The Gap 143

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Christoph Seiler — Sozialsatire und Wutbürger auf Youtube

Youtuber mit dem Mundl-Gen

Text Julia Gschmeidler Bild Bernhard Speer/JokeBrothersProductions

Die Leute, die sudern nur, die beschweren sich den ganzen Tag. Das geht Christoph Seiler so auf den Sack, da könnte er richtig lang darüber sudern. Mit seiner Kunstfigur Anton Horvath tut er das auch. Auf Youtube. »Des is da Horvath, ka Orwat, kan Bock auf irgendwos«, schallt es durch die Handyboxen in der UBahn. Mittlerweile kann man die Eingangsmelodie von »Horvathslos« sogar als Klingelton runterladen. »Horvathslos« – das ist eine satirische Dokumentation eines asozialen, rüden und Kampfsport treibenden Niederösterreichers, der seinen Alltag damit verbringt, sich die Nachbarin schönzusaufen und generell mal richtig aufzudrehen. Hinter der Kunstfigur Anton Horvath stecken der Schauspieler Christopher Seiler und Produzent Bernhard Speer, die damit ein virales Phänomen geschaffen haben. Über eine halbe Million Mal wurde »Horvathslos« online bereits gesehen, eine Tausendschaft an Fans kleidet sich in der typischen Latzhose inklusive obligatorischer Bierdose. Christopher Seiler spielt aber auch als Stand-up-Komiker, seine Auftritte sind regelmäßig ausverkauft. Höchste Zeit, sich mit ihm auf eine Hüsn zu treffen und über Verdummungsfernsehen, das Tschisi-Eis und gmiadliche Revoluzzer zu reden. Du siehst dich nicht als Kabarettist und auch nicht als Komödiant. Als was dann? Als Komiker und Allrounder. Kabarett verbinde ich mit Altbackenheit. Ich hab nix dagegen, aber was ich mach, ist sicher kein Kabarett. Meistens ist das so Schmunzel-Kabarett, mein Ziel ist aber schon, dass da die großen Lacher drinnen sind. Ich hab mich immer nach der amerikanischen Stand-up gerichtet, da wird das völlig anders zelebriert. Da gehst du raus und die Leute hupfn von den Sesseln, die drehen durch und da spürt man Energie. Das fühlt man in einem Kabarett nicht wirklich. Ich bin Komiker, aber kein Comedian. Weil damit verbinde ich immer so typisch deutsche Comedians.

Wann hast du das letzte Mal etwas Positives in der Zeitung gelesen? So viel Zeitung lese ich eigentlich nicht. In der Heute-Zeitung ist gestanden, der Weltrekord im Nasenbohren ist gebrochen. Sehr positiv. Wenn ich eine Information will, such ich mir die im Internet. Ich bin jetzt nicht der typische Kronen Zeitung- oder Österreich-Leser, wenn man das Zeitung nennen darf. Aber welchen Medien darf man vertrauen? Viele sagen: »Der Österreich, der derfst ned vertraun, du musst diese Zeitung lesen!« Wer gibt mir die Garantie, dass diese Zeitung nicht auch einen Blödsinn schreibt? Gute Nachrichten stehen zum Beispiel im Playboy. »De hot si die Tuttln mochen lossn«, sehr positiv. Von Zeitungen her vielleicht Die Tagespresse im Internet, die hat positive Sachen, wenn’s irgendwo einen Politiker angezündet haben. Bist du im echten Leben auch so ein Pessimist wie in deiner Sendung »Schichtwechsel«? Jein. Das ist ja eine gespielte Figur. Der ist eigentlich ein Heuchler, mit nix zufrieden, auch nicht mit sich selbst, tut alles anprangern. Ich bin ich oft ein Pessimist, aber ich hab einen schwarzen Humor und geh damit ganz anders um. Aber ich bin jetzt kein Schlecht-Redner. Ich mag keine Leute, die immer gegen irgendwas was haben. Kennst du solche? Das ist ein Wahnsinn, die sind gegen alles, die mögen sich selber nicht. Die schauen sich in den Spiegel und hassen sich. Ich bin ein Pro-Mensch. Pro Leben. Du hast einmal das Beispiel mit dem Tschisi-Eis gegeben. Zuerst wollten es alle zurückhaben und dann wurde erst wieder gesudert. Das Tschisi-Eis ist so ein richtiges Massenphänomen. Das stellt’s mir die Kabeln auf, weil das immer schon gschissn geschmeckt hat. Und dann kommen irgendwelche Vögel daher, machen eine Facebook-Gruppe und ihr einziges Problem ist, dass wir in Österreich ein

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