The Gap 166

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Laura Schleder, Lisa Edi, Niko Ostermann, Susanna Hofer

»Gründet Clubs, macht eure eigenen Partys!« Während einige VeranstalterInnen in Wien zumindest hinter vorgehaltener Hand noch immer über die fehlende Verfügbarkeit von weiblichen DJs sprechen, etablieren viele neue Veranstalterinnen und DJs neue Eventreihen, die aktiv von Frauen geprägt werden. Etabliertere, regelmäßig stattfindende Reihen wie Scheitern im Opera Club oder Femme DMC im Fluc sowie Struma + Idoine werden ergänzt durch das von Zarah Klein organisierte Common Contact im Titanic, das Unsafe + Sound Festival, organisiert von Shilla Strelka, das im vergangenen September in verschiedenen Locations über die Bühne ging, Eklaxtasy im Rhiz, die von Misonica initiierte unregelmäßig stattfindende Veranstaltungsreihe Hope X im Titanic und zuletzt im Au, Clinic, V ARE von Joja und Misonica sowie die von Femdex im letzten Jahr ins Leben gerufenen Reihe Utopia 3000 im EKH und die Veranstaltung Gönnerin, bei der Frauen die Möglichkeit haben, sich das erste Mal hinter dem DJ-Pult zu beweisen. Das Argument, Line-ups mit hohem Frauenanteil würden keine Leute anziehen und damit den wirtschaftlichen Erfolg schmälern, wird mit einigen erfolgreichen Veranstaltungen entkräftet. Mit der von Femdex initiierten Reihe Utopia 3000 im EKH will man gewissermaßen ein neues Konzept schaffen – sowohl das Line-up als auch das Veranstaltungsteam besteht aus mindestens 50 Prozent female identified persons, auf Gästeliste und Backstage-Bereich und die damit verbundene Zweiklassengesellschaft wird bewusst verzichtet – mit Erfolg. »Uns wurde oft von anderen Leuten vorgeworfen, dass wir unsere Veranstaltungen nicht so umsetzen können, weil das viel zu nischig ist. Wir können da einen sehr guten Gegenbeweis liefern, das Konzept wurde gut angenommen, es war extrem voll, und es ist faszinierend, wie viele unterschiedliche Leute das anspricht. Wir haben bei unseren Gästen einen Frauenanteil von über 60 Prozent, und das beeinflusst natürlich das Feeling. Ein ausgeglichenes Booking bedeutet nicht, dass sich die Veranstal-

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Hyperreality versuchte, Clubkultur in all ihren Facetten abzubilden.

tung nicht selbst tragen kann. Es liegt einfach in der Verantwortung von VeranstalterInnen, gesellschaftliche Diversität auf jeder Ebene herzuzeigen«, so Therese Kaiser. Während sich eine junge, weibliche Szene in der Wiener Clublandschaft bildet, ist diese in ihrer Gesamtheit dennoch weiterhin männlich dominiert – nicht nur die Line-ups betreffend. »Im ersten Moment sieht man natürlich das Line-up, aber es geht auch um die Strukturen, vom Booker, über die Geschäftsleitung bis hin zum Security. Ich frage mich immer, wie es sich wohl für mich anfühlen würde, wenn ich in einem Club arbeiten würde und um mich herum nur Frauen wären. Ich würde das vielleicht gut finden, aber es würde mir auffallen und ich würde mir schon Gedanken machen«, ergänzt Marlene Engel, die wie die Femdex-Crew bei der Organisation von Hy-

perreality etwa auch im Security-Team auf 50 Prozent Frauen setzt. Spricht man mit VeranstalterInnen, ClubbetreiberInnen und AktivistInnen, so sind sich letztendlich alle einig: Verantwortlich dafür, eine Vielfalt zu zeigen, sind jene, die Acts buchen und Veranstaltungen organisieren. Für Marlene Engel ergibt sich daraus ein klarer Aufruf an alle Frauen: »Gründet Clubs, macht eure eigenen Partys!« Eine Variante, die zwar bereits viele erfolgreiche Veranstaltungen hervorgebracht hat, letztendlich aber wohl dennoch nicht allein zu einem gewünschten Umdenken in der gesamten Landschaft führt. Spinnt man den Gedanken, dass immer mehr Frauen veranstalten und diese Partys vermehrt von Frauen – die ohnehin auch unter den Gästen in der Unterzahl sind – besucht und supportet werden, weiter, würde das in letzter Konsequenz zu dem zugegebenermaßen sehr unwahrscheinlichen Szenario einer kompletten Trennung zwischen Male und Female Partys führen – ein Ergebnis, das wohl kaum jemand für wünschenswert hält. Betrachtet man die gesamte Szene, sind Veranstaltungen und Initiativen wie die oben genannten dennoch eher Einzelfälle. Rosa Reitsamer, Soziologin und Assistenzprofessorin am Institut für Musiksoziologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst, beschäftigt sich seit Jahren mit Geschlechterverhältnissen im Musikbusiness. Für ihr Buch »Die Do-It-Yourself Karrieren von DJs. Über die Arbeit in elektronischen Musikszenen« beschäftigte sie sich intensiv mit der Szene. Als Grund, wenn auch nicht als Ausrede sieht sie die noch immer geringere Anzahl an Acts: »Es gibt meines Erachtens nach wie vor weniger DJ-Frauen und Musikproduzentinnen, aber es kann doch kein Argument sein, Personen, die quantitativ unterrepräsentiert sind, von den Bookings auszuschließen und sie damit weiter zu marginalisieren.« Dem stimmt auch Susanne Kirchmayr zu – den Grund für die männlich dominierte Szene sieht sie in einer Spiegelung der Gesamtgesellschaft: »Ich glaube, dass keine Szene abgekoppelt vom Rest der Welt ist und dass Strukturen reproduziert werden. Diese würden sich nur dann nicht reproduzieren, wenn es ein explizites Anliegen der Szene wäre, zum Beispiel für Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen, aber das ist es natürlich nicht, weil andere Dinge im Fokus stehen, in unserem Fall die Musik. Das

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Line-ups von Femdex gar nicht, wie hoch der Anteil welchen Geschlechts ist – es spiegelt viel mehr die Szene wider, in der ich mich bewege.«

21.11.17 20:49


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