"Nicht einmal im Traum"

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Nicht einmal im Traum Eine SchĂźlergeschichte von Salwan


Teach First Deutschland Ja, wir brauchen Ihre Spende! www.teachfirst.de/herz

TFD-Schülergeschichten Nr. 1 – Alles für die Katz'! Nr. 2 – Julia unsichtbar Nr. 3 – Alice im Einwanderungsland Nr. 4 – Ahlams Reise Nr. 5 – Nicht einmal im Traum Salwan ist ein Schüler unseres Teach First Deutschland Fellows Daniel Trommer. Illustration Vorderseite: © Konstantin Mewes, Fellow Rückseite: © Olaf Hajek Ein großes Dankeschön an den Künstler Olaf Hajek, der das bezaubernde Motiv des Herzens, das Kinder zum Aufblühen bringt, für uns illustriert hat.


Nicht einmal im Traum Eine SchĂźlergeschichte von Salwan


Liebe Leserinnen und Leser, jetzt halten Sie diese Geschichte aus meiner Einsatzschule in den Händen. Ich erinnere mich noch, wie ich mich vor Monaten mit Salwan das erste Mal nach der Schule traf, um mit ihm über diese Geschichte, seine Geschichte zu sprechen. Ich erinnere mich, wie ich, trotz seines manchmal stockenden Deutsches, immer wieder betroffen oder überrascht den Kopf schütteln musste, weil ich so viele Dinge von ihm nicht wusste, weil ich mir so viel nicht vorstellen konnte. Manche dieser Episoden fanden den Weg in dieses Heft, anderes mussten wir weglassen, um die Familie zu schützen. Verrückt, wie viele Mathe- und Sportstunden ich seither schon wieder mit Salwan hatte, wie viel besser sein Deutsch geworden ist. Ja, verrückt, wie wenig Zeit im Alltag doch für intensive Gespräche bleibt. Schulen sind hektische Orte und es ist schade, wie wenig wir – ob als Fellows, Lehrerinnen und Lehrer oder Betreuerinnen und Betreuer – unsere Schülerinnen und Schüler wirklich kennen. Darum ist die Arbeit mit Salwan an dieser Geschichte für mich etwas ungemein Wertvolles gewesen! Nun ist sie das hoffentlich auch für Sie. Lassen Sie sich nicht verleiten zu glauben, dass Ihnen Bilder oder Episoden aus Salwans Geschichte bekannt vorkommen: Wir kennen das nicht! Stellen Sie sich beim Lesen vielmehr einen individuellen jungen Menschen vor, fühlen Sie sich in sein Schicksal hinein. Genau das sollten wir meines Erachtens lernen, immer wieder neu. Egal wie aktuell oder präsent das Flüchtlingsthema im Moment des Lesens gerade sein mag: Die Aufgabe für uns ist groß, herausfordernd und wird über Jahre andauern.


Hand aufs Herz. Nur gemeinsam können wir Teil der Lösung für die Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher in das deutsche Bildungssystem sein und unsere Leitfragen dabei sollten sein: Wie können wir ihre Potentiale, die sie aus ihrer Heimat mitbringen, fördern und nicht im Chaos zwischen Behörden und Schulzwängen untergehen lassen? Wie können wir gegen den Hass auf die Neuen eintreten und gleichzeitig die gesamte Gemeinschaft stärken? Wie können viele Zugewanderte mehr bei uns ein Zuhause finden? In Schule bereiten wir den Weg für die nächste Generation. Täglich setzen sich unsere Schülerinnen und Schüler, wir Fellows, die Lehrerkollegen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Teach First Deutschland mit ihren Mitteln für gerechtere Bildungschancen ein, für Schülerinnen und Schüler, die hier aufgewachsen sind und erhebliche Herausforderungen zu meistern haben, und für die neu bei uns angekommenen Menschen. Damit sich aber wirklich etwas verändert, braucht es noch viel mehr Menschen, die sich einbringen. Wir sind begeistert für Bildung und wollen gute Bildung für alle Schülerinnen und Schüler zu Ihrem Anliegen machen. Hand aufs Herz: Wollen Sie nicht auch, dass eines Tages jedes Kind in Deutschland einen Abschluss macht und sich mit dem festen Glauben an den eigenen Erfolg in dieses aufregende Leben stürzt? Leisten Sie dazu einen finanziellen Beitrag. Ja, wir brauchen Ihre Spende! Herzlich, Daniel Trommer Fellow des Jahrganges 2015 Stadtteilschule Öjendorf in Hamburg



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„Daniel, Daniel, wir haben eine Gruppe von Leuten organisiert, die helfen wollen! Kommst du auch? Hast du Zeit?“, rief ich ihm damals in der großen Pause aufgeregt entgegen, als ich ihn endlich auf dem Schul­ hof entdeckte. Daniel ruderte beschwichtigend mit den Armen und lächelte mich etwas über­ rumpelt und fragend an: „Langsam, langsam… Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst. Was für eine Gruppe meinst Du denn?“ Er hat recht, langsam und der Reihe nach. Daniel (offiziell Herr Trommer) ist mein Sport­ lehrer und hilft mir und meinen Mitschülern aus der Internationalen Vorbereitungs­ klasse außerdem ziemlich viel in Mathe. Irgendwie ist er anders. Also „gut anders“. Er sagt, er sei Fellow. Also irgendwie Lehrer und irgendwie nicht. Wir reden viel über mich und meine Pläne, er fordert mich und meine Klasse, in Sport besonders, und er hat immer ein offenes Ohr für uns; auch, wenn wir mal Mist gebaut haben. Und das kommt vor. Ach ja, ihr wisst ja noch gar nicht, wer ich überhaupt bin: Salwan ist mein Name und ich bin einer von „denen“. Von denen, die noch -1-


nicht so lange in Deutsch­land sind, weil sie ihr Land ver­lassen mussten auf der Flucht vor Bomben. Seit andert­halb Jahren gehe ich in Hamburg zur Schule. Und nun will ich etwas dafür tun, dass ich einer von euch werde. Die Idee dazu wollte ich unbedingt mit Daniel teilen. Außer­dem wäre es zu cool, wenn er mir dabei hilft; und er hilft immer, wenn er kann. Also erklärte ich Herrn Trommer damals auf dem Schul­hof ganz aufgeregt, was meine Familie, Freunde und ich vorhatten: „Es sind ja jetzt einige Syrer hier in Ham­burg. Meine Familie und Freunde, wir sind ja schon länger hier. Da müssen wir den Neuen doch helfen können. Als Über­setzer zum Bei­spiel. Außer­ dem wissen wir ja mittler­weile ein bisschen, wie die Dinge hier in Deutschland laufen. Das können wir doch weiter­geben…“ Als ich so rede, schaut Daniel mich die ganze Zeit mit wachem Blick an, lächelt und beißt von seinem Apfel ab. „In zwei Wochen wollen wir los­legen. Kommst du auch vorbei?“ Daniel klopft mir auf die Schul­ter. „Salwan, was für eine Frage! Ab­gemacht!“ Ich war mir damals ziem­lich sicher, dass sich -2-


die neu nach Deutsch­land ge­kommenen Syrer über unsere Hilfe freuen würden. Für mich war es schließlich auch schön, dass wir damals von so vielen Ehren­amtlichen unter­stützt wurden. Deutsch habe ich damals ziemlich schnell gelernt – dank der Security-Leute, mit denen ich während der langen Zeiten des Nichts­tuns in den Container­dörfern viel abgehangen habe. Daniel sagt übrigens, dass ich nun „Straßen-­ Deutsch“ spreche. Naja, besser als nichts. Ich bin an der Schule einer von 16 Schülern in der Internationalen Vorbereitungs­klasse. Diese Art von Klasse gibt es hier noch nicht so lange. 16 Schüler aus zehn ver­ schiedenen Ländern. Krass ist, dass einer von uns – er ist so alt wie ich – vorher noch nie in der Schule war. Oft ist es ziemlich unruhig im Unter­ richt. Und ja, okay, ich trage auch meinen Teil dazu bei. Aber meistens herrscht gute Stimmung. Auch deshalb geht es mir mittler­ weile eigentlich recht gut in Deutschland. Doch dass wir (Geflüchteten) anders sind, bekommen wir zwischen­drin immer wieder zu spüren. Zum Bei­spiel beäugen uns die anderen aus den Regel­ klassen ziemlich. Und jeder von uns wurde auch schon mal beleidigt. Es -3-


ist besser geworden, aber wirk­liche Freunde finden wir außer­ halb unserer Klasse nur langsam. Damit fühle ich mich nicht so wohl. Ich bin hier der Fremde. Vor allem am Anfang hatte ich richtig Heim­ weh. Ich sehne mich immer noch nach diesem „Zuhause“, aber ihr guckt ja die Nachrichten: es ist einfach un­ denk­bar, nach Syrien zurückzugehen. Ich denke manchmal an früher und wie es war, als die Menschen in Syrien mit ihren verschiedenen Glaubens­ richtungen noch halbwegs friedlich nebeneinander lebten. Es war nie alles „Friede, Freude, Eier­ kuchen“ (die Rede­wendung hat mir Daniel vor kurzem beigebracht). Mein Vater hat das am eigenen Leib zu spüren be­kommen: Bei einer Demo wurden ihm alle Zähne ausgeschlagen und er kann seitdem auf dem rechten Auge kaum noch sehen. Aber – das klingt jetzt vielleicht komisch – insgesamt war das Leben für mich ein ruhiges. Als dann der Krieg ausbrach, veränderte sich alles schlagartig: Die Schulen in Damaskus wurden geschlossen, wir trauten uns kaum noch auf die Straße und Männer wurden -4-


Ermöglichen Sie SCHLÜSSELMOMENTE für Kinder und Jugendliche wie Salwan1 Die Intensivklasse will unbedingt bald am regulären Unterricht teilnehmen. 50 € für eine Unterrichtsstunde Sprachförderung mit unserem Fellow. Murat spielt Rugby, Ana lernt Angeln, Ali schreibt Bewerbungen 200 € für ein einjähriges Fellow-Projekt am Nachmittag, das das Selbstvertrauen der Kinder stärkt. Burcak versteht deutsche Grammatik und Samira begeistert sich für Fotosynthese 500 € für einen Fortbildungstag für unsere Fellows, weil eine Unterrichtsstunde gut geplant sein muss. „Frau H., Sie dürfen nicht gehen! Nur wegen Ihnen kann ich Deutsch sprechen.“ (Mesut, 8. Klasse, Erkrath) 1.000 € für einen Auswahltag für fünf potenzielle Fellows, weil es genau die Richtigen sein müssen, die Schüler über zwei Jahre gezielt fördern. Alumna Dunja wird Bildungsministerin, Hammid leitet einen DAX-­ Konzern, Leon wird Schulleiter 2.500 € für die Leadership-Ausbildung unserer Fellows, die sie dazu befähigt, sich als Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen für Kinder einzusetzen. Hülya, Darius und Mandy brauchen jemanden, der Zeit hat, sie bei den Hausaufgaben zu unterstützen, sie auf Prüfungen vorzubereiten oder mit ihren Eltern zu sprechen 5.000 € für den Aufbau und die Umsetzung unseres Fellow-Programmes. Vural, Viktoria und Serdat haben endlich eine 3 in Deutsch geschafft 15.000 € damit ein Fellow ein Jahr eng mit seinen Schülern zusammenarbeiten kann: im Unterricht, im Förderunterricht, in der Rap-AG und im Filmprojekt.2 ¹ Die genannten Projekte sind jeweils Beispiele. ² Exklusive Gehaltskosten der Fellows. Diese werden öffentlich getragen. Die Programmkosten um fassen u.a. die Rekrutierung, die Auswahl sowie die Vorbereitung und die Weiterbildung der Fellows.


für den Militärdienst der Assadschen Armee rekrutiert… Dort musst du töten oder du wirst getötet. Hätten wir uns den Gegnern angeschlossen, hätte Vergleichbares gedroht. Und dann mussten wir uns auch noch vor dem sogenannten Islamischen Staat verstecken. Wir sind keine Muslime. Meine Familie konnte also irgendwann nicht mehr anders, als zu fliehen. Meine Eltern, meine Geschwister und ich haben eingepackt, was wir tragen konnten, und machten uns erst einmal auf den Weg nach Jordanien; immer in der Angst, aufgespürt, bedroht und zum Islam befragt zu werden. Zu dem haben wir als Nicht-Moslems aber kaum Ahnung. Andere, die wir unterwegs trafen, erzählten schlimme Geschichten. Zum Beispiel, dass die Islamisten versuchten, allen ein Bekenntnis zum Islam abzuringen und grausame Dinge mit denen machten, die sich weigerten. Von Jordanien mussten wir bald weiter nach Ägypten und dann nach Libyen. Überall verlacht, ausgeraubt, ohne staat­lichen Schutz oder familiäre Obhut. In Libyen, zum Beispiel, hasste ich es zur Schule zu gehen: Wir mussten uns als Muslime ausgeben, gingen zum -6-


Freitagsgebet, führten die rituellen Waschungen durch; alles, um bloß nicht aufzufallen. Wäre unsere Maskerade aufgeflogen, hätten wir dafür womöglich mit dem Leben bezahlt. Meinen Eltern war klar, dass das nicht ewig gut gehen konnte. Sie sparten jeden Cent, um weiter nach Europa zu kommen. Schlepper verlangten 1.000 Dollar pro Person, um uns – angeblich sicher – nach Deutschland zu bringen. Wenn ich nun manchmal die Nachrichten gucke und von gekenterten Booten und Toten bei der Überfahrt nach Europa höre, kommen viele Erinnerungen wieder hoch und ich kann mich partout an nichts “Sicheres” erinnern. Wir hatten Glück, dass wir überhaupt angekommen sind: Start nachts um halb vier, 15 Stunden Fahrzeit, riesige Wellen bei unruhiger See. Wir kauerten mit 300 Leuten, wo eigentlich nur Platz für 50 ist. Es hat gestunken; Menschen weinten, hatten Angst und wurden panisch. Mein Vater hat meine Schwester in den Armen gehalten, mit dem Gesicht zur Brust. Ich rechnete die ganze Zeit damit, dass das Boot wegen der riesigen Wellen kentern würde. Die Fahrt kam mir ewig, ja schier unendlich vor. -7-


Niemals zuvor hatte ich so große Angst – die schrecklichste Nacht meines Lebens. Irgendwie sind wir dann in Hamburg angekommen. Und wir haben alle überlebt. Ein Wunder. In Hamburg wohne ich mit meiner Familie in Harburg. Hier kann man sich wohlfühlen, aber wie gesagt: Nicht jeder empfängt uns mit offenen Armen. Aber wir sind auch nicht gerade zimperlich. Einmal saßen wir beim Deutschunterricht im Klassenzimmer. Da wird von außen plötzlich die Tür aufgerissen und ein paar Jungs brüllen rein: „Flüchtlinge, scheiß Asylanten, was wollt ihr hier?“ Wir Jungs aus der IVK springen auf, rennen zur Tür, brüllen auf Arabisch zurück. Ein anderes Mal durften wir bei einem Fußballturnier an der Schule mitspielen. Daniel hatte das organisiert. Wir haben im Vorfeld richtig trainiert und dann auch echt gut gespielt. Sogar bis ins Finale haben wir es geschafft. Nachdem wir dort das Führungstor geschossen hatten, schubste der Torwart der anderen Mannschaft einen Spieler von uns. Da kommt einer von unseren Jungs und schlägt zu. Das Finale wurde abgebrochen und den Gegnern der Sieg zugesprochen.

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Zugegeben, dazu gab es eine Vorgeschichte außerhalb der Schule; es war schon einmal zu Stress mit den anderen gekommen. Aber ich werde trotzdem noch heute sauer, wenn ich daran denke. So integrierst du uns doch nicht in die Schule?! Oder vielleicht doch, aber nur, wenn dann der Spielabbruch auch erklärt wird, und wir in einem neuen Finale zeigen können, dass wir das kapiert haben. So haben wir jetzt noch eine Rechnung offen. Ihr seht: Der Alltag an der Schule und in der Nachbarschaft ist manchmal echt hart. Die Wenigsten an meiner Schule wissen, dass ich bis vor kurzem mit meiner Familie in einem Flüchtlingsheim gewohnt habe. Dort ist es nachts ziemlich turbulent, permanent wird geredet, geschrien, gestritten, oder gelacht, und manchmal auch laut gefeiert. Ich konnte dabei kaum schlafen, nie hatte ich Ruhe. Und ständig gab es Probleme, weil alle aus unterschiedlichen Ländern hier zusammenkommen, mit den kulturellen oder religiösen Konflikte aus der Heimat im Gepäck: Afghanen und Iraner, Iraker und Syrer, Ägypter und Palästinenser. Einmal gab es nachts Feueralarm. „Schnell, alle raus, es -9-


brennt“, wurde gerufen. Die Feuerwehr rückte an, es waren viele Wagen, überall Blaulicht. Meine Geschwister und ich hatten Angst. Es erinnerte uns an Szenen aus Syrien. Dann die Entwarnung: Den Feueralarm hatte ein junger Mann ausgelöst; nicht etwa mit einer Bombe oder durch Brandstiftung sondern mit seiner Shisha… So trivial, aber in dem, was es ausgelöst hat, eine echter Test für die Nerven. Jetzt, wo ich nicht mehr in dem Heim wohne und auch mein Deutsch besser wird, merke ich, dass ich auch viel besser mitkomme. Als ich die Sprache noch nicht wirklich beherrscht habe, war ich meistens gestresst und angespannt. Ich habe nichts verstanden, habe nur am Ton gemerkt, ob jemand nett oder aggressiv war, und mir haben die Worte für eine passende Antwort gefehlt. Da gab es dann schnell die eine oder andere Keilerei auf dem Schulhof. Ich wollte die Jüngeren beschützen, die angefeindet wurden. Daniel hat das beobachtet und mir immer wieder ins Gewissen geredet, ich solle mich besser kontrollieren und Deutsch lernen. Er hat sich große Mühe gegeben, damit die Situation zwischen unserer Klasse und den anderen -10-


Schülern sich immer wieder entspannte. Mittlerweile bin ich schlauer und helfe gerne dabei zu vermitteln. Unsere Lehrer in der IVK haben Patenschaften mit den „normalen“ Schülern organisiert. Dadurch haben wir jetzt auch ein paar Kumpels. Und es schadet, glaube ich, auch nicht, dass Daniel auf dem Schulhof regelmäßig mit unserer Gruppe redet und den anderen Schülern von uns erzählt. Die anderen Schüler kennen ihn auch und respektieren ihn. Ich habe mich im letzten Jahr einleben müssen und habe etwas gebraucht, mich zurechtzufinden und etwas „Sinnvolles“ mit meiner Zeit anzufangen. Daniel meinte immer, dass ich was kann und mir einfach mal überlegen sollte, wie ich – wie sagt er? – meine Stärken „hebe“. Ich solle mutig sein und mir ein Herz fassen, denn er glaube daran, dass jeder etwas bewirken kann. Mit der Gruppe, in der wir als Syrer Syrern helfen, von der ich Daniel damals auf dem Schulhof erzählte, habe ich glaube ich wirklich etwas gefunden, das nicht jeder machen kann. Und ich denke sinnvoll ist diese Arbeit -11-


auch. Angefangen habe ich zusammen mit meinem Vater und einigen Bekannten. Heute übersetze ich regelmäßig für andere Syrer. Mein Deutsch ist auf einem guten Level. Hier kann ich wirklich helfen und ich merke, dass ich gebraucht werde. Ich darf zwar nicht als offizieller Übersetzer arbeiten. Den Behörden war ich sprachlich nicht „perfekt“ genug. Aber am Hamburger Hauptbahnhof zum Beispiel war meine Übersetzungshilfe über viele Monate regelmäßig gefragt. Und an einem Tag im Frühsommer ist Daniel dann tatsächlich auch dort am Hauptbahnhof vorbeigekommen. Normalerweise ist er es ja, der mir Sachen beibringt. Aber an dem Tag, als er unsere Gruppe besuchte, kam ich mir vor wie sein Lehrer! Ich konnte ihm alles zeigen, ihm meine Freunde vorstellen, und er hat genau zugeschaut, wie ich vor Ort half. Daniel lernte sogar ein paar arabische Vokabeln von mir. Was ich echt cool fand: Daniel hat mich sehr für meinen Einsatz gelobt. „Toll, dass Du die Dinge hier in die Hand nimmst! Ich bin echt stolz auf Dich.“ Diese Rückmeldung motiviert mich immer noch. -12-


Ich muss mich aber mittlerweile auch etwas mehr um die Schule kümmern. Die Zeit im Ehrenamt ist nicht so gut für meine Noten. Am Anfang war ich einer der Besten in der Klasse. Ich will, dass das wieder so ist. Nicht einmal im Traum hätte ich vor drei Jahren gedacht, dass ich das deutsche Abitur machen könnte. Aber das ist nun mein Ziel. Denn ich will Flugzeugingenieur werden. Ohne Abi keine Chance. Daniel wird mir hoffentlich dabei helfen – so wie er mir auch geholfen hat, mir ein Herz zu fassen und diese Geschichte zu schreiben. Damit Deutsch zu einer Stärke von mir wird!

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Hand aufs Herz - sollten nicht alle Kinder ihre Potenziale voll entfalten können? Wir von Teach First Deutschland bitten Sie, das zu unterstützen, was uns allen am Herzen liegt: Kindern zu besserer Bildung zu verhelfen. Spenden Sie jetzt und bringen Sie damit Kinder zum Aufblühen. Mit Ihrer Spende gewinnen wir mehr Fellows, und hunderte Schülerinnen und Schüler bekommen eine Chance. Dafür brauchen wir Ihre Spende. IBAN | DE38100701240111911400 BIC/SWIFT | DEUTDEDB101 www.teachfirst.de/herz


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