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Tierisch auf der Jagd

Mit seinem jungen Alter hat Levi Fitze geschafft, wovon viele nur träumen. Als freiberuflicher Naturfotograf und Filmemacher ist er in den schönsten Ecken der Welt für das perfekte Motiv unterwegs. Am meisten Zeit verbringt er aber dort, wo er aufgewachsen ist: in den Schweizer Alpen. Seit er ein kleiner Junge ist, sucht er die Begegnung mit der heimischen Tierwelt. Eine Art hat es ihm besonders angetan. Kein Wunder, widmet er ihr nun einen Dokumentarfilm.

TEXT: NOEMI BACHOFNER, FOTOS: LEVI FITZE

Welcher 20-Jährige kann schon von sich behaupten, einem Löwen in freier Wildnis von Angesicht zu Angesicht gestanden zu haben? Levi Fitze kann das. Zu verdanken hat er dieses besondere Erlebnis seiner grossen Leidenschaft der Fotografie. Sie brachte ihn von einem St. Galler Fotogeschäft in die Savanne Südafrikas. Noch am Abend seines letzten Arbeitstags als Fotofachmann packte Levi seine Koffer. Im Gepäck eine Handvoll Kameras. Ein Bekannter hatte ihm angeboten, ihn auf eine Reise nach Südafrika mitzunehmen.

Im Gegenzug solle der junge Fotograf ein paar Tierbilder für ihn schiessen. Bis anhin hatte der Ostschweizer vor allem die Tierwelt der Bündner Alpen vor der Linse gehabt. Mit der Reise nach Südafrika ging für den angehenden Naturfotografen ein Traum in Erfüllung.

Der frühe Vogel fängt die Fotopreise Inzwischen ist Levi selbstständiger Naturfotograf und Filmemacher. Sein Beruf lockte ihn an einige der idyllischsten Orte der Welt. Seine Bilder zeigen die schönsten Facetten der Erde. Von Pinguinen und Seelöwen auf den Falklandinseln über Pumas und Guanakos in Patagonien bis zu Papageientaucher und Hirschen in Norwegen. Am liebsten ist er aber in seiner Heimat unterwegs: den Schweizer Alpen. Schon als Kind verbrachte der Appenzeller etliche Sommer auf einer Alp im Bündner Tal Val Lumnezia. Insbesondere die Tiere der Lüfte hatten es dem kleinen Jungen angetan. Deshalb schloss er sich einer Jugendgruppe an, mit der er seine Begeisterung teilen konnte. «Wir waren fast jedes Wochenende unterwegs und machten uns auf die Suche nach spannenden Vögeln», erzählt der Fotograf. «Wir hatten ganze Listen an Vogelarten, die wir sehen wollten.»

Begleiterin auf seinen Expeditionen war eine kleine blaue Coolpix-Kompaktkamera. Damit versuchte er die Vögel durch den Feldstecher zu dokumentieren. Wenn der Fotograf heute daran zurückdenkt, muss er schmunzeln. Der frühe Vogel

Für den damals 18-Jährigen waren es die ersten Ferien ausserhalb Europas. Auch eineinhalb Jahre später spürt man Levi die Begeisterung noch an, wenn er von diesem Abenteuer erzählt. «Wir installierten Kameras an einem umgelegten Büffel, um das Foto von weiter weg auszulösen. Nur etwa 15 Meter entfernt von uns lagen vier Löwenbrüder im Gebüsch.» Nachdem er die Fotos geschossen hatte, schnappte sich eine der Raubkatzen eine Kamera und biss das Objektiv kaputt. «Das ist Adrenalin pur, solche Momente kannst du in der Schweiz gar nicht erleben», sagt er lächelnd. Die Glücksgefühle liessen ihn auch den Frust über das defekte Objektiv vergessen. Das tolle Bild, das dabei heraussprang, war nur noch Krönung.

Von der kleinen Kompaktkamera zum Profi-Equipment:
Levi Fitze ist als selbständiger Naturfotograf durchgestartet.

fängt wohl tatsächlich den Wurm. Denn die Leidenschaft für die Vogelwelt hat Levi Jahre später zweifach die renommierte Auszeichnung als «Young Bird Photographer of the Year» eingebracht. Weitere Motive und damit weitere internationale Preise kamen später dazu. Aber die Vögel begleiten den jungen Ostschweizer bis heute. «Am Tag nach einem Fernsehbeitrag bei SRF rief mich ein Zürcher Filmproduzent an», erinnert er sich. «Er fragte, ob ich mit ihm einen Kinofilm drehen wolle.» Noch heute lacht er, wenn er an das Telefonat zurückdenkt.

Sein erster Film kommt in die Kinos «Ich habe noch kein vernünftiges Video gedreht, ich bin Fotograf», antwortete Levi am Telefon. Doch der Filmemacher blieb hartnäckig. Schliesslich entstanden in den vergangenen Jahren erste Teile eines Dokumentarfilms. Im Zentrum sollten die Lebewesen stehen, die den gebürtigen Appenzeller schon

«Ich möchte aufzeigen, wie genial die Natur direkt vor unserer Tür ist.»

Zwei Löwenbrüder an ihrem frisch erlegten Büffel. Das Bild entstand in Südafrika mit einem Weitwinkel objektiv, das beim Büffel montiert wurde und dank eines Fernauslösers betätigt werden konnte. Kurz darauf wurde eine der beiden Kameras von einem Löwen als Spielzeug entdeckt und verwendet.

sein Leben lang begleiten: seine gefiederten Freunde, die Vögel. Das Filmprojekt «Die wilden Hühner» beleuchtet das Leben der Raufusshühner, zu welchen das Birkhuhn, Alpenschneehuhn, Auerhuhn und Haselhuhn gehören. Diese fasanenartigen Brutvögel der Alpen haben es dem 20-Jährigen angetan.

Noch vor den ersten Sonnenstrahlen macht sich der ambitionierte Fotograf jeweils auf in die Berge. Dort bleibt er, bis die Sonne untergegangen ist. Und manchmal auch länger. Besonders gefällt ihm das Licht bei Sonnenaufgang und -untergang.

Um möglichst viel davon zu erwischen, bleibt er gerne auch mal tagelang in den Bergen. Die Nacht verbringt er im Zelt oder in einer Berghütte. «Über die schönen Bilder möchte ich aufzeigen, wie wahnsinnig genial die Natur direkt vor unserer Türe ist.» Levi sieht sich zwar nicht als politischen Aktivisten, aber: «Unterschwellig soll man merken, dass unsere Natur durch den Einfluss des Menschen nicht mehr nur noch Paradies ist.» Dafür nimmt er auch das tagelange Warten in Kauf. Die vielen Stunden des Ausharrens. Die Einsamkeit der Alpen. Es scheint, als geniesse er die Zeit in der schroffen und unver-

Die Begegnung mit einem Luchs in den Schweizer Alpen.

Ein einsamer Auerhahn in einem Schweizer Bergwald beim Tagesanbruch.

fälschten Natur. «Wenn man offen ist für alles, was um einen herum passiert, gibt es immer schöne Momente.» An manchen Tagen sind es sogar mehr als schöne Momente. Da zahlt sich das Durchhaltevermögen aus. Und Kindheitsträume gehen in Erfüllung. Da entsteht Magie. Zum Beispiel, als der junge Fotograf nach zwei Tagen des Ausschauhaltens auf eine Luchs mutter mit ihren Jungen traf. Eine Begegnung, wie man sie nur einmal im Leben macht. Er gewann das Vertrauen der Tiere und konnte sie gar eine Stunde lang begleiten und fotografieren. Als die ersten Bilder im Kasten waren, gönnte sich der Naturliebhaber auch mal einen Augenblick des Innehaltens. «Wenn dein ganzes Leben darauf ausgelegt ist und du über Jahre hinweg sogar von diesen Tieren träumst, dann ist so ein Moment schon sehr intensiv.» Da fliesst auch mal eine Träne.

Anekdoten von Abenteuern

Bei Levi hat jede Aufnahme ihre eigene Geschichte. Diese Anekdoten erzählt der selbstständige Fotograf auch gerne an seinen Vorträgen. Diese bringen ihm zusätzliches Geld ein, um seine Leidenschaft zu finanzieren. «Wenn die Leute dann endlich das Bild zur Geschichte sehen, sind sie oft gar nicht so

Königspinguine unter dem Vollmond auf den Falklandinseln.

Zwei Moschusochsen in der norwegischen Winterlandschaft. Diese Tiere sind seit der letzten Eiszeit (10’000 Jahre) unverändert und kommen mit den härtesten Schneestürmen zurecht.

Eines der ersten Bilder, für das Levi Fitze international ausgezeichnet wurde. Zwei Birkhähne auf ihrem Balzplatz bei Sonnenaufgang. Das Foto wurde nach langer Planung mit einer montierten Kamera und einem Fernauslöser aufgenommen.

Ein Alpensteinbock bei Sonnenaufgang in den Alpen vor dem Vollmond. Unter ihm das Nebelmeer und die ersten Sonnenstrahlen, die auf die Bergspitzen treffen.

«Ich bin überzeugt, dass durch Achtsamkeit ein friedliches Zusammenleben zwischen Tier und Mensch möglich ist.»

sehen, wäre ein Kindheitstraum. «Ob dann noch ein Foto drinliegt, ist eigentlich gar nicht so wichtig. Das Erlebnis zählt», so das Nachwuchstalent. Aber wie macht er das? Die Tiere zu fotografieren, ohne sie zu vertreiben? Ohne ihnen den Lebensraum zu nehmen, den er selbst so liebt? «Zum Glück weiss ich bei den meisten Tieren genau, wie ich mich verhalten muss, um sie möglichst wenig zu stören.» Dass der Grat zwischen rücksichtsvoller Naturfotografie und aufdringlicher Jagd der Tiere schmal ist, weiss er. «Aber ich bin überzeugt, dass durch Achtsamkeit ein friedliches Zusammenleben zwischen Tier und Mensch möglich ist.»

Wenn er ein paar Wochen am Stück in der Fotografie vertieft war, tauscht er die Kamera auch mal gegen einen Fussball aus. «Dann merke ich, dass ich wieder ein wenig socializen möchte.» Statt Tarndecke wirft er die Trainingsklamotten über und trifft seine Kollegen auf dem Fussballplatz. Bis der Berg das nächste Mal ruft. Was gibt es dieses Mal vor dem Sucher? www.levifitze.ch beeindruckt. Dafür sind sie dann von anderen Bildern ultra begeistert, die ich jetzt weniger genial finde. Das ist manchmal frustrierend.» Der Fotograf nimmt das mit Humor. Er zuckt die Schultern und meint: «Wer täglich hunderte Naturbilder betrachtet, stumpft schnell ab.» Da ist man froh um einen Aussenblick.

Das nächste Motiv hat das Nachwuchstalent schon in petto. Einmal im Leben einen Wolf in den Schweizer Alpen zu

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