RAUSZEIT 2020-1 Frühjahrs-/Sommerausgabe

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RAUSZEIT

RAUSZEIT WEGE.

ABENTEUER.

Preis: 3,00 €

ERLEBT

FOTO Lars Günther Schneider Härter

FOTO Moritz Marc Michel Becher

FOTO Barbara Margit Memminger Meixner

FOTO Laurence Roman Königshofer Crossman-Emms

MENSCHEN.

Ausgabe Sommer 2020

BESSERWISSER NACHGEFRAGT

Bikepacking durch die wildromantiFrischluft fördert den Hunger. Aber schen Karpaten. Eine Zeitreise in die darf es auch mit Stil sein? So funktioVergangenheit und die Zukunft zugleich. niert echte Outdoor-Kulinarik.

Lars Schneider muss draußen sein – als Fotograf, als Familienpapa und als Wahlnorweger. Ein Leben ohne Langeweile.

Mehr auf S. 8

Mehr auf S. 22

Mehr auf S. 18


RAUSZEIT Sommer 2020

KINDHEITSTRAUM Ein Zelt wie aus Kindertagen – auf den ersten Blick zumindest. Aber mit dem Anaris hat die nordschwedische Edel-Zeltschmiede unsere besten Erinnerungen aus dieser Zeit mit modernsten Konstruktionsund Materialkomponenten verquirlt. Das Ergebnis: eine Zwei-Personen-Ferienwohnung mit minimalen 1,4 kg Gewicht und maximalen Aufbau-Optionen. Okay, die Trekking-Stöcke muss man fairerweise dazurechnen, die man zum Aufstellen das Dachfirsts benötigt. Aber die sind bei längeren Touren eigentlich ohnehin dabei. Und wenn nicht: einfach zwei Bäume suchen und das Zelt dazwischen »aufspannen«. Die Varianten, in denen das Anaris aufgebaut werden kann, sind enorm vielfältig: als Doppelwandzelt, nur als Mesh-Innenzelt, als Tarp ohne Innenzelt – oder verschiedene Zwischenlösungen. Das Material ist – typisch Hilleberg – auf Wetter-Krawall gebürstet, sprich: Mach‘ dir keine Sorgen … Hilleberg Anaris Preis: 704,95 Euro

STANDPUNKT Unser dunkelrotes Ticket Freiheit ist ein hohes Gut. Sie gibt uns die Möglichkeit zu entscheiden, wie wir leben wollen. Was wir essen, welchen Beruf wir ergreifen möchten. Theoretisch stehen uns damit alle Türen offen. Dank Reisefreiheit auch die in andere Länder. Relativ einfach von A nach B, spontan den Rucksack packen und in den nächsten Zug Richtung Süden steigen, alles ohne große bürokratische Hindernisse. Kontrolle? Kein Problem. In 189 Länder dürfen Deutsche reisen, ohne einen Visa-Antrag stellen zu müssen. Nur Japan und Singapur liegen im weltweiten Reisefreiheits-Ranking noch vor uns Deutschen. Möglich macht das ein 125 mal 91 Millimeter kleines, dunkelrotes Büchlein: unser deutscher Reisepass. Wunderbar! Dann einfach los, oder? Mexiko, Moldau, Mikronesien – die Welt steht uns offen. Doch ist Freiheit wirklich so einfach zu haben? Auf dem Papier vielleicht schon. Grenzenlos bedeutet aber auch, dass Hindernisse im Geist verschwinden (müssen). Hindernisse, wie die eigenen Ängste und Vorurteile, die uns meist erst in fremden Ländern bewusst werden. Die sogenannte Fremde ist ein Teil der Welt, in dem wir uns nicht auskennen und uns oft unsicher fühlen. Fremde Sprachen, Kulturen und Bräuche begegnen uns. Für kurze Zeit sind wir ausgeliefert und darauf angewiesen, dass es die Einheimischen gut mit uns meinen. Sich solchen Situationen auszusetzen, selbst zum Fremden zu werden, das ändert den persönlichen Blickwinkel auf die Welt. Wer seine kulturelle Komfortzone verlässt, wird das eigene Zuhause mit kritischerem Blick betrachten. »Reisen ist fatal für Vorurteile, Intoleranz und Engstirnigkeit –, und viele Menschen haben es gerade daher bitter nötig.« Diese Erkenntnis entfuhr dem vielreisenden Schriftsteller Mark Twain bereits vor über 150 Jahren. Was es bedeutet, in einem Land zu reisen, in dem sich bis vor wenigen Jahrzehnten die Bewohner nur sehr eingeschränkt frei bewegen durften, davon erzählt u.a. unsere BikepackingReportage in Rumänien auf S. 8. Und wie es sich anfühlt, privat und beruflich regelmäßig die kulturelle Komfortzone zu verlassen und in der vermeintlichen Fremde freundlich aufgenommen zu werden, davon weiß Familie Schneider auf S. 22 zu berichten. Wir, die Menschen mit dem kleinen, dunkelroten Deutschland-Ticket, besitzen das fast uneingeschränkte Privileg, das Unvorhergesehene erleben zu dürfen – in Freiheit und Freizeit. Neues kennenzulernen und uns zu öffnen. Denn bereits der Naturliebhaber und Schriftsteller Edward Abbey wusste: »Freiheit beginnt zwischen den Ohren.« Wir wünschen euch grenzenloses Reisen! Barbara Meixner, Moritz Becher und die RAUSZEIT-Teams

GEGEN DEN WIND Die Klettermäuse aus Åre in Mittelschweden sind trotz ihrer schon im Jahr 1975 erfolgten Gründung immer noch eine Art Geheimtipp. Zu unrecht, denn mit ihrem von Beginn an äußerst nachhaltigen Ansatz, mit möglichst umweltverträglichen Stoffen und Verfahren Hochleistungs-Bekleidung und -Rucksäcke für sehr anspruchsvolle Touren in wildem Terrain zu fertigen, waren sie ihrer Zeit eigentlich Jahrzehnte voraus. Mit der Ansur Windproof Jacket beweist die kleine Marke wieder einmal, dass sie eigene Pionierwege beim Finden ökologisch nachhaltiger Lösungen geht. Das Ripstop-Material der 270 g leichten Windjacke besteht zu 100 Prozent aus Biobaumwolle – inklusive der verstärkenden Fäden. Um den hohen, faltbaren Kragen schmiegt sich ein weicher Saum. Sonst: Trekking-Vollausstattung! Zwei-Wege-Frontreißverschluss zur Belüftungsregulierung, zwei Seiten- und eine Brusttasche, elastische Ärmelabschlüsse mit Daumenlöchern gegen kalte Hände. Klättermusen Ansur Windproof Jacket Men Preis: 229,95 Euro

Foto Titelseite Blaenau Ffestiniog wurde einmal als der nasseste Flecken von ganz Wales bezeichnet. Zu recht, sagt Fotograf Laurence CrossmanEmms. Sogar wenn die Sonne scheint, gibt es überall Pfützen. Das inspirierte den Waliser MTB-Enthusiasten dazu, die Wasserverdrängung von Katy Wintons Hinterreifen so abzulichten, dass es dem Betrachter scheint, als würde die Zeit plötzlich stillstehen. Fotografiert von Laurence Crossman-Emms

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RAUSZEIT Sommer 2020

REISEPARTNER »Travelstar« - eigentlich sind wir ja nicht so große Fans von Starallüren. Aber dieser (Geschäfts-)Reiserucksack könnte sie sich leisten. Die Entwickler von Bach haben diesem Klassiker eine kleine Frischzellenkur verpasst. Und wir wissen aus Erfahrung: Der schweizerisch-irische Rucksackspezialist macht keine halben Sachen. Wer sich den 1285 g leichten Travelstar als Reisepartner holt, sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, dass dieser Transporter von 40 Liter Stauvolumen seinen Besitzer vermutlich ein Leben lang begleiten wird. Die Maße sind jedenfalls perfekt an das Maximum beim Handgepäck angepasst – sehen aber auch in der Bahn gut aus. Inhaltlich ist an alles gedacht: Laptopfach, diverse kleine und größere Reißverschluss-Staufächer von Reisepass- bis Schuh-Garage, Stretch-Tasche für eine Trinkflasche. Den Rand haben sie nun etwas höher gezogen, so lässt sich alles schön sauber beim Packen einschichten. Das Tragesystem verschwindet bei Bedarf hinter der Rückenplatte. Dort sitzt auch eine Stofflasche, die den Travelstar am Handauszug eines Rollgepäcks fixiert. Gute Reise! Bach Travelstar 40 L Preis: 149,95 Euro

BRENNT WIE ZUNDER

STREICHELEINHEITEN

Bis 50 km/h Wind lässt sich mit diesem Wunderzunder auch bei feuchten Bedingungen ein wärmendes Feuer entfachen. Was genau in diesem Zauberbeutel steckt, verrät Hersteller InstaFire nicht. Nur so viel: Fire Starter ist frei von Chemikalien und verbrennt geruchlos ohne giftige Dämpfe. Es kann nicht explodieren und ist auch absolut unbedenklich in direktem Kontakt mit Lebensmitteln, z.B. im Rucksack. Apropos Rucksack: Da passt der Zunder dank Mini-Gewicht locker rein. Fürs Lagerfeuer zu allen Jahreszeiten – selbst bei Regen und Schnee – ebenso geeignet wie für den heimischen Kaminofen. Rückstände? Natürliche Asche – die wiederum ist eigentlich auch natürlicher Bodendünger. Hergestellt in den USA. InstaFire gibt sogar 30 Jahre Garantie auf den verschlossenen Beutel. Aber so lange willst du auf dein nächstes Lagerfeuer hoffentlich nicht warten … InstaFire Fire Starter Preis: 2,95 Euro

Pally’Hi hat sich innerhalb ziemlich kurzer Zeit zu einer unserer Lieblingsmarken gemausert. Der Grund: Die Shirts aus feinster neuseeländischer Merinowolle (60 %) und Viskose (40 %) – einer Faser aus regenerierter Zellulose von Bambusbäumen – sind an Geschmeidigkeit kaum zu übertreffen. 17,5 Mikron, also Tausendstel Millimeter, ist die Dicke der Merinowollfasern, die Pally’Hi verwendet. Zum Vergleich: Menschenhaar misst zwischen 50 und 100 Mikron. Immer wieder ernten wir von Kunden ungläubige Blicke, wenn sie zum ersten Mal »zugreifen«. »Das soll Wolle sein?«, kommt meist als Frage hinterher. Zu recht. Mit dem kratzigen Wollpulli, dem Trauma vieler Kindergenerationen des 20. Jahrhunderts, haben hochwertige Merinowolle-Shirts so gut wie nix mehr gemeinsam. Und Bambus? Die Pflanze liefert eine ähnliche Geschmeidigkeit wie hochwertige Baumwolle. Nur: Der durchschnittliche Ernteertrag von Bambus ist auf der gleichen Fläche etwa 30-mal so hoch wie der von Baumwolle, benötigt aber weder Pestizide noch Dünger oder zusätzliche Bewässerung. Schwitzfeuchtigkeit wird von Bambusfasern sehr schnell nach außen transportiert, was den Tragekomfort besonders hoch macht. Die Verbindung von Bambus mit Merinowolle ergibt einen sehr weichen, aber zugleich stabileren Stoff, der sich leicht kühl anfühlt. Nimmt man dann noch die geruchshemmenden Eigenschaften hinzu, gibt es eigentlich überhaupt keinen Grund mehr, sich nicht so ein schickes WollBambus-Leibchen überzustreifen. Pally’Hi Tentative T-Shirt Women & Ramertinger T-Shirt Men Preis: 74,95 Euro & 69,95 Euro

AUF MESSERS SCHNEIDE Lars Fält ist in etwa die schwedische Antwort auf MacGyver – für die älteren TV-Semester unter uns – oder Bear Grylls, der der Generation YouTube sicher mehr sagt. Für alle anderen: Der Typ ist Überlebensexperte und Schriftsteller. In seinen Survival-Kursen in schwedischen Wäldern lernen seine Schüler, wie sie in Bushcraft-Manier, nur mit einem Messer ausgestattet, nahezu alle Situationen meistern können. Was für ein Glück, dass genau dieser WaldMeister sein ganzes Wissen auch bei den Herrschaften von Casström in Schwedisch-Lappland einbringt. Dort entstehen nämlich fantastische Outdoor-Messer – für Bushcrafter wie auch Liebhaber. Z.B. das Lars Fält Knife K720, mit Griffschalen aus leinöl-behandeltem Maserbirkenholz und einer 11,5 cm langen, extrem harten Klinge aus Böhler K720 Stahl. Eine Messerscheide aus pflanzlich gegerbtem Leder rundet dieses wunderschöne, 172 g leichte Outdoor-Spielzeug ab. Auf ins Abenteuer! Casström Lars Fält Knife K720 Preis: 146,95 Euro

Allgemeine Anfragen und Anregungen bitte an redaktion@rauszeit.net IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Michael Bode, Andreas Hille Redaktion & Produktion: Moritz Becher (Chefredakteur), TANNE 9 Becher Lipp Meixner GbR, Von-der-Tann-Str. 9, 83022 Rosenheim, www.tanne9.com, redaktion@rauszeit.net Druck: Möller Druck und Verlag GmbH Copyright: Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung der Herausgeber und der Redaktion unzulässig und strafbar.

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WASSERLÄUFER »Torrent« ist das englische Wort für Sturzbach. Ein ziemlich passender Name also für eine richtig gute Regenjacke. Die circa 394 g leichte wasserdichte, aber gut wasserdampfdurchlässige Torrent Shell ist auf dem besten Weg, ein PatagoniaKlassiker zu werden. Kein lauter, schriller, aber ein zuverlässiger und unermüdlicher Begleiter bei jedwedem Wetter. Der US-amerikanische Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit hat der neuen Torrent Shell auf ihr Drei-Lagen-Laminat nun einen Außenstoff aus 100 Prozent recycelten Nylon-Abfällen – gesammelt von Deponien und aus den Weltmeeren – verpasst. Die PU-Membran zwischen Innen- und Außenstoff besteht zu immerhin 13 Prozent aus biologischen Basisstoffen. Alles – natürlich – bluesign®- und Fair-TradeTM-zertifiziert. Funktionsausstattung? Gerne: doppelt hinterlegter Frontreißverschluss, Unterarmreißverschlüsse zwecks Belüftung, ein ziemlich schlauer Trick, um mit der Kapuzen-Justierung selbige als Kragen zu fixieren und schließlich alles komplett in der eigenen Seitentasche für den Rucksacktransport verpackbar. Dann kann er kommen, der Sturzbach. Patagonia Torrent Shell 3L Jacket Men’s & Women’s Preis: 159,95 Euro

Wir stellen vor: Bäume pflanzen mit Tentree

Tentree Women’s Tree Print Raglan T-Shirt Material: 45 % recyceltes ­Polyester, 30 % Tencel Lyocell, 25 % Biobaumwolle Preis: 49,95 Euro

ZEHN AUF EINEN STREICH

FOTO Tentree

»Unser Ziel bei Tentree ist es, die in Sachen Umwelt fortschrittlichste Marke des Planeten zu werden.« Chapeau – da legt jemand die Messlatte aber ordentlich hoch. Mit dem Versprechen, für jedes verkaufte Produkt zehn (!) neue Bäume – der Name ist Programm – zu pflanzen, wird das Vorhaben der noch jungen kanadischen Marke jedoch schnell greifbar. Bis jetzt wurden in über 15 Ländern knapp 41,3 Millionen neue Bäume durch Tentree bzw. kooperierende Umweltschutzorganisationen wie »Trees for the Future« oder »Eden Projects« gepflanzt. Das Ziel: Bis 2030 sollen es eine Milliarde Bäume werden. Ein Beispiel: Madagaskar. Jährlich gehen auf dem kleinen ostafrikanischen Inselstaat circa 200.000 Hektar Wald durch Abholzung, Brandrodung und Erosion verloren – 90 Prozent des ursprünglichen Waldes sind bereits zerstört. Dort wurden durch Tentree bereits über 23 Millionen neue Bäume angepflanzt. Lebensraum entsteht wieder, die Menschen vor Ort erhalten Arbeit und faire Entlohnung und die Bäume binden CO2.

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Doch auch beim Herstellungsprozess spielen ökologische und soziale Aspekte die Hauptrolle. Materialien wie Biobaumwolle, Tencel – eine Zellulose-Faser aus der Kulturpflanze Eukalyptus –, Hanf und recyceltes Polyester bilden die Hauptbestandteile der Bekleidung, Knöpfe werden aus Kokosnussschalen-Abfall gefertigt, Kork statt Leder für Applikationen und Reißverschluss-Zipper verwendet. Und: Jeder Kunde kann nicht nur verfolgen, was mit »seinen« Bäumen geschieht, sondern sogar mitbestimmen, bei welchem Projekt sie gepflanzt werden sollen. Wie das geht? An jedem Produkt ist ein sogenannter »Token« aus Holz, auf dem ein Code angebracht ist. Sobald man sich mit diesem auf www.tentree.de registriert hat, bekommt man vollen Einblick zu »seinen« Bäumen und erhält auch Informationen dazu, welche Auswirkungen diese Bäume auf die Menschen und die Umwelt bei dem jeweiligen Projekt und Land haben. Ein Sprichwort aus Uganda lautet: »Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor dreißig Jahren. Die zweitbeste ist jetzt.« Vielleicht ja auch zehn Bäume ...

Über 40 Millionen Bäume hat Tentree schon gepflanzt. Bis 2030 sollen es eine Milliarde sein. Pro Tentree-Teil kommen zehn neue dazu.

Tentree Men’s Juniper Classic Hoodie Material: 60 % Biobaumwolle, 40 % recyceltes Polyester Preis: 79,95 Euro

Tentree Elevation Hat Material: 45 % recyceltes ­Polyester, 30 % Tencel Lyocell, 25 % Biobaumwolle Preis: 34,95 Euro


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FOTO Amazonas

ÜBRIGENS … EINFACH GECHILLT ABHÄNGEN Am 17. Oktober 1492 notierte Christopher Kolumbus in seinem Bordbuch: »Betten und Decken, auf denen jene Leute schliefen, sind eine Art Wollnetze.« Das schrieb der gebürtige Italiener genau fünf Tage nachdem er – nach heutigem Wissenstand – offiziell Amerika entdeckt hatte. Hm, die Frage ist zwar zugegeben etwas unverhältnismäßig, aber: Wenn man so an einem Sommersonntagnachmittag im Halbschatten von zwei Apfelbäumen im Garten oder zwischen zwei Krüppelbirken im nordschwedischen Rogen Naturreservat an einem traumhaft schönen Seeufer »baumelt«, dann könnte man sich – wenn man diese ziemlich unbekannte Tatsache kennen würde – schon ernsthaft fragen, ob die Entdeckung Amerikas oder die der Hängematte Kolumbus‘ größere Errungenschaft war? Egal – Hauptsache: Es gibt sie. Und zwar mittlerweile in allen möglichen Variationen. Für allein. Für zu zweit. Sogar für weniger flotte Dreier.

Ultraleicht. Ultrarobust. Ultrafarbenfroh. Welchen Superlativ man sich aussucht oder einfach die »normale«, die einen oft ein Leben lang begleitet, ist dabei eigentlich nebensächlich. Denn wer kann sich dem Charme dieser hängenden, stoffgewordenen – und im Verhältnis äußerst kostengünstigen – Psychotherapie entziehen? Erinnerungen an die früheste Kindheit werden wach, Gefühle von Umsorgtsein und Geborgenheit. Was aber tatsächlich den meisten noch verborgen geblieben ist: Hängematten sind auch auf Outdoor-Reisen eine echte Alternative zum Zelt – Bäume oder andere Fixiermöglichkeiten vorausgesetzt. Und eine nächtliche Hängepartie ist bequemer, als die meisten fürchten. Wenn man weiß, wie, dann sogar bei Regen und kühlen Temperaturen. Fragen? Gerne! Einfach bei uns im Laden abhängen …

HÄNGEPARTIE

NACHTLEUCHTE In Kombination mit der Ultralight Mosquito Net Hammock ist das Crush Light von Solar- und Akkupack-Spezialist Goal­ zero eine perfekte Ergänzung. Einfach den abnehmbaren Bügelhalter in die Ridgeline einhängen und das nächste Kapitel lesen. Nur 91 g schwer, passt das Lämpchen zusammengefaltet mit 12,5 mal 12,5 cm in jedes Rucksackfach. Der integrierte Lithium-IonenAkku kann entweder über das mittige Solarpanel(chen) geladen werden oder via Micro-USB-Anschluss. Zur optimalen Ladeausrichtung je nach Sonnenstand einfach den Akkordeon-Balg einseitig einfalten. Drei Stufen der Erleuchtung, die höchste mit 60 Lumen reicht für drei Stunden, die niedrigste für 35. Sogar regendicht ist der kleine Lichtspender. Übrigens auch für den Campingbus ein ziemlich praktisches Accessoire. Goalzero Crush Light Preis: 24,95 Euro

Himmelbett mit Nalgene-Flaschen-Packmaß und dem Gewicht einer Regenjacke? Gibt’s. Jetzt. Cocoon hat gleich mehrere Design-Kniffe entwickelt, die dieses nur 395 g schwere Hängebett zu einem potenziellen Lieblingsteil für reisefreudige Faulenzer oder gewichtsbewusste Wildnis-Trekker machen. Von Kopf- zu Fußende verläuft über der großzügigen (325 x 148 cm) Liegefläche eine extrem stabile Schnur aus UHMW-PE. Genau, also ultra-hochmolekulares Polyethylen. Kennt ihr nicht? Na gut: Dyneema. Der Effekt ist ebenso genial wie bequem: Der Aufhängewinkel ist immer gleichbleibend, was eine wunderbare, diagonale Liegeposition ermöglicht. Gleichzeitig ist das DyneemaBand, das an den Enden praktischerweise für maximal einfaches Aufhängen gespleißt ist, der Dachfirst für das sehr engmaschige Moskitonetz, das seitlich per durchgehendem Reißverschluss geschlossen werden kann. Das Material der Hängematte selbst ist robustes, aber weiches Ripstop-Nylon. Trägt satte 140 kg. Gute Nacht! Cocoon Ultralight Mosquito Net Hammock Preis: 89,95 Euro

DACH ÜBER DEM KOPF Packt man eine Ultraleicht-Hängematte und ein Ultraleicht-Tarp zusammen, liegt man immer noch deutlich unter einem Kilogramm Gewicht. Das schlägt die allermeisten Zelte. Deshalb ist ein Tarp eine grandiose Ergänzung – sowohl für Schwebe-Schläfer als auch Boden-Biwakierer. Das asymmetrisch geschnittene Adventure Tarp von Hängematten-Spezialist Amazonas ist aus reißfestem Ripstop-Nylon gefertigt, zweifach silikon-beschichtet und mit 380 g ein wirklich luftig-leichtes, aber zuverlässig stabiles Dach über dem Kopf. Zusammengerollt schrumpft es auf Unterarmgröße und lässt sich am und im Rucksack bestens verstauen. Wie du ein Tarp richtig aufspannst, um auch bei Starkregen eine trockene Nacht zu verbringen, zeigen wir dir gerne bei uns im Laden. Amazonas Adventure Tarp Preis: 149,95 Euro

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FOTO Jasper Gibson. Paddler: Aniol Serrasolses. Twisted Pleasure Falls am Jalacingo River, Mexiko.

FOTO Pierre Chauffour. Highliner: Samuel Volery. Highline-Weltrekord auf dem Moléson, Schweiz: 477 m Längen- und 35 Meter Höhendistanz (2015).

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EDWARD ABBEY FOTO Quin Schrock. Sequoia Nationalpark, Kalifornien, USA.

»FREIHEIT BEGINNT ZWISCHEN DEN OHREN.«

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FOTO Noah David Wetzel. Biker: Chris Brule. Teton Valley, Wyoming, USA. Komplette Sonnenfinsternis am 21. August 2017.

RAUSBLICK

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ERLEBT: Bikepacking Transsilvanien

MIT DEM RAD ZUR KIRCHE Im Nordwesten Rumäniens wartet ein Paradies darauf, entdeckt zu werden: ­Transsilvanien. Nicht Graf Dracula, sondern Bären und Wölfe sagen dort »Gute Nacht«. Eine Bikepacking-Zeitreise durch einen der letzten wilden Flecken Europas. Bumm, bumm! Als das barsche Hämmern an der Holztür unseres Schlafwagenabteils in unsere Träume dringt, wirkt es maximal unfreundlich. Genauso »charmant« nimmt der rumänische Grenzbeamte um 2:30 Uhr nachts dann auch unsere Papiere entgegen. Hier liegen wir nun, im Nachtzug Richtung Bukarest in Stockbetten, neben uns friedlich schlummernd unsere Drahtesel. Eine Zeitreise in eine Region, die so viel zu erzählen hat, so viel Wunderschönes in sich trägt und so viel Leid ertragen musste: Transsilvanien! Hufeisenförmig ist dieser sagenumwobene Landstrich im Nordwesten Rumäniens eingerahmt von den wilden Karpaten. Und ganz ehrlich: Bei wem von uns tauchen bei dem Wort nicht Bilder von überlangen Eckzähnen, Halsketten aus Knoblauchknollen und dem Vampir-Herrscher Graf Dracula auf? »Es ist wirklich schade, dass diese Region immer auf diese blöde Dracula-Geschichte reduziert wird«, sagt Ionut Maftei, als wir am wunderschönen Stadtplatz von Sighișoara in einem Café sitzen. »Dabei ist die ganze Story dahinter die Erfindung eines irischen Schriftstellers.« Ionut ist Bike-Guide, hatte Andi und mich hier am Bahnhof erwartet und wird uns die Karpatendörfer mit ihren mächtigen Kirchenburgen zeigen. Mit Schlafsack, Matte, Zelt und was es sonst noch für ein

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richtiges Rad-Abenteuer braucht, auf minimales Packmaß getrimmt. »Bikepacking« heißt das auf Neudeutsch. Apro­ pos deutsch: Viele kennen Transsilvanien, lateinisch für das »Land hinter den Wäldern«, auch unter dem Namen Siebenbürgen. Denn dorthin zogen vor rund 800 Jahren Siedler aus vielen Teilen Deutschlands, hauptsächlich aus dem Mittelrhein- und Moselgebiet, Flandern und der Wallonie, um im Gegenzug für zahlreiche Privilegien das Land zu erschließen. Die sieben dabei gegründeten Städte Hermannstadt, Kronstadt, Klausenburg, Mühlbach, Schäßburg, Mediasch und Bistritz sind – vermutlich – der Grund für die Bezeichnung Siebenbürgen.

Wilde Weiden und wild wirkende Hunde »Herzlich willkommen in Cund«, begrüßt uns Jonas Schäfer. Der gebürtige Schleswig-Holsteiner ist der Siebenbürgen-Liebe seiner Eltern gefolgt und hat in dem einst von fataler Landflucht gezeichneten Dörfchen Cund eine feine Herberge für Aktivtouristen aufgebaut – mithilfe der Einheimischen. Die kleinen, bunten KarpatenHäuschen sind heimelig, verköstigt werden Jonas‘ Gäste nach allen Regeln der kulinarischen Kunst. Endlich geht es los! Nicht alle Wegbeschreibungen

im Internet sind verlässlich, ein einheimischer Guide ist Gold wert – für die Routenführung, für die Geschichten hinter der Geschichte und die Nähe zu den Menschen vor Ort. Nach kurzem Anstieg stehen wir auf einer langgezogenen Hügelkette mit Rundumblick. Märchenland! Es ist Oktober, meterhohes goldgelbes Gras wechselt sich ab mit sattgrünen Eichen- und Buchenwäldchen. In der Ferne sehen wir eine Schafherde. Das Hirtentum ist eine jahrhundertealte Weidetradition in Rumänien, damit sie mit ihren Tieren frei durchs Land ziehen können, gibt es quasi keine Zäune. Dann hören wir sie, noch bevor wir die in der Sonne glänzenden Felle auf uns zuschießen sehen. Hütehunde. »Bleibt einfach ruhig und fahrt weiter – und nicht Richtung Schafherde. Die sind darauf trainiert, Eindringlinge zu melden und auf Abstand zu halten«, rät uns Ionut. Da ertönt auch schon der beruhigende Pfiff des Schäfers, das Bellen ebbt ab, acht wachsame Augenpaare verfolgen pflichtbewusst unser Weiterziehen. Es werden nicht die letzten vierbeinigen Wächter auf dieser Reise bleiben. Mit jedem Dorf, durch das wir rollen, tauchen wir tiefer ein in die Seele Siebenbürgens. Halten wir beim ersten Pferdekarren mit leuchtend gelben Maiskolben auf der Ladefläche noch erstaunt an, werden die


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Enjoy more. Stress less. Nimm dein Hilleberg! kaitum Leicht, stabil und geräumiges Ganzjahreszelt mit 2 Absiden aus unserer red label Serie. Eine hervorragende Wahl wenn niedriges Gewicht und Komfort hohe Priorität haben. Erhältlich für 2, 3 & 4 Personen.

Links: Perfekte Reisezeit Oktober. Goldgelbe Hügelketten, grüne Laubwäldchen und reichlich Radwege. Oben links: In einigen Dörfern tragen die Männer der Sinti und Roma Gemeinschaft stolz diese großen Hüte. Oben rechts: Traum-Trails durch lichte Laubwälder. Unten: Zwei PS – Normalität in den Siebenbürgen-Dörfern.

Zwei-PS-Fuhrwerke bald zur Normalität. Bunte Häuser aus einer längst vergangenen Ära säumen die Straßen. Kinder unterbrechen ihr Spiel, winken uns neugierig und laut rufend zu, von ihren Großeltern ernten wir eher zurückhaltend freundliche bis misstrauische Blicke. Nach Dumbrăveni, Prod, Seleuș und Criș fahren wir schließlich am Spätnachmittag die Hauptstraße von Mălâncrav hinunter, zählen bis Hausnummer 335 und werden herzlich von Cuta empfangen. Sie versorgt Touristen, die in einem der sanierten Gästehäuser unterkommen, mit deftiger lokaler Kost. Die Stiftung, die sich um die Instandsetzung und Bewirtschaftung der alten Sachsen-Häuser kümmert, wird mit EU-Geldern gefördert. Auch Prinz Charles hatte sich einst in die Region verliebt, besucht sie immer wieder und engagiert sich gegen den Verfall.

Von Kirchenburg zu Kirchenburg Im Dämmerlicht schlendern wir zur Kirchenburg von Mălâncrav. »Treten Sie ruhig ein«, fordert uns eine alte Dame in perfektem, aber irgendwie antiquiert klingendem Deutsch auf. »Nein, in Deutschland war ich noch nie«, antwortet sie auf unsere Frage. »Aber meine Urahnen sind vor fast 800 Jahren hierher gesiedelt.« Am nächsten Tag ist Erntedankfest. Die Dorfbewohner haben die Kirche festlich geschmückt, Nüsse, Äpfel, Kartoffeln, Kürbisse und Weintrauben säumen den Weg zum Altar. Etwa 160 Wehrkirchen, die seinerzeit zur Verteidigung gegen Türken und Tataren-Einfälle erbaut wurden, sind über Siebenbürgen verteilt. Teilweise – auch dank UNESCOWeltkulturerbe-Status – in hervorragend restauriertem, teilweise in erbärmlichem Zustand. Sie boten Schutz und Lagermöglichkeit, Wohlstand und Beistand, in einer ziemlich wilden Zeit.

Jürgen Goldberg & Phillip Hahn

seit über 45 jahren fertigt Hilleberg Zelte höchster Qualität. Entworfen in Schweden, produziert in Estland und weltweit eingesetzt. Hilleberg Zelte bieten eine ideale Balance zwischen hoher Strapazierfähigkeit, geringem Gewicht, einfacher Handhabung und hohem Komfort.

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Oben: Ein Bike-Trail mitten durchs Esszimmer. Willkommen in »Meșendorf 65«. Unten: Radabenteurer-Romantik in den Hundert Hügeln.

Der nächste Morgen beginnt unfreiwillig deftig. Was ich für eine getrocknete Feige halte, entpuppt sich beim ersten Frühstücksbissen als frittiertes Schweinefett. Blöd, wenn die Optik ebenso ähnlich ist wie das – trotz Sicherheitsnachfrage – akustische Missverständnis von »fig« und »pig«. Geschmackssache – vor allem die der Einheimischen. Mit so viel Energie im System fliegen die Kilometer dahin, der Untergrund variiert von schmalen, lehmigen Trails über Schotterwege bis zu frisch asphaltierten Straßen. Über die Dörfer Nou Săsesc und Copșa Mare kommen wir nachmittags im Städtchen Biertan mit seiner turm-umrahmten, mächtigen Kirchenburg an. Mein Highlight: der Scheidungsturm. Wollten Paare ihr Ehegelübde lösen, wurden sie eine Woche in dem Gemäuer eingesperrt – um zu sehen, ob sie ihre Meinung nicht doch ändern. Im Platzregen erreichen wir die Villa Rihuini, ein Winzerhof im Dorf Richiș, der von Jungbauer Alex und seinem Bruder betrieben wird. In der offenen LUST AUF BIKEPACKING IN TRANSSILVANIEN? • Ionut Maftei führt Radreisen u.a. durch ­Siebenbürgen: www.bikeintime.com • Lohnende Basis für Tages- oder Mehrtagestouren: Valea Verde von Jonas Schäfer: www.valeaverde.com • Hintergrundinformationen zu Kirchenburgen: www.kirchenburgen.org

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Oben: Einsame Straßen führen mitunter ins wunderschöne Nichts. Dahinter leuchten die Gipfel der Făgăraș-Berge. Links: In Transsilvanien gibt es die höchste Braunbären-Dichte Europas. Rechts: Augen auf und durch. Pfadfinden gehört zum Abenteuer Bikepacking.

Scheune dürfen wir unser Nachtlager aufschlagen, das Abendmahl – köstlich zubereitet von Alex‘ Mutter – füllt die leeren Kalorienspeicher mehr als auf. Seit 2000 Jahren wird in den Hanglagen der Region Wein angebaut, bis zu 50 Meter tief ragen die Wurzeln der alten Reben in den Boden. Sorgen bereiten dem alteingesessenen Familienbetrieb die großflächigen Landkäufe durch westliche Agrarinvestoren. »Die quetschen den Boden aus, zerstören unsere kleinbäuerlichen Strukturen, ziehen nach zehn Jahren weiter – und hinterlassen eine völlig zerstörte Kulturlandschaft«, erzählt Alex frustriert.

Hundert Hügel Am Übertritt eines Buchenwaldes auf eine Lichtung steht ein großes Steinmal. »Zum Gedenken an exekutierte Widerständler der Rumänischen Revolution von 1989«, erklärt unser Guide. Bis dahin hatte Nicolae Ceaușescu als letzter Diktator Europas ein tyrannisches Schreckensregime geführt. »Als Junge musste ich stundenlang für ein paar rationierte Lebensmittel anstehen, und es gab auch Tage ohne Essen.« Die gefürchtete »Securitate«, eine Art Gestapo, terrorisierte, verschleppte, folterte und ermordete unwillige Bürger. Aufgearbeitet wurde diese Zeit nie richtig. »Noch heute sitzen ehemalige Securitate-Mitarbeiter in den Chefsesseln rumänischer Firmen«, erzählt er. Ionut ist unbezahlbar. Er kennt jeden, und alle kennen ihn. Jede Herberge bedeutet eine erzählenswerte

Geschichte mit spannenden Menschen. Wie etwa in Movile, wo eine Gruppe junger deutscher Landschaftsarchitekten das alte Pfarrhaus gekauft hat und in mühevoller Freiwilligenarbeit versucht, den Verfall zu stoppen. Der siebenbürgische Name des Ortes ist Hundertbücheln – »Dorf der hundert Hügel« –, denn die Siedlung ist eingebettet in zahllose halbkugelartige Erhebungen in Mehrfamilienhausgröße. In der Ferne schimmern die schneebedeckten Gipfel des Făgăraș-Gebirges. Was für eine Kulisse! Wie im Rausch fahren wir durch diese einmalig schöne Landschaft aus Wiesen und Laubwäldern, auf Straßen, die plötzlich im Waldland enden – und wir unseren Weg, querfeldein, durch raschelndes Laub fortsetzen. Nachts hören wir im Schlafsack liegend Wölfe heulen, als säßen sie, den Kopf im Nacken, keine hundert Meter hinter dem Zaun, tagsüber begleiten frische Tatzenabdrücke – in Transsilvanien herrscht die größte Braunbären-Dichte Europas – unsere Reifenspuren auf den lehmigen Pfaden.

Bike-Trail durchs Esszimmer Hinter Vișcri, einem der bekanntesten SiebenbürgenDörfer, wo die Einheimische Caroline Fernolend mit viel Kreativität und Engagement altes Handwerk wieder aufleben lässt, beginnt nun das, was einem Radsportler ein übergroßes Grinsen ins Gesicht zaubert: 15 Kilometer allerfeinster Flow-Trail, technisch einfach, aber mit Hochgeschwindigkeit fahrbar. In nicht enden wollenden Kurven zieht sich der explizit für Biker gebaute Pfad


RAUSZEIT Sommer 2020 E I N E JAC K E , D I E D I C H T R O C K E N H Ä LT.

Photo: Danny Schmidt © 2020 Patagonia, Inc.

Links: Altdeutsche Sprüche sind omnipräsent – in und an Sachsen-Häusern. Rechts: Gastfreundschaft und Schutz vor neugierigen Bären – zelten im Garten. Unten: Die Kirchenburg von Vișcri – liebevoll restauriert mit sehenswertem Heimatmuseum.

geschmeidig mal durch Tausende kleiner Buchen, mal durch weitstehende uralte Eichen, auf und ab, bis nach Meșendorf. Dort treffen wir Dana und Adi, die eine Art Lokal auf Anfrage – »Meșendorf 65« – betreiben. Fünf köstliche Gänge, der letzte ist fast der beste: Produkte aus der eigenen Käserei, die sie mit einem Bauern im Dorf aufgebaut haben. Sie hatten hochdekorierte Jobs in Bukarest, aber irgendwann die Nase voll von der großen Stadt. Hinter dem Esstisch in ihrer zum Speisesaal umgebauten Scheune führt eine Trasse aus Kieselsteinen und Holzbalken quer durchs Gebäude. »Das ist Teil eines Mountainbike-Trails«, erklärt uns Adi lachend. Im Ernst: Jährlich führt nun das Transilvania Bike Trails Race durch ihr Esszimmer. Hatte ich schon von den Trails geschwärmt? Bis kurz vor die Tore von Sighișoara lässt uns der rasant angelegte Pfad fast alles rundum vergessen. Was für ein finaler Ritt! Zeit für den Abschied. Als wir durch die Stadttore mit den kleinen spitzen Türmchen rollen, die bunten Häuser und die rundgewetzten Pflastersteine der Gassen in der Nachmittagssonne glänzen, fühlen wir uns wie Hauptdarsteller in einem historischen Filmepos. Nur eben auf Drahteseln statt hoch zu Ross. Und ohne Dracula ..."

Wird nie alt Die Torrentshell 3L Jacke Eine Regenjacke, die dich nie im Stich lässt: Wir haben unsere Torrentshell 3L als dreilagige Konstruktion neu konzipiert, um sie noch bequemer und langlebiger zu machen. Ohne Kompromisse beim bewährten Schutz. Trage

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FOTO Archiv www.bergbauernhilfe.it

FOTO Archiv www.bergbauernhilfe.it

FOTO Freiwillig am Bauernhof / Mario Webhofer

RAUSZEIT Sommer 2020

ERLEBT: Bergbauernhilfe

SINN-VOLLER URLAUB Kann harte Arbeit Urlaub sein? Für Reinhold Reibl schon. Seit Jahren engagiert er sich – wie Tausende andere – in seinen Ferien bei der Bergbauernhilfe. Ein unverzichtbares Konzept für die jahrhundertealte Almen-Bewirtschaftung. Und Wellness für Körper und Geist der freiwilligen Helfer. Natürlich hatte Reinhold Reibl so seine Bedenken, als er sich vor drei Jahren das erste Mal bei der Bergbauernhilfe in Südtirol anmeldete. Er, der normalerweise in der bayerisch-schwäbischen Kleinstadt Weißenhorn lebt. Der 34 Jahre lang als Ingenieur für Nachrichtentechnik arbeitete und sich mit Dingen wie elektromagnetischen Wellen und Hochfrequenz auskennt, aber eher nicht mit Heuernte, Holzarbeit und Milchkühen. Der heute sagt: »Das war anfangs schon eine Hürde.« Im Sommer aber wird er, der Nicht-Landwirt, das dritte Jahr in Folge auf einem Bergbauernhof in Südtirol arbeiten. Freiwillig. Reibl ist bei Weitem kein Einzelfall. Genau genommen ist der Frühpensionär einer unter Tausenden Helfern, die im Alpenraum jede Saison hilfsbedürftigen Bergbauern unter die Arme greifen. Alleine in Südtirol zählt der 1997 gegründete Verein Freiwillige Arbeitseinsätze pro Sommer etwa 2000 Anmeldungen und rund 20.000 Arbeitstage durch freiwillige Helfer auf mehr als 300 Höfen. In der Schweiz, wo die Caritas Bergeinsätze seit mehr als vier Jahrzehnten koordiniert und das damit als eine Art Keimzelle der Bergbauernhilfe im Alpenraum gelten darf, waren es 2019 rund 1150 Einsatzwochen. Und selbst das überschaubare Tirol kommt laut dem zuständigen Verein Freiwillig am Bauernhof auf 400 Vermittlungen in 135 Betrieben. Dennoch: Der Bedarf ist noch lange nicht gedeckt. Bei der Caritas Schweiz etwa lautet das Ziel,

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jedem der 120 registrierten Höfe zumindest während zwei Dritteln der jeweils angefragten Zeitspanne Freiwillige vermitteln zu können. Dabei sind spezielle Vorkenntnisse gar nicht wirklich notwendig. »Die Qualifikation liegt in der Motivation«, sagt Monika Thaler, Koordinatorin der freiwilligen Bergeinsätze in Südtirol.

Heidi-Romantik versus ­Bergbauern-Realität Je nach Region können Helfer sogar Wünsche angeben, auf welcher Art Hof sie gerne arbeiten würden. Es trifft sich auch ganz gut, dass die arbeitsintensivste Zeit der Bergbauern im Sommer mit der Hauptferienzeit zusammenfällt. Allerdings: Man sollte sich kein falsches Bild machen. Mit einem Urlaub hat so ein Arbeitseinsatz in etwa so viel zu tun wie ein Bergbauernhof mit industrieller Massentierhaltung. Reinhold Reibl sagt, er sei durchaus ein Mensch, der »die Ärmel hochkrempeln kann« und der seinem Gastgeber auch wirklich mehrere Wochen lang und über dessen gesamten Tag hinweg begleiten wollte. »Aber beim ersten Mal bin ich schon an meine Grenzen gestoßen.« Bei dem 63-Jährigen sah der Almtag in etwa so aus: fünf Uhr aufstehen, Frühstück zubereiten, aufräumen, Abwasch, während der Gastgeber die Stallarbeit erledigt. Dann geht das Schaffen erst richtig los:

Gras mähen, wenden, Heu einbringen – und das alles in Hanglage. Holz sägen, spalten, stapeln. Kartoffeln setzen, pflegen, ernten, je nach Saison. Auch das Abendessen ist längst nicht der Schlusspfiff, weil die 17 Milchkühe im Stall auch noch nach einer kleinen Vesper verlangen. Macht für den Bauern einen Arbeitstag von 17 bis 18 Stunden. Reibl sagt: »Ich habe Wahnsinnsachtung vor ihm. Was der leistet, da bin ich nur ein kleiner Fisch.« Häufig stellt sich für beide Seiten ein gewisser Kulturschock ein, und zwar nicht im Sinne einer »HeidiRomantik«, wie es Bernhard Ackermann von der Caritas Schweiz bezeichnet. Sondern »weil man sein eigenes Universum verlässt«, so Ackermann. »Dieser Austausch von Stadt und Land ist spannend.« Schließlich sind es auch und vor allem jene Bauern mit einer in mehrerlei Hinsicht gewissen Distanz zur Zivilisation, die für die Bergbauernhilfe überhaupt infrage kommen. Viele Höfe könnten ohne diese nicht mehr überleben. Längst hat in der gerne idealisierten Berglandschaft der familiäre und nachbarschaftliche Zusammenhalt nicht mehr jene Bedeutung wie noch vor hundert Jahren. Nicht wenige Bauern sind im Rentenalter, noch dazu ist die Tätigkeit stark saisonal, mit ausgeprägten Spitzen im Sommer, in einem Relief, das maschinelle Hilfe gar nicht oder nur mit großem finanziellen Einsatz zulässt. Heißt: Vieles muss hier noch in Handarbeit erledigt werden. »Wenn


FOTO Caritas-Bergeinsatz

FOTO Freiwillig am Bauernhof / Martin Lugger

FOTO Caritas-Bergeinsatz

FOTO Archiv www.bergbauernhilfe.it

RAUSZEIT Sommer 2020

Linke Seite: Mit Bergromantik haben Einsätze bei der Bergbauernhilfe nur nach ­Feierabend etwas zu tun – und der ist spät ... Dennoch: Die Belohnung ist eine ­wahrhaft aussichtsreiche Perspektive mit der Gewissheit, etwas Sinnvolles zu tun.

dann noch eine gewisse personelle Situation dazukommt, wie einfach nur eine Schwangerschaft oder ein Bandscheibenvorfall – dann wird es ganz schwierig«, weiß Ackermann.

Wortwörtlich: sinn-voll urlauben Der Hof, auf dem Reinold Reibl seine Arbeitskraft regelmäßig zur Verfügung stellt, ist beispielsweise der letzte Milchproduzent im Tanzbachtal, einem Seitental des Sarntals, ziemlich im Mittelpunkt Südtirols – und doch in einer anderen Welt auf 1540 Metern Höhe. Der nächste Hof liegt 500 Meter entfernt. Der Bauer ist 70 und verwitwet, seine Lebensgefährtin aus Gesundheitsgründen nur selten auf dem Hof. Zum Talboden, der vom Milchlaster angefahren wird, sind es sieben Kilometer. Bis dorthin sind jeden Morgen die etwa 200 Liter Kuhmilch zu bringen, für die es etwa 50 Cent pro Liter gibt. Ein Mitarbeiter lässt sich damit kaum bezahlen. Immerhin: Helfer erhalten während ihres Einsatzes üblicherweise Kost, Logis und Versicherung. Wer einem wie Reibl zuhört, hat dennoch nie den Eindruck, man müsste auch nur einen einzigen der Arbeitstage bereuen. »Wenn man die Ökologie und das soziale Miteinander in Einklang bringen kann, wie das bei einer Mitarbeit auf einem Bergbauernhof der Fall ist,

Rechte Seite: Die Arbeit ist ebenso vielfältig wie fordernd – von der Milchkuh bis zum fertigen Bergkäse.

dann ist das doch eine großartige Sache«, sagt er. Tatsächlich gehört die Bergbauernhilfe zu jenen VolunteerProjekten, denen die Neuordnung der Werte samt der damit einhergehenden Fridays-for-Future-Bewegung in die Karten spielen dürfte: Die Anreise ist – zumindest für Mitteleuropäer – rekordverdächtig kurz; der Nutzen unmittelbar erkennbar, ob nun für den gastgebenden Landwirt oder für die jahrhundertelang gewachsene alpine Kulturlandschaft, die durch das Aufgeben zahlreicher Bergbauern vielerorts im Schrumpfen begriffen ist. Zugleich steht das Angebot fast jedem offen, ob Studentin, Manager oder Rentnerin. So waren im vergangenen Jahr in Tirol die unbezahlten Hofhelfer laut dem zuständigen Verein Freiwillig am Bauernhof im Durchschnitt 38 Jahre alt. 61 Prozent von ihnen waren Frauen, mehr als zwei Drittel kamen aus Deutschland. Gerade der Sommer bietet genügend Beschäftigungen für die verschiedensten Charaktere, sofern diese eine gewisse körperliche Stabilität, eher keinen Heuschnupfen und mindestens eine Woche Zeit mitbringen. Die Südtirolerin Monika Thaler weiß von einer Person, die seit mehreren Jahren dreimal pro Saison anrückt und ihren gesamten Urlaub auf Bergbauernhöfen investiert. Auch Reinhold Reibl wird wieder für zwei Wochen auf den Hof im Herzen Südtirols fahren. Aber die Zeit dort ist nicht mehr das Einzige, was er in den Dienst der

Bergbauern stellt. Er hat jede Menge Bilder von seinen ersten beiden Aufenthalten gemacht. Sein Alltag war – neben körperlicher Arbeit und ungewohnter Armut – ja auch von dem Reichtum der Bergwelt und dem Genuss des Augenblicks geprägt. Über diesen Gegensatz hat er inzwischen mehr als 30 Vorträge gehalten. Er sagt: »Ich bin richtig auf Tournee.« Diesen Sommer wird ein neues Vortragskapitel hinzukommen, darauf freut er sich schon. Text: Dominik Prantl

BERGBAUERNHILFE IM NETZ Wenn du Lust bekommen hast, vielleicht einmal selbst zu Sense, Rechen oder Hirtenstab zu greifen und Bergbauern zu unterstützen, findest du auf diesen Websites die richtigen Informationen und Ansprechpartner. Südtirol: bergbauernhilfe.it Tirol: maschinenring.at/freiwillig-am-bauernhof Schweiz: bergeinsatz.ch

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ERLEBT: Genusstouren zwischen Plauer See und Südsee

»WOHIN FAHREN WIR HEUTE ­EIGENTLICH?« Kann es einen schöneren Start in einen Entspannungsurlaub geben, als diese Frage?! Es ist der Beginn eines wunderbaren Sich-Treiben-Lassens, im wahrsten Wortsinne. Eine Reise mit Paddel und Pedalen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und der Inselwelt der dänischen Südsee. »Hast du keine Angst gehabt?«, fragt Jonna. Die Wirtin vom »Grastenhus« ist sichtlich erleichtert, als ihre beiden Gäste am letzten Paddeltag wieder bei ihrem Quartier anlanden. Die See draußen tobt einigermaßen. »Nein«, antwortet Sabine, »ich vertraue meinem Mann. Der würde nichts tun, was er nicht im Griff hat – er ist ein sehr schlechter Schwimmer.« 23 Tage zuvor, bei Magdeburg. Drei Wochen Urlaub! Eine gefühlte Ewigkeit. Das erste Mal seit Jahren nur Sabine und Andreas. Ohne Kinder. Und ohne festen Plan. Sich einfach treiben lassen, im wahrsten Wortsinne. Das neue Kajak ist auf dem Dach montiert, die Fahrräder am Heck, die Campingausrüstung und Abenteuer-Literatur an Bord – auf nach Norden.

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Freiheit! Nur ein paar Regeln sind abgesprochen: Er möchte viel paddeln, am liebsten in die dänische Südsee, und an einsamen Stränden zelten, sie mit dem Fahrrad schöne Orte erkunden und regelmäßig ein ordentliches Bett mit Dusche. In Maßen mögen beide beides gern. »Wohin fahren wir heute eigentlich?«, fragt sie. Sein Vorschlag: »Einfach eine Stunde nach Norden, dann ein schönes Café suchen und Google befragen«. Die Kaffeerecherche wird ein voller Erfolg: Ein Quartier am wunderschönen Plauer See – »keinen Bock auf OstseeWochenendstau« – mit Wasserzugang ist gefunden. »Neuland« für alle drei – Sabine, Andreas und das Boot. Mit synchronen Paddelschlägen gleiten sie über den See, purer Genuss. Blauer Himmel, grüne Wälder, gelbes Schilf und ein sanfter Südwind im Rücken. Bald erreichen

sie das romantische Plau am See, landen an, spazieren durch holprige Gassen mit bunten Fachwerkhäusern, steigen auf den Turm der über dem Ort thronenden Backsteinkirche. Das Leben ist schön. Tage später, Fischland Darß Zingst. Salz liegt in der Luft. Der Wasserwanderrastplatz in Damgarten, ein Ortsteil der Bernsteinstadt RibnitzDamgarten, ist ein guter Startpunkt für eine Mehrtagestour über die Boddengewässer zum Darß, zur Insel Hiddensee und nach Stralsund. Von dort geht stündlich ein Zug zurück. Bei Vorhersage »kräftiger SW-W-Wind bis Stärke 4« gleiten sie vom Hafen durch die Mündung der Recknitz in den Saaler Bodden. »Es wird schon gehen«, hatte Andreas, der Planer und Paddler, gesagt. Dicht


RAUSZEIT Sommer 2020

Links: Paddler-Pause am Saaler Bodden. Glücklich – offensichtlich! Mitte: Das Grastenhus auf Thurø – natürlich ockerfarben – ist ein echter B&BTipp. Darunter: Svendborg – Bummeln, bunte Gassen und fähige Baristas. Rechts oben: Der lachende Buddha in seinem Reich, dem leider letzten Zeltplatz der Tour auf Thurø. Rechts unten: Hügelgräber auf Møn erzählen Geschichten aus alten Zeiten.

„In den Bergen zu sein bedeutet für mich, besondere Momente zu erleben und sie mit Gleichgesinnten zu teilen. Das ist meine Freiheit.“

am Schilfgürtel arbeiten sie sich im flachen Wasser, so zügig es geht, voran. Immer wieder zwingen sie Reusen weit hinaus in die bewegte See. Langsam dreht sich mit dem Kurs auch der Wind, aus dem Gegenwind wird Seitenwind, ungemütlich beim flachen Bodden. Endlich kommt das Treiben-Lassen wieder: Eine einsame Bucht, ein Platz an der Sonne und eine kleine Stärkung – so geht Urlaub. Nächster Stopp: Born, ein ehemals kleines Fischerdorf, lädt zum Bummeln ein. Doch der Hafen ist mit hohen Mauern und viel zu steiler Slipanlage nicht sehr kajakfreundlich. Und sonst? Überall »Privat«-Schilder. Eine Frau sitzt in der Sonne, angesprochen schaut sie ratlos, sie sei nur Tourist. »Natürlich dürfen Sie hier Pause machen. Sie sind doch Wasserwanderer«, ruft eine junge Frau, die Pensionsinhaberin, freundlich zu. »Lass uns nach einem schönen Zeltplatz Ausschau halten«, schlägt Andreas vor, als sie am späten Nachmittag durch spiegelglattes Wasser gleiten. Da! Volltreffer! Ein wunderbar wildes Fleckchen auf einer Wiese. Zur Sicherheit fragen sie im nächsten Hof, ob es gestattet sei. Es ist. Abendsonne, der Kocher brummt in die Stille, Einsamkeit, gelegentlich plätschert es im Wasser. Alles richtig gemacht. Weiter geht es um den Nadelhaken, den Bodstädter Bodden. Linker Hand stampft aus dem Prerow-Strom die Kopie eines Mississippi-Dampfers heran. Was für ein Paddelrevier! Unter der Meiningenbrücke, welche die Halbinsel Zingst mit dem Festland bei Bresewitz verbindet, hindurch, dann nach links in den Zingster Strom, der sich durch das Flachwasser zwischen Zingst und der grünen Boddeninsel Große Kirr quetscht. Café-Pause und Einkaufen fürs Dinner, dann quer über den Barther Bodden bis zur kleinen Marina im Hafen Dabitz. Die Infrastruktur ist in dieser Region wirklich fantastisch: Viele kleine Ostsee-Häfen haben eine Zeltwiese ausschließlich für Wasserwanderer. Gegen einen kleinen Obolus können sie Toiletten, Dusche und Küche benutzen, meistens ist man dabei sogar allein. Der Wind hat gedreht, früher als geplant. Nun bläst er aus Osten ins Gesicht. Mit

KATHRIN WEBER MIT DEM EXOSPHERE -6° SL

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Oben: Kurz vor der Mündung in den Saaler Bodden ist es noch herrlich windstill auf der Recknitz.

Oben: Badestopp im Svendborgsund. Mitte: Nur wo Zelten explizit erlaubt ist, ist es erlaubt. Rechts: »Møn Bolcher« – in der Bonbon-Manufaktur der alten Zuckerfabrik von Stege entstehen live bunte Geschmackskreationen. Darunter: Wer kennt sie nicht, die berühmte Meerjungfrau von – äh – Tåsinge ...

der Frische des Morgens brauchen Sabine und Andreas für die sechs Kilometer über das offene Wasser des Grabower Boddens trotzdem nur gut eine Stunde, dann sind sie auf der Leeseite der Küste. Badezeit. Die letzten zwei Kilometer werden gegen den auffrischenden Wind zur Kraftanstrengung. Noch dazu drückt das Wasser des Strelasundes in die schmale Barther Zufahrt. Die vielen Badegäste am Strand der Marina Barhöft beobachten neugierig, wie die beiden auf einer Welle reitend am sandigen Ufer anlanden. Planänderung, erzwungenermaßen. Die eigentlich kurze Strecke nach Stralsund ist gegen diesen Wind nicht zu machen. Aus der Not wird eine Tugend: zurück zum Ausgangsort, dafür mit dem Wind im Rücken – und aufgespanntem Kajaksegel. Hossa, jetzt ist so richtig Musik drin! Aber aus Soul wird Hardrock. Eine kräftige Böe schlägt das Kite ins Wasser, was sofort wie ein Schleppanker wirkt. Mental sind sie in dem Moment schon gekentert – gerade noch kann Andreas‘ Paddelstütze das Schlimmste verhindern. Flucht Richtung schützendes Ufer! Der Soul ist zurück, mit ihm surfen sie in die Marina Bodstedt ein. Die Hafenmeisterin will sie eigentlich noch zwei Kilometer weiter schicken zum Rastplatz Fuhlendorf. Verweigerung – bei dieser See! Gut so, denn nur wenige Kilometer entfernt kentert zeitgleich der ehemalige Bundespräsident Gauck mit seinem Segelboot und muss gerettet werden – erfahren sie später.

mit Pedalkraft entdecken. Doch bevor der Plan – mit Fahrrad und Zelt die Inseln Falster und Møn zu erkunden – Realität werden kann, kommt der Dämpfer: Der Fahrradladen in Nykoping stellt Andreas‘ Drahtesel einen Krankenschein aus: Felge gerissen, Wartezeit auf Ersatz nicht unter vier Tage. Alleine trägt es ihn noch, aber mit Gepäck … Nicht so schlimm, das Wetter ist immer noch nicht sooo sommerlich, dann eben von Pensionen aus per Radtagestouren die Inseln auskundschaften. Møn hat es ihnen angetan, trotz strömenden Regens. Besuche in »Liselund«, Dänemarks kleinstem Schloss, und die auch ohne Sonne spektakulär weißen Kreidefelsen von Dänemarks höchster Steilküste »Møns Klint«. 128 Meter – Bergsteiger mögen lächeln, aber es ist atemberaubend schön. Und schön steil. Wasser von oben, scheinbar ohne Ende. Egal – sie haben Urlaub. Und gegen Regen gibt’s schließlich wasserdichte Kleidung. Sie machen traumhafte Radtouren über die Hügel Møns, trinken den leckersten Espresso in der kleinen Rösterei in Stege, besteigen Hügelgräber, lassen sich in den vielen Künstlerateliers inspirieren und von Gitte in »Kaj Kok« bekochen. Die Landschaft – ein Augenschmaus: Kleine Häuser in herrlichem Ocker, die in einem wunderbaren Kontrast zum regensatten Grün der Felder und dem Blau des Himmels stehen. Ach Møn … Weiter in den Westen, zur Insel Thurø. Wieder Paddel statt Pedale. Vom »B&B Grastenhus« an der Südwestspitze stoßen sie ab. Hinter der Brücke, die Tåsinge mit Langeland verbindet, öffnet sich die berühmte dänische

Südsee olé! Länderwechsel. Die Inselwelt der dänischen Südsee

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Südsee – und gleich bläst ihnen ein kräftiger SW-Wind ins Gesicht. Nach kurzer Rast am Vogelschutzgebiet Monnet auf Sydtåsinge – jetzt, Anfang August, ist dort sogar das Anlanden erlaubt – erreichen sie am frühen Nachmittag die Insel Strynø. Der Zeltplatz am Dorfrand ist fest in Pfadfinderhand, aber am Hafen steht ein einsamer Baum mit Sitzgruppe und frisch gemähtem Gras. »Denkst du, man darf als Paddler hier zelten?«, fragt Sabine. Vom Hafenmeister keine Spur. Also Zelt aufstellen und Insel erforschen. Das gefühlte Zentrum des Dorfs ist »Strynøs Kopland«, ein uriger Tante-Emma-Laden. Auch hier: lebenslaute Pfadis mit tropfendem Waffeleis. Doch die gefrorene Süßigkeit erweckt den Laden zum Leben, denn drinnen steht ein Klavier, und die Jugendtruppe gibt ein spontanes Gratiskonzert. Tom Waits hätte seine Freude an dem verstimmten Kasten. Erst am Abend kehren sie zum Zelt zurück. Sofort nähert sich ein Quad. Der Hafenmeister! »Hej, ich bin Gunnar.« Und weniger freundlich: »Hier in Dänemark gilt nicht das Jedermannsrecht. Zelten ist überall prinzipiell verboten, außer Schilder erlauben es explizit.« Oh nein, um diese Uhrzeit! »Müssen wir wirklich alles abbauen und ins Dorf schleppen«, tönt die reumütige Frage aus Andreas‘ weißem Bart. »Ja, das müsst ihr«, entgegnet Gunnar. Doch dann blitzt Schalk in seinen Augen auf. »Aber ich komme nicht gucken.« Der erste Morgen mit Sonne und spiegelglattem Wasser. Nach Umrundung von »Kap Strynø« stoßen sie vor in das Herz der dänischen Südsee. Wasser, so weit das


Barfußfeeling mit Funktion Der flexible Stretchschaft gibt dem Fuß Bewegungsfreiheit und durch die Schnürung den richtigen Halt. Die rutschfeste Vibram ®-Sohle gleicht Unebenheiten des Untergrunds aus und schützt die Fußsohle. Durch die Nullstellung vermittelt der Schuh ein wunderbares „Barfuß-Geh-Gefühl“. Die Konstruktion des Schuhs, die Leichtigkeit und das minimale Packmaß machen die Modelle der PURE-Linie zum perfekten Zweit-Schuh für Reisen, auf Bergtouren und für den Alltag.

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Rechts: Die weißen Klippen »Møns Klint«. Dänemarks höchste Steilküste fällt bis zu 128 Meter ins Meer ab.

Auge reicht, glasklar und über weite Strecken kaum einen Meter tief. Die Luft flimmert über den Sandbänken, wo große Steine liegen. Moment mal, die bewegen sich. Plötzlich tauchen im Wasser braune Augen und ein scheinbar fröhliches Gesicht auf. Robben! Neugierige Blicke und schnelle, geschmeidige Tauchmanöver unter dem Boot hindurch, doch immer auf etwa vier Meter Distanz. Noch ein Tag Südseepiraten-Dasein. Mit reichlich Rückenwind und kräftiger Dünung surfen Sabine und Andreas gen Osten. Nach einer Kaffeepause im schönen Svendborg und ein paar heiklen Strömungen und Windspielen werden sie mit einem Traumlager belohnt. An der Südostecke Thurøs liegt ein hochoffizieller Biwakplatz. Ihr letzter Zeltabend. In Einsamkeit, natürlich. Der Morgen beginnt medium. Im Schlafsack liegend Kaffee trinken, warten, bis der Regen aufhört. Dann raus – und rein ins mürrische Ostseewetter. Bis zur Landspitze genießen sie Windschutz, aber die Brandung am Ende lässt erahnen, was sie auf den letzten Kilometern erwartet. Aber: Der Groove mit den Wellen ist da, nach so vielen Stunden auf dem Wasser. Am Strand zeigen Spaziergänger ganz aufgeregt auf das kleine Kajak. Es muss wohl spektakulär aussehen, wie es immer wieder in den Wellentälern verschwindet. Schließlich DÄNEMARK taucht er auf, der Steg vom Grastenhus. Erleichterung bei den Wirtsleuten, es waren doch sehr windige Tage. »Hast du keine Angst gehabt?«, fragt Jonna ... ext und Fotos: T Andreas Hille

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RAUSZEIT Sommer 2020

BESSERWISSER: Kulinarischer Tourentag

FRISCHLUFTSCHLEMMEN Draußen essen, das schmeckt nach Abenteuer und Freiheit. Mit der richtigen Menü- und Werkzeugplanung sind fernab von Steckdose, Kühlschrank und Induktionsfeld leckere kulinarische Kreationen möglich. Der Besseresser gibt Tipps für einen genussvollen Tourentag in der Natur. »Kein Genuss ist vorübergehend. Denn der Eindruck, den er zurücklässt, ist bleibend.« Diese Erkenntnis hatte J.W. von Goethe sicher während einer seiner Naturerkundungen zu Fuß. Doch was genau ist Genuss? Eine Studie deutscher Ernährungspsychologen gibt Aufschluss darüber, was Menschen guttut: Das süße Nichtstun zum Beispiel, das kontemplative Starren aufs Meer oder ein Tag mit der Familie in der Natur. Vorne mit dabei auf der Liste schöner Dinge: essen. Es zählt zu den Aktivitäten, die sich extrem positiv auf unser Bewusstsein auswirken. Besonders lustfeindliche Faktoren dagegen sind Stress und Hektik. Was ist auf der Suche nach dem ultimativen Genuss also naheliegender, als Haus und »Schnell-fixThermomix« regelmäßig gegen Gaskocher, gusseisernen Topf und Feuerstelle einzutauschen? Und zu unserem kulinarischen Ursprung, der Natur, zurückzukehren. Dort, wo es auch mal länger dauern darf, weil der Blick auf die umliegende Landschaft das Warten versüßt. Es steht feinstes Werkzeug zur Verfügung: Effiziente Kocher, leichtgewichtiges Geschirr, ungewöhnliche Instrumente – vom gusseisernen Waffeleisen bis zur Mini-Parmesanreibe – machen jedes Kochgelage vor der Haustür zum kulinarischen Vergnügen. Los geht’s!

Guten Morgen Gähn! Der Blick vors Zelt: Was ist schöner, als mitten in einer einsamen Landschaft zu erwachen. 25 Kilometer Wanderung liegen vor uns. Was es braucht: ein energiegeladenes Frühstück, um den Körper auf die anstehende Herausforderung vorzubereiten. Schnell einen Müsliriegel einwerfen und Füße in die Wanderstiefel. Langsam,

jetzt bitte bloß nicht in Hektik verfallen! Was haben wir gelernt? Derartiges Verhalten ruiniert den Genuss. Lieber die leichte Aluminium-Pfanne aus dem Rucksack ziehen, das Eipulver mit Wasser anrühren und in drei Minuten liegt ein fluffiges Rührei vor uns. Einfach kann so lecker sein. Und auch sinnvoll: In Kombination mit zwei Scheiben Vollkorntoast ergibt das einen morgendlichen EnergieMeister, der uns über viele Kilometer trägt. Das Rührei um ein paar Haferflocken ergänzt, liefert das Sandwich noch mehr lang anhaltende Energie. Selbstverständlich

sind nach kurzer Zeit servierbereit und am Ende bleibt nur ein einziger Topf zum Abspülen. Bei der Auswahl der Zutaten ist (fast) alles möglich: Wer morgens vom Campingbus mit Kühlbox aufbricht, kann frisches Material wie Tomaten, Käse oder würzigen Speck einpacken. Für längere Touren, abseits von Kühlmöglichkeiten, bringen luft- oder sonnengetrocknete Lebensmittel, wie Kräuter, Tomaten, Chilis oder Knoblauch, etwas Zunder ins Gericht, ohne zu verderben.

ENERGIEHAUSHALT • Leicht, minimales Packmaß und energieeffizient – Gaskocher sind für Mehrtagestouren im Frühling, Sommer und Herbst die praktische Wahl • Ein Windschutz hilft, Brennstoff zu sparen. Egal, ob am Kochsystem integriert oder aus natürlichen Baustoffen (Ästen, Steinen etc.) gebaut • Trockenfrüchte verfügen über eine extrem hohe Nährstoff- und Energiedichte. Kleine Mengen reichen, um die Reserven aufzuladen

wären ein paar Müsliriegel leichter zu transportieren. Doch nicht zu unterschätzen ist bei der Energiezufuhr die psychologische Komponente. Ein saftiges Sandwich bietet sicher mehr Motivation, morgens aus dem Schlafsack zu kriechen, als ein trockener Müsliriegel.

Aussichtsreiche Mahlzeit Planung ist das halbe Leben! Eine Redewendung, die man sich bei der »Unterwegs-Küche« sehr zu Herzen nehmen sollte. Wer vorab überlegt, was gekocht wird, der kann auch entsprechend (leicht) packen. Die allgemein gültige Formel: Leichte, möglichst trockene Lebensmittel mit hohen Kalorienwerten und kurzer Koch- oder Quellzeit sind die ideale Trekking-Nahrung. Ob die amerikanische Fernsehköchin Martha Stewart an Outdoor-Köche dachte, als sie vor einigen Jahren ihr Rezept »One-Pot Pasta« präsentierte? Innovative Rezeptidee oder nur alternative Kochform von Nudeln mit Sauce. Egal. Denn einfacher geht es kaum: Alle Zutaten (z.B. Nudeln, Tomaten-Sugo, Zwiebeln, Knoblauch) gleichzeitig in den Kopf geben, zehn Minuten köcheln und fertig ist das köstliche Gericht. Was sich für Italiener wie eine Kampfansage gegen ihr nationales Kulturgut, die Pasta, anfühlen muss, ist für Menschen auf Tour ein Segen. Wieso? Die Nudeln saugen die intensiven Geschmäcker der unterschiedlichen Zutaten schon während des Kochvorgangs in sich auf,

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Das Auge isst mit: Beim Kochen in der Natur lohnt der Blick über den Tellerrand hinaus meist sehr.

Heißes Eisen Der Tag neigt sich dem Ende zu, Körper und Geist kommen zur Ruhe. Zeit zum Schmoren, Braten und Backen. Dass sich am offenen Feuer viele Leckereien zubereiten lassen, das wussten schon unsere Vorfahren. Bereits vor rund einer Million Jahre »erfand« Homo erectus das Draußenkochen mit Feuer. Während wir uns auf Tour oft

VORBEREITET • Klein geschnittene Lebensmittel mit kurzer Garzeit verwenden. Couscous, Polenta und Pasta sind des Rucksacks beste Freunde • Zu Hause präparierte Gewürzmischungen, hoch konzentrierte Pasten und gefriergetrocknete Zutaten bringen Schwung in die Geschmacksnerven, ohne groß ins Gewicht zu fallen • Hartanodisierte Töpfe aus Aluminium mit Keramik oder Teflon-Antihaftbeschichtung sind leicht, leiten die Hitze gut weiter, brauchen fast kein Bratfett und sind einfach zu reinigen


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Liebe geht durch den Magen. Und bei frisch gebackenem Brot aus der Glut auch durch die Nase!

AN DER FEUERSTELLE • Gusseiserne Töpfe oder Pfannen ohne Spülmittel reinigen. Trocknen und am Ende mit Öl einreiben, um Rost zu vermeiden • Bei der Auswahl der Feuerstelle auf die Umgebung achten: ein windgeschützter Ort, weit weg von brennbarem Material auf Sand- oder Kiesuntergrund eignet sich am besten • Auf dem Glut-Bett eine Standfläche für Topf oder Pfanne errichten. Entweder mit Dreibein oder eine improvisierte Stellfläche aus Steinen

die Frage stellen müssen, wie viel die Kochwerkzeuge wiegen, kommt es am Lagerfeuer nicht auf jedes Gramm an. Dank geräumiger Transportmittel wie Kajak, Campingfahrzeug, Lastenrad oder Leiterwagen lassen sich auch etwas schwerere Kochgeräte und eine größere Auswahl an frischen Zutaten an die Kochstelle transportieren. Was bietet die Naturküche heute? Mit Sicherheit mehr als banale Bratwurst! Zeit, den Dutch Oven, den Dreibein-Fuß und die gusseiserne Pfanne in Aktion zu bringen. Auch hier lässt sich vorab einiges vorbereiten. Brotteig zum Beispiel: Mehl, Trockenhefe, Knoblauch und Gewürze mit Wasser anrühren und kneten. Während das Feuer Gestalt annimmt, können die Bakterien aus der Hefe zur Tat schreiten und den Teig auf das Doppelte anwachsen lassen. Handflächengroße Teigflecken ausziehen und ein paar Minuten in eine gusseiserne Pfanne über die

Glut legen. Zugegeben: Das Resultat sieht optisch nicht perfekt aus, aber der Geschmack eines frischen, selbst gebackenen Brots direkt aus dem Feuer, das schlägt kein 3-Sterne-Restaurant. Dazu Antipasti mit gegrilltem Gemüse und Käse. Auch Naschkatzen gehen nicht leer aus: Aus fast jedem Obst lässt sich in einem feuerfesten Topf ein leckerer Crumble zaubern. Obst klein schneiden, mit Stärke und Zucker mischen und im Topf ansetzen. Parallel dazu Butter, Zucker und Mehl vermischen, Krümel-Masse aufs Obst, Deckel drauf und ab in die Glut. Voilà: Etwa 40 Minuten später ist der Nachtisch servierbereit. Ein entspannter Ausklang des Tages – und ganz im Sinne der goetheschen Genuss-Philosophie. Wohl bekomm's! ext: Barbara Meixner T Fotos: Barbara Meixner, Moritz Becher

230 Gramm leichter, robuster Topf aus hart­ anodisiertem Aluminium mit silikonbeschichtetem Griff ist der »One Pot« für Tourentage. Praktisch für Pasta: in den Deckel integrierte Abtropföffnung. Sea to Summit Alphapot Volumen: 1,9 Liter Preis: 44,95 Euro

Heiß und fettig, so köchelt es im gusseisernen Topf mit aroma-absorbierendem Obermaterial am besten. Das Resultat: intensive Geschmäcker und saftige Gerichte. Übrigens: Deckel auch als Pfanne einsetzbar. Petromax T6 Topf Volumen: Topf 5,5 Liter – Deckel 1,5 Liter Preis: 74,95 Euro

Gemahlene Mandeln, Bio-Kokosnussöl und Honig sind Grundlage für den streichbaren »Trail Mix«. Getrocknete Früchte, Kaffee oder Schokolade die Verfeinerung. Gehört aufs Brot, über den Nachtisch oder als Snack direkt in den Mund. Trailbutter Nussbutter Preis: 7,99 Euro

Lebensmittelsicherer, einwandiger 18/8 Edelstahl? Ein Material, das keine Gerüche oder Geschmäcker annimmt. Schadstofffrei und dank Silikonlippe auslaufsicher. Perfekt zum Beerensammeln oder Aufbewahren von Essensresten. Klean Kanteen Food Canister Volumen: 473 ml Preis: 29,95 Euro

Winziger Garant für großartige Morgenstunden: kompakte Handkaffeemühle mit konischem Mahlwerk aus Edelstahl. Fasst 15 Gramm Bohnen. Genau die richtige (duftende) Menge für eine Filterladung. Rubytec Robusta Kaffeemühle Gewicht: 205 Gramm Preis: 34,95 Euro

Pasta-Geschmacksverstärker to go. Die Miniatur-Käsereibe mit ergonomisch geformtem Griff passt mit fünf Zentimetern in jeden Rucksack. Victorinox Käsereibe Gewicht: 15,5 Gramm Preis: 14,95 Euro

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RAUSZEIT Sommer 2020

EINBLICK: Vaude

»WIR TUN ALLES, UM KOPIERT ZU WERDEN.« Die Bodensee-Region ist ein ziemlich grüner Flecken Erde. Wiesen, Wälder, Hopfen- und Obstbaumfelder. Und Vaude. Kaum eine Outdoor-Marke hat das Thema Nachhaltigkeit – auch außerhalb der Branche – so stark vorangebracht wie der Familienbetrieb bei Tettnang. Und nur wenige meinen es so ernst damit wie Chefin Antje von Dewitz. Ein ganz gewöhnlicher Dienstag. In der Kantine gibt es Blumenkohlcurry mit Basmatireis. Wahlweise auch Seelachs mit einem Rote-Bete-Kartoffelpüree. Alles bio – natürlich. Aber nicht alle stellen sich in der Mittagspause gleich mit dem Tablett an. An der Kletterwand vor dem Haupteingang sichert ein junger Mann seinen Partner. Zwei Frauen klatschen sich ab, sie kommen gerade von einer gemeinsamen Joggingrunde zurück. Vor dem Essen gehen sie noch duschen. So sieht der Alltag beim größten Arbeitgeber in Obereisenbach aus, einem Dorf bei Tettnang, im freundlichen Hügelland am Bodensee. Ringsum wächst Hopfen. Am Ortsrand liegt die Zentrale der Firma Vaude. Mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigt der Outdoor-Hersteller. »Jeder trägt einen Geburtsfehler mit sich herum«, sagt Antje von Dewitz und lächelt. Es gibt immer noch Kunden, die unsicher sind, wie sie den Namen ihrer Firma aussprechen sollen. Manche versuchen es auf Französisch. Dabei handelt es sich schlicht um die Abkürzung ihres Nachnamens: von Dewitz – v. D.. »Das war schon vor meiner Geburt der Spitzname meines Vaters«, erklärt sie. Albrecht von Dewitz begann 1974, in einer Scheune im Nachbardorf Untereisenbach, Rucksäcke für Bergsportler zu produzieren. 2009 übernahm seine Tochter Antje die Geschäftsführung. Sie ist 47 Jahre alt, die man ihr aber nicht ansieht.

Antworten auf die Mobilität der Zukunft Für Menschen, die sich an der frischen Luft bewegen, bietet Vaude mehr als 600 Produkte. Bekleidung zum Wandern und Radfahren. Zelte und Schlafsäcke. Rucksäcke und Tragegestelle für Kinder. Schuhe und Regenschutz für Trekkingtouren. Besonders stolz ist Antje von Dewitz auf ihre Fahrradtaschen. Die tragen das Label »Made in Germany«, werden in Obereisenbach hergestellt. Die Manufaktur wurde 2017 neu aufgebaut, in moderner Architektur. Viel Tageslicht strahlt in die helle Produktionshalle. Die Gepäcktaschen, in allen Größen und Farben, werden dort aus den gestanzten Teilen PVC-freier Planen im Hochfrequenzverfahren verschweißt – und dadurch komplett wasserdicht. Vaude hat sich bereits auf die Mobilität der Zukunft eingestellt. Das zeigt sich im großen Musterraum. Dort hängen Jacken für Alltagsradler. Sie sind stadt- und bürotauglich. Wer sie auf dem Weg zur Arbeit trägt, sieht nicht so aus, als komme er direkt von der Tour de France. Doch im Unterschied zu Modellen von klassischen Mode-Labels bieten sie funktionale Details. Rücken und Arme sind länger geschnitten, die Bündchen schließen – bei Bedarf – sauber ab, so bleiben Fahrtwind und Regennässe draußen. Die Reflektoren passen sich an die dezenten Farben an, die Reißverschlüsse sind wasserdicht hinterlegt.

Outdoor-Leidenschaft und Naturverbundenheit in den Genen: Antje von Dewitz ist mit Vaude aufgewachsen. 2009 hat sie von ihrem Vater und Vaude-Gründer Albrecht von Dewitz die Geschäftsleitung übernommen.

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Albrecht von Dewitz arbeitete »damals« in der Sportartikelbranche. Im Allgäu sollte er eine Skifabrik nach vorn bringen, aber die war nicht mehr zu retten. Da kam er auf die Idee, gute Rucksäcke herzustellen. »Mein Vater war kein Öko«, sagt Tochter und jetzt Chefin Antje von Dewitz, »aber er war ein Pionier mit Verantwortung, und er hat seine Mitarbeiter machen lassen.« Von ihnen kam die Idee zu recycelbarer und schadstofffreier Ausrüstung der Bergsteiger. Seither entwickelte sich Vaude zum Nachhaltigkeitspionier in der Outdoor-Branche. Die Firma – wie auch Antje von Dewitz selbst – erhielt jede Menge Umweltpreise und Auszeichnungen. Sie hat auch einen großen Anteil daran, dass andere Hersteller ökologisch korrekte Produkte anbieten. Zwischen den Konkurrenten läuft ein Wettbewerb, wer verantwortungsbewusste Konsumenten am nachhaltigsten ausrüstet. Antje von Dewitz freut sich darüber. Sie sagt: »Wir tun alles, um kopiert zu werden. Es ist doch schön, dass in unserer Branche viel mehr passiert ist als bei den Modemarken.« Wer sich in unberührter Natur bewegt, belastet diese. Aus diesem Dilemma kommt auch Vaude nicht heraus. Aber in Obereisenbach versuchen sie, den Schaden so klein wie möglich zu halten. Kunden können kaputte Artikel einschicken, in der großen Werkstatt im Erdgeschoss werden sie repariert. Man hört gerade die Metallstangen eines Zelts klappern. Der Reißverschluss ist ausgerissen – aber deshalb muss man nicht das ganze Zelt wegwerfen.


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Naturfasern statt Plastik Oder die Schaufensterpuppe im Foyer. Sie trägt eine rote Jacke mit einem neu entwickelten Fleece. Es besteht nicht mehr wie üblich aus Kunstfasern, sondern aus Holzzellstoff. Dieser ist biologisch abbaubar – beim Waschen werden keine Plastikpartikel mehr ins Grundwasser gespült. Antje von Dewitz ist stolz auf diese Entwicklung. Aber sie weiß, dass eine Jacke sich nicht automatisch besser verkauft, nur weil sie umweltbewusst hergestellt wurde. »Nachhaltigkeit ist ein Add-on«, sagt sie, »eine Jacke muss funktionieren und schön sein.« Obwohl der Markt etwas stagniert, verzeichnet Vaude noch immer Zuwachsraten. »Wir sind zu einer Marke des Vertrauens geworden«, sagt von Dewitz stolz. Allerdings: Nur made in Germany, das funktioniert auch bei Vaude nicht. Einen Großteil der Textilien, Rucksäcke, Zelte und Schuhe lässt das Unternehmen in Asien produzieren. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter überprüft regelmäßig, ob ökologische Standards und faire Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Der Seniorchef ist regelmäßig in Vietnam unterwegs, dort hat er eine Rucksackproduktion aufgebaut. Vaude spricht Kunden an, die gesund und nachhaltig leben wollen. Auch die Firmenkultur in Obereisenbach ist diesen Werten verpflichtet. Wer mit dem Rad zur Arbeit fährt, bekommt Unterstützung oder kann sich kostenlos ein E-Bike ausleihen. Im großen Fahrradkeller gibt es einen Montageständer und Ersatzschläuche, falls was kaputt geht. Das betriebliche Gesundheitsprogramm bietet eine eigene Turnhalle, mit Yoga und Gymnastik, und heißt »Auszeit«. 2006 stand das öffentliche Freibad in Obereisenbach vor dem Aus, es wurde der Gemeinde zu teuer. Seither betreibt Vaude das »Bädle«, wie es liebevoll genannt wird.

Nah an den Bedürfnissen der Menschen – Mitarbeiter und Produktnutzer Die Firma stellt an sich den Anspruch, ein sozialer und familienfreundlicher Arbeitgeber zu sein. Bis einschließlich zur Chefin wird geduzt, in den Führungspositionen sind über 40 Prozent Frauen beschäftigt. Schon 2001 führte Vaude einen betriebseigenen Kindergarten ein. Er kommt auch Eltern zugute, die nicht in der Firma arbeiten – sie belegen die Hälfte der Plätze. Im Freigelände fuhrwerken die Kinder mit Bobbycars herum, die

aussehen wie die Gabelstapler im Hochregallager, nur eben kleiner. Und im Testlabor schlabbern zwei Hunde aus einem Napf, der unterm Schreibtisch steht. Vera Schintler, die schon 20 Jahre bei Vaude arbeitet, passt auf, dass sie nicht in die Kältekammer rennen. Dort liegt eine Testpuppe im Schlafsack. An ihr wird gemessen, wie sich die Temperatur entwickelt, wenn das Thermometer auf 25 Grad unter Null sinkt. Auch Antje von Dewitz testet regelmäßig die Produkte ihrer Firma. Jedes Jahr macht sie mit der Familie eine Woche Outdoor-Urlaub. Irgendwie schafft sie es, dass der Partner und die vier gemeinsamen Kinder mitkommen. Die Älteste ist 20, der Jüngste zwölf. Vergangenen Sommer waren sie wandern in Südtirol. Haben im Zelt geschlafen und sind bei einem Wolkenbruch einem heftigen Regentest unterzogen worden. Jacken und Zelt hielten dicht. Strahlend erzählt sie von dieser heftigen Naturerfahrung: »So ein Wetter bleibt in Erinnerung.« Gibt es ein neues Produkt, das sie unbedingt auf den Markt bringen möchte? »Oh ja«, sagt Antje von Dewitz und fängt wieder an zu schwärmen. Von einer Wanderhose aus Rizinusöl. Sie wird nicht mehr wie die bisherigen Kunstfasern rein aus Erdöl hergestellt. Als neuer Rohstoff dient die Rizinuspflanze, die ohne künstliche Bewässerung und Dünger nachwächst. Das Gewebe ist leichter und abriebfester als herkömmliche Stoffe. Noch wird diese Hose im Testlabor in die Mangel genommen, nächsten Sommer soll sie für Kunden erhältlich sein. Ein weiterer kleiner Meilenstein für Vaude in die richtige Richtung.

Bekleidung, Zelte, Schuhe, Rucksäcke, Radtaschen ... Die Produktpalette von Vaude ist enorm. Und natürlich enorm nachhaltig.

Text: Johannes Schweikle Fotos: Archiv VAUDE

FOTO VAUDE / Moritz Attenberger

FOTO VAUDE / P. Dietenberger

Moderne, am Wohl der Mitarbeiter und an nachhaltiger Produktion orientierte Arbeitsplätze prägen das Firmenbild am Unternehmenssitz in Obereisenbach am Bodensee. Eine eigene Kletteranlage und ein Kindergarten inklusive.

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NACHGEFRAGT: Familie Schneider

»MEIN TIPP: EINFACH MACHEN« Traumberuf Outdoor- und Reise-Fotograf? Die schönsten Flecken der Erde zu Fuß, auf dem Rad oder im Kajak entdecken? Ins Naturparadies Norwegen auswandern? Check! Willkommen bei den Schneiders. »Fliegenfischen – das muss ich noch lernen«, sagt Lars Schneider. Vor einem Dreivierteljahr ist er mit seiner Frau Katrin und seinen beiden Kindern Fietje (7) und Jule (4) von ihrem Haus in Seevetal bei Hamburg an die Westküste Norwegens gezogen. Durch ihr jetzt 77.000 qm großes Grundstück fließt ein Fluss. Kein erweitertes Rinnsal, sondern ein richtiger Fluss. Perfekt zum Fliegenfischen … Und für Lars' Job als Fotograf macht es eigentlich kaum einen Unterschied, ob er in der norddeutschen Hansestadt oder im Land der Fjorde wohnt. Denn für seine Arbeit ist er ohnehin an 180 Tagen im Jahr unterwegs auf der ganzen Welt.

Vom Kindertraum zum Traumberuf Was primär nach gelebter Leidenschaft und Hobby zum Beruf gemacht klingt, verbirgt, dass der 45-Jährige auf den heutigen Status quo seit fast 35 Jahren mit geradezu besessener Zielstrebigkeit hingearbeitet hat. »Ich wusste schon seit Kindertagen, dass ich Fotograf werden möchte.« Bereits mit zwölf Jahren »produziert« Lars ein eigenes Skimagazin, im »Schneider-Verlag«, wo sonst. Reportagen und Ratgeber-Artikel garniert er mit ausgeschnittenen und aufgeklebten Freeski-Bildern und Werbeanzeigen. Und er nutzt – inspiriert vom Vater – jede erdenkliche Gelegenheit zum Reisen. »Seit ich 13 war, habe ich all mein Taschengeld gespart, hab‘ Pfandflaschen gesammelt, Flohmarkt-Erlöse, Fahrrad-Kurier-Jobs, alles ist immer für Reisen draufgegangen.« Seine handgeschriebenen Geschichten und Bilder aus der Rollei-Kamera verschickt er an Magazine, voll Hoffnung. Irgendwann erhält er vom damaligen Chefredakteur des deutschen

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Outdoor-Magazins eine Antwort. Zwar (noch) keine Zusage, aber ausführliches Feedback und Tipps, wie er sich verbessern kann. Motivation pur! Irgendwann kommen die ersten Veröffentlichungen, und es werden mehr. Nach Abitur und Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann – »ich sollte erst etwas Vernünftiges lernen« – folgt ein Journalistik-Studium. Dann kommt ein Anruf »dazwischen«: Selbiger Chefredakteur ist dran, er bietet Lars eine Stelle als Reiseredakteur an. Jackpot! Aber nur für einige Jahre. Er in Stuttgart, seine neue Liebe Katrin in Hamburg. Der Wunsch der beiden: Unabhängigkeit, (Reise-)Freiheit, Zusammengehörigkeit – ihr Drang danach lässt nur eine Konsequenz zu. 2003 kündigt er den vermeintlichen Traumjob, sie wagen die Selbstständigkeit. Und werden belohnt. Lars fotografiert und schreibt, Katrin macht die Nachbearbeitung und Archivierung – zusammen können sie viel, viel reisen. Deshalb sein Appell an alle Träumer: »Mein Tipp: einfach machen!« Die Reise-Liste der Schneiders ist eine einzige Bucket-List. Auszug gefällig? 25 Tage mit Faltkajaks im westkanadischen Great Bear Rain Forest. Mit dem Rad von La Paz über den Salzsee Salar de Uyuni via Chile nach Buenos Aires. Mit Seekajaks von Schweden nach Finnland. Diverse Hundeschlitten- und Pulkatouren in Nordskandinavien. Färöer-Inseln (»wild und wunderschön«). Nepal. Neuseeland. Südafrika. Island. Mexiko. Grönland. Australien. Japan. Es nimmt kein Ende. Allerdings: »Eines unserer absoluten Highlights war eine Kajak-Tour von Berlin nach Hamburg. Das mag im Vergleich ziemlich unspektakulär klingen, aber es war so grandios, die eigene Heimat völlig neu kennenzulernen, von der Wasserkante aus«, schwärmt Lars.

Vom Reiseziel zur Heimat 2012 beginnt ein neues Kapitel. Sohn Fietje macht aus dem Duo ein Trio – und tuckert mit seinen Eltern bereits im zarten Alter von acht Monaten im Schneider-eigenen VW-Bulli, Baujahr 1971, durch den Südwesten der USA (Filmtipp d. Red.: »Going East«). 2015 folgt die kleine Jule. Die Veränderung ist ebenso schön wie gravierend. Für seine Aufträge muss Lars nun meistens alleine losziehen. »Das ist die große Kehrseite meines Berufes«, sagt er. »Nach außen hört es sich immer so traumhaft an, wenn ich in Kapstadt, Kalifornien oder Kanada bin.« Aber man verpasse eben auch sehr viel. »Und für Katrin ist es besonders schwer, weil wir uns diesen schönen Lebensstil mit dem vielen Reisen ja gemeinsam aufgebaut hatten.« Ende 2018 sagt seine Frau dann die entscheidenden Worte, eher in einem Nebensatz: »Vielleicht sollten wir einfach nach Norwegen auswandern.« 30 Mal waren sie davor schon dort, zwei Bücher hat er über das Outdoor-Mekka geschrieben. »Im Nachhinein fragen wir uns, warum wir das nicht schon viel eher gemacht haben.« Nun fließt besagter Fluss durch ihr Grundstück, bis zum Fjord sind es keine fünf Kilometer, und die Berge beginnen direkt hinter der Haustür. »In 15 Minuten sind wir in der totalen Einsamkeit und Wildnis.« Wenn er die Natur so liebt, aber gleichzeitig das halbe Jahr um die Welt jettet, widerspricht sich das rein ökologisch nicht? »Darüber denke ich in der Tat sehr, sehr oft nach, und das bereitet mir schon Bauchschmerzen«, sagt Lars nachdenklich. »Eine zufriedenstellende Lösung habe ich nicht. Vielleicht kann ich mit meinen Bildern bei den Menschen die Liebe zur Natur wecken und sie überzeugen, dass es wert ist, sie zu schützen.«


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ROC 28 Äusserst leichter, 1000D Cordura®Tagesrucksack in schlichter Konstruktion mit vielseitigen Features.

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3 6 4 3 Obere Reihe: Ob Bornholm oder Hausberg – Hauptsache draußen. Der Wasserfall Gásadalur auf den Färöer-Inseln fasziniert Lars – und die Betrachter seiner Bilder. Untere Reihe: Im Kajak von Schweden nach Finnland – auch dort wird gearbeitet. Lars' eigenes Skimagazin – mit zwölf! Mit Kind, Kegel und 71er Bulli durch Kalifornien. Zelten über dem Fjord – unweit der neuen Haustür.

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10 Fragen an Lars Schneider:   Glaubst du an Schicksal und wenn ja, warum? Ich glaube eher daran, dass man seines eigenen Glückes Schmied ist.

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Bitte vervollständige folgenden Satz: Ein Abenteuer ist ... … wenn Dinge schiefgehen.

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Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du unterwegs nicht verzichten? Logisch: eine Kamera. Was hat dir im Leben schon mal richtig Angst gemacht? Die Krebserkrankung meines Vaters. Wer war der beeindruckendste Mensch, den du je kennengelernt hast, und warum? 2001 durfte ich den Naturfotografen Art Wolfe treffen. Mein großes Vorbild damals. Was hast du im Leben wirklich Relevantes gelernt? Dass eigene Kinder die absolute Bereicherung im Leben sind. Was ist Glück für dich? In Harmonie mit den Menschen, die einem wichtig sind, an einem schönen Ort ein Zuhause zu haben. Welchen Kindheitstraum hast du dir erfüllt? Fotograf zu werden. Welche Dinge werden heutzutage oft überschätzt? Die Darstellung des Ichs in den sozialen Medien.

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980g leicht

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Robuster 1000D Cordura®-Stoff

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Vielseitige Befestigungsmöglichkeiten für Stöcke, Pickel und Helm

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Verstärkter Rücken für schwerere Lasten

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zwei austausch- und abnehmbare Hüftgurte

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seitliche Kompressionsriemen können über die Front geschlossen werden

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grosse Front- und Seitentasche

Wie würde der Titel deiner Autobiografie lauten? Leider keine Zeit. Mehr Bilder von Lars: instagram.com/larsschneidervisuals Text: Moritz Becher Fotos: Lars Schneider

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www.bachpacks.com


FOTO Alex Block auf Unsplash

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LIE ESERKLÄRUNG »KEIN GENUSS IST VORÜBERGEHEND; DENN DER EINDRUCK, DEN ER ­ZURÜCKLÄSST, IST BLEIBEND.«

Als ich 2008 den Namen »Mojito« für ein ganz neues Schuhmodell aus dem Hause Scarpa vernommen habe, war mein allererster Gedanke: »Warum benennt ein italienischer Traditionsbergschuster einen Schuh nach einem kubanischen Longdrink?« Beim nächsten Treffen mit Scarpa folgte die Erklärung – und die fand ich grundsympathisch. Cristina Parisotto – sie ist nicht »nur« Miteigentümerin von Scarpa in zweiter Familiengeneration, sondern auch Produkt-Designerin – war damals in einem Firmen-Meeting mit einem völlig neuen Schuh aufgetaucht. Eine Eigenkreation. Klar, bei Scarpa gefertigt, aber eben nur dieses eine Paar Schuhe. Die neugierigen Blicke und folgenden Fragen der Kollegen beantwortete sie damit, sie habe sich einfach einen Schuh gewünscht, den sie jeden Tag tragen könne. Der unglaublich bequem sei und dabei auch die DNA von Scarpa nach innen wie nach außen trage. Deshalb war sie von einem Kletterschuh-Design ausgegangen, aber viel weicher. Und mit alltagstauglicher Optik. Dann fügte sie wohl diesen einen legendären Satz hinzu: »Den Schuh ziehe ich an, wenn ich in eine Bar gehen will, vielleicht, um einen Mojito zu trinken.«

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Ich bin nicht sicher, wie viele Menschen tatsächlich Mojitos in Mojitos trinken. Aber mit dieser Idee und dem Design ist ihr quasi der Fiat 500 der lässigen Outdoor-Schuhe gelungen. Ein Bestseller mit riesiger Fan-Gemeinde war geboren. Unzählige Farben und Varianten sind in den vergangenen zwölf Jahren von diesem Modell kredenzt worden. Das Wort Ikone ist ein großes, aber für den Mojito trifft es wirklich zu. Ja, natürlich habe auch ich (mehr als) einen Mojito im Schuhregal. Zum Beispiel die Sonderedition zum 70-jährigen Firmenjubiläum von Scarpa. Und wie es sich für eine echte Ikone gehört, die noch dazu einen so vollmundigen Namen trägt, ist der Mojito neben aller Optik und Design-Sprache vor allem auch eines: unglaublich bequem. Wahrscheinlich hat sich Cristina Parisotto mit ihrer Familie auf diesen Erfolg schon den einen oder anderen Mojito genehmigt. Zu recht. Salute! Text: Michael Bode

FOTO Scarpa / Roberta De Min

(JOHANN WOLFGANG VON GOETHE)

PRODUKTINFORMATION: SCARPA MOJITO Auch wenn es den Mojito mittlerweile in zahlreichen Varianten – flach, knöchelhoch, mit GoreTexMembran und ohne, um nur ein paar zu nennen – gibt, lasst uns doch beim Original bleiben. Davon fertigt Scarpa immerhin aktuell 26 unterschiedliche Farbvarianten. Aufgerautes, weiches Veloursleder, hochwertige Vibramsohle für Stadt- und Landeinsätze von Berlin bis Barcelona, dazwischen ein weicher EVA-Schaum-Einsatz. Im Gesamtpaket ein wunderbar angenehm zu tragender, mit circa 700 Gramm pro Paar sehr leichter Alltagsschuh, der auch Ausflüge ins Gelände nicht scheut. Preis: 129,95 Euro


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