mit dem Blau und dem Weiß, irgendwie schön. Und da hab ich mich nachher direkt gefreut, wie der Papa, das war ein Unfall auf der Baustelle. Und wie er da gelegen ist. So verrenkt. Da hab ich mir zum ersten Mal gedacht, dass das alles ganz schnell gehen kann und das war eine richtige Freud’. Weil er ja die Mama immer so sekkiert hat und beim Begräbnis hab ich


Ad Personam

Klar und deutlich, mit Mut zum starken Bild, präsentiert sich die Prosa von Milena Michiko Flašar. Von Liebe, Angst, Freude und Trauer, von den großen Emotionen ist bei der St. Pöltnerin die Rede. Eine Prosa, die, nicht nur wenn sie sich der hohen Kunst des Inneren Monologs widmet, imstande ist, eine gehörige Sogwirkung zu entfalten. Wie das aussieht, lässt sich im Schnelldurchlauf in der hier abgedruckten Geschichte nachzuvollziehen, wenn sich ein Museumsangestellter in Gedankenpirouetten vom Hundertsten ins Tausendste dreht. Dringender sei aber an dieser Stelle der mittlerweile dritte Roman der 31-Jährigen empfohlen, die in Wien und Berlin Komparatistik, Germanistik und Romanistik studiert hat. In »Ich nannte ihn Krawatte« (Verlag Klaus Wagenbach) erzählt Flašar die Geschichte von zwei Außenseitern der japanischen Gesellschaft. Der eine jung, aber ein »Hikikomori«, ein Nesthocker, der sich dem Leistungsprinzip der Gesellschaft entzogen hat und sein bisheriges Leben versteckt vor der Öffentlichkeit im Kinderzimmer verbracht hat. Der andere ein alternder »Salaryman« in Anzug und Krawatte, der bereits vor über einem Jahr seinen Job verloren hat, vor Verwandten und Bekannten aber den Schein wahrt und täglich vortäuscht, zur Arbeit zu gehen. In einem Park lernen sich die beiden scheinbaren Gegenpole behutsam kennen, erzählen aus ihrem Leben. Unaufdringlich entwirft Flašar, selbst Tochter einer Japanerin, darin ein brüchiges, bröckelndes Manfred Gram Bild Japans und seiner Gesellschaft.

dann gar nicht geweint. Sagt der Onkel Hans, der Bub hat ja gar kein Gefühl. G’rad der! Ich mein, der war ja selber nur ein halberter Mensch … … aber gemalt hab ich nachher dann nimmer. Ich mein, so Kunst ist für andere Leut, da hat der Papa schon Recht gehabt. Dabei, wie der die Mama sekkiert hat! Da hab ich mir gedacht, schon damals hab ich mir gedacht, dass ich mein Lebtag keine Frau so sekkieren mag wie der Papa die Mama und dass ich lieber allein und überhaupt hab ich mit den Frauen sowieso immer nur Pech gehabt, weil ich halt eben zu anständig war. Für die Maria. So einen will sie nicht. Punkt. Und ist mit dem Johnny weg. Dem Depp. Aber wuascht. Noch zwei Stunden. Dann heim. So allein. Manchmal sitz ich und red mit der drüberen Wand. Und da versteh ich dann direkt, dass man verrückt werden könnt. Aber was nutzt einem das? Besser nur leben und ein bisserl glücklich sein. Weil man ja sonst gar nichts tun kann. So von sich aus. Oder ist das gerecht? Ich mein, brennt die Maria mit dem Johnny durch und seh ich sie ein paar Monat’ später am Schuhmeierplatz, da war’s Sommer, und hat einen Bauch so groß und sagt, s’wird ein Mäderl, und die Vögel und die Blumen und der Himmel so blau. Das war ein Schock. Wie blau. So ein Blau wie --- das werd ich bis in den Tod hinein nicht vergessen. Wie der Johnny so schräg gegen die Sonne und dem sein Schatten so g’rad auf mein Gesicht. Ja, da hab ich verstanden: Es ist zu spät. Und wird nie mehr wieder kommen, die Maria. Sowie die Mama nie mehr wieder kommt. Und Tatsache. Punkt … … aber den Himmel! Ja, den, wenn mir den jemand malen könnt, so genauso wie der damals war. Den tät ich kaufen! So mit den Wolken, die bleiben stehen und man glaubt, die gehen nimmer weg und dann schaut man hinauf und weg sind’s und weg. Und so ein Mäderl, hab ich gedacht, das wär schon was Echtes, das bleibt, und man könnt dann sagen, wenn man stirbt, dass ja ein Teil von einem weiter, aber das kann man sich halt leider nicht aussuchen. So ein Leben. Und da frag ich mich dann schon. So warum man nicht schlafen kann ohne dem Bier. Und am Morgen dann aufstehen und es freut einen nichts. Dabei, ich mein, man lebt ja nur einmal, nicht wahr, und irgendwie muss man ja direkt froh sein, dass das so ist, weil ein zweites Mal, nein, das tät ich nicht mehr derpack’n. Dann lieber Sehnsucht und aus. Weil man ja sonst nicht viel hat … … aber Fasson! Jetzt ist es gleich fünf. Wie die Zeit vergeht! Das hab ich noch nie ganz kapiert, wie so die Zeit und um vier ist es schon dunkel und wie dann der Schnee unter den Laternen und alles ganz weiß, dass man nichts sieht wie beim Braque. Nur ein Flockerl auf der Hand und das zergeht dann, so blau, und man weiß, wenn man dann geht, man überlebt’s nicht. Das Leben. Nur hinterher. Irgendwann. Wenn alles vorbei ist. Ich mein, sowas von blau, da fällt einem, fall’ ich komplett auseinander …


super-fi.eu


A B HIER : RE Z E N S O N E N

Giantree We All Yell (Monkey)

Im Schatten von Giantree Giantree kleiden auf ihrem Debüt die Selbstzweifel in optimistische Melodien. Die wohlige Synthie-Melancholia ist ein heimisches Indie-PopVersprechen, das am liebsten bis auf die ganz großen Festivalbühnen will. Auf einem ihrer Promobilder stehen die fünf Bandmitglieder in einem dunklen Raum, einer Baustelle ähnlich. Die Gegenlichtaufnahme lässt das Licht wie eine Erleuchtung in den Raum fluten. Hier zwischen Licht und Dunkel verankert sich auch die dazugehörige Musik. Während die Musik außerordentlich professionell ausfällt, werden textlich eher bruchstückhaft Erinnerungen aus der Vergangenheit verarbeitet. Von der üblichen ProblemÜberwindungs-Suderei wird aber Abstand gehalten. Giantree sind aus den Ruinen von Sirupop erstanden, einer Band, die ihren Ö3-Stempel nicht mehr los wurde. Mit ihrem Video zu »Time Loops«, für das sie mit Michael Fuith und Sabrina Reiter zwei der bekannteren Nachwuchsschauspieler aus Österreich zum Dauerlaufen bewegen konnten, kam kurz vor dem Sommer der Neubeginn auf Schiene. Bei Giantree sind nun jegliche Melancholie und Unglücksfälle, die das Leben so mit sich bringt, getragen von optimistischen Melodien. An der Schwelle von Abschiednehmen und Neuanfang geben sich zerbrechliches Kleinformat und dicht gewobene Hymnen die Klinke in die Hand. Sie schaffen es nicht, allzu Lo-Fi zu klingen und dabei nicht auf die Kitschspur rüber zu schlittern. Der Grad ist schmaler, als man denken würde. Mit Liebe zum Detail wirkt jedes Stück ausgefeilt. Den Fehler, zu geschliffen und aufgehübscht zu klingen, hat man dennoch routiniert umfahren. Das Spektrum reicht von sanften, aber präzisen Klavier-Parts über wuchtige Drums, das Geraune von Placebos Brian Molko, expressive Gitarren-Schlieren bis zu energetischen Mid-Tempo-Glocken (etwa in »Time Loops«). Dabei vertraut man auf die Klassiker: Songs und Produktion sollen es richten, statt Image und Sounds aus der Zukunft. In impressionistischer Tupftechnik weicht der Nebel dem Sonnenschein. Eine Tageszeitlosigkeit, die große Bands wie Arcade Fire versprühen, verbreitet sich auch auf dem Debüt von Giantree. Trotz aller himmelhohen Momente und berauschter Ringelreihen wohnen Giantree stets Selbstzweifel und zweischneidige Erinnerungen inne. Denn wo kalifornische Sonne ist, findet sich auch der Schatten der Riesenmammutbäume. 08/10 Juliane Fischer


Rez

Addison Groove Transistor Rhythm (50 Weapons / Rough Trade)

musik

Breton Other People’s Problems (Fat Cat)

Bootylicious

Pixelmeer und Brot

Addison Groove schickt sich an, der nächste UK-Bass-Prinz zu werden. Auf seinem Debüt-Album schmiegen sich Synth-Chords an dystopische Säbelzahn-Beats. Schweinische Vocals gibt es auch: Work that motherfucker!

Mit dem Zerstückeln und Zersetzen von synthetischen Sounds brechen Breton mit den Genregrenzen und Brot mit dem Feind Elektronik.

Die Treffsicherheit von Antony Williams aka Addison Groove ist fast unmenschlich. Neben seinem Jukemeets-Dubstep-Überhit »Footcrab« genießen auch »Work It«, »It’s Got Me« oder »Minutes Of Funk« Kultstatus. Die Vocal-Samples seines Debüt-Albums menscheln hingegen sehr. »Uuhhh, that pussy«, »Gimme that« oder »Fuck you bitch« furzt es da aus den Lautsprechern. Solche Schweinereien zu verteufeln wäre ein Leichtes, unüberlegt und hier überkorrekt, denn in Addison Grooves Bearbeitung werden diese Schnipsel zu einem essentiellen Groove-Treiber. Grandios, wie Antony Williams die Samples zerhäckselt, punktgenau ineinander schachtelt und so die Synapsen mit einer weiteren Soundebene befeuert. Die kühle Distanziertheit von Bass Music ist hier eigentlich nur mehr im Ansatz spürbar. Die Musik des jungen Briten ist trotzdem nicht pompös. Heruntergekochter Funk und minimalisierter Bass – von Labels wie Swamp81 salonfähig gemacht – bilden das Fundament der Tracks. Darüber streut Addison Groove Tausendundein Genres. Er zerschießt förmlich sämtliche Einflüsse und setzt deren Bruchstücke wieder zu einem wunderschön schimmernden Mosaik zusammen. Ständig blitzen Reminiszenzen großer Club-Genres wie Tech-House, Rave oder Dubstep auf, ohne stilbildend zu werden. Das Style-Ruder lässt sich Antony Williams nicht aus der Hand nehmen. In Genres denken oder zu produzieren ist sicher nicht sein Ding. Die Blaupause für mögliche Synergie-Effekte zwischen Juke und Dubstep hatte er bereits mit der ersten Maxi »Footcrab« geliefert, auf »Transistor Rhythm« schießt er gleich noch weitere Stilhybride nach – Techno tanzt mit UK Funky, Juke flirtet mit House, Electro schmust mit Dub­ step und Antony Williams macht den Kapellmeister. Addison Groove, der auch unter dem Pseudonym Headhunter für Furore sorgte, ist einer dieser Scheiß-Mir-Nixe, die dafür verantwortlich sind, dass Bass Music weiterhin elektronische Musik Richtung Zukunft peitscht. 08/10 Maximilian Zeller

»Das soll wieder ein Superhype werden. Ganz britisch erfindet die Band alles und das musikalische Rad neu. Die Medien müssen befeuert werden. Nur was ist schon tatsächlich neu? Auf »Blanket Rule« finden Verschmelzungen statt, kein Song gleicht dem anderen. Ein Sezieren und Zusammensetzen, Recycling und Rekombination von allzu Bekanntem lässt sich ausmachen. Diese Referenzfülle, verschiedenste Musikgeschichts-Elemente und das Zurechtbiegen musikalischer Attitüden finden sich allerdings auf sehr vielen Alben. Auch wenn die Songs von Breton nicht die Antworten auf alle Fragen bieten, muss man der EP dann aber zugestehen, dass sie ihre eigene, sehr klar gezeichnete Sprache spricht. Die elektronikverhangenen Hymnen ordnen sich stets einem größeren Anspruch unter. Sachte verschachteln sich die unterschiedlichen Styles und Bauarten der Lieder, treffen mit Leichtigkeit und Zielsicherheit ins Schwarze. Sie schaffen den Ausgleich zwischen Ruhe und Intensität, finden einen guten Mittelweg zwischen Neuem und Altem und verwandeln kühle Elektronik in warme, organische Sounds. Nach Eigenaussage soll es genau darum gehen, Gleichgewicht und Ungleichgewicht gegeneinander auszuspielen, Regeln und Systeme von elektronischer Musik aufzumachen und neu zu ordnen. Zugrunde liegt ein Ort, an dem nachgedacht werden kann, ein Ort, der im Zentrum des Geschehens, einer Stadt liegt und doch so weit von der Realität entfernt ist, um dem Eigenen, dem Neuen Raum zu lassen. Genau so ein Ort ist Breton Labs, die Werkstätte der Band in South East London, eine umgebaute Bank, in der das Künstlerkollektiv Ideen sammelt und diese bisweilen in Filmen umsetzt. So können auch die Sounds als eigentliches Filmmaterial gesehen werden. Breton zoomen die Bestandteile von Musik ganz nahe heran, bis sie sich in einem farbenfrohen Pixelmeer auflösen, um neue Perspektiven zu eröffnen und den Blick auf sehr tanzbare, eingängige Tracks freigeben, die letztendlich, fernab von Hype und Mysterienüberbau, für sich selber stehen können. 07/10 Ursula Winterauer


Rez

Grimes Visions (4AD)

musik

NZCA/Lines NZCA/Lines (Loaf)

Helium, Struktur und Pop Wenn die leibhaftige Mariah Carey, Kraftwerk und La Roux auf Pilzen in einer Echokammer eingesperrt sind, produzieren sie ein Novelty-Wunder für zwischendurch.

Spuren im Sand Rihanna und Aaliyah tanzen zu Hot Chip in den 80ern.

Populäre Genres werden oft in dem Moment für UmEs ist kein kleiner Sprung, den Michael Lovett hier deutungen interessant, wenn sie kommerziell durch gemacht hat. Früher noch Bassist der gitarrenlastisind. Zum Beispiel R’n’B. Das gestelzte Gefiepse von gen Indie-Jangle-Synthie-Pop-Band Your Twenties, in Christina Aguilera, Ciara und Mariah Carey ist in der er zusammen mit Metronomys Gabriel Stebbing nur wenigen Monaten vollständig aus den Charts einige wenige Songs produzierte. Nun hat sich Lovett verschwunden – der barocke Pomp ihrer Phrasierungen, das strass- ein – nach den Geoglyphen in der Wüste bei Nazca in Peru benanntes besetzte Melisma, die ach so entrückte Stimmbeherrschung ist von – Alter Ego zugelegt, reduzierte die Gitarren und setzt auf Synth-Pop, Autotune, David Guetta, den Ruinen und bescheideneren Zeiten aus den er mit seiner klaren Fistelstimme mischt. Musikalisch bewegt ihrer dünnen Heimsphäre geholt worden. Grimes macht diese über- sich NZCA/Lines wohl am ehesten in den Grenzterrains zwischen holten Stilmittel wieder fruchtbar, in ganz anderem Zusammenhang. Hot Chip, Metronomy, Grimes und originalen 80er Bands wie Scrit»Wenn du keine spezielle Toleranz für ihre Art von überragend ge- ti Politti. So ähnlich konnte man das zwar immer wieder über die schraubten Gesang hast, wirst du vielleicht nicht allzu weit mit ihr Jahre hören, NZCA/Lines zeichnet dabei allerdings eine verschrobene kommen«, schreibt Resident Advisor treffend. Man könnte meinen, Melodieverliebtheit aus, die auch aus tausendmal gehörten Sounds das trifft auf viele Stimmen zu – tut es hier aber ganz besonders. Die noch Magie herauskitzelt. Die Stimme schwebt über den minimalen Kanadierin Grimes spielt mit ihrer Stimme, mit ihren Echos, Irrlich- Beats wie ein freundlicher, trauriger Geist. Ein gewisser Hang zu R’n’B tern und ihren Spiegelungen in einem ansonsten ziemlich leer gefeg- schimmert dabei außerdem kontinuierlich durch. Ganz fein. ten sonischen Raum. Die Technik erlaubt ihr das. Das muss jetzt nicht Mit im Boot sitzen LOAF/LO Labelkollege Charlie Alex March und gleich »Post-Internet« genannt werden, wie das die Goth-Visual-Kei- Ash Workman, der unter anderen mit Simian Mobile Disco, Klaxons, Firnelfe so klug der New York Times im Interview steckte. Nur weil Veronica Falls und eben Metronomy zusammenarbeitete. Gemeinsam man wie Grimes als Digital Native nicht mehr bei einer Sache bleiben schufen sie zehn Songs, die die genannten Einflüsse derart – es geht kann und immer schon alle Stile per Youtube-Klick verfügbar hatte, leider nicht anders – smooth kombinieren und allerlei elektronische ist man noch nicht Post-Netz. Der sehr fokussierte Sound von »Visi- Spielarten so kompakt bündeln, dass man sich fragt, warum das die ons« ist das diffus leuchtende Gegenbeispiel. Junior Boys eigentlich jemals verlernt hatten. Nur, und das ist einer Cirka vier Sounds braucht Grimes pro Song, um über einfachen der wenigen Gründe, warum dieses Debüt vielleicht als unterschätzte Strukturen, aber unkonventionellem Aufbau all ihre Stimmregister Perle wieder abtaucht, stimmt die visuelle Präsentation noch nicht zu ziehen. Im Vergleich zu den beiden Vorgängern wurden jene New mit den subtilen Songs zusammen. Wie das gehen könnte, hat Totally Age-Anteile deutlich zurückgedreht, auf die in Blogs, Foren und Re- Enormous Extinct Dinosaurs erst kürzlich gezeigt. Wenn dann noch views so gern verwiesen wird. Dafür haben ihre zart rumpelnden ein Song wie »Compass Points« mit einem simplen Trick und etwas GeBeats an Schärfe gewonnen. Grimes’ Texte sind nicht unbedingt dafür klackere aufzeigt, ahnt man, was NZCA/Lines noch bevorsteht, wenn gemacht, verstanden zu werden, wodurch mit Videos und Artwork sie sich selbst eine Dosis Experimentierfreude und Überraschungsimmer noch genug Identifikationspotenzial bleibt. Für ein weiteres momente zutrauen. So bleiben anmutige, zart blutende Gesangs­ Album aus Helium, Struktur und Pop scheint das Pulver aber erst ein- arrangements mit zurückhaltender und stilvoller Rahmung. Und also mal zielsicher verschossen. 07/10 Stefan Niederwieser ein beeindruckendes Debüt. 08/10 Emanuel Lerch / Stefan Niederwieser


Rez

Violetta Parisini Open Secrets (Emarcy/ Universal)

Projektionsfläche im Korsett Power-Pop, Indie, Chansons und Bar-Jazz: Ein Album, das sich in seinen selbstgesteckten Grenzen verfangen hat. Violetta Parisini könnte ein Shooting-Star der österreichischen Musikszene sein. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: ihr Name, ihr Auftreten und ihr Look machen sie zur perfekten Projektionsfläche für vieles, was geschmackvoll ist. Indie-Fans sehen in der Philosophie-Magistra und musikalischen Autodidaktin eine Gleichgesinnte aus eigenen Reihen, die denkt, handelt und fühlt wie »wir«. Aber auch Christina Stürmer-Fans würden bei den Liedern der 31-jährigen Wienerin nicht davor zurückschrecken, das Feuerzeug in der Luft zu schwenken. Der Grund für diesen Massen-Appeal ist einfach: Violetta Parisini macht perfekt durchchoreografierte Popmusik auf »internationalem Format«, d.h. in erstaunlich sauberem Allerwelts-Englisch. Dabei flirtet sie mit den Möglichkeiten des künstlerischen Anspruches, schmeichelt aber nichtsdestoweniger den Hörgewohnheiten von Mainstream-Publikum und Formatradio. Die elf Songs auf ihrem zweiten Album »Open Secrets« folgen klaren Richtungen. Soll heißen – entweder macht Parisini PowerPop, Bar-Jazz oder Indie, aber nie lässt sie dabei die verschiedenen Interpretationsstile ineinanderfließen. Sehr schön geworden sind die Songs »All Right« und »I Want It All/To Be Not True« – es ist clevere, fern an Regina Spektor erinnernde Popmusik mit catchy Refrains, die nie aneckt und leichtfüßig in den Gehörgang rutscht. Das als Hit­ single taugliche »See« versprüht den Flair einer anderen großen IndieSängerin: »I fall in love all the time, but I‘m so glad to go to sleep with you« singt Parisini, und klingt dabei wie eine österreichische Version von Leslie Feist. Oft hat man allerdings das Gefühl, das Parisini nicht so recht weiß, wo sie mit ihrer Musik und ihrer Stimme hinwill. Es gibt nur ein Lied auf dem Album, das nicht nach eindeutigen musikalischen Referenzen klingt: »Don’t Slow Down« besitzt Charakter, Humor und Mut und ist ein stampfend-euphorisches Stück Melancholie-Pop der besten Sorte. Wenn Parisini es schafft, sich aus ihrem KonsensKorsett zu befreien, könnte ihr nächstes Album wirklich substantiell werden. Für »Open Secrets« gibt es inzwischen nur ein »nett«. 06/10 Michael Kirchdorfer

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Radical Face The Family Tree: The Roots (Nettwerk)

Familien-Machenschaften Ob Electric President, Unkle Stiltskin oder als Radical Face. Was Ben Cooper macht, macht er richtig. Vor knapp fünf Jahren bewies sich Ben Cooper aka Radical Face solo auf seinem dritten Album »Ghosts« und trat damit in die großen Fußstapfen, die er zusammen mit Alex Kane als Electric President vorlegte. Inzwischen gibt es kaum noch eine Prime-Time-Serie, in der seine Musik noch nicht zu hören war und auch zur großen »I am Nikon«-Kampagne bot Coopers »Welcome Home« die Hintergrundmusik. Damit einher ging eine neue Gruppe von Fans, die ihm zusammen mit den alteingesessenen Hörern der Genre-Meister von Morr Music (Seabear, FM Belfast, B.Fleischmann), bei denen Radical Face und Electric President bisher veröffentlichten, ein breites Publikum voller Vorfreude und Erwartungen einbrachten. Das jetzt erscheinende »The Family Tree: The Roots« ist der erste Teil einer Trilogie, in denen Cooper die tragischen Geschichten einer fiktiven Familie des 19. Jahrhunderts beleuchtet. Er widmet sich hier insbesondere den ersten beiden Generationen und singt aus der IchPerspektive von seiner Geburt, dem Tod seiner Mutter oder Alkoholproblemen des Vaters: »Father turned into a drinker, a dark bastard with a wooden heart / sister learned to be a mother, before she ever played another part«. Ähnlich theatralisch war schon das Vorgängeralbum, in dem es um die Geschichten ging, die alte Häuser zu erzählen haben: »Got a picture on the mantlepiece / of the way that I thought that we’d end up / but it shares no resemblance to that / yeah, that shares no resemblance to that«. Ein Hang zum Kitsch kann man also nicht leugnen, aber genauso wenig kann man Cooper die Glaubwürdigkeit absprechen, die für alle seine Machenschaften ausschlaggebend ist. Kaum jemand schafft es so wie er, die Stimmung zwischen narrativer und physisch angenehmer Musik so zu treffen. Dem Bedürfnis der Authentizität entsprechend, instrumentiert Cooper auf seinem neuen Album auch nur mit Klavier, Gitarre, Floor Tom und Akkordeon. Schicht über Schicht baut er ein Klanggerüst auf, das rhythmisch seinen Vorgängerwerken in nichts nachsteht, begleitet es mit seiner allseits beliebten fragilen Stimme und schafft damit ein Album, dass auch in den ruhigsten Momenten nicht langweilig wird. 07/10 Emanuel Lerch


Rez

Bruce Springsteen Wrecking Ball (Sony)

musik

Tanlines Mixed Emotions (True Panther / Matador)

This Land Is Your Land Neues Evangelium vom Boss, weltlicher Gospel, The United States Of America, die Abrissbirne der einfachen Leute und der Glaube an die Selbsterneuerung. »Wo andere in Untergangsgejohle ausbrechen oder sich mit Nostalgia einsalben, mit noch mehr Rave und Pillen antworten, erzählt Springsteen von der alltäglichen Plackerei. Er ist optimistisch, meistens. Wo ist das Versprechen, von Ozean zu Ozean, wo ist der Traum? Die Antwort, seine Antwort: Wo immer diese Flagge weht, wir kümmern uns um uns selbst. Obama hat den trotzigen Song »We Take Care Of Our Own« bereits für seine Kampagne zur Wiederwahl 2012 gekürt. Seltsam genug, streift der Song doch Katrina an, aber auch all die guten Vorsätze und enttäuschten Hoffnungen. Aber so war Spring­ steen schon oft, Wunden lecken in den Strophen, Patriotismus und Hymnen in den Refrains. Immer wieder verdüstert sich auf »Wrecking Ball« die Stimmung, es sind harte Zeiten, ganz so wie ein anderer knöchriger Verteidiger kleiner Leute, Clint Eastwood, es kürzlich in einem viel beachteten Chrysler-Spot in der Halbzeit der Super Bowl sagte: Wenn wir niedergeschlagen werden, stehen wir wieder auf und die Welt hört unsere Motoren brüllen. Ironie hat da ausgedient, hatte sie bei den Verteidigern des amerikanischen Traums schon immer. Springsteens Antwort ist ähnlich, teilweise ungewöhnlich radikal: die Abrissbirne, der Wrecking Ball, soll Schluss mit den Fehlentwicklungen der letzten 30 Jahre machen. Großes Trara, Gospel-Chöre, Fanfaren, Arcade Fire Freakout – Come on! Konkreter sind Springsteens Antworten nicht, was danach kommt, dafür macht er keine Vorschläge – muss er nicht, denn wo sonst sollte er seiner Verantwortung als Songwriter nachkommen außer bei unseren Ideen, beim Soundtrack einer besseren Welt nach dem Sturm, beim Neuanfang. Immer wieder greift er dafür weit auf Folk und Gospel zurück. Er gibt den Entrechteten, die seine Videos bevölkern, eine Stimme, verdichtet komplizierte Zusammenhänge zu simplen Slogans mit ehrlichen Gitarren, dass es an Sozial-Drama-Kitsch grenzt. »Rocky Ground« oder »We Are Alive« sind großspurige, selbstgerechte Meterware. Das ändert nichts daran, dass der Boss ansonsten eine sehr mächtige Abrissbirne schwingt. 06/10 Stefan Niederwieser

Delorean auf Amerikanisch Tanlines produzieren überschäumende Tracks zwischen Club-Musik und Indie-Rock, die sich in den Ohrwindungen festkrallen und so bald nicht mehr herauskriechen. »Gut zwei Jahre, nachdem die Single »Real Life« durch diverse Blogs gereicht worden war, hat das Duo aus Brooklyn nach zwischenzeitlichen Release-Ankündigungen und Rücknahmen ebendieser nun endlich doch noch sein Debüt veröffentlicht. Ursprünglich war Eric Emm der Produzent von Jesse Cohens ehemaliger Band. Im Laufe dieser Zusammenarbeit tauchten gemeinsame musikalische Interessen auf: Songs wurden geschrieben, an Remixen gebastelt, ein Bandprojekt entstand – und erregte bald die Aufmerksamkeit des UKLabels Young Turks (The XX, Sbtrkt, Holy Fuck). Mit dem, was Jesse Cohen (Ex-Professor Murder) und Eric Emm (Ex-Don Caballero/Ex-Storm and Stress) in Prä-Tanlines-Zeiten musikalisch getrieben haben, verbindet »Mixed Emotions« nicht mehr viel: Übermächtige Synth-Wellen rollen über treibende Beats; Emms Lyrics, die von Verwirrung und Reue erzählen, werden mit guter Laune übertüncht und mit pan-afrikanischen Trommelbeats, wirbelnden Gitarren und dem Allheilmittel Synthesizer zu überbordender Tanzbarkeit versponnen. Bestes Beispiel ist die erste Auskoppelung »Brothers«: »You’re just the same as you ever were / You fight and you don’t wonder why it makes no sense / I’m just the same as I ever been / But I’m the only one who doesn’t notice it«, heißt es da über einem Soundteppich aus Rhythmik und eingängiger Euphorie. »Cactus« spielt mit mystischen Vocals und dem konsistenten Wechsel von synkopischen Offbeats und Laptop-Beats. Andernorts überrascht »Green Grass« ob seiner – hier nicht vermuteten – Krautigkeit und behält doch immer eine euphorische Note. Eines der wenigen Lieder, die musikalisch ebenso traurig dahintreiben wie textlich, ist das chillwavige »Abby«. Aber das ist ein Ausgleich, der die Sonnigkeit des Albums mehr anreichert als ihr Abbruch zu tun. 08/10 Sandra Bernhofer


Rez

Musik

Die Welt auf Scheibe – erklärt in 140 Zeichen zum Angeben in der Disco. Ausführlich auf www.thegap.at/reviews 7 Dollar Taxi Well, It’s About Time (Global Satellite / Global Records) Die Hypothese von den 08/15 Indiebands, welche unaufhörlich aus dem Boden schießen, hat sich mit 7 Dollar Taxi nun erneut verifiziert. 03/10 nicole schöndorfer ——►The Big Pink Future This (Indigo) Warum Euphorie und breite Gitarren nicht immer Garant für ein gutes Album sind. 04/10 barbara schellner ——► CALLmeKAT Where The River Turns Black (Wordandsound) Dieser jungen Dänin ist mit diesem Album ein Senkrechtstart im alternativen Pop-Diven-Sektor zuzutrauen. 07/10 gerald c. stocker ——► Cloud Nothings Attack On Memory (Attack On Memory) Re: Das Ende der Geschichte – Teenage Angst allein reicht noch nicht. Die Cloud Nothings halten die Verzweiflung und die Gegenwart zwischen den Fingern, aber ihnen fehlen die Songs. 05/10 stefan niederwieser ——► Leonard Cohen Old Ideas (Columbia) Leonard Cohen tut gut daran, alte Ideen zu wälzen. Die sind nämlich noch immer verdammt gut. 09/10 werner reiter ——► Diver Kites (Ink) Mit Streichern und Fagott beschwört dieses heimische Indiepop-Trio mit seinem Debüt das Ende des Winters. Einmal (Spät-)Sommer bitte. 06/10 emanuel lerch ——► Petar Dundov Ideas From The Pond (Music Man) Weitläufiger Synth-ArpeggioZauber im flächendeckenden Traum-Techno-Zauberwalt. Ausgewogener und unaufdringlicher Neo-Neotrance. 06/10 johannes piller ——► Matt Elliott The Broken Man (Ici d’ailleurs) Folk, Flamenco, Fado: Sieben Trauerballaden mit Hang zum iberischen Meeresrauschen. 07/10 michael kirchdorfer ——► El_Txef_A Slow Dancing In A Burning Room (Fiakun) New Jack Swing sendet durch verschiedenste Technologieräume und Folien seine Emotionen herüber – schwer fassbar und unfassbar zugleich. 08/10 stefan niederwieser ——► Errors Have Some Faith In Magic (Rock Action) Vielschichtig arrangierte Songs zwischen PostRock und Elektronik, in denen Gitarren-Orkane genauso zum Einsatz kommen wie schwelgerische Popmelodien. Prädikat: krachend. 07/10 sandra bernhofer ——► Liz Green O, Devotion! (Play It Again Sam) Ein Album wie ein am Postweg verloren gegangenes Geschenk, das auf einmal vor der Tür steht: Tragikkomischer Kammerfolk aus Liverpool. 07/10 michael kirchdorfer ——► Beth Jeans Houghton & The Hooves Of Destiny Your’s Truly, Cellophane Nose (Mute / Goot To Go) Synästhetische Wunderland-Tour durch Jungmädchen-Fantasien, in der britische Pop-Affinität auf transkontinentale Operettenhaftigkeit trifft und dabei einen Hofknicks macht. 06/10 michael kirchdorfer ——► It’s A Musical For Years and Years (Morr) Tortenresterl vom Kindergeburtstag, umgegossen in zuckersüße Harmoniegesänge: Bauchweh ist bei so viel Süßkram vorprogrammiert … 05/10 sandra bernhofer ——► The Jezabels The Prisoner (PIAS) Florence And The Machine, Zola Jesus, The Killers – alle Zeichen deuten darauf hin, dass die Jezabels in dieser Liga spielen werden. 06/10 stefan niederwieser ——► Ju-

nior Electronics Musostics (Bureau B) Das Soloprojekt von Stereolab-Mitglied Joe Watson vertont einen Mesostichon in Chansons, Electro-Pop und Free-Jazz. Ein avantgardistischer Spaß auf hohem Niveau. 07/10 michael kirchdorfer ——► Sven Kacirek Scarlet Pitch Dreams (Pingipung) Ein neues Kapitel in dem Buch über die Verknüpfung von E- und U-Musik mit präparierten Instrumenten. Als ob sich Brandt Brauer Frick und Hauschka beim Jammen treffen. 05/10 katharina seidler ——► Kraftklub Mit K (Vertigo) Party, bis es weh tut: Disko-Indiehop der schmerzhaften Sorte. Musik für Menschen, denen Casper noch zu klug ist. 03/10 jonas vogt ——► Nina Kraviz Nina Kraviz (Rekids) Das langersehnte Debüt des sibirischen Rekids ist housig und deep. Das genügt, wenn noch erstklassige Vocals dabei sind, oder? 07/10 moritz gaudlitz ——► Krazy Baldhead The Noise In The Sky (Ed Banger) Der Sonderschüler aus dem Hause Ed Banger bittet zwischen Jazz, Electronica und Funk zum ungewöhnlichen und herrlich verschrobenen Hörerlebnis. 06/10 kevin reiterer ——► Lambchop Mr. M (Merge / City Slang) Liebe, Tod und Verzweiflung sind die lyrischen Themen von Kurt Wagners neuem Country-Pomp. Kitsch und Schönheit liegen dabei nahe beieinander – manchmal zu nahe. 05/10 michael kirchdorfer ——► Luise Pop Time Is A Habit (Siluh) Das Protestalbum: Luise Pop hetzten sich mit spannender Dringlichkeit durch 2012 und geben perfekt die Hilflosigkeit der Jetztzeit wieder. 08/10 barbara schellner ——► The Magnetic Fields Love At The Bottom Of The Sea (Domino) Beherzte Synthie-Sounds, farbenfroh verwirbelt in den Magnetfeldern der 90er. 07/10 werner reiter ——► Marow + - 0 (Force Ink) Ruhiger, minimaler Ambient-Techno wie die sonnige Winterlandschaft auf dem Cover: weiß, still, kalt, glitzernd, eintönig, aber meditativ. 05/10 katharina seidler ——► Memoryhouse The Slideshow Effect (Sub Pop) Audiophiler Chillwave: Memoryhouse zelebrieren die Kunst der schönen Töne, haben dabei aber vergessen, der tonalen Schönheit Substanz beizufügen. 06/10 michael kirchdorfer ——► Mia Tacheles (Island) Die Katze auf dem lauwarmen Blechdach: Mias fünftes Album bietet musikalischen Durchschnitt und ist textlich ein Ärgernis. 03/10 jonas vogt ——► Miike Snow Happy To You (EMI) Wo sind die Hits? 04/10 barbara schellner ——► My Best Fiend In Ghostlike Fading (Warp) Christen-Rock für Hipsters: My Best Fiend aus Brooklyn scheinen auf einem Drogentrip Jesus für sich entdeckt zu haben. 05/10 michael kirchdorfer ——► Xavier Naidoo Danke für’s Zuhören (Noid) Die definitive Sammlung uncooler Musik. Nicht einmal Ironie-Champions kommen Xaviers Gefühlsleib bei. Er ist der Auto-Immun-Ghandi deutschsprachiger Musik. 05/10 stefan niederwieser ——► Christian Naujoks True Life / In Flames (Dial / Kompakt) Reduzierte Carl Orff-Gedächtnismusik, bei der so etwas Banales wie Spannung leider auf der Strecke bleibt. 03/10 sandra bernhofer ——►


Rez

Of Montreal Paralytic Stalks (Polyvinyl) Von Paralyse keine Spur. Die Übertreibungskünstler Of Montreal ziehen alle Register. 08/10 werner reiter ——► Orcas Orcas (Morr Music) Song und Abstraktion, Einheit und Spaltung: Musik zwischen Frühlingsriten, Kunstverständnis und Pop-Appeal. 08/10 michael kirchdorfer ——► Pan-Pot Mobilee Back To Back Vol. 6 presented by Pan-Pot (Mobilee) Techno ist nun Hochkultur: Mobilee präsentiert ihre Posterboys auf Spielfilmlänge samt selektiertem Soundtrack und Mix. 05/10 johannes piller ——► Pet Shop Boys Format – B-Sides and Bonus Tracks (Parlophone) Mit dieser Kompilation nähern sich PSP schon fast ein wenig zwänglerisch an ihren über diverse Formate verstreuten Back-Katalog an. 05/10 gerald c. stocker ——► Pivot Quartett Emissions (Nocords) Was seit 60 Jahren als Kunst und Improvisation durchgeht, ist oft Kunst, aber leider noch nicht automatisch. 02/10 stefan niederwieser ——► Prinzhorn Dance School Class Clay (DFA) Analog und Analogie. Direkte Sounds, Minimalismusverliebtheit und schnörkellose Aneinanderreihung schönster Melodiepartikel formen geradlinigen Rock. 06/10 ursula winterauer ——► Pulsinger, Kurstin, Jeffrey, Heggen Besides Feldmann (Contemporary Wien Modern) Pulsinger interpretiert Feldman neu begleitet von Theremin, Posauna und Kontrabass als Zeitgenössische Musik, Live-Interpretationsdokument und vertonte Architektur. 07/10 johannes piller ——► Daniel Rossen Silent Hour/ Golden Mile EP (Warp) Dringlich, euphorisch und warm: Grizzly-Bear-Mitglied Daniel Rossen beweist sich auf seiner Solo-EP als ernstzunehmender Singer/ Songwriter. 07/10 michael kirchdorfer ——► Saschienne Unknown (Kompakt) Sascha Funke konstruiert mit seiner Frau Julienne Dessagne eine harmonische Liaison aus oszillierenden Beats und atmosphärischen Piano-Klängen. 08/10 nicole schöndorfer ——► Shrubbn!! Echos (Shitkatapult) Shrubbn formulieren nach langer Schaffensperiode endlich ihren Sound und landen mit viel Hall und Frickelei beim Ambient. 07/10 kevin reiterer ——► Sleigh Bells Reign Of Terror (Columbia) Die Sleigh Bells führen den Maximalismus-Krieg mit anderen Mitteln fort. Harter Softrock, Harmonie-Raketen und Suizid verstärken das LautstärkeArsenal. 07/10 stefan niederwieser ——► Hans Söllner Zwischenbilanz (Trikont) Reggae-Neuinterpretationen vom bayrischen Kiffrebell: Musik für Menschen, die den Tag mit einem Joint beginnen. 04/10 michael kirchdorfer ——► Standard Fare Out Of Sight, Out Of Town (Melodic Records) Obertourig und aufgekratzt kurven Standard Fare durch Sheffield. Eigentlich wären sie wohl gern noch 15 und Fun-Punks an der amerikanischen Westküste. 05/10 juliane fischer ——► Stereoface Face It (Moerder Music / Rough Trade) Rotzige Rock’n’RollAttitüde, psychedelisches Wirrwarr und eine Stimme, die grantiger klingt, als die eines Gallaghers. In your (Stereo)face! 06/10 nicole schöndorfer ——► Strings

musik

Of Consciousness From Beyond Love (Staubgold) Die Musik zu Gregor Samsas unruhigen Träumen, bevor er sich in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt fand. 07/10 werner reiter ——► Team Me To The Treetops! (Propeller Recordings / Soulfood) Ironiefreier Kaugummi-Pop aus Oslo mit Anleihen von Disney-FilmSoundtracks. Zu süß, zu klebrig, zu einseitig. 04/10 michael kirchdorfer ——► Tennis Young And Old (ATP) »Young And Old« kommt mit der Unschuld von She & Him an, packt etwas Rock’n’Roll oben drauf und genügt sich selbst. Hm, wem’s genügt? 04/10 stefan niederwieser ——► The Ting Tings Sounds From Nowheresville (Columbia) »Shut up and let me go« lautet einmal mehr das Credo. Unerträgliche Hits und grausame Ohrwürmer, um letztlich wieder in Nowheresville zu verschwinden. 04/10 ursula winterauer ——► Tomat 01–06 June (Monotreme) Ein Ambient-Konzept-Album mit zwei vornehmen, melodiösen Ausreißern, die zugleich die einzigen Höhepunkte sind. 04/10 stefan niederwieser ——► Toro Y Moi June 2009 (Carpark) Toro Y Moi veröffentlicht frühe Demos. Was waren das 2009 für Zeiten! Die Finanzkrise boomt, Obama kann noch und Chillwave spinnt seinen Kokon. 06/10 stefan niederwieser ——► Trackshittaz Zruck zu de Ruabm (Sony) Bei den Trackshittaz gibt es nur geil finden oder das andere. Argumente wurscht. Natürlich ist das komplizierter und trotzdem nicht zu kapieren. 05/10 stefan niederwieser ——► Various Artists Chimes Of Freedom: The Songs Of Bob Dylan (Amnesty International) Zum 50-Jahre-Jubiläum von Amnesty International covern 72 Interpreten Dylan. Ein Sammelsurium aus heiligem Quatsch, ernsthaft ambitionierten Covers und unglaublichem Trash. 06/10 michael kirchdorfer ——► Various Artists Gunslingers And Greenhorns – Poker Flat Volume 9 (Poker Flat) Die Hanseaten um Steve Bug und Co pokern abermals zwischen Big Blind und Big Beat und zaubern eine stimmige Werkschau. 06/10 kevin reiterer ——► Various Artists Crosstown Rebels present Rebel Rave 2 (Crosstown Rebels) Droog mixen das Beste, was Crosstown Rebels zu bieten hat, zusammen. Das Ergebnis: ein Techhouse-Manifest fabriziert in L.A. 06/10 johannes piller ——► VCMG Ssss (Mute) Martin L. Gore und Vincent Clarke von Depeche Mode machen Techno. Und das gar nicht mal so schlecht, wie man vielleicht befürchten könnte. 07/10 michael kirchdorfer ——► Patrick Watson Adventures in Your Own Backyard (Domino Records) Lebensbejahende Melancholie und andere Paradoxa liebkosen mit anmutiger Charakterstimme und einer Synthese aus klassischen Instrumenten. 07/10 nicole schöndorfer ——► We Have Band Ternion (Naive / Indigo) Fadesse meets Perfektion. Wie Elektropop nicht klingen soll. 04/10 barbara schellner ——► Who Made Who Brighter (Kompakt) Who Made Who haben den Hype um Neo-Postpunk, Nu Rave und Co überstanden, sind noch immer im Partymodus und schreiben eine Hymne. 07/10 moritz gaudlitz


Rez Shame (von Steve McQueen; mit Michael Fassbender, Carey Mulligan, James Badge Dale) — Auf der Suche nach schnellem Sex und in der ständigen Angst vor Gefühlen irrt Brandon Sullivan durch das nächtliche New York. Der junge, erfolgreiche New Yorker ist sexsüchtig. Als seine psychisch labile Schwester bei ihm auftaucht, eskaliert die Situation und er sieht sich einem tiefen Abgrund gegenüber. Michael Fassbenders zweite Zusammenarbeit (nach »Hunger«) mit dem Regisseur Steve McQueen zeigt den Schauspieler abermals an seinen Grenzen. Und das nicht nur physisch, sondern auch schauspielerisch. An sich stellt er den Sex-Süchtigen überzeugend dar, wirkt aber in gewissen Szenen etwas überfordert inmitten der kalten New Yorker Skyline. Um einiges intensiver ist da schon Carey Mulligan als vom Leben geprügelte und bei ihrem Bruder Halt suchende Sängerin. Sie brilliert in ihrer Rolle mit einer großen Wucht an Gefühlen und ist der wahre Star des Films. Steve McQueen hält die Kamera, wie auch schon in »Hunger«, direkt drauf und beschönigt nichts. Dennoch ist seine Bildsprache ab und an subtil und lässt darin die zwischenmenschlichen Beziehungen erahnen. Nicht immer ist einem klar, worauf der Regisseur mit seiner Arbeit hinaus möchte, und so bleibt bei aller Bildgewalt die Story etwas auf der Strecke. 08/10 Lena Nitsch

Sarahs Schlüssel (von Gilles Paquet-Brenner, mit Kristin Scott Thomas, Aidan Quinn, Niels Arestrup) — In der französischen Romanverfilmung »Sarahs Schlüssel« bleiben historische Fakten größtenteils unter einem Haufen Kitsch begraben. Die Journalistin Julia (Kristin Scott Thomas) recherchiert die Ereignisse der Pariser Vel d’Hiv-Razzia des Juli 1942 und stößt dabei auf die bewegende Geschichte der zehnjährigen Sarah sowie deren Familie. Nebenbei erfährt die Mittvierzigerin, dass sie schwanger ist und der Fokus der Story verlagert sich auf ihr daraus resultierendes Beziehungsdrama. Angesichts ihrer erschütternden Entdeckungen bezüglich unzähliger Opfer des Kriegs erhärtet sich ihr Entschluss, das Baby zu behalten. Unweigerlich sind hier Parallelen zu Holocaust-Vergleichen der Pro-Life-Bewegung zu erkennen. Der Film hätte Potenzial zur historischen Relevanz, verspielt dieses jedoch, indem er Belanglosigkeiten der Gegenwart in den Vordergrund stellt. Mit übermäßiger Rührseligkeit nimmt sich »Sarahs Schlüssel« der Ereignisse sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart an und lässt damit eine Trivialisierung des Holocausts anklingen. 02/10 Artemis Linhart The Iron Lady (von Phyllida Lloyd; mit Meryl Streep, Jim Broadbent, Anthony Head, Richard E Grant) — Es wurde bereits mehrfach gesagt und sie wurde dafür zu Recht mit einem Oscar gekrönt, aber es muss an dieser Stelle wiederholt werden: Meryl Streep spielt ihre Margaret Thatcher atemberaubend gut. Neben ihr verblasst die Arbeit der britischen Regisseurin Phyllida Lloyd (»Mamma Mia!«) zwangsläufig. Denn ihr undeutlicher Film weiß nicht so recht, wohin mit dieser zetigeschichtlichen Bürde, die ein Biopic über die polarisierende Premierministerin (1979–1990) und konservative Ikone Thatcher mit sich bringt. Von Pathos-Fallen ganz zu schweigen. Die Ex-Politikerin und Witwe beginnt senil zu werden. Begleitet vom Geist ihres verstorbenen Gatten (hervorragend: Jim Broadbent) kämpft sie um das Altern in Würde. Während in Rückblenden ihr politisches Wirken und die gesellschaftlichen Paradigmenwechsel abgespult werden, spielt Streep die Idee einer etwas origineller erzählten Biografie an die Wand. 06/10 Klaus Buchholz

Film

Spanien (von Anja Salomonowitz; mit Tatjana Alexander, Cornelius Obonya, Grégoire Colin, Lukas Miko)

Problem-Puzzle Anja Salomonowitz’ Spielfilmdebüt »Spanien« verwebt vier Menschenschicksale in einem Drama um Geld und Liebe als komplementäre Grundlagen des Lebens. Gesellschaftspolitische Problematiken stehen auch hier wieder hoch im Kurs. Salomonowitz taucht diesen Film in warme Brauntöne. Die akribische Farbgebung ist nur ein Aspekt, den »Spanien« mit ihren vorherigen Arbeiten verbindet. Bereits 2006 drehte sie den Einminüter »Codename Figaro«, der sich der österreichischen Einwanderungspolitik mit der ironischen Frage annähert, ob es sich bei »Figaros Hochzeit« um eine Scheinehe handle. Nach der subtilen wie innovativen Quasi-Doku »Kurz davor ist es passiert« (2006), die sich mit dem Thema Frauenhandel auseinandersetzt, greift die Regisseurin erneut in die Untiefen des regionalen Konfliktpotenzials und legt gekonnt ein aktuelles wie zeitloses Sozialdrama vor. Der Pedant Albert ist Polizeiinspektor mit Spezialgebiet binationale Ehepaare. Er begreift sich als denjenigen, der entscheidet, welche Ehen in die Brüche gehen und steht dementsprechend ratlos seiner eigenen – ungewollten – Scheidung gegenüber. Loslassen kommt nicht in Frage und so stellt er sich bald als Stalker seiner Exfrau heraus. Diese will einfach nur ihre Ruhe: Magdalena ist Restaurateurin und zieht sich im Zuge dessen in die Stille einer Kirche zurück. Hier begegnet sie dem illegalen Immigranten Sava, mit dem sie, in einvernehmlichem Schweigen, eine Art Beziehung aufbaut. Savas Ziel ist das einwanderungspolitisch liberale Spanien. Dass er sich jedoch in Österreich wiederfindet, ist unglücklichen Zufällen bei seiner Schmugglerfahrt geschuldet. Über den Dächern Wiens: Gabriel, ein Kranfahrer, der das monströse Baugerät auf ähnlich monotone Art bedient wie die Automaten im Spielcasino, wo er langsam aber stetig seine Existenz sowie die seiner Familie Schicht für Schicht demontiert. Die Schicksale der vier greifen beinahe nahtlos ineinander und fügen sich zu einem spitzfindigen Puzzle sozialer Missstände zusammen. Der Film spielt die Triade aus Sehnsucht, Eifersucht und Spielsucht geschickt aus, nicht ohne inmitten der beinharten Realität immer wieder atmosphärisch-romantische Regungen aufglühen zu lassen. Das Zwischenmenschliche changiert dabei zwischen Stillschweigen und eruptivem Geplärr und stellt Salomonowitz‘ Feinsinnigkeit unter Beweis. 07/10 Artemis Linhart


Rez

Film

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„Ein kleines Theater in Gumpendorf arbeitet an einer Hamlet-Sensation.“ Kurier

Take Shelter (von Jeff Nichols; mit Michael Shannon, Jessica Chastain, Tova Stewart, Shea Whigham)

Zwischen Wahn und Wirklichkeit Mit »Take Shelter« breitet Regisseur Jeff Nichols eine Tragödie von griechischen Ausmaßen auf der Leinwand aus. In deren Zentrum brilliert Schauspielhüne Michael Shannon (»Boardwalk Empire«) als Familienvater, dem sein Leben durch seine Paranoia zusehends entgleitet. »Du hast ein gutes Leben«, bekommt Bauarbeiter Curtis (Michael Shannon) gleich zu Beginn von seinem Arbeitskollegen und besten Freund Dewart (Shea Whigham) zu hören, während die beiden noch eine Dose Bier im Auto zischen. Und auch wenn es das Schicksal nicht ausnahmslos gut mit ihm gemeint hat, Curtis könnte doch recht zufrieden mit dem sein, was er hat: ein Häuschen in den Weiten Ohios, eine liebende Frau (Jessica Chastain) und eine süße kleine Tochter (Tova Stewart). Doch Irritationen machen sich in der Idylle breit. Genauer gesagt, breiten sie sich in Curtis’ Kopf aus. Alpträume lassen ihn schweißgebadet hochschrecken oder hinterlassen ganz reale Spuren. Immer wieder hebt Curtis den Blick gen Himmel, wo sich bedrohliche Wolkenformationen bilden und die Bäume zu nuscheln scheinen, bevor der Regen, dickflüssig und braun wie Motoröl, auf ihn herniederprasselt. Gleich dem Seher einer griechischen Tragödie sieht Curtis im Flug der Vögel ein unheilvolles Omen. Doch wie schon Kassandra ist er der einzige, der die Bedrohung wahrnimmt, während ihn seine Umwelt für verrückt erklärt. Auch Curtis glaubt anfangs an eine psychische Erkrankung, die er mit Medikamenten bekämpfen kann. Doch immer mehr ist er davon überzeugt, dass die große Katastrophe herannaht und er beginnt wie besessen, einen Schutzkeller zu bauen. Von seiner Familie und seinen Freunden entfremdet er sich zunehmend. Schweigsam wie ein Fels, der langsam zerbröckelt, steht der großartige Michael Shannon im Zentrum von Jeff Nichols’ packendem Hybrid, das doch mehr Psychodrama als Endzeit-Movie ist. Die diffusen Ängste seines Protagonisten vor dem drohenden Weltenende verknüpft der Regisseur mit Gesellschaftskritik, indem er die Abhängigkeit der amerikanischen Arbeiterschaft von Krediten und die Lückenhaftigkeit des US-Gesundheitssystems lapidar aufzeigt. Bis zum Schluss lässt einem Nichols im Ungewissen darüber, ob man einen Familienvater begleitet, dem eine Psychose den Boden unter den Füßen wegreißt, oder einen unverstandenen Seher, der die Apokalypse herannahen sieht. Indem die Kamera stets ganz dicht an Curtis dran ist, überträgt sich dessen Paranoia auf den Zuschauer und erzeugt so ein Gefühl der Beklemmung, dem man sich nicht zu entziehen vermag. 09/10 Andreas Kössl

rz 2012, 20 Uhr PREMIERE: Sa 10. Mä VORSTELLUNGEN: 15., Fr 16., Sa 17., Di 13., Mi 14., Do . März 2012, 20 Uhr Mo 19. und Sa 31

NUR NOCH DREI MAL: Di 27., Mi 28. und Do 29. März 2012, 20 Uhr Tickethotline: 01/586 52 22 oder mail@dasTAG.at Onlineticket: www.dasTAG.at


Rez

Introducing Bjarne Mädel Bjarne Mädel (»Stromberg«) spielt mit »Der Tatortreiniger« sich und das deutsche Fernsehen frei – für originelle Serienprojekte in der Zukunft. Sind Mordkommission und Spurensicherung erst mal weg, bleibt immer noch Dreck. Dann kommt Heiko »Schotty« Schotte. Als Tatortreiniger, betont er, ist er bestimmt keine Putzfrau der Polizei: »Meine Arbeit fängt da an, wo andere sich vor Entsetzen übergeben«. Schotty ist ein gewissenhafter, direkt agierender und sympathischer Norddeutscher von der Basis, der in der NDR-Serie »Der Tatortreiniger« (2011) von Bjarne Mädel verkörpert wird. Der 44-jährige Hamburger Schauspieler ist den meisten aus »Stromberg« (seit 2004) bekannt. In der Rolle des Berthold »Ernie« Heisterkamp gibt er dort den schrulligen Neurotiker, der beliebtes Mobbing-Ziel seiner Kollegen ist. »Stromberg« ist die deutsche Version der britischen und amerikanischen Erfolgsserie »The Office«. So wurde Ernie eine tragisch-­ komische Mischung aus dem britischen Gareth (Mackenzie Crook) und dem amerikanischen Dwight (Rainn Wilson). Herausragend interpretierte Mädel die Figur als cholerisches Muttersöhnchen und etablierte sich zum Darling der Serie. Die Gefahr des Type-Castings konnte er in späteren Rollen meist vermeiden. In den sanft geratenen, aber wegen ihm so sehenswerten Serien »Mord mit Aussicht« (seit 2008) und »Der kleine Mann« (2009) verkörpert er den bescheidenen Beamten bereits mit viel mehr Souveränität. »Der Tatortreiniger« markiert den bisherigen Höhepunkt. Die von Bjarne Mädel und dem Regisseur Arne Feldhusen (»Stromberg«) konzipierte Serie erinnert kurz an US-Hits wie »Dexter« oder »My Name Is Earl«, entfaltet sich aber bald zu einem subtilen, scharfsinnigen und originären TV-Ereignis. Bjarne Mädel macht es zum derzeit außergewöhnlichsten deutschen Massenfernsehen.  TEXT Klaus Buchholz BILD Tellyvisions

Die vier Episoden von »Der Tatortreiniger« erscheinen am 9. März via Tellyvisions auf DVD.

A Beginner’s Guide to Endings (Entertainment One) von Jonathan Sobol; mit Harvey Keitel, Scott Caan, Tricia Helfer, J.K. Simmons auf DVD und Blu-ray

Antares – Studien der Liebe (Kino Kontrovers) von Götz Spielmann; mit Petra Morzé, Andreas Patton, Andreas Kiendl auf DVD

The Chemical Brothers – Don’t Think (EMI) von Adam Smith; mit Chemical Brothers auf DVD und Blu-ray

Verliebt, verzopft, verwegen (Identities) von Katharina Lampert und Cordula Thym auf DVD

DVD

Duke White (Harvey Keitel) hat mit seinem Leben abgeschlossen. Nach seinem Suizid vermacht er drei seiner fünf Söhne die Information um ihren vermeintlichen baldigen Tod. Diese setzen fortan alles auf ihre individuelle Form des Carpe diem. Dabei agiert jeder für sich, jedoch nicht ohne zufälliges Ineinandergreifen ihrer Geschichten. Das Resultat ist eine grelle Action-Dramödie, die Werte wie Familie, Reue und Liebe sowie den ein oder anderen Wink des Schicksals mit einem Augenzwinkern adressiert. Dynamische Dialoge und ein gelungenes Typecasting ergeben ein solides Erstlingswerk. Dass die Niagarafälle nicht nur Schauplatz sind, sondern gleichsam selbst eine Figur mit Eigenleben, die letztlich das Happy End doch noch in trockene Tücher bringt, ist ein erfrischendes Detail am Rande. Der Film ist durchaus stimmig, jedoch fehlt ihm das gewisse Etwas. 06/10 Artemis Linhart Im Vorgänger zu seinem zu Recht mit Preisen überhäuften »Revanche« konzentriert sich Götz Spielmann auf die wenig romantischen Aspekte der Liebe. Auf ihre rein körperliche Seite, auf Eifersucht oder auch auf die Unfähigkeit, allein zu sein. In drei ineinander verflochtenen Episoden lässt er seinen Protagonisten wenig Handlungsspielraum, zeigt sie als Getriebene. Eva und Tomasz treffen sich in einem Hotel, um Sex zu haben. Marco betrügt seine Freundin, die ihm vorspielt, schwanger zu sein und unter großen Unsicherheiten leidet und Nicole wünscht sich nichts mehr, als von ihrem gewalttätigen Ex-Freund in Ruhe gelassen zu werden. Ähnlich wie bei »Revanche« besticht Spielmann in »Antares« nicht nur mit seinem Diskurs förderndem Inhalt und teilweise sehr offenen Bildern, sondern in erster Linie mit einer extrem hohen Präzision, die komplette Regie betreffend. Dieses Können gibt dem Film eine zusätzliche Wucht und hebt ihr von anderen heimischen Filmen ab, die teilweise mit ähnlich tristen Sujets arbeiten. Und Andreas Kiendl, der durch eine geschlossene Wohnungstür einen Hund anbellt, vergisst man darüber hinaus ganz sicher nicht so schnell. 08/10 Martin Mühl Als Konzertfilm macht »Don’t Think« so ziemlich alles richtig. Seien wir ehrlich, Bilder lügen sowieso und wer will schon einen möglichst unverfälschten und neutralen Bericht von einem Konzert der Chemical Brothers sehen? Wieso also nicht eine Menge After-Effects nehmen, den Sound aufpolieren, Visuals von der Bühne direkt auf den Schirm holen, Close-Ups von entrückten Feieranten einflechten und kleine Substorys einbauen? »Don’t Think« versucht den Zusehern ein möglichst eindrucksvolles Spektakel zu zeigen, mit bebenden Bildern, hastigen Blenden und schnellen Schnitten. Das ist natürlich kein Ersatz für das Live-Erlebnis, aber wenn man das schon nicht konservieren kann, dann bietet dieser Film (es ist definitiv mehr als ein Mitschnitt) für Interessierte einen okayen Ersatz. Regisseur Adam Smith hat dabei einen adäquaten Stil gefunden, ein Ereignis festzuhalten, das ja viel weniger von seinen ausführenden Musikern lebt als etwa die Konzerte in Woodstock (»Woodstock«), von The Band (»The Last Waltz«) oder Led Zeppelin (»The Song Remains The Same«). Mit den Chemical Brothers hat er noch dazu als Vorlage einen derart anerkannten, inthronisierten Elektronik-Act, wie das vielleicht sonst nur noch Daft Punk oder Kraftwerk sein könnten. Dass diesen Film dann doch nur Interessierte zu Gesicht bekommen werden, liegt in der Natur der Sache. 06/10 Stefan Niederwieser Das Wien der 50er und 60er Jahre war keine besonders ermutigende Zeit für Frauen, die sich in Frauen verlieben wollten. Homosexualität stand noch unter Strafe und die Sittenpolizei versuchte, gleichgeschlechtliche Pärchenbildung zu unterbinden. Die Regisseurinnen Katharina Lampert und Cordula Thym lassen in ihrem Dokumentarfilm drei unterschiedliche Frauen vom lesbischen Leben in der brodelnden Zweiten Republik erzählen. Deren Emanzipationsgeschichten sind an sich sehr hörenswert und unterhaltsam, doch der reduzierte Dialogschwerpunkt des Films lässt die spannenden Erzählungen leider etwas allein. Ein immer wieder zusammenfassendes Voice Over und vereinzelte Archivaufnahmen bilden insgesamt ein zu redundantes Gerüst. So wird die brave Oberfläche von »Verliebt, verzopft, verwegen« der gesellschaftlichen Tiefe nicht ganz gerecht. Gerade weil Unsichtbarkeit hier das Thema sein soll. 07/10 Klaus Buchholz


Rez Klaus Pichler Fürs Leben gezeichnet. Gefängnistätowierungen und ihre Träger 01 (Fotohof Edition) — Seit alters her hat sich die Strategie der Tätowierung als mögliche Option zum Behalten des – nun uminterpretierten – Schmucks im Gefängnis erwiesen. Abseits der Zeichen als Zugehörigkeit zu bestimmten Kreisen ist es faktisch Häfn-Mode als nonverbale Kommunikation der Hard Facts und Vorlieben. Jahrtausende hindurch hat sich Kunst des Hautritzens samt Farbunterbringung gehalten wie entwickelt. Umso erstaunter ist man, sieht man sich so manches Elaborat an. Derb geschlitzt, unsauber gezogen, verwackelt und brutal in den Körper reingetrieben. Eben ein Spiegel der Unzulänglichkeiten des jeweiligen Menschen selbst als Ausdruck seiner Situation als Wesen im Wechsel der sozialen Ebenen. Klaus Pichler hat sich auf die Suche nach den Trägern der Gefängnistätowierungen gemacht und dokumentiert. Nicht nur fotografisch, sondern auch der Seele zugewandt, die G’schichtn dahinter hinterfragend. Viel gibt es da nicht zu verstecken, umso mehr zu entdecken. Ein lohnenswertes Unterfangen mit einem berührenden Ergebnis.

Astrit Schmidt-Burkhardt Maciunas’ Learning Machines. From Art History to a Chronology of Fluxus (Springer)

Kunst ist ein Fluss 50 Jahre Fluxus, ein guter Anlass, um mit »Maciuna’s Learning Machines« eine Sammlung von George Maciunas’ Aufzeichnungen und Diagrammen zu der von ihm initiierten Kunstbewegung herauszubringen. Ein anspruchsvoller Ausflug in die Kunsttheorie.

07/10 Michael Bela Kurz

Peter Plöger Einfach ein gutes Leben 02 (Hanser) — Einen alten Ford Fiesta habe er, erzählt uns der Autor zu Beginn und man wundert sich, wo da das gute Leben lauert. Doch auf den folgenden Seiten wird klar, dass dadurch die Position des Autors erkennbar wird. Einer, der sich traditionell am Leben erhält und dabei so manches infrage stellt, erzählt uns hier Geschichten von Menschen, die andere Wege des Broterwerbs einschlagen. Da jeden Tag eine Krise oder eine Rating Agentur grüßt, steigt das Interesse an Systemabweichlern und an deren Konzepten, den Alltag zu bestreiten. Tausch­ ringe, Mülltauchen, »neue Arbeit«, … kurz, das selbstorganisierte Leben bietet viele Optionen für ein einfach gutes Leben. In unseren Breiten zählt nicht das Mehr, sondern das Wofür – und das benennt der Titel. Wie sich Leute dieses erarbeiten – dabei aber auch feststellen, um wie viel härter Handarbeit im Vergleich zur Fingerarbeit ist – versammelt das Buch, ohne aber zu den Schmutz unter den Fingernägeln der Subsistenz zu übersehen. Mehr solcher Bücher und Beispiele – warum nicht auch in den Nachrichten? 10/10 Richard Schwarz Gerhard Waldherr Bruttoglobaltournee 03 (Salis) — Gerhard Waldherr, weitgereister deutscher Journalist, zeichnet in 25 Reportagen anhand spezifischer Details und Beobachtungen ein sehr komplexes Bild von 24 Ländern (die USA kommen zweimal zum Handkuss), die sozusagen repräsentativ für die gesamte Welt stehen. Überall trifft man auf ein eigenartiges Gemengelage aus Bewegung und Stasis, Fortschritt und Rückschritt, Reibungslosigkeit und Widersprüchlichkeit, Planung und Improvisation, nicht zu reden von krassen sozialen Gegensätzen, Desastern und Katastrophen, aber auch Hoffnung, Güte und echter Menschlichkeit. Die indische Metropole Mumbai stellvertretend für die Welt als Moloch der Gegensätze. »So sieht sie aus, unsere Welt. Ein Kosmos voller Narben. Und ein Ende der Verstümmelung ist nicht abzusehen«, so der Autor im Nachwort. Als Schwachpunkt des Buches ließe sich ein beinahe schopenhauerianischer Geschichtspessimismus identifizieren, wobei Gerhard Waldherr jedoch klug genug ist, nicht in seine eigenen Fallen zu tappen, sondern seinen Geist und seine Augen offen zu halten. 09/10 Philip Hautmann

sachbuch

Unabsichtlich diente mir »Maciunas’ Learning Machines« erst einmal als Sitzunterlage – ist es doch ein großformatiges, kompaktes Buch, auf dem es sich – besonders bei kühler Witterung – ohne Weiteres gemütlich ein Weilchen Platz nehmen lässt. George Maciunas hätte da sicher nichts dagegen gehabt. Die Veröffentlichung der Bildhistorikerin Astrit Schmidt-Burkhardt ist keine Biografie des Begründers der Fluxus-Bewegung, vielmehr ein Kompendium seiner theoretischen Ergüsse. »Fluxus« – ein Begriff, der vielen Leuten erst einmal verzwickte Gesichtszüge beschert: avantgardistisch – mühsam – verquer – Dada? Kurz, ein Begriff für eine Kunstströmung, der sich nicht leicht auf einen Nenner bringen lässt – und auch nicht gebracht werden soll. Die zweite, überarbeitete und ergänzte Ausgabe der »Learning Machines« in englischer Sprache mit einem sehr aufschlussreichen Vorwort des amerikanischen Jazzmusikers Jon Hendricks führt »from art history to a chronology of fluxus« und ist keine Bettlektüre. Man muss bereit sein, sich den Weiten von Maciunas’ visuellem Informationssystem öffnen. Schnell wird deutlich, mit welch emsiger Motivation und Ernsthaftigkeit der US-Amerikaner litauischer Abstammung bemüht war, die (kunst) historische Vergangenheit zu veranschaulichen, um dadurch Zusammenhänge im Zeitgeschehen herauszuarbeiten. Karten, Diagramme, Grafiken, Pläne und Tabellen – fein säuberlich zu Papier gebracht, um die seit den frühen 60er Jahren existierende Bewegung zu manifestieren –, sind auf 200 Seiten gesammelt, katalogisiert und erläutert. Einleitende und ergänzende Texte bieten die Möglichkeit, sich den komplexen Ideen anzunähern. Der Künstler und Theoretiker war der Überzeugung, dass man das, was war, visualisieren muss, um Zusammenhänge und Bezüge, Entwicklungen und Begründungen im Jetzt zu verstehen. Fluxus – alles fließt – fließt ineinander: Geschichte, Musik, Kunst, Politik, Happening und das Leben an sich strömten zusammen, vernetzten sich zu einem intermedialen Ganzen, das oft in Form einer vielschichtigen Performance aufgeführt wurde. SchmidtBurkhardts Veröffentlichung erreicht Wien in einem Ausstellungs-Schwerpunkt rund um die 60er und 70er Jahre – und zum 100. Geburtstag von John Cage, der mit seinen musikalischen Konzepten als Schlüsselfigur des Fluxus gilt. 07/10 Margit Emesz Hinweis: Ausstellung »Membra Disjacta for John Cage«, Museumsquartier, bis 6. Mai 01

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Rez Mark Bowden Worm 01 (Berlin) — Mark Bowden, einer der vielleicht bekanntesten US-Journalisten und Autor von Sachbuch-Romanen wie »Black Hawk Down«, nimmt sich in »Worm: der erste digitale Weltkrieg« dem Thema Computerwürmer und digitale Kriegsführung an. Das war und ist nun irgendwie an der Zeit. Um nicht zu beliebig zu werden, konzentriert sich Bowden auf einen real existierenden Wurm mit dem Spitznamen Conficker. Dieser breitete sich in den Jahren 2008, 2009 rasant und geschickt aus und existiert bis heute auf Millionen von Rechnern. Er hat dazu geführt, dass sich eine private Gruppe von digitalen Sicherheitsspezialisten zusammenschloss, um gegen den Wurm vorzugehen, lange bevor Regierungen oder große Unternehmen dazu bereit waren – obwohl deren Einrichten potenziell am meisten betroffen sind. Es ist unklar, wer hinter dem Wurm steckt: eine Gruppe von Studenten, Online-Betrüger oder gar Terroristen oder ein Staat? Letztlich könnte Conficker wohl bis heute einen Teil des Internets lahmlegen. Bowden konzentriert sich auf die Gruppe der Spezialisten, da er erzählerisch mit vorherzusehenden Problemen zu kämpfen hat: Die Vorgänge sind hoch technisch und nicht leicht zu vermitteln, eigentlich passiert nicht viel, das sich als Handlung erzählen ließe und bis heute ist die Gefahr, die von Conficker ausgeht, eine zwar reale, aber noch nicht in Kraft getretene. Die Einleitung dauert deswegen bis zur Hälfte des Buches – und danach konzentriert sich Bowden auf die menschlichen Qualitäten der Gruppe und ihre Kleinkriege untereinander. Das ist verständlich und nachvollziehbar, aber leider nicht sehr spannend oder aufschlussreich. Auch sein Kunstgriff, die Gruppe mit den Comic-Helden X-Men zu vergleichen, geht nicht ganz auf. Und so scheitert Bowden sehr vorhersehbar an seinem selbst gewählten Thema, das uns allerdings in den kommenden Jahren eher mehr als weniger beschäftigen wird. 04/10 Martin Mühl

Gianrico Carofiglio In ihrer dunkelsten Stunde 02 (Goldmann) — »In ihrer dunkelsten Stunde« – das lässt schon im Titel nichts Gutes verheißen und in der Tat, so ist es. Der italienische Autor Gianrico Carofiglio schrieb einen sehr schnörkellosen Anwaltskrimi, genauer, Krimi über einen Anwalt, der plötzlich als Privatdetektiv auftritt. Die Studentin Manuela ist seit sechs Monaten wie vom Erdboden verschluckt, also macht sich der Anwalt Guido Guerrieri auf die Suche nach ihr. Schon bald erzählen ihm Zeugen mehr, als in den Polizeiprotokollen steht und so gewinnt er an seinen Nachforschungen Gefallen. Im Prinzip ein durchschnittlich guter italienischer Krimi, der keine besonders hohen Ansprüche an den Leser stellt. Da Carofiglio selbst im Brotberuf Anwalt ist, weiß er, wovon er spricht. Außerdem ist für Freunde des italienischen Kriminalromans mit Bari eine weitere Stadt auf der Krimilandkarte erschlossen. 07/10 Martin G. Wanko Christian de Simoni Rückseitenwetter 03 (Poetenladen) — Chris Bissig, rund 30-jähriger Makler ohne Ambitionen, zeigt sich wenig geschockt, als seine Freundin Monika in einer psychosomatischen Klinik in Graubünden landet. Während die Lehrerin ihre Belastungsdepression kuriert und bisweilen mit einer anderen Beziehung liebäugelt, hat auch er sich innerlich längst abgewendet von ihr – obwohl er nun ihre Wohnung benutzt. Für Treffen mit Elgin etwa, einer mädchenhaften Esoterikerin türkischer Herkunft. Doch auch sie ist wankelmütig und überlegt,

Buch James Franco Palo Alto (Eichborn)

Einführungsseminar Creative Writing Hollywoodstar James Franco hat ein Buch geschrieben. Kurzgeschichten, die in seiner Heimatstadt Palo Alto spielen. Ein etwas zwiespältiges Lesevergnügen. Keine Frage, James Franco ist ein begabter Mensch. Er denkt und reflektiert, bevor er sich künstlerisch betätigt. Der 33-jährige Kalifornier kniet sich in seine Rollen, die er gerne auch nicht ganz mainstreamtauglich auswählt. Künstlerisch verwirklicht er sich aber auch abseits der Schauspielerei. Als Regisseur und Produzent, als Maler und Performancekünstler. Dass es, um ernst genommen zu werden, intellektuelles Unterfutter braucht, hat der Hollywoodstar, der einer breiten Öffentlichkeit vor allem als Spiderman-Widersacher Harry Osborn bekannt ist, scharfsinnig eingesehen. Weswegen er, als die Sache mit der Schauspielerei recht gut lief, einen Bachelor in Kreativem Schreiben an der UCLA machte, einen Master of Fine Arts an der Columbia University nachschob und momentan in einem Dissertanten-Seminar in Yale sitzt. Pendeln zwischen Filmset und Ivy-League – das macht sich gut in der Biografie, insbesondere, wenn man wie Franco das Image eines Gesamtkunstwerks pflegt. Dazu gehören übrigens auch Dinge wie als Coverboy fürs amerikanische Männer-Lifestyle-Magazin Esquire zu posieren und dabei geschickt das literarische Debüt mit exklusivem Vorabdruck zu promoten. Das war im Frühling vor zwei Jahren. Nun ist sein Kurzgeschichtenband »Palo Alto« auch auf Deutsch erschienen. Francos Storys spielen in der kalifornischen Klein- und Universitätsstadt Palo Alto, also mitten im Silicon Valley. Und sie handeln von einer Gruppe Jugendlicher und ihren Erlebnissen und pubertären Missetaten in den Vororten der Stadt. Damit der Leser bei der Stange bleibt, braucht es etwas Unerhörtes. Sonst wird es schnell fad. Franco, der in Interviews immer auch erklärte, einiges an Autobiografischem in die kleinen Storys verpackt zu haben – nicht zuletzt auch, weil er in Palo Alto aufgewachsen ist – müht sich dabei aber ab. Unerhörtes ist für ihn vor allem Gewalt. Das kann durchaus verstören, etwa wenn ein Fußgänger am Zebrastreifen überfahren wird und der betrunkene Lenker mit seiner Fahrerflucht durchkommt. Wenn eine Halbasiatin von ihrem Freund sexuell ausgebeutet wird und beim Rudelbums allerhand phallische Gemüsesorten in Körperöffnungen verschwinden. Oder wenn Partys harmlos beginnen und tödlich enden. Nur: Unerhörtes und Verstörendes ist leider nicht alles und so fehlt den Geschichten oft der letzte Dreh, ein letzter kleiner Haken, der zu einer gelungenen, befriedigenden Pointe führt. So bleibt oft nur ein fahler Nachgeschmack und sanfte Orientierungslosigkeit. Bei Wohlwollen dem Autor gegenüber, schließlich ist er ja als einer der coolsten Hunde am Planeten Erde punziert, lässt sich dieses Manko auch als eigener literarischer Ton und clever eingesetztes Stilmittel interpretieren. Sind doch Francos Helden hauptsächlich wohlstandsverwahrloste Jugendliche, die aus purer Langeweile im Alkohol-, Drogen- und Pheromonrausch nihilistischen Unfug treiben und sich ihren Desillusionierungen und der Monotonie des (Schul-)Alltags hingeben. Dies ist jetzt auch nicht unbedingt ein ganz so neuer Topos. Die Radikalität und Sturheit, mit der Franco aber dran bleibt, nötigt einem durchaus Respekt ab. Wirklich plastisch werden die Charaktere dabei leider nicht. Franco beschreibt mehr Oberfläche als Innenleben, bleibt so aber auch auf der sicheren Seite. Das kann er nämlich gut, da wird auch Stimmung und Sogwirkung generiert. Dass man dabei stellenweise recht kräftig das Creative-Writing-Besteck klimpern hört, sei der Vollständigkeit wegen auch noch erwähnt. Am Ende bleibt also ein Stück Hardcore-Jugend­ literatur, das trotz manch trivialer Einsichten dann doch recht unterhaltsam ist. 06/10 manfred gram


Rez

Buch

in die Türkei zu heiraten. Was die drei eint, ist das krankmachende Lebensgefühl heutiger Twens: Sie dürsten nach einem ominösen Etwas namens Leben – und sind von diesem bereits übersatt. Der in Bern lebende Autor findet für diesen Kreis den richtigen Duktus: lapidar und skizzenhaft, zurückhaltend und herb. Und drückt dann doch auf die dramaturgische Tube: Monika will nach ihrer Entlassung ein Kind, Chris schreibt sich nach der Kündigung in einen Bewerbungswahn und Elgin verliert ihr ungeborenes Kind. Wenn Gefühle erkalten, will uns de Simoni vermitteln, bedarf es Mut – und echter, neuer Gefühle. 07/10 Roland Steiner

versucht sich als Hospizgehilfe und Sargträger, und landet schließlich in Rom, wo sogar die Tauben etwas zum Reden haben. Franzobel hat es wieder getan, in seinem neuesten Werk wirft er mit Alliterationen, mit Dysphemismen, Hendiadyoin, mit Hyperbeln und Fremdwörtern um sich, er lässt seinen Leser im Wörterstrudel versinken, übt sich in explosiver Lautmalerei (»Burrrgtheaterdeutsch!«), erzählt detailverliebt bis zur Penibelkeit und tischt auf 512 Seiten die unermessliche Bandbreite der deutschen Sprache auf. Ein Roman über die schrägen Abgründe der Seele und das Destillat des menschlichen Daseins. 07/10 Natalie S. Campbell

Helen FitzGerald Tod sei Dank 04 (Galiani Berlin) — Endlich ein Blog, dem man nicht folgen muss. Nämlich dem der australischen, in Schottland lebenden Autorin Helen FitzGerald. »Apologies, but I‘ve been using up all my words else­where.« Auf ihrem Twitter-Profil heißt es, dass sie wie verrückt schreibt. Das klingt gut (auf Englisch noch besser: »writing like mad«) und ihre Bücher sind es ebenso. »Tod sei Dank« (im Original: »The Donor«) ist ihr dritter in deutscher Übersetzung vorliegende Roman. Der arbeitslose, alleinerziehende Vater und MöchtegernFilmemacher Will, der vom Immobiliengeschäft seiner Schnösel-Eltern lebt, steht im Zentrum der Geschichte. Seine Ex, Cynthia, eine Junkie-Braut, die ihren Dealer Heath, der im Kittchen sitzt, liebt, hat sich vor zehn Jahren aus dem Staub gemacht und ihn mit den Kindern sitzen lassen. Sie »braucht die Freiheit, von der die meisten Menschen nur träumen« und meint »Männer gehen davon aus, dass Frauen ihre Kinder großziehen. Auf diese Weise können sie uns kontrollieren. Wir müssen nicht alles machen, was man uns sagt«. Die Zwillingstöchter Georgie und Kay (die eine finster und temperamentvoll, die andere heiter und klug) essen seit Mutter weg ist zu viel Cornflakes, haben kranke Nieren und müssen zur Dialyse. Während Wills Mission »die Verflossene zwecks Transplantation aufspüren« lautet, erstellt der chaotische Loser-Dad schließlich eine pro und contra Georgie & Kay-Liste (er selbst kann nur eine Niere spenden). Ohne unnötigen Firlefanz erforscht die stets sozialkritische und niemals spröde Autorin dabei gekonnt die Untiefen der kriminellen Seele und fragt, wofür es sich überhaupt zu leben lohnt. 09/10 Eva Morocutti

Christopher Roth 200D 06 (Berlin) — Also 1981, tolle Autos gab es auch, die durften noch ohne viel Kunststoff auskommen und ohne schlechtes Gewissen viel Sprit verbrauchen, zum Beispiel ein knallroter, verchromter 200D Benz. Und der wurde zur Literatur. Der 1981 absolut unbekannte Autor Christopher Roth brachte den für damals absolut bedeutungslosen Roman »200D« heraus. Ein Zeitgeistroman, ein Pop-Roman, ein Roman über die Befindlichkeit der deutschen Jugend, die mit Bravo und Spex aufwächst. Christopher Roth, der 2002 mit seinem BaaderFilm für Furore und Diskussion sorgte, hat eine leichtlebige Hommage auf das Leben geschrieben, also echt ohne prätentiösen Tiefgang, aber dafür mit viel Sonnenschein. Jetzt ist das gar nicht so viel anders als der sehr frühe Handke, aber Christopher Roth kommt eben ohne diese berühmte Handke-Melancholie aus. Ach ja, Inhalt gibt’s auch: Der Autor kauft sich einen knallroten D200er, geht zu einem Nobelfriseur und stolpert über einen Fassbinder-Dreh. Also, ein sehr gut lesbarer, sorgloser Roman, der die Türen zur Popliteratur im unbeabsichtigten Sinne weit aufstieß. Schön, dass er wiederentdeckt wurde. 08/10 Martin G. Wanko

Franzobel Was Männer so treiben, wenn die Frauen im Badezimmer sind 05 (Zsolnay) — Hildebrand Kilgus ist »schüchtern«, »verklemmt«, »haphephob« – das heißt, er hat Angst vor Berührungen und kann Frauen nur mit Handschuhen angreifen – und ewig auf der Suche nach der Quintessenz dessen, was das Leben ausmacht. Hildebrand Kilgus ist versessen, verrückt, er verlangt, er dürstet und lechzt nach den Orgasmusschreien der Frauen dieser Welt. Das Gestöhn, das Frauen ausstoßen, auf dem Gipfel der Erregung, das sei der Eingang zur menschlichen Seele, das »Universum der Gefühle«, so erscheint es ihm klar und eindeutig. Ihm geht es »um das Sich-Verlieren, um den Moment, wenn sich der Geist vom Fleisch löst, hochsteigt wie ein Flugdrache, nur vom Nylonfaden gehalten noch am Leben hängen bleibt«. Wie Süßkinds düsterer Held Jean-Baptiste Grenouille, der sich aufmacht, um den einzigen Geruch auf diesem Erdball aufzuspüren, macht sich Hildebrand Kilgus auf, den einzigen orgiastischen Schrei zu finden, er wird Hebamme und verteilt als Puffmutter Berge von Mentholzuckerln, er 01

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Paolo Sorrentino Ragazzi, was habe ich verpasst? 07 (Aufbau) — Kennen tut man Paolo Sorrentino als Filmemacher. »This Must Be The Place«, ein KZ-Drama mit Sean Penn in der Hauptrolle war letztes Jahr sein großer Durchbruch. Nun begibt er sich mit »Ragazzi, was habe ich verpasst?« unter die Romanciers. Und es ist ein toller Wurf, das darf man schon vorab verraten. Tony Pagoda, ein ChansonStar in den 70er Jahren, ist auf dem Olymp seiner Erfolge gelandet: Er feiert ein ausverkauftes Konzert in New York, Frank Sinatra zollt Beifall und daneben erlebt er dazu die typischen Tiefen im Showbiz. Silvesterfeiern auf unsäglichen Autobahnraststätten, trostlose Nächte im winterlichen Italien, eine nie in Erfüllung gegangene Liebe in Capri und eine Schießerei im Drogenmilieu, in die der Sänger nicht ganz unschuldig hineinrutschte. Wie im guten Film, denkt man sich als Leser, und Sorrentino kann wirklich visuelle Bilder in Worte fassen. Als Autor bleibt er rau, schont den Leser nicht, sein Ahnherr im Film wäre zweifelsohne Martin Scorsese, nichts also für zart besaitete Geschöpfe. Er kristallisiert aus dem Leben seine eigenen Weisheiten, aber eben anders, essayartig, nachdenklich, und treibt dann doch den Inhalt wieder weiter. Das Buch ist insofern ein Glücksfall, weil hier keiner Abstriche noch Zugeständnisse macht, also sich im oberen Niveau der Literatur wiederfindet, ohne zu vergessen, dass ein Schuss Handlung den Leser am Roman bleiben lässt. Und natürlich lacht man auch auf, nicht zuletzt durch die wahrhaftigen, temperamentvollen Dialoge, die schon wieder als Parodie auf den Italo-Macho gelesen werden können. 09/10 Martin G. Wanko 04

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Rez

Brian Azzarello, Eduardo Risso Spaceman 01 (DC Vertigo) — »Spaceman« hätte hervorragend in die erste Inkarnation des Métal Hurlant gepasst. Das ist als Lob und als Zuordnung einer gewissen Sensibilität zu verstehen, nicht als stilistische Einteilung oder Füllermaterialkategorisierung. Damals fand man in den Seiten des Kultmagazins psychedelische, exotische, anspruchsvolle Science-Fiction und Fantasy-Kunst. Und dieser europäischen Tradition folgen Azzarello und Risso in der neunteiligen Mini-Serie »Spaceman«. Aber anders. »Spaceman« ist ein schmutziger, realistischer Thriller. Realistisch, weil die zukünftige Welt, die Risso und Azzarello darstellen, glaubhaft ist. Mit genetisch produzierten Raumfahrern auf dem Abstellgleis, entführten Kinder-Reality-Stream-Stars, Slums und Narkotika. Das ist nicht die fantastische Anderswelt von Moebius’ »Arzach«, dennoch wären sie gute Nachbarn geworden. Erfrischung für Genreliebhaber. 07/10 Nuri Nurbachsch Mahler Lone Racer 02 (Reprodukt) — »Lone Racer« ist Mahlers »Mann ohne Eigenschaften«, nur besser, weil vollendet. Im ersten Satz deutet sich schon das biografische Drama, dem so wenige von uns entgehen, an: »Ich war einmal der Champ«. Lone Racer ist in die Jahre gekommen, seine Runden werden langsamer, die draufgängerischen Jungstars der Rennszene verspotten ihn. Aber was soll aus ihm werden? Genau, ein Mann ohne Eigenschaften. In der Bar Juanjo kann er immerhin noch die leeren Tage mit seinen alten Rennkumpels Peinlich und Gummi verbringen. Juanjo wird so zum Lebensgefühl einer post-biografischen Lebensphase. Lone Racer kann allerdings auf den Rennsport nicht verzichten, und tatsächlich gelingt ihm ein zweifelhaftes Comeback, das ihm doch noch erlaubt, den ersehnten Satz zu sagen. Aber wo und zu wem soll er diesen Satz sagen? Bar Juanjo, später Nachmittag: Ich bin zurück. 09/10 Alexander Kesselring Mark Long, Jim Demonakos, Nate Powell The Silence Of Our Friends 03 (First Second) — Mark Longs Vater arbeitete in den 60ern als Reporter für TV-Sender und war hautnah an der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung dran. Direkt aus diesen Erfahrungen bezieht Long das Material für »The Silence Of Our Friends«. Hinter den »großen« Fronten gab es viele kleine Minenfelder aus persönlichen Missverständnissen, unhinterfragten Traditionen und kleingeistiger Feigheit. Mithilfe von Nate Powells magischer Zeichenkunst macht Long eine dieser Fallen sichtbar. Marks Vater freundet sich mit Larry Thompson, einem regionalen Sprecher der Bürgerrechtsbewegung, an. Die Annäherung der beiden Familien ruft an vielen Stellen Ablehnung hervor, bis die zerbrechliche Bindung beinahe zerstört wird. »The Silence Of Our Friends« glänzt in den kleinen Momenten, in den Rahmenhandlungen, die aber für die persönlichen Beziehungen der Charaktere viel wichtiger scheinen als die eigentlichen dramatischen Ereignisse. Long flechtet diese zusammen und Powell potenziert sie in der kraftvollen Leichtigkeit seines Stils. Auch wenn »The Silence Of Our Friends« keine scharfe politische Aussage, keine vielfach besprochene Sozialkritik aufweist, ist es wertvoll, gerade eben weil es Licht auf die scheinbar einfachen Sachen wirft, in denen so oft die größten Probleme begraben liegen. 07/10 Nuri Nurbachsch

Comics Usamaru Furuya, Osamu Dazai No Longer Human (Vertical)

Menschlos 1948 schrieb der japanische Schriftsteller Osamu Dazai darüber, kein Mensch sein zu können. 64 Jahre später ist dieser Stoff, von Usamaru Furuya zur Manga-Adaption verarbeitet, noch immer ernüchternd. Mit dem Satz »I’ve lived a life full of shame« führt Furuya in das Leben von Yozo Oba. Diese Schande, diese Scham erkennen wir schon in den ersten Seiten als gesellschaftliche Entfremdung, schwanger mit dunklen Ahnungen vergangener Traumata. Und dann wird unsere Heimapothekenpsychologie ins Wanken gebracht. Nein, wir hatten nicht unrecht mit unserer Vermutung, das nicht. Aber wir lernen Yozo langsam besser kennen, blicken in seine Gedanken und tun uns schwer, das vermeintliche Pathologische vom vermutet Gesunden zu unterscheiden. Auch wenn nicht angezweifelt werden kann, dass dieser Yozo in Extremen lebt, dieser unmenschliche Jugendliche ist zutiefst und erschreckend menschlich. Seit jüngster Vergangenheit, so lernen wir, spielt Yozo Theater. Er verstellt sich und studiert Reaktionen und Verhaltensweisen ein, um irgendeine Art von Bindung zu seiner Umwelt zu erzeugen. Und wir wissen nicht ob es deshalb ist, weil er, wie er schreibt, Angst vor Menschen hat, sie nicht versteht und sich nur so in heikler Sicherheit wähnt. Denn zu anderen Zeiten erzwingt er die Nähe zu Personen, manipuliert und missbraucht sie subtil und gewissenlos, nur um seine Sehnsucht nach menschlichem Kontakt zu befriedigen. Jener Art von Kontakt, mit der er nicht umgehen kann. Yozo ist wie ein Parasit an den Gefühlen anderer, mit dem Zweck, eigene Emotionen zu erzeugen oder zu vernichten. Dies scheint ihm bewusst zu sein, aber nur seine Bekenntnisse, dass er ein schlechtes, wertloses Individuum ist, bedeuten scheinbar nichts. Sogar als er mit einer seiner etlichen Frauenbekanntschaften Doppel-Selbstmord begehen will, mit ihr ins Meer watet, unter Wasser das Bewusstsein verliert, will er eigentlich doch am Leben bleiben. Nicht mal der Tod anderer stellt eine Hemmschwelle dar für diesen verlorenen jungen Yozo Oba. Und während er von Phase zu Phase, von Schande zu Schande gleitet und kriecht, empfinden wir keinen Hass, staunen nur hohl ob der Leere dieser Unperson. Osamu Dazai veröffentlichte »Ningen Shikkaku« in serialisierter Form 1948. Bis heute bleibt diese apathische, pessimistische Schilderung einer zerbrochenen Person auf den Listen literarischer Zirkel, auch außerhalb Japans. Der Existenzialismus Dazais ist bitter, nach der Erkenntnis des individuellen Selbst zu Beginn folgt bei ihm keinerlei Chance auf Katharsis, nicht mal die Andeutung eines begehbaren Weges. Dieser quasi-nihilistische Atem erfüllt auch Furuyas Manga-Adaption. Man mag meinen, ein literarisches Werk von Dostoijewski’schen Ausmaßen in eine knappe zeichnerische Version überzuführen ist ein Unterfangen für Narren. Der geglückte dreiteilige Versuch von Usamaru Furuya belegt daher die, nun ja, Notwendigkeit solcher Narren in Kunst und Kultur. »No Longer Human« greift einen Klassiker auf, übersetzt ihn in moderne Idiome und Allegorien, macht ihn erneut zugänglich. Und trotz all der Zeit, die vergangen ist, schneidet Dazais Werk immer noch tief. 10/10 Nuri Nurbachsch 01

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Games

Das Monster bin ich Zwei Jahre hat Jackie die Finsternis in sich eingeschlossen, jetzt befreit er sie für einen anstehenden Rachefeldzug. Der Vorgänger war atmosphärischer, nun geht es direkter und intensiver zur Sache. Jackie Estacado ist noch nicht mal Mitte 20 und hat schon einiges hinter sich. Er ist mittlerweile Boss einer Mafia-Gang und lebt über den Dächern der Stadt in einem Prunkbau. Den Tod seiner Freundin Jenny und seine Kämpfe mit und gegen die in ihm hausende Macht »Die Finsternis« hat er nicht vergessen. Die Dunkelheit verleiht ihm Kräfte in Form von zwei weiteren Armen mit bissigen Köpfen, die etwa Gegner angreifen und blutigst töten. Oder deren Herzen fressen, um die eigene Gesundheit aufzubessern. Und dann gibt es noch den Gruntling, einen kleinen blutrünstigen Mitstreiter. Die zwei Jahre seit dem ersten Teil der Story hat Jackie die Finsternis in seinem Inneren gefangen gehalten, weil es auch Nachteile hat, selbst das Monster zu sein. Als er in einem Restaurant angegriffen wird und sich schnell herausstellt, dass die Gegner hinter der Finsternis her sind, muss er sie wieder frei lassen, um sich zu wehren. Der Vorgänger, entwickelt von Starbreeze, setzte in erster Linie auf eine, dem Graphic Novel-Genre ähnliche, dunkle und dichte Atmosphäre. Die Action hakte damals mitunter, wurde aber durch die Außergewöhnlichkeit des Spiels wettgemacht. Digital Extremes nimmt die Story und den Faden auf, inszeniert aber in erster Linie knallharte Action. Zwar gibt es auch diesmal storylastige Unterbrechungen und ein Spiel mit verschiedenen Wahrnehmungen und Realitäten, diese rücken aber in den Hintergrund. Das ist einerseits schade, auf der anderen Seite funktioniert das Action-Gameplay mit Waffen und den Armen der Finsternis nun deutlich besser. Grafisch setzten die Entwickler auf einen Cel-Shading-ähnlichen Comic-Look, und es gibt noch immer genügend Eigenheiten. Dazu zählen natürlich die durch die Finsternis verliehenen Kräfte, aber auch der Umstand, dass die eigene Gesundheit durch Herzen zwar schnell auffrischbar ist, aber sich durch Angriffe mancher Gegner auch mitunter schnell dem Ende zuneigt. »The Darkness II« ist das glattere Spiel, es unterhält Erwachsene aber überdurchschnittlich gut und vielleicht geht sich irgendwann ja noch mal beides aus: Atmosphäre und Hochglanz-Gameplay. 08/10 Martin Mühl

Darkness II (Digital Extremes); Xbox 360 getestet, PS3, PC; www.embracethedarkness.com


Rez Deponia 01 (Daedalic Entertainment); PC, www.deponia.de — Rufus will fort von Deponia, der endlosen Müllhalde, in der auch sein Heimatdorf liegt. Doch auch wenn er vor keinem Irrsinn zurückschreckt, haben ihn seine Fluchtversuche noch nie weit gebracht. Nur diesmal fällt ihm ein Mädchen in die Hände, das aus der fliegenden Stadt Elysium stammt – dem Ziel aller Ausreißversuche. Nun hat er die ganz große Chance. In Sachen Pointand-Click hat sich Daedalic in den letzten Jahren einen Namen gemacht: In »Edna bricht aus«, »The Whispered World«, »A New Beginning« und »Harveys neue Augen« wurden in zwei Dimensionen wunderbare Geschichten voller Rätsel und Unfug untergebracht, wie sie in dreidimensionalen Spielen oft vergeblich gesucht werden. »Deponia« schließt hier nahtlos an. Die Zeichnungen wirken vertraut, das Spielsystem versprüht Heimeligkeit und selbst die Stimme des Soundtrack-Sängers hat schon für Edna und Harvey gesungen. Von Innovation kann also nicht wirklich die Rede sein. Doch wie in manch anderen Spieleserien ist auch hier mehr vom guten Alten durchaus willkommen. Spaß macht das auf jeden Fall und immer wieder einmal gibt es auch die Notwendigkeit, Gedankengänge noch um die eine oder andere Ecke zu führen, um endlich zu einer Lösung zu kommen. Schräger Rätselspaß also, mit dem sich ein paar Stunden bestens herumbringen lassen. 07/10 Harald Koberg

Escape Plan 02 (Sony); PS Vita; www.funbits.com — Sony und Fun Bits Interactive (»Fat Princess«) überraschten bereits auf der vergangenen Gamescom mit »Escape Plan«. Ein Puzzlegame, das sich durch seine außergewöhnliche Präsentation und seinen schwarzen Humor schnell von der Masse abhebt. Konsequent bis zum Schluss wird das Abenteuer lediglich in Schwarz und Weiß dargestellt, während zwei skurrile Gestalten (Laarg und Lil) ihren Fluchtplan umzusetzen versuchen. Um die beiden ungewöhnlichen Helden zu bewegen oder die Umgebung zu manipulieren, werden entsprechende Befehle über Touchscreen (vorne) und Touchpad (hinten) eingegeben. An sich eine gute Idee, die Möglichkeiten der Konsole zu nützen, es fühlt sich manchmal aber zu wenig exakt an. Vor allem der Zwang, die Vita regelmäßig auf der Rückseite berühren zu müssen, birgt Frustpotenzial: Nicht immer ist so eine komfortable Navigation möglich. Trotz der teils fummeligen Kontrollen macht es meist großen Spaß, die charmanten Figuren bei ihrer Flucht zu begleiten. Die Lernkurve ist fair, das Experimentieren macht Spaß. Ein klassischer Soundtrack und schwarzer Humor (Gelächter und Geklatsche im Hintergrund ertönt vorzugsweise nach dem regelmäßigen Sterben) verschaffen »Escape Plan« zusätzliches Flair. 08/10 Stefan Kluger

Grand Slam Tennis 2 03 (Electronic Arts); PS3 getestet, Xbox 360, www. ea.com/grand-slam-tennis-2 — Will es allen recht machen und strauchelt dabei: »Grand Slam Tennis 2« ist weder eine gute Simulation noch ein 01

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Games bekannten Spielprinzips. Ein kleines Raumschiff gegen den Rest des Universums, in dem es farbenfroh kracht und scheppert, während die HighscoreJagd weiter und weiter geht. 09/10 Stefan Kluger

spaßiges Arcade-Spiel für zwischendurch. Tennis­ fans finden glücklicherweise bessere Alternativen. 05/10 Stefan Kluger

Happy Action Theatre 04 (Double Fine/Microsoft); Kinect für Xbox 360; www.xbox.com — Tim Schafer ist ein alter Querkopf im Game-Business. Viele seiner Spiele werden von Kritikern und Kennern ob ihres obskuren Humors geliebt – echte Verkaufserfolge waren aber die wenigsten. Mit seiner Firma Double Fine releast er derzeit kleinere Games für Kinect. Der neueste Titel ist »Happy Action Theatre«. Dieses umfasst 18 Mini-Games, von denen die meisten eher Spielzeug als Spiel sind. Die Zielgruppe sind in erster Linie Kinder, die hier herumspielen können, ohne bestimmte Ziele oder gar High-Scores erreichen zu müssen. Manche der Titel sind dann auch ein bisschen gar mager, etwa, wenn die Position eines Spielers genützt wird, um Kaleidoskop-Effekte zu triggern oder um Blumen wachsen zu lassen. Andere haben spielerische Elemente. Der Zugang zu Kinect ist ungewöhnlich genug und geht in vielen Fällen auf; auch wenn nicht alle Mini-Games oder Stages zu begeistern wissen. 08/10 Martin Mühl

UFC Undisputed 3 08 (Yuke’s/THQ); PS3 getestet, Xbox 360; www.ufcundisputed.com — Sieg nach Punkten oder K.o. in der ersten Runde? Die Kämpfe an sich können durchaus überzeugen. Das Drumherum schwächelt aber noch merklich – was auf lange Sicht frustrierend wirken kann. 08/10 Niko Acherer Uncharted: Golden Abyss 09 (Sony Computer Entertainment); PS Vita; at.playstation.com/Vita — Die Uncharted-Serie ist auf Playstation 3 längst ein Prestige-Objekt. Und mit »Uncharted: Golden Abyss« bekommen Vita-Gamer direkt zum Launch einen Ableger spendiert. Genauso wie die großen Brüder imponiert auch »Golden Abyss« mit teils wunderschöner Grafik und filmreifer Inszenierung. Die an Indiana Jones angelehnten Storys rund um Protagonist Nathan Drake – fiktiver Nachfahre von Sir Francis Drake – stehen für Hollywood-Gaming schlechthin. Leichte, unterhaltsame Kost, audiovisuell meisterlich in Szene gesetzt. Dass die PS Vita hardwarespezifische Besonderheiten aufweist, ist Teil der Faszination für diese Konsole. Dass es den zweiten Analogstick für ein sauberes Gameplay braucht, ist nachvollziehbar. Dass aber Touchscreen und rückseitiges Touchpad unbedingt zum Einsatz kommen, war nicht die beste Entscheidung der Entwickler. Es ist legitim, die Vorzüge einer Konsole hervorzuheben – doch warum diese nicht optional anbieten? Spieler sind gezwungen, ab und zu die berührungssensitiven Steuerungseinheiten zu verwenden, was schon mal ziemlich ungemütlich und hektisch werden kann. Abgesehen von den teils fragwürdigen Eingabeoptionen entzückt das Abenteuer mit schönen Landschaften und feinen Animationen – und lässt damit locker auch die schönsten iOS-Games hinter sich. Wer auf Popcorn-Games steht, kommt hier trotz der stellenweise verpatzten Steuerung auf seine Kosten. 07/10 Stefan Kluger

Kingdoms Of Amalur: Reckoning 05 (Electronic Arts); PS3 getestet, Xbox 360; reckoning.amalur.com — Viele großartigen Rollenspiele sind in den vergangenen Monaten erschienen. Doch bis auf das alles in den Schatten stellende »Dark Souls« gab es ein generelles Problem: Gameplay. Im Vergleich zu den oftmals imposanten Welten und dramatischen Storys war spielerisch einfach zu wenig los. Ganz anders bei »Kingdoms of Amalur: Reckoning«, das sich trotz des sperrigen Namens von Anfang an erfrischend flott spielt. Dafür verantwortlich ist ein dynamisches Echtzeit-Kampfsystem und eine unkomplizierte Suche nach besseren Gegenständen. Und auch erzählerisch muss sich »Reckoning« nicht verstecken, wenngleich größere Überraschungen ausbleiben. Verantwortlich zeichnet Bestseller-Autor R. A. Salvatore, bekannt geworden durch seine Bücher im AD&D-Universum »Forgotten Realms«. Die Welt ist weder streng linear noch offen; abseits der Hauptstory bleibt genügend Spielraum für Nebenauftrage und freies Erkunden. Während es technisch nicht viel zu bemängeln gibt, lassen Spielwelt und Charaktere Eigenständigkeit vermissen. Das ist bedauerlich, denn mit etwas mehr Mut zum Ungewöhnlichen wäre dieser Überraschungshit noch spannender geworden. 08/10 Stefan Kluger

Virtua Tennis 4 – Word Tour Edition 10 (Sega); PS Vita; www.sega.de — Routinierte Umsetzung für PS Vita, die mit einigen Verbesserungen aufwartet. Mehr Abwechslung und ein komplexerer Karrrieremodus als auf den großen Konsolen machen die Edition zu einem runden Gesamtpaket. 07/10 Stefan Kluger

Warp 11 (EA); Xbox 360 Live Arcade getestet, PC, PSN; www.ea.de/warp — »Warp« ist ein überdurchschnittliches Downloadgame, das sich trotz seiner optischen Niedlichkeit an Hardcore-Spieler richtet.

Ridge Racer 06 (Sony); PS Vita — Das Fahrgefühl stimmt, es ist eben »Ridge Racer«. Der Umfang dagegen ist aber dermaßen mager ausgefallen, dass darunter die Langzeitmotivation erheblich leidet. Schade, denn spielerisch ist »Ridge Racer« der beste Racer im Startangebot. 06/10 Stefan Kluger

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Wipeout 2048 12 (Sony); PS Vita; www.playstation.at — Trotz technischer Schwächen und einem etwas gewöhnungsbedürftigen Erscheinungsbild überzeugt die Kult­ serie wieder mit einem rasend schnellen Gameplay zu harten Technobeats. 07/10 Stefan Kluger

Super Stardust Delta 07 (Sony); PS Vita; www.playstation.at — Der König der Twinstick-Shooter ist zurück. »Super Stardust Delta« ist eine perfekte Umsetzung des von PSN 05

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Mit der Ausstellung »Gold« möchte das Belvedere in rund 200 Arbeiten den wechselnden Stellenwert von Gold in der Kunst zeigen. Von bekannten Beispielen bis hin zu zahlreichen Neuentdeckungen werden Arbeiten von Willi Baumeister, Sylvie Fleury, Richard Hamilton, Yves Klein, Franz West, Jan Fabre oder Georg Baselitz gezeigt. Ausstellung: 15. März–17. Juni Wien, Unteres Belvedere, Orangerie und Prunkstall

Gold – Sammelausstellung im Belvedere

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TER M I N E

KULTUR

Besetzt! Kampf um Freiräume seit den 70ern Mit dem Protest gegen den drohenden Abbruch des Spittelbergviertels 1973 oder die Besetzung der Arena drei Jahre später traten neue politische und gegenkulturelle Bewegungen in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit. Die Ausstellung befragt die Aktualität der Forderungen und behandelt die Taktiken der Konfliktparteien sowie auch die Rolle der Medien. Ausstellung: 12. April–12. August Wien, Wien Museum

Rudolf Schönwald Mit zeichnerischer Präzision und einer dreidimensionalen Anschaulichkeit hält Rudolf Schönwald eine fantastische Architektur fest. Thematisch geht es dem Künstler immer wieder um den Verfall von Industriegebäuden und den Wandlungsprozess der Metalle. Die Ausstellung im Essl Museum zeigt eine Auswahl von außergewöhnlichen grafischen Werken mit Schwerpunkt auf neuen, noch nicht gezeigten Arbeiten. Eröffnung: 8. März, 19.30 Uhr; Ausstellung: 9. März–13. Mai Klosterneuburg, Essl Museum

Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen Die erste Kooperation des Schauspielhaus Wien mit dem Tanzquartier Wien mündete in die Performance »Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen« nach einer Erzählung von Xaver Bayer. Zwischen musikalischer Partitur und choreografischem Setting protokolliert sie den Gedankenfluss eines Ich-Erzählers, der auf dem Brüsseler Flughafen auf seinen Anschlussflug wartet. Uraufführung: 15. März 2012, 20.00 Uhr; weitere Termine: 16., 17., 30. und 31. März Wien, Schauspielhaus

Katharina Lackner / Julian Palacz In »This line becomes mine« legt Katharina Lackner Ordnungssysteme der Kartografie übereinander, überblendet und vermischt sie, und macht sie damit »unbrauchbar«. Die Overnight-Residency im Nachtzug zwischen Wien und Berlin, »Tiefer als der Tag gedacht«, von Julian Palacz verwandelt Formen des Porträts und Selbstporträts in einem unkonventionellen medialen Kontext. Eröffnung: 14. Februar, 19.00 Uhr; Ausstellung: 15. Februar–24. März Wien, Das Weisse Haus

Imagetanz Unter dem Motto »Nicht mehr, sondern anders arbeiten!« findet von 2. bis 17. März das Performance-Festival Imagetanz 2012 statt. In 13 Tanz- und Performancearbeiten beschäftigen sich lokale und internationale Künstler mit dem Individuum im kapitalistischen Alltag. Eröffnung: 2. März, 20.00 Uhr; Ausstellung: 2. März–17. März Wien, Brut / Konzerthaus

Michael Kienzer Michael Kienzer gehört seit über 20 Jahren zu den bedeutendsten Künstlern der österreichischen Gegenwartskunst. In seiner ersten großen Personale, die das Kunsthaus Graz zeigt, wurde er eingeladen, sich den Space 01 zu eigen zu machen und diesen in einen Raum visueller Wahrnehmungskonstruktionen zu verwandeln. Eröffnung: 2. März, 19.00 Uhr; Ausstellung: 3. März–6. Mai Graz, Kunsthaus Graz


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Termine

Galerien

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MÄRZ / APRIL FR. 09.03. 20:00 | FILMKONZERT

NAKED LUNCH SPIELEN UNIVERSALOVE

SA. 10.03. 20:00 | MUSIKKABARET

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GEORG RINGSGWANDL (D): DAS LEBEN UND SCHLIMMERES DI. 13.03. 20:00 | TANZTAGE 2012

HELENA WALDMANN (D): REVOLVER BESORGEN

DO. 15.03. 20:00 | COMIC / ROCK

Annette Kelm, »Untitled« (Hufeisenmagnet 2), 2012, c-print, 60 � 50 cm

Annette Kelm /  Michaela Meise

Martin Walde, Solvent Scale, 2011

Martin Walde

TEXT Franziska Wildförster BILD Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Galerie Meyer Kainer

Wie ein Rudel fremdartiger Zwischenwesen stehen, liegen und hängen Martin Waldes Glasskulpturen im weißen Raum der Galerie Thoman. Ihre deformierten Körper scheinen einiges mitgemacht zu haben. Fast bekommt man ein bisschen Mitleid mit den Schweißbrenner-Veteranen. Und obwohl ganz auf ihren Sockeln verwurzelt, verkörpern sie Bewegung: die der Transformation und des Handelns des Künstlers – seines Zeichens Hobbyalchemist. Im farbenfrohen Kontrast zeigt sich im selben Raum die Fotoarbeit »Dandelion«. Der Löwenzahnwiese kann man durch analoge und digitale Überschreibungen geradewegs bei ihrer Reise in eine abstrakte, fantastische Welt zusehen. Fazit: Alles steht und bewegt sich doch. Der österreichische Künstler hat seinen Werken das Sprechen beigebracht. Und der Betrachter quasselt unweigerlich mit. bis 24. März Innsbruck, Galerie Elisabeth & Klaus Thoman

Was passiert, wenn man zwei in unterschiedlichen Medien beheimatete Künstlerinnen eine Ausstellung entwickeln lässt? Im Fall von Annette Kelm und Michaela Meise ist ein offener Dialog zwischen den Fotografien ersterer und den Skulpturen letzterer entstanden. Dialogisch war auch die Zusammenarbeit der jungen Wahl-Berlinerinnen: Die Arbeiten haben sich im Prozess entwickelt, ähnlich einem lockeren Gespräch, in dem der eine etwas einwirft und die Kommunikation des anderen ändert. Die minimalistischen Ergebnisse führen diesen Fluss weiter, statt eindeutigen Botschaften herrscht eine Gleichzeitigkeit verschiedener Wirklichkeiten. Entschlüsselt werden sie vom Besucher, je nach dessen kulturellem, sozialem und individuellem Gepäck. Zugegeben, individuelle Interpretationen sind keine Neuigkeit, die Art des direkten Zusammenspiels und Austauschs allerdings frischer Wind und durchaus sehenswert. ab 6. März Wien, Galerie Meyer Kainer

NEXTCOMIC 2012: AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG FRANK ZAPPA IN COMICS / HOOCH GANG PLAYS ZAPPA LIVE FR. 16.03. 20:00 | MUSIKKABARET

DOTA KLEINGELDPRINZESSIN & UTA KÖBERNICK: UNVERMEIDLICHE LIEDER

T

FR. 23.03. 20:00 | POP / DANCE

AMNESTY POPFEST MIT CLARA LUZIA / LOUIE AUSTEN / MARILIES JAGSCH / DIVER

SA. 24.03. 20:00 | HIPHOP

HIPHOP JAM LINZ – DA LINZA RAP! SODOM & GOMORRAH, DEF ILL, RUDE POSSE U. V. A. DI. 27.03. 20:00 | LITERATURSALO

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MARK Z. DANIELEWSKI: ONLY REVOLUTIONS

DO. 29.03. 20:00 | INDIE / KLAVIER

ÓLAFUR ARNALDS / NILS FRAHM

Wien

Charim Galerie bis 17. März Valie Export, Elfriede Jelinek, Olga Neuwirth Galerie Ernst Hilger ab 13. März Berenice Darrer Galerie Krinzinger ab 16. März Hans Op de Beeck Galerie Krobath ab 6. März Michael Bauch Mario Mauroner Contemporary ab 16. März Javier Pérez, Alfred Haberpointer Galerie Lisa Ruyter ab 23. März Tamuna Sirbiladze Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder bis 24. März Jörg Sässe Galerie Gabriele Senn ab 23. März Hans Weigand

Kärnten

Klagenfurt, Galerie 3 ab 9. März Alina Kunitsyna, Markus Orsini-Rosenberg

Niederösterreich

Baden, Galerie Jünger bis 22. April Hubert Roithner, Robert Puczynski

Oberösterreich

Gmunden, Galerie 422 Margund Lössl ab 24. März, Manfred Hebenstreit, Alois Riedl

SA. 14.04. 20:00 | TANZTAGE 2012

CLUB GUY & RONI (NL / IL): ALPHA BOYS

DI. 17.04. 20:00 | LITERATURSALO

HARRY ROWOHLT LIEST UND ERZÄHLT

N

Salzburg

Salzburg, Galerie Thaddeus Ropac ab 29. März Marc Quinn

Steiermark

Graz, Galerie Eugen Lendl bis 10. März Gerlinde Wurth, Peter Janach

Tirol

Innsbruck, Galerie Bernd Kugler bis 31. März Black Oriental

Vorarlberg

Bregenz, Galerie Lisi Hämmerle bis 8. April Daniel Spoerri

Das komplette Programm gibt’s auf www.posthof.at POSTHOF – Zeitkultur am Hafen, Posthofstr. 43, A-4020 Linz Info + Tickets: Fon: 0732 / 78 18 00 www.posthof.at


TER M I N E

FESTI V ALS

3 Fragen an Eva Fischer (Sound:frame) Wie gut ist Sound:frame mittlerweile etabliert? Bekommt ihr bessere Angebote, weil Acts von sich aus bei euch spielen möchten? Tatsächlich bekommen wir mittlerweile gute Angebote und viele internationale Artists und Agents melden sich bei mir. »Would LOVE LOVE LOVE him to play at the Sound:frame festival! I had such good feedback from last year« war eines der süßesten Mails einer großen UK Agency. Das freut mich natürlich. Mit John Talabot seid ihr beim Booking ja wieder einmal goldrichtig gelegen. Welche Programmpunkte sind am aufwendigsten zu organisieren? Auf John Talabot bin ich schon gespannt. Ich kenne ihn seit seiner »Families«-EP auf Young Turks und bin begeistert von dem kürzlich releasten Album »ƒIN« auf Permanent Vacations. Wir alle freuen uns schon auf eine großartige Final Party mit ihm im Fluc! Ich mache seit 2010 auch das Audiobooking wieder selbst und habe unglaublichen Spaß daran. Zeitaufwendig ist es, ein Gesamtkonzept zu programmieren, das stimmig ist. Am schwersten und aufwendigsten ist es leider nach wie vor, das nötige Budget zusammenzukratzen. Aber (Geld-)Not macht bekanntlich erfinderisch. Diesen Umstand wollen wir mit dem diesjährigen Thema »Substructions« auch thematisieren. Wird Sound:frame mit Agentur und Label auch Plattform für Pioniere und avantgardistischkünstlerische Arbeiten sein können? Ja, ich hoffe, das ist Sound:frame bereits. Mit dem Festival und auch mit dem Label geht es darum, neue Arbeiten und Kollaborationen zu ermöglichen. Beispielsweise in der Sound:frameAusstellung im MAK werden größtenteils Auftragsarbeiten, also neu produzierte audiovisuelle Werke gezeigt. Auch im Live-Performance-Kontext ist es uns wichtig, Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Bereichen zusammenzubringen, wie zum Beispiel die Svetlana Industries Artists (Kelpe, 1000names, Nightwave und Thunderloops) mit dem Visualisten-Kollektiv Kon.txt im  Brut im Künstlerhaus. 12.–22. April Wien, diverse Locations

Große Sehnsucht, Wut und Geheimnisse – in »Spanien«, dem Eröffnungsfilm der Diagonale.

Diagonale Die Diagonale, das Filmfestival für österreichischen Film, steht vor der Tür: Aus 500 Einreichungen wurden die besten Filme für das Hauptprogramm ausgewählt, daneben gibt es noch Kurz-, Animations- und Experimentalfilme zu sehen. Zusätzlich sind ein Jahresrückblick über die Kinostarts des österreichischen Films von 2011, Sonderprogramme, Events sowie ein filmhistorisches Spezial über das Filmschaffen des US-amerikanischen Kameramanns, Regisseurs und Schauspielers Charles Korvin geplant. Eröffnungsfilm ist »Spanien«, das Spielfilmdebüt der 33-jährigen Dokumentarfilmerin und Haneke-Schülerin Anja Salomonowitz. Der Moldawier Sava, gespielt von Grégoire Colin, will nach Madrid, seine Schlepper lassen ihn aber auf halbem Weg in Wien stranden. Ein moderner »Western«, wie Salomonowitz ihn beschreibt, als Startschuss zur 15. Diagonale in Graz. 20.–25. März Graz, diverse Locations


TER M I N E

FESTI V ALS Zwei Kartonfiguren lernen sich im Film von Shami Lang-Rinderspacher kennen. Zu sehen in »Wettbewerb 3« beim Tricky Women.

252.800.000

So viel Euro hat die Telekom Austria 2011 Verlust geschrieben. Deshalb erhält das Grazer Filmfestival Diagonale dieses Jahr um 60.000 Euro weniger Sponsorengelder von A1. Auch weitere Festivals wie das Crossing Europe oder Kino Unter Sternen müssen wegen dieser Einsparungen zittern.

Tricky Women Das Animationsfilmfestival mit Frauenschwerpunkt. Filmemacherinnen aus aller Welt zeigen Beiträge zu den Themenbereichen »Into the Wild – Back to the City« und »Women at Work« – Arbeitsalltag und Mehrfachbelastung und Mensch-­ Natur-Beziehung in animierten Kurzfilmen auf die Leinwand gebracht. Eine Spezialkategorie präsentiert dieses Jahr vor allem junge russische Filmemacherinnen und deren Projekte. Zusätzlich werden Workshops für Interessierte und Einsteigerinnen angeboten, u.a. wird Shelley Page von Dreamworks Einblicke in die Produktion eines Branchenriesen geben. Und so präsentiert sich das Tricky Women trotz eines relativ engen Fokus ein weiteres Mal als eines der vielfältigsten der kleineren Filmfestivals. 14.–18. März Wien, diverse Kinos

Electric City Joshua Ben Longo hat ein Monster aus Filz und Kashmir gebaut, zwar ohne Augen, dafür aber mit Zähnen und Anus.

Neben anderen elektronischen Festivalreihen hat Tirol mit Electric City ein kleines, aber feines Event, das gefragte DJs präsentiert. Der aus dem Ruhrgebiet stammende DJ Moguai, der schon Musiker wie Beyoncé und Fatboy Slim produzierte, stellt neben den Österreichern Makossa & Megablast den Hauptact des Fests. Für Dubstep- und Electrofans wird auf dem zweiten Floor gesorgt, wo Noize Generation zusammen mit Kollegen für Stimmung sorgen werden. Neuer Veranstaltungsort ist heuer das Salzlager in Hall. 10. März Innsbruck/Hall, Salzlager

Nextcomics

Pictoplasma Pictoplasma ist das größte auf Character Design spezialisierte Festival weltweit. Denkt man z.B. an Marken wie Hello Kitty oder Emily The Strange, verbindet man mit Character Design eher eine Form von Markenbranding und der künstlerische Aspekt wird dabei etwas stiefmütterlich links liegen gelassen. Dabei bieten Künstler wie Nathan Jurevicius oder Mark Gmehling unglaubliche Einfälle und Kreationen, die in diesem Jahr neben weiteren Künstlern in Diskussionsrunden und Kurzfilmvorführungen vorgestellt werden. Ein neuer Trend, welcher weg vom Digitalen und hin zur Charaktererschaffung mit Holzdrucken, Stoffen oder einfachem Bleistift und Papier führt, wird in einem MitMach-Labor behandelt. 11–15. April Berlin, Babylon HBC

Das Linzer Festival rund um die Kunstform Comics bietet zum vierten Mal in Locations wie Offenes Kulturhaus, Ars Electronica Center oder Ursulinenhof themenrelevante Ausstellungen und Workshops. Zum Auftakt eröffnet Rudi Klein seine Ausstellung im Lentos (18.00 Uhr), weitere Ausstellungen verschiedener Künstler und Künstlerinnen sowie Wettbewerbe werden in ganz Linz verteilt zu besuchen sein. 15–23. März Linz, diverse Locations

Snowbombing

13, für manche eine Unglückszahl, doch für das 13. Snowbombing-Event nur ein Grund, um mit noch größeren Acts aufzufahren. Eine wilde Kombination aus Après-Ski und glaubwürdigen ElektronikActs wird mit diesem bevorzugt tanzbaren Line-up geboten. Man will sich von der Hüttengaudi eher distanzieren und fährt deshalb mit The Vaccines, Dizzee Rascal oder Booka Shade auf. 9.–14. April Tirol, Mayrhofen


jeunesse jazz+ experimental

TER M I N E

M USIK

Porgy & Bess | Riemergasse 11 | 1010 Wien

07.03. Evans

07.03. : jazz :

10.03. Davis

23.03. Booklet

Mi | 20:00

Peter Evans Quintet

Peter Evans Trompete Carlos Homs Klavier Tom Blancarte Kontrabass Jim Black Schlagzeug Sam Pluta Elektronik, Laptop Die Zukunft des Jazz mit dem bravourösen New Yorker Trompeter und seinem Quintett

10.03. Sa | 20:00 : neue musik : Gareth Davis & Machinefabriek

Gareth L. Davis Bassklarinette Maschinefabriek (Rutger Zuydervelt) Gitarre, Elektronik

B assklarinette und Experimental-Klangkunst im spannenden Mix mit Werken u. a. von Elliott Sharp und Bernhard Lang

23.03. Fr | 20:00 Booklet

: jazz :

Tobias Delius Klarinette, Saxophon Joe Williamson Kontrabass Steve Heather Schlagzeug L aut »Die Zeit« »das nächste Große Ding« im Jazz! 18:45 | Meet the artists: Ute Pinter im Gespräch mit den Künstlern

NICE PRICE! < 26 Jahre eur 10,– Vollpreis eur 18,–

saison

Deichkind Anlässlich ihres neuen Albums »Befehl von ganz unten« touren Deichkind im März durch Deutschland und Österreich. Ihr fünftes Soloalbum knüpft an die Linie an, die sie mit dem Vorgänger »Arbeit nervt!« eingeschlagen haben. Und die liegt irgendwo zwischen prollig und humorvoll, Techno, Elektro, Pop und Schlager, mit einem stets ungewissen Anteil an Ironie. Dementsprechend sind auch ihre Shows ein groteskorgiastisches Happening in einem Pool von Bühnenrequisiten, von der Klarsichtfolie bis zur Hüpfburg. 20. März Ötztal, Area 47 — 21. März Wien, Stadthalle — 22. März Linz, Tips Arena

2011|12

klassik jazz world neue musik kinderkonzerte

(01) 505 63 56 www.jeunesse.at

Nifty’s 15.03.

Do | 20:00 Einlass | 20:30 Beginn EUR 12,– | 14,– (VVK | AK) GARAGE X, Petersplatz 1, 1010 Wien

www.jeunesse.at | (01) 505 63 56

Kreisky Zur Zeit basteln Kreisky an neuen Songs, mit unter anderem (wieder) sehr eingängigen Titeln wie »Rinderhälften« und »Weinkrämpfe«. Für ihr Konzert in Wien haben sie den Drehort zu ihrem Video für »Scheiße, Schauspieler« gewählt. Frontman Franz versprach im Rahmen der Tour auch ältere bzw. seltener gespielte Stücke zum Besten zu geben. »Brüssel«, der Opener ihrer letzten Konzerte, erscheint im März als 7" und wird auch bei ihren Gigs erhältlich sein. 16. März Innsbruck, Weekender — 17. März Graz, Forum Stadtpark — 30. März Oslip, Cselley Mühle — 31. März Wien, Stadtsaal


TER M I N E

M USIK

Gary Knapp zwei Jahre nach dem letzten Album »One Last Hurrah For The Lost Beards Of Pompeji« melden sich Gary mit einer Tour zurück und werden die Hörer erneut mit emotionalen Melodien zwischen jugendlicher Euphorie und Schwermut in verklärten Erinnerungen an vergangene Tage schwelgen lassen. 26. April Graz, Explosiv — 27. April Dornbirn, Spielboden — 28. April Steyr, Röda — 2. Mai Wien, Flex — 4. Mai St. Pölten, Freiraum — 5. Mai Villach, Kulturhofkeller

Mayer Hawthorne Die ewigen Vergleiche mit Soulgrößen wie Curtis Mayfield oder Isaac Hayes scheinen den Multiinstrumentalisten dezent zu langweilen: »I don’t want to take it back to the good old days; that shit is over. I want to make the new good days.« Recht hat er, und ist längst auf dem besten Weg dazu. 25. März Wien, Arena

Mark Lanegan An Kontakten und Kollaborationen mangelt es dem Ex-Sänger der Screaming Trees bestimmt nicht, stehen doch Musiker wie Isobel Campell und Bands wie Queens Of The Stone Age auf der Referenzliste. Solo gibt sich der Herr mit der außergewöhnlichen Stimme aber überaus sanft. 22. März Wien, Arena

Bo Candy And His Broken Hearts & Black Shampoo Das burgenländische Quintett rund um Thomas Pronai, dem Produzenten von Garish und Ja, Panik, bewegt sich irgendwo zwischen Uptempo-Blues und Rock ’n’ Roll. Zusammen mit den nicht minder aufpeitschenden Black Shampoo (Bild) sind sie in Oberösterreich zu Gast. 30. März Steyr, Röda

Konono No 1 Die aus dem Kongo stammende Kombo gibt ihre einzigartige Interpretation von Techno im Club Ost zum Besten. Dabei kommen Instrumente, die früher mal Autoteile waren, zum Einsatz. Damon Albarn und Thom Yorke sind begeistert, Herbie Hancock und Björk haben sie bereits zu sich ins Studio geholt. 25. März Wien, Club Ost

Wean Hean

Vienna Blues Spring

Das Wienerliedfestival geht diesen Frühling in die 12. Runde. Erste Programmpunkte bis jetzt sind ein jüdischer Beitrag zum Wienerlied bei der Festivaleröffnung, Die Brauers und eine Städtebegegnung Breslau – Wien mit dem Kammerorchester Leopoldinum Breslau im Radiokulturhaus am letzten Abend. 19. April bis 23. Mai Wien

In diesem, seinem achten Jahr geht das Festival in bereits fünf Locations über die Bühne. Das Zentrum bildet wieder das Reigen, weiters finden Veranstaltungen im Mozarthaus, im Theater Akzent und im Haus der Musik statt. Die Benefizgala wird auch heuer im Rathaussaal abgehalten. 20. März bis 30. April Wien

Hype! Dienstags im Fluc liegt der Fokus auch im März wieder auf österreichischen, gitarrenlastigen Nachwuchs-Bands. 6. März Wien, Fluc: Slizzer — 13. März Wien, Fluc: When Air Turns To Water


Know-Nothing-Gesellschaft von Illbilly The K.I.T.T.

Ein einziger Scheiterhaufen

illustration Jakob Kirchmayr

B

ei mir ist das Scheitern bis dato immer ein sehr freundliches und höfliches Kerlchen gewesen. Seit jeher klopft oder läutet es vor Eintritt an. Das ist praktisch, kann ich mich doch so als guter Gastgeber beweisen. Abwimmeln ist nämlich zwecklos. Ich bitte es daher stets herein, das Scheitern, heiße es sich zu Tisch oder aufs Kanapee zu begeben und serviere dann kleine Snacks. Man will ja seine Gäste, also auch jene, mit denen man jetzt nicht unbedingt inniglich befreundet ist, nicht schlecht behandeln. Ja mehr noch. So mancher Besuch in meinen Wänden rauschte schon zeitiger ab, weil er das Übermaß an Aufmerksamkeit, welches ich ihm zukommen ließ, einfach nicht mehr ertrug. Von mir verhätschelt und verwöhnt, oder noch besser: gepampert zu werden, wie es so schön auf Wellnesserisch heißt, ist nicht unbedingt ein Zuckerschlecken. Doch zurück zum Scheitern. Fünf orthografische Fehlversuche beim harmlosen Wörtchen Kanapee hatte ich eben. Bevor ich mich entschloss, das Wörterbuch zu konsultieren, suchte ich auch nach Synonymen. Allein, mir fielen nur Couch, Sofa und das nicht unbedingt von Sexyness übersprühende Wörtchen Bettbank ein. Damit so etwas nicht mehr passiert, werde ich mir beim nächsten kleineren Gedankenleerlauf eine nette Eselsbrücke für Kanapee überlegen. Das hat übrigens schon sehr oft gut geholfen. Bei skurril, Parallelgesellschaft und Libyen zum Beispiel. Weniger gut funktioniert hat mein Ausflug in die Gefilde veganer Ernährung. Nachdem ich durch Zufall bemerkt habe, dass ich drei Wochen kein Fleisch gegessen hatte, wollte ich aus Übermut eins draufsetzen und auf alles Tierische beim Essen verzichten. Das gehört ja heute zum

guten Ton dazu und ist oft gar lukrativ. Meint man es nämlich ernst und ist noch dazu ein lustiger Geselle mit einer kräftigen Portion Mitteilsamkeit wird man mit dem ganzen Gemüsefurz gar nicht selten zum Blog-Star und darf dereinst seine Erkenntnisse in witzig geistreicher Form zu Sachbüchern aufblasen. Zumindest aber ein Kochbuch machen. Eines, bei dem der Do-It-Yourself-Gedanke erfrischend ehrlich aus den Seiten tropft. Nicht nur, weil man sich plötzlich Koch-Know-how angeeignet hat, sondern auch der Food-Fotos wegen, die dafür mit der eigens gekauften digitalen Spiegelreflex (ca. 400 Euro) selbst gemacht wurden. Huhuh. Dass aus meinem Vegan-Projekt nichts wird, war mir schon bald klar. Warum? Hier die Sache im Schnelldurchlauf. 1. Ich sorgte schon in der ersten Woche für Stunk im Veggie-Forum. In Vorfreude aufs nahende Wochenende eröffnete eine durch und durch blöde Kuh bereits Donnerstag abends einen »TGIF«-Thread. Abgesehen davon, dass ich diese radikalen Wochenendverherrlicher für widerlich hochprozentige Extrakte der Spaßgesellschaft halte, teilte ich ihr mit, dass ich es unverantwortlich von ihr fände, hier Werbung für die amerikanische Restaurantkette Thank God it’s Friday’s zu platzieren. Viel Schmäh hatte die jedenfalls nicht. Das war insofern blöd, da ich dazu neige, vom Einzelfall auf die Allgemeinheit zu schließen und oft in selbstgerechte Pauschalierungswut verfalle. Ein Ansatz übrigens, der zum Scheitern verurteilt ist. 2. Ich bin ein ziemlicher Käsefanatiker und vertrete radikale Ansichten. Käse, der nicht aus Rohmilch hergestellt ist, wird von mir als kastriert bezeichnet. Dasselbe gilt auch für Nudeln ohne Eier. 3. Ich will nicht ständig über Honig streiten und über Spermagurgeln nachdenken müssen. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob man als Veganer Formulierungen à la »geil und eng wie ein ChinchillaArsch« verwenden darf. Zumindest sind Sätze dieser Art weder von Moby noch von Dirk Bach überliefert.

4. Ich ertappte mich dabei, wie ich in herzensfrommer Dummheit an mehreren Tagen folgenden Sätze sagte: »Ich war lange Zeit mündiger Fleischesser.« »Ich liebe Schnittlauch.« »Mit Koriander kannst du mich jagen. Außer zu Avocadocréme, da passt er perfekt.« »Ich brauch dringend einen Matcha-Soja-Latte!« »Da drüben gibt es den besten Hummus der Stadt.« »Ich könnte baden in Hummus – urlecker!« Wo die Sätze unter Punkt vier herkommen, gibt es übrigens noch mehr. Im Dokument »124_KNG.doc« nämlich. Dort hab ich hohle Phrasen versammelt und wollte sie zu einer Geschichte zusammenstückeln. Allein, ich bin daran gescheitert – und zwar grandios: »Ich schau kaum fern, ich stream fast nur noch. Am liebsten les’ ich momentan das brand eins. Da interessiert mich fast jeder Artikel drinnen – und ich bin jetzt wirklich nicht sonderlich wirtschaftsbegeistert. Ich lass schon mal auch einen Teller zurück gehen – aber das ist ok, ich habe ja lange gekellnert und kenne die andere Seite ganz gut. Paul Weller ist groß, einfach nur groß. Aber ich muss schon sagen, die frühen Sachen gefallen mir besser. Style Council. The Jam. Wir surfen im Internet, aber schwimmen gehen wir in Magazinen. Ich leiste mir den Luxus, dazu jetzt dezidiert einmal keine Meinung zu haben. Unfassbar, dass die aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen sind – scheiß auf Kanada!« Man sieht, das hätte alles nichts gebracht. Wobei, heiliger Bimbam, ich weiß jetzt eine Eselsbrücke! Urinier auf Kanada, bis die letzte Silbe weg ist: Kana-pee. Soviel zum Scheitern.

Illbilly The K.I.T.T. www.facebook.com/ illbilly


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