RAUSZEIT Magazin 21-2 - Ausgabe Herbst/Winter 2021

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RAUSZEIT

RAUSZEIT WEGE.

ABENTEUER.

Preis: 3,00 €

FOTO Rob Fraser

FOTO Julian Rohn

FOTO Christian Adam / Black Diamond

FOTO Angelo Brack

MENSCHEN.

Ausgabe Winter 2021 / 2022

ERLEBT

BESSERWISSER NACHGEFRAGT

Kraftort und Ruhepol. Warum wir ­Menschen den Wald brauchen und was wir über ihn wissen sollten.

Lichtblicke: Wissen, Tipps und Tricks zum Thema »Sehen und gesehen werden«.

Die Natur als Kunstwerk und Mahnmal. Wie uns Harriet und Rob Fraser mit ihren Werken aufrütteln wollen.

Mehr auf S. 14

Mehr auf S. 18

Mehr auf S. 22


Der Mojito ist Kult – als Drink wie als Schuh. Scarpa schafft es wie kaum ein anderer Schuster, dieser Modellreihe immer neue Facetten zu geben. Das Schöne ist: Alle Mitglieder der Mojito-Familie haben unverkennbare Wurzeln, funktionieren aber gleichzeitig sehr gut in ihrem spezifischen Einsatzgebiet. Wie der Mojito Hike GTX, ein vollwertiger Wanderschuh im Wildledermantel, darunter die wasserdichte, aber atmungsaktive Gore-Tex-Membran. Die Schnürung ist Mojito-typisch an Kletterschuhe angelehnt und reicht bis zum Zehenbereich für präzises Festgurten. Die Zehen liegen geborgen und sicher vor schmerzhaftem Fels- und Wurzelkontakt unter einer Gummischutzkappe. Gut 1000 g wiegt ein Paar – und trägt somit spürbar zur Leichtfüßigkeit bei. Gut gemacht, Scarpa! Scarpa Mojito Hike GTX Women’s & Men‘s Preis: 179,95 Euro

STANDPUNKT Zurück in die Zukunft?

KREISLAUFSYSTEM Dass die Entwickler von Rab ihr Handwerk verstehen, kannst du auf S. 20 im Detail lesen, denn dort erzählen wir die spannende Unternehmensgeschichte der britischen Marke. Und danach schlüpfst du am besten bei uns im Laden einfach in die Arc Eco Hooded Jacket. Dort schließt sich dann der Kreis. Wie bei der Jacke. Denn Rab verwendet bei diesem Modell erstmals ein wasserdichtes Drei-Lagen-Laminat von Pertex, das zu 100 % aus recyceltem Polyester besteht – Außenstoff, Membran, Innenfutter. Durch diese sortenreine Materialzusammensetzung kann die Arc Eco Hooded Jacket auch nach ihrem eigenen Lebenszyklus wieder unkompliziert recycelt werden. Auch die Imprägnierung ist wie das Laminat selbst komplett PFC-frei. Extrem wasserabweisende Reißverschlüsse an der Front, unter den Armen zwecks Belüftung und an den beiden Seitentaschen machen sie zu einer echten Wetterschutzjacke. Apropos Taschen: Das 428 g leichte Stück lässt sich komplett in der Seitentasche verstauen. Wirklich smart, die ›Raben‹. Rab Arc Eco Hooded Jacket Preis: 249,95 Euro

Puh, war das anstrengend! Aus der Ferne hatte der Hügel gar nicht hoch ausgesehen. Aber unter diesen Bedingungen – minus 50 Grad Celsius und mit Sauerstoffflasche – wahrlich eine Herausforderung: die Wanderung zur höchsten Erhebung auf dem Mars … Könnte so unsere Zukunft aussehen? Mal eben schnell in Raumschiffen zu anderen Planeten fliegen, um dort neue Welten zu erkunden. Outdoor-Tourismus auf dem Mars – diese Vorstellung würde wohl ein (selbst)zufriedenes Lächeln auf die Lippen eines äußerst wohlhabenden Online-Versandhändlers zaubern. Doch ist es für uns eine erstrebenswerte Perspektive? Gehen wir eine Stufe zurück: Sind wir nach 1,5 Jahren (und wohl noch etwas länger) Corona so sehnsüchtig nach außerdeutscher Wildnis, dass wir »später« wieder in volle Flieger steigen werden, um uns guten (oder schlechten) Gewissens unsere Trekking-, Rad- oder Paddelträume zu erfüllen? Oder planen wir jetzt schon mit neuen Mitteln, Methoden und Mindsets unsere zukünftigen Abenteuer? Bereits jetzt stehen viele technische Innovationen fürs Outdoor-Vergnügen zur Verfügung. Wir können spontan die Packtaschen ans voll aufgeladene E-Bike hängen und uns dank App bequem von Ladestation zu Ladestation bewegen, die Wetterentwicklung – ebenfalls in App-Echtzeit – immer parat. Und mit der (auch Appgesteuerten) Car-Sharing-Karre unkompliziert losdüsen. Vielleicht schafft es die Deutsche Bahn ja auch irgendwann, der Mitnahme von Fahrrädern genügend (Stau-)Raum zu geben. »Technische Innovationen werden zum Motor neuer Formen von Mobilität – vernetzt, digital, postfossil und geteilt.« So analysiert das Deutsche Zukunftsinstitut. Für jede Problemstellung steht (bald) eine technische Lösung bereit. Werfen wir – als Gedankenspiel – einen Blick in die Vergangenheit. Wir schreiben das Jahr 1802. Der deutsche Philosoph Johann Gottfried Seume ist über zwei Jahre bis ins sizilianische Syrakus gereist. Den Großteil der Strecke von annähernd 6.000 Kilometern legte er zu Fuß zurück. »Wer geht, sieht im Durchschnitt mehr, als wer fährt. Sowie man im Wagen sitzt, hat man sich sogleich einige Grade von der ursprünglichen Humanität entfernt. Fahren zeigt Ohnmacht, Gehen Kraft.« Weder Auto noch App – zu Seumes Zeit stand keine dieser Technologien zur Verfügung. Und doch empfand er schon eine Kutsche als Art der Fortbewegung, die ihn von seinen Mitmenschen und der Natur entfernt. Vielleicht kommt es manchmal also gar nicht darauf an, in was wir uns bewegen und welche Technologie wir nutzen. Sondern darauf, wie wir den Moment erleben – möchten. So geht das britische Künstlerpaar von »Somewhere.Nowhere« auf Seite 22 der Frage nach, wie sich emotionale Momente in den Naturräumen des Lake Districts sichtbar machen lassen. Auch die ERLEBT-Geschichte rund um den »Wald« auf Seite 14 verdeutlicht: Es kann kein Zufall sein, dass gerade heute, in Zeiten technischer Beschleunigung und Möglichkeiten, viele Menschen die Entschleunigung unter jahrzehnte- und -hundertealten Bäumen suchen.

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FOTO Sealskinz

FAMILIENZUWACHS

FOTO Anders Møller Vestergård / RAB

RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

GRIFFBEREIT Alle, die gerne viel auf dem Rad sitzen und nicht nach Südspanien auswandern werden, sollten – gerade in der anstehenden Herbst-Winter-Saison – vielleicht einmal in diesen Handschuh schlüpfen. Das Hauptmerkmal: Er ist 100 % wasserdicht. Und das hilft schon, viele unangenehme bis kritische Lenkersituationen zu entschärfen. Denn: Keine feuchte Haut bedeutet weniger Blasen, dazu weniger klamme Finger und einen sicheren Griff. Der Stoff, ein Drei-Lagen-Sandwich mit einer PUMembran dazwischen, und die Passform sind auf eine maximal sichere, komfortable und exakte – buchstäblich – Handhabung ausgelegt. Die Zeigefingerspitzen sind Touchscreen-tauglich, die Druckpunkte sind extra gepolstert und der Daumen kann als »Scheibenwischer« eingesetzt werden. Die Farbgebung ist auch eine klare Botschaft an die anderen Verkehrsteilnehmer: Achtung, hartgesottener Biker unterwegs! Sealskinz WP All Weather Cycle Glove Preis: 59,95 Euro

Foto Titelseite

Die Zukunft ist offen, aber gestaltbar. Wir wünschen euch auf dem Weg dahin den Genuss der Gegenwart.

Wenn Schweden nicht geht, dann eben Schweiz. Dachten sich Fotograf Angelo Brack und seine drei Mitstreiterinnen. Und zogen mit Pulkas und Huskys durch die heimischen Berge – zu lesen ab S. 8.

Barbara Meixner, Moritz Becher und die RAUSZEIT-Teams

Fotografiert von Angelo Brack


RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

SCHNEEGE(H)HILFE Es gibt nur wenige Frischluft-Aktivitäten im Winter, die so viel Entschleunigung und zugleich Abenteuer transportieren wie Schneeschuhlaufen. Der Schneeschuhspezialist MSR hat eine neue Bindung entwickelt und sie auf die seit vielen, vielen Jahren äußerst bewährte Plattform der Lightning-Modelle geschraubt. So funktioniert das System: Zwei mit EVA-Schaum gepolsterte, flexible und konisch geformte Kunststoff-»Flügel« sichern per Riemen den Vorfuß, ein zweiter Riemen die Ferse. Beide werden per Ratschensystem auf Zug gebracht, per Tastendruck kann sogar feinjustiert werden. Die Kraftübertragung funktioniert hervorragend, der Gehkomfort ist enorm. Der »Rest« des Lightning Explore Schneeschuhs ist legendär: durchgehend gezackter Aluminiumrahmen mit integrierter Steighilfe, bezogen mit TPU-ummanteltem Nylon, dazu zwei deftige Frontzacken als Steigeisen vor der Bindungsachse. Besser geht es eigentlich nicht. Damit bist du gewappnet für alles, von der Tageswanderung bis zur Expedition. MSR Lightning Explore Preis: ab 299,95 Euro

FORMIDABLE FORM Zwei Dinge sind für eine Winter-Wander- und Berghose für Frauen entscheidend: ein bequemer, funktionaler Schnitt und die nötige Isolation an den richtigen Körperpartien. Okay, vielleicht noch ein dritter Punkt: Sie soll (darin) gut aussehen. Alle drei Kriterien erfüllt die 440 g leichte Lapiaz Pant des französischen AlpinSpezialisten Millet »formidable«. Das Material bietet ganzflächig komfortablen Stretch, abgerundet mit einer wasserabweisenden, PFC-freien Imprägnierung, die mal einen Schauer zwischendurch locker abtropfen lässt. Die kälteempfindliche Schenkelinnenseite ist zusätzlich leicht gefüttert. Drei Einschubtaschen mit Reißverschluss fürs kleine Allerlei – und los geht’s zur Herbst- oder Winterwanderung. Millet Lapiaz Pant Preis: 99,95 Euro

Die Woll, pardon Wohlfühl-Garantie von Merinowolle sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Das Material wurde von Mutter Natur über Jahrtausende so perfektioniert, dass es in puncto Tragekomfort, Temperaturregulierung, Umgang mit Schwitzfeuchtigkeit und Eliminierung von Geruchsbelastung durch Bakterien fast unschlagbar ist. Der Alvdal Wool Jumper der norwegischen Marke Bergans besteht zu 100 % aus der natürlichen Merino-Wunderfaser. Selbstverständlich aus garantiert Mulesing-freier Tierhaltung. Ja, und nach der Fachsimpelei müssen wir zugeben, dass wir diesen Pulli einfach lieben, vom zeitlosen, schlicht gemusterten Design bis zu seiner Geschmeidigkeit. Nach einem kalten Draußentag den Ofen anheizen, ein Heißgetränk zubereiten und die wohlige, pardon wollige Wärme genießen. Bergans Alvdal Wool W Jumper Preis: 119,95 Euro

WEGGEFÄHRTE

Manchmal sind es genau die Ausrüstungsgegenstände, die auf den ersten Blick irgendwie unspektakulär erscheinen, sich dann aber als die wahren Lieblingsteile entpuppen. So wie der Hikelite 26 von den Rückenverstehern von Osprey. Klar, ein Tagesrucksack. Keine Carbon-Highlights, Wasserstoffzellen oder integrierte Espressomaschine. Sondern: reduziert auf genau das, was bei Tageswanderungen, auf Reisen und im Alltag gebraucht wird. Zum Beispiel ein großes, leicht zugängliches Hauptfach. Eine Stautasche vorne dran für schnellen Zugriff auf Regenjacke und Co. Große Stretch-Taschen an den Seiten für vernünftig große Trinkflaschen, Riegel etc. Dazu Wanderstock-Aufnahmen, Regenhülle, ein Trinkblasenfach und ein geschmeidiges Reißverschlusstäschchen für kratzfreies Aufbewahren von Sonnenbrille und Smartphone. Gehüllt in erstaunlich robustes Nylon mit satten 100 Denier Reißfestigkeit. Und zwei Zuckerl am Schluss: Diese 26 Liter Volumen fassende Rundum-sorglos-Trageeinheit ist nicht nur im Preis erstaunlich niedrig, sondern auch auf der Waage: 700 g. Der Name ist eben Programm. Osprey Hikelite 26 Preis: 89,95 Euro

FOTO Michael Schröder/Leki

FOTO Scott Rinckenberger / MSR

WOLL-LUST

ZAUBERSTAB 1974 brachte Leki als erste Marke überhaupt die ersten Teleskopstöcke auf den Markt. Dass der Betrieb aus dem baden-württembergischen Kirchheim unter Teck auch heute noch mit die besten Wander-, Trekking- und Skistöcke weltweit produziert, ist mit dem Micro Vario Carbon spürbar. Ein nur 240 g leichter Voll-Carbon-Stock, der sich fürs ganze Jahr und nahezu jede Stock-relevante Tätigkeit einsetzen lässt. Per Kipphebel-Schnellverschluss kann die richtige Länge – Basisformel Körpergröße in cm x 0,68 – stufenlos zwischen 110 und 130 cm eingestellt werden. Die per gummiertem Stahlseil verbundenen Segmente können per Knopfdruck gelöst werden. Durch die Dreifachteilung schrumpft der Hightech-Stecken auf ein Mini-Packmaß von 40 cm. Klein genug, um in oder an nahezu jeden Rucksack zu passen. Richtig praktisch ist auch die Griffverlängerung für z. B. Traversen im Steilgelände. Für einen Einsatz bei relevanten Schneedecken empfehlen wir Tourenteller, die ganz einfach gegen die serienmäßigen Trekking-Teller(chen) getauscht werden können. Leki Micro Vario Carbon Preis: 169,95 Euro Leki Tourenteller (Paar) Preis: 6,95 Euro

Allgemeine Anfragen und Anregungen bitte an redaktion@rauszeit.net IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Michael Bode, Andreas Hille Redaktion & Produktion: Moritz Becher (Chefredakteur), TANNE 9 Becher Lipp Meixner GbR, Von-der-Tann-Str. 9, 83022 Rosenheim, tanne9.com, redaktion@rauszeit.net Druck: Möller Druck und Verlag GmbH Copyright: Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung der Herausgeber und der Redaktion unzulässig und strafbar.

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WÖLFIN IM SCHAFSPELZ

Radfahren im Straßenverkehr hat – besonders im Zeitraum von Herbst bis Frühjahr, wenn es später hell und früher dunkel wird – mitunter etwas von Überlebenskampf. Sichtbarkeit heißt Sicherheit (siehe auch unsere Rubrik BESSERWISSER »Sehen & gesehen werden« auf S. 18). Die Luminum II Jacket von Vaude ist quasi ein Garant dafür, anderen Verkehrsteilnehmern geradezu ins Auge zu stechen. Neben der deutlichen Signalfarbe selbst ist die 475 g leichte Jacke an zahlreichen Stellen mit Reflektorstreifen versehen. Trifft der Lichtstrahl eines Scheinwerfers auf den Radfahrer, werden so die sich bewegenden Umrisse von allen Seiten deutlich sichtbar. Auch gegen schlechtes Wetter sind die »Insassen« bestens geschützt. Ein Zwei-LagenLaminatstoff in Kombination mit einer PFC-freien Imprägnierung lässt Wasser abperlen und blockt kalten Fahrtwind ab. Feines Detail: Die Kapuze lässt sich im Kragen verstauen, um nerviges Flattern im Wind bei Trockenheit zu unterbinden. Gute und vor allem sichere Radfahrt euch allen! Vaude Luminum II Jacket Damen & Herren Preis: 149,95 Euro

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FOTO Hanwag

Griechisch, römisch, ägyptisch oder germanisch? Nein, hier geht es nicht um Geschichtsunterricht. Sondern um individuelle Fußformen und die dazugehörigen Charaktereigenschaften. Letztere lassen sich nämlich angeblich anhand der Zehenlänge bestimmen. Menschen mit einem ausgeprägten großen Zeh, der ägyptischen Variante, sind laut dieser »Fußformel« nämlich besonders freundlich. Ob wir als Fachhändler ein Charakter-Profil anhand deiner Fußform erstellen können? Eher nicht. Wollen wir auch nicht. Jedoch können wir ganz sicher bei der Frage helfen, welcher Wander-, Trekking-, Berg- oder sonstwie Outdoor-Schuh zu deinem Zehen-Unikat passt. Denn eines wissen wir genau: Kein Fuß ist wie der andere. Tritt eine Abweichung der »Norm« auf, eine Fehlstellung der Knochen zum Beispiel, kann das mit dem falschen Schuhwerk gravierende Schmerzen verursachen. Und die Freude am Per-pedes-unterwegs-sein völlig verderben. Vor allem bei Trekking-Touren mit voll beladenem Rucksack wirkt enormer Druck auf unser Fundament ein. Und wer will schon nach 15 Kilometern – mitten im einsamen Fjäll – feststellen müssen, dass der »Auserwählte« einen nur unter qualvollen Schmerzen zurück an den Ausgangspunkt bringen kann. Umso wichtiger ist es, sich Zeit für eine ausführliche Anprobe zu nehmen. Und mit unseren Schuhexperten herauszufinden, ob die eigenen Füße eher schmal oder breit geschnitten sind, oder sogar eine der zahlreich auftretenden Fußfehlstellungen wie Senk-Spreizfuß oder Hallux Valgus aufweisen. Entscheidend ist dabei nicht immer nur die Schuhgröße. In Sachen Passform essenziell: der Leisten. Eine Art Gussform, über welche ein Schuh geschustert wird und der die genauen Maße des Innenlebens bestimmt. Dazu bekommst du reichlich Tipps und Antworten auf deine Fragen, z. B.: Wie viel Luft brauche ich »vorne« wirklich? Wie eng sollte der Vorfuß geschnürt sein? Wie schnüre ich den Schuh überhaupt richtig? Und muss ich einen Bergschuh anders schnüren als einen Wanderschuh? Bei uns im Laden machen wir die Fußprobe: Das detaillierte Ausmessen deines Fußes, eine fundierte Beratung und längeres Probegehen über unsere Schuh-Teststrecken sind essenziell, um das passende Modell für dich zu finden. Aber sei dir gewiss: Es lohnt sich.

Das genaue Ausmessen des Fußes und das Probelaufen im Laden helfen dabei, das richtige Modell für deine Fußform zu finden. Ist der nötige Halt vorhanden? Drückt es an einer Stelle? Dazu Tipps und Tricks zum richtigen Schnüren, Blasenvermeiden und vieles mehr.

Achtung Schmerzfalle: Der Schiefstand der Großzehe (medizinisch: Hallux Valgus) ist eine der häufigsten Fußfehlstellungen. Circa ein Viertel aller deutschen Erwachsenen leiden darunter. Mit einer besonderen »Zehenbox« bieten z. B. die »Bunion«Modelle von Hanwag mehr Platz für das Großzehengelenk.

SFU – SACHEN FÜR UNTERWEGS GmbH FOTO Johannes Ahrens

FUSSNOTE

FOTO Johannes Ahrens

Unser SERVICE: Wir finden deinen passenden Schuh

FOTO Johannes Ahrens

FOTO Dennis Stratmann / Vaude

Der Stir W’s Hooded Coat hat’s in sich. Buchstäblich. Denn die Wattierung dieses Lieblingsteils für die kalten Monate besteht zum größten Teil aus europäischer Schurwolle, die nach dem Waschen und Kämmen mit einer Prise des Maisbasierten Biokunststoffs Polylactid versehen wird. Letzteren braucht man, damit aus der relativ schweren Schurwolle eine dauerhaft bauschig-flauschige Wattierung wird. Und ja, theoretisch kann man das gesamte Füllmaterial irgendwann auf den Kompost werfen, da 100 % biologisch abbaubar. Auch beim Hüllenstoff – einem wasserdichten Zwei-Lagen-Laminat – hat Tatonka einige bemerkenswerte Nachhaltigkeitsregister gezogen: Der Außenstoff besteht zu 100 % aus recyceltem Polyester und ist komplett PFC-frei imprägniert. Und auch die Polyester-Membran selbst wird zu 75 % aus recyceltem Rohstoff produziert. Die Ausstattung ist gänzlich auf Wohlfühlen ausgelegt: weicher Kinnschutz, weiches Taschenfutter, Strickbündchen. Genau das Richtige also für feuchtkalte Herbst- und Wintertage. Tatonka Stir W’s Hooded Coat Preis: 269,95 Euro

VERKEHRSSIGNAL

Filiale Braunschweig Neue Straße 20 38100 Braunschweig Telefon: +49 (0)531 13 666 E-Mail: info@sfu.de

Filiale Hannover Schillerst. 33 30159 Hannover Telefon: +49 (0)511 450 30 10 E-Mail: info-hannover@sfu.de Web: sfu.de


FOTO GV Chana  / Unsplash

RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

ÜBRIGENS … WARM UMS HERZ Wenn Natur auf das »richtige« Wetter trifft, dann sind sie da: diese magischen Augenblicke. Einzigartig schöne Orte, besondere Licht- oder Wetterstimmungen, ja auch einfach nur Momente, die man festhalten will, einsaugen, jede Sekunde genießen – und verweilen. Oder nach einer Wanderung etwas Kraft tanken, die wohlverdiente Jause genussvoll verspeisen, in Ruhe den heißen Tee schlürfen und dabei: draußen sein. Im Sommer: kein Problem. Wer keine Insektenphobie hat, setzt oder legt sich einfach ins Gras. Oder nimmt auf einem querliegenden Baumstamm oder großen Stein Platz. Doch während in den Monaten der zweistelligen Plusgrade maximal eine Ameise auf die Glieder krabbelt, kriecht in der Herbst- und Winterzeit die Kälte in die Glieder. Ein nicht nur kalter, sondern auch noch feuchter Po ist unangenehm und zieht aus diversen Gründen auch mitleidige Blicke auf sich. Nicht völlig aus der Luft gegriffen ist schließlich der alltagsgebräuchliche deskriptive Ausdruck »arschkalt« für eine fies tiefe Temperatur. Dazu kommt: Ähnlich einem Akku saugt uns die Kälte Energie ab, in Form von abgegebener Körperwärme. Als Warmblüter ist der Mensch jedoch darauf angewiesen, eine Körperkerntemperatur von circa 37 Grad konstant aufrechtzuerhalten. Dabei

geben wir permanent Wärme an die Umwelt ab – im Winter eben deutlich mehr als im Sommer, was gefühlt zwischen unangenehm bis kritisch variiert. Solange sich Wärmeproduktion und -abgabe im Lot befinden, ist alles im grünen Bereich. Kritisch wird es, wenn die Wärmeabgabe deutlich oder kontinuierlich über der -produktion liegt. Der größte Teil der Abgabe erfolgt mit circa 60 Prozent über die Wärmestrahlung, auch Radiation genannt – allerdings bei Windstille und in Ruhe. Bläst es um den Körper, sorgt die Konvektion – Wärmeabgabe durch Luftbewegung um den Körper – für weiteren Energieverlust. Starke Atmung (Respiration) und Schwitzen (Evaporation) sind weitere Wärmeverlust-Baustellen. Und natürlich – um zum genussvollen Verweilen zurückzukehren – die Konduktion, die Abgabe von Körperwärme durch direkten Kontakt mit der Umgebung. Um im Bild zu bleiben: Popo auf nasskaltem Baumstamm, Ellenbogen und Rücken im Schnee. Allerdings gibt es eine ziemlich einfache Methode, sich die meisten dieser fiesen Wärmeräuber vom Hals zu halten oder zumindest in die Schranken zu weisen: kuschelige, witterungsfeste und großartig isolierende Ausrüstung. So können auch im Winter magische Augenblicke ohne böses Erwachen genossen werden.

GEMÜTLICH10 Der Cozybag Light des Schweizer Frischluft-Gemütlichkeitsspezialisten Bergstop ist Sommerschlafsack, Isolationsjacke und flauschiger Bademantel in einem. Mit Kapuze, Ärmeln, Reißverschlusstaschen und variabel verschließbarem Fußteil verändert man mit nur wenigen Handgriffen seinen Einsatzbereich. Warum wir im Herbst einen Sommerschlafsack empfehlen? Weil der Cozybag seinem Namen auch jenseits der Nachtruhe alle Ehre macht. Denn er ist: gemütlich10, in Worten: »gemütlich hoch zehn«. Während man im Sommer bei einem Komfortbereich von 10 °C hervorragend darin in Zelt, Camper und Co. schlafen kann, bietet er im Herbst, Winter und Frühling mit seinen je nach Größenwahl 800 bis 1200 Gramm eine – im mitgelieferten Packsack – gut transportable Wärmepackung, um das Verweilen draußen zu genießen. Möglich machen das eine geschmeidige Ripstop-Polyester-Außen- und Innenhaut und eine bauschige, wärmespeichernde Kunstfaser-Wattierung als Herzstück. Ebenfalls inklusive: die neidischen Blicke der Frierenden. Bergstop Cozybag Light Preis: 149,95 Euro

SITZPLATZGARANTIE Ein kalter und nasser Po kann einen noch so schönen Ausblick in der Natur verderben. Dabei gibt es kleine Helfer, die einem manchmal buchstäblich den A…llerwertesten retten. Wie zum Beispiel der Air Seat Insulated von Sea to Summit. Lächerliche 80 g leicht, ein Packmaß wie ein Portemonnaie, aber im Einsatz gemütliche 5 cm dick und mit zusätzlicher Kunstfaserisolierung über dem robusten Bodenstoff. Passt in jede Hosen-, Jacken- und Rucksackdeckeltasche. Die Alternative: die faltbare Sitzmatte von Tatonka aus kräftigem EVA-Schaum im praktischen Tragetäschchen. Eine 50 g leichte Sitzplatzgarantie bei jedem Wetter. Sea to Summit Air Seat Insulated Tatonka Foldable Seat Mat Preis: 32,95 Euro Preis: 14,95 Euro

SETZ DICH DOCH! Nachhaltigkeit ist ein viel bemühtes Wort dieser Tage. Zum Glück – auch wenn häufig etwas Scheinheiligkeit mitschwappt. Anders bei EOE. Die kleine Firma aus der Eifel – »Eifel Outdoor Equipment« – geht andere Wege. Am liebsten heimische. Und wenn das nicht möglich ist, dann doch maximal fair und transparent gegenüber Mensch und Natur. Neuestes VorzeigeWerk: der Faltstohl VH L. Wobei das Kürzel VH für »von hier« steht. Ein robustes Holzgestell aus nachhaltig produzierter und FSC-zertifizierter deutscher Buche, kernige Metallscharniere und in Portugal genähte Bezüge aus Baumwoll-Segeltuch. Dazu eine lange Rückenlehne (Höhe 93 cm) und eine Sitzhöhe von komfortablen 43 cm. Die Garantie für ganzjährig angenehmste Sitzungen im Freien ohne Stabilitätssorgen. Klar, diesen 3,8 kg schweren OutdoorWohnzimmersessel werden die wenigsten an den Rucksack zurren. Aber als Komfortausstattung in Karre oder Camper macht der Faltstohl einfach nur Spaß. EOE Faltstohl VH L Preis: 129,95 Euro

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FOTO Eeva Mäkinen. Ruka-Kuusamo. Finnland.

FOTO Rein Reijke/Zout Fotografie. Kitesurfer Roderick Pijls. Island. Projekt 'The Last Line' (www.thelastline.nl)

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KURT TUCHOLSKY FOTO Patrick Pöndl. Passstraße Paso Pircas Negras. Argentinien.

»DIE GRÖSSTE ­SEHENSWÜRDIGKEIT, DIE ES GIBT, IST DIE WELT – SIEH SIE DIR AN.«

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FOTO Henrik Trygg. Stockholm Archipel. Schweden.

RAUSBLICK

RAUSZEIT Winter 2021 / 2022


RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

ERLEBT: Mit Pulka und Tourenskiern durch Schweizer Bergwelten

SCHWEIZ AUF SCHWEDISCH Eine Tour mit voll beladener Pulka, Skiern und Huskys in tief verschneiter Wildnis. Was in Schweden Standard ist, wird in den Schweizer Alpen zu einem hochkarätigen Abenteuer. Eine Geschichte über saure Muskeln, einsame Berglandschaften, trickreiche Traversen und die Mär vom Wolf. »Aber warum?«, wurden wir oft gefragt, wenn wir jemandem von unserer Idee erzählten. Diese Frage stellen wir uns spätestens im Aufstieg zum 3212 Meter hohen Oberaarjoch in den Berner Alpen im Sekundentakt. Seit einer gefühlten Ewigkeit schleppen wir unsere Pulka, einen bis zum Anschlag befüllten Zugschlitten, den Hang hinauf. Die Sonne brennt, kein Windhauch regt sich, der Schweiß fließt in Strömen und der zentnerweise an den Tourenski-Fellen klebende Schnee zerrt zusätzlich an den Nerven. Seit sechs Tagen sind wir nun unterwegs – und jeder Tag hält eine neue Herausforderung bereit. Dabei hatte der Plan eigentlich ganz anders ausgesehen: Mit unseren beiden Huskys Svea und Lumi und einer Pulka sollte es durch die endlose Weite der lappländischen Wildnis gehen. Doch: Die Covid-Pandemie zwang uns – wie so viele –, in der Schweiz zu bleiben und einen neuen Plan zu schmieden. Die nun omnipräsente Frage nach dem »Warum?« entstand zu diesem Zeitpunkt also aus einem »Warum nicht?«. Präziser: Warum bewegen wir uns eigentlich nicht im »Schweden-Stil« durch die Schweiz? Dass wir in unserer Heimat mit 48 Viertausender- und unzähligen Dreitausender-Gipfeln ein leicht anderes Terrain unter Skiern und Pfoten haben würden, war uns

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bewusst – und irgendwie auch nicht. Wir entschieden uns für eine Route vom Oberalppass in Graubünden bis zum Jungfraujoch in den Berner Alpen. In neun Tagen über einsame Hochebenen, auf verschneiten Passstraßen oder endlosen Gletscherflächen. So hatten wir es uns zumindest vorgestellt.

Maighelsebene eine erste Grenzerfahrung. Vorne ziehen die Hunde, hinten schiebt die Pulka, der Partner weiß es immer besser, während man gleichzeitig nicht weiß, ob es auf den nächsten Metern senkrecht nach unten oder oben geht. Quasi ein hochalpiner Schwertransport auf Gefühlsbasis – mit mäßig wirksamer Bremse.

»Mir gefallen lange, einsame Touren, gleichzeitig schlafe ich lieber im Zelt als in Hütten. Dafür eignet sich eine Pulka ideal, die Schweizer Topografie hingegen weniger.« — Angelo

»Die Vorfreude unserer Huskys hatte sich definitiv auf mich übertragen – und ich schnallte mir motiviert die Pulka an. Dabei vergass ich, dass diese fast so schwer war wie ich selbst. Schon nach wenigen Metern überschlug sich die Pulka – und ich kam in einem Knäuel von Leinen, Hundebeinen, Skiausrüstung und Pulka-Gestänge einige Dutzend Meter weiter unten zum Stillstand. Nach diesem Erlebnis waren mir steile Traversen nicht mehr geheuer.« — Carmen

Realitätscheck am ersten Tag Als Höhepunkt unserer Vorbereitungen belieferten wir mit unserer Pulka eine SAC-Hütte mit 40 Kilo Lebensmitteln – grenzwertig anstrengend, aber möglich. Wir fühlten uns bereit. Doch die Realität holt uns bereits am ersten Tag ein. Im kontrastlosten, dichten Nebel ist die ansonsten harmlose Abfahrt vom Oberalppass zur


FOLLOW THE VOICE Links: Auf dem Weg zur Grünhornlücke, im Hintergrund das Finsteraarhorn. Oben: Ziehen oder Schlafen – so sieht der Tages­ rhytmus aus. Traumschlafstätte am Maighelspass. Unten: Das Zelt als heimelige Unterkunft am ­Furkapass. Dank Einsamkeit jede Nacht mit ­Sternenhimmel. Im Hintergrund das Leuchten des dichtbesiedelten Wallis.

Wie so oft auf solchen Abenteuern wechseln sich Freud und Leid rasch ab. Wir schlagen unser Zelt am Maighelspass auf – völlig einsam. Um diese Tageszeit ist hier niemand mehr unterwegs, wir haben das gesamte Bergpanorama für uns. Nach einem ganzen Tag im Nebel saugen wir die warmen Strahlen der untergehenden Sonne in uns auf. Jetzt und hier hätten wir eine gute Antwort auf das »Aber warum?«.

Die Wölfe kommen Unsere zwei Huskys sind für die Tour unabdingbar. Ihr unerschöpflicher Wille zu ziehen, macht es uns erst möglich, den über 45 Kilo schweren Zugschlitten hang­ aufwärts zu bringen. Da lohnen sich auch die gut zehn Kilo Hundefutter im Gepäck. Doch ihr Bewegungsdrang hat auch einen Nachteil. Den erkennen wir am Morgen, als sich die beiden in einem unbeobachteten Moment aus ihren Halsbändern winden und in Richtung Tal verschwinden. Wir folgen den Spuren, die sich aber rasch verlieren. Als zwei Skitourengänger uns aufgeregt erzählen, sie hätten zwei Wölfe in Richtung Andermatt rennen sehen, müssen wir uns ein Schmunzeln verkneifen. Der Bergwind

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„LAUFE GERADEAUS!“


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Oben: Wie ein Meer erstreckt sich die Fläche des Konkordiaplatzes vorm Zelt. Wegen des eisigen Windes fällt die Temperatur in den Keller. Unten: Auch Svea – die gebürtige »Schwedin« – genießt die Sonnenuntergangsstimmung am Maighelspass.

trägt unsere Rufe und Gerüche in ihre Richtung, und bald kommen sie mit hängender Zunge zu uns zurück. Trotz der Zusatzkilometer ziehen sie danach am Schlitten, als wäre nichts gewesen.

»Der Moment, in dem ich die Hunde davonlaufen sah, war schlimm. Wenn sie mal rennen, nutzt jegliches Rufen nichts mehr. Und sind sie erst mal weg, kommen die widersprüchlichsten Gefühle auf: vom sorgenvollen ›Ob sie sich wohl verletzen? Finden sie wieder zu uns?‹ bis hin zu ›Diese blöden Köter – warum haben wir nicht einfach einen folgsamen, lahmen Labrador?‹. Aber als die beiden dann wieder bei uns waren, wich sämtliche Wut rasch der Erleichterung und Wiedersehensfreude.« — Angelo

Die Nachteile der Pulka Die Kraft der Hunde nützt in Traversen wenig – das größte Risiko ist, dass die Pulka kippt und die ziehende

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Mitte oben: Aussicht aus der kleinen warmen Schutzhütte bei der Finsteraarhornhütte. ­Darunter: Vier Bedürfnisse, ein Zelt. Mitte unten: Grönland-Feeling in den Gleitschnee­ lawinen am Grimselpass. Rechts: Körperlich und mental am Limit. Direttissima-Aufstiege mit 45 kg, heikle Abstiege mit »Hunde-Rucksack«. Darunter: Endlich angekommen auf dem Jungfraujoch. Für ein Lächeln hat's knapp noch gereicht ...

Person mitreißt. Eine geschickte Packtechnik hilft – doch je nach Schneeverhältnissen nützt auch das nichts. Daher hatten wir unsere Route über die geschlossenen und verschneiten Pässe wie Furka und Grimsel oder in möglichst flachem Gelände geplant. Leider sind große Teile dieser Passstraßen von Gleitschneelawinen überspült, die ein schier unüberwindbares Labyrinth aus gefrorenen Blöcken hinterlassen haben. Häufig müssen wir uns einen Weg suchen – das heißt zum Teil, die Straße verlassen und die Pulka zu Fuß mit aufgeschnallten Skiern senkrecht den Hang hochziehen. Oder mit Schaufel und Skikanten Blöcke abtragen, um einen Durchgang zu schaffen. Selbst kurze Passagen verkommen zu stundenlanger Schinderei. An anderer Stelle – wie auf dem Oberaarsee-Damm – müssen wir zuerst apere Stellen zuschaufeln. Zum Glück begleitet uns seit dem Örtchen Gletsch unser Freund Adi mit seinem Splitboard. Denn auf der folgenden Querung eines exponierten Steilhangs, der über ein Felsband direkt in den darunter liegenden, knapp nicht gefrorenen Stausee führt, hilft jede Hand und jede stoßende Skikante. Jeweils einer stapft eine Trasse, einer zieht die Pulka und die dritte Person sichert den Schlitten zusätzlich mit einem Seil.

»Ob beim Ziehen der Pulka oder beim Sichern mit dem Seil: Seit meinem

Sturz am ersten Tag war mir klar, dass ich nur wenig ausrichten kann, wenn die Pulka oder Angelo e ­ inmal ernsthaft ins Rutschen kommen ­w ürden. Ich wählte jeden Schritt mit höchster Vorsicht. Diese Traverse war vor allem mental heftig.« — Carmen

Wieso Tagesetappen eben ­ Tagesetappen sind Nach der Traverse folgt der eingangs beschriebene Aufstieg zum Oberaarjoch. Auf dem Pass angekommen, entscheiden wir uns aufgrund eines aufziehenden Schneesturms, direkt die nächste Tagesetappe anzuhängen. So würden wir es bis zur Finsteraarhornhütte schaffen und könnten das schlechte Wetter dort aussitzen. Die Abfahrt vom Joch ist purer Genuss. Stabil wie ein Eisbrecher gleitet die Pulka durch den frischen Pulverschnee. Und auch Svea und Lumi können endlich mal wieder in vollem Tempo laufen. Die hohen Gipfel der Walliser und Berner Alpen scheinen im Licht der untergehenden Sonne zum Greifen nah und wir genießen jeden Meter. Doch bereits kurz nachdem wir auf dem Fieschergletscher den letzten Anstieg des Tages in Angriff nehmen, beginnt es einzudunkeln. Im letzten


Abenteuer ist überall.

Glimmen des Tages sehen wir die Finsteraarhornhütte, eng an die Felsen gepresst, fast 100 Höhenmeter über dem Gletscher. Erschöpft und hungrig klettern wir im Dunkeln und ohne den Hüttenzustieg richtig zu erkennen in einem Mix aus Fels und Eis. Ein fahrlässiges Unterfangen – ein Fehltritt würde mit einer langen Rutschpartie und wahrscheinlich reichlich Blessuren bestraft. Mental und physisch erschöpft erreichen wir mit den ersten Schneeflocken des angekündigten Sturms die Sicherheit der Winterhütte.

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»Adi und ich waren schon auf zahlreichen Touren – viele davon lang und anstrengend. Bevor Adi nur langsam müde wird, geht bei mir normalerweise der Saft aus. Doch so erschöpft wie in der Hütte habe ich Adi noch nie erlebt. Wortlos sank er ins Bett und musste sogar zum Essen gezwungen werden. Die letzten Tage waren intensiv, die Batterien leer – umso mehr genossen wir die Sicherheit der Schutzhütte und die Wärme des Holzofens.« — Angelo Macht das Spaß? Ganz ehrlich gesagt ist die Tour vom Start bis zur Finsteraarhornhütte mehr Plackerei denn Genuss. Doch der Blick von unserer Trutzburg über den frisch verschneiten, weitläufigen Fieschergletscher, flankiert von massiven Wänden und Gipfeln, entschädigt uns mehrfach für die Strapazen der vergangenen Tage. Die totale Einsamkeit auf dem riesigen Gletschersystem ist so eindrücklich, dass wir auf unserem weiteren Weg in einen schweigsamen Trott versinken und die Eindrücke in uns aufsaugen. In diesem Moment ist uns klar, warum wir uns das antun. Unsere Hunde sind vom Panorama weniger beeindruckt, die folgende Nacht am Konkordiaplatz mit Temperaturen von knapp -20 Grad und einem eisigen Wind bringt selbst ihren dicken Pelz ans Limit. Eng an uns gekuschelt verbringen sie die Nacht mit uns im Schlafsack und tanken Energie, um uns am letzten Tag mit Vollgas zu unserem Ziel zu ziehen: dem Jungfraujoch. Nach 90 Kilometern, fast 6000 Höhenmetern und gefühlten Millionen verbratener Kalorien sind sämtliche Batterien leer und die Lunge schmerzt. Trotz allem überwiegen Freude und Stolz, die Tour erfolgreich gemeistert zu haben. Die Pein wird vergehen, die tollen Erinnerungen bleiben. Wir glauben, die Antwort auf das »Warum« kann man nicht geben – man muss sie erleben! Text und Fotos: Angelo Brack

SCHWEIZ

Unten: Beim Oberaarjochstausee wartet eine heikle Traverse. Anthony Komarnicki/Carnets d’Aventures

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RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

ERLEBT: Winterflucht per Rad

Ride, eat, sleep, repeat: Die Leitmotive einer Fern-Radreise klingen simpel, bedeuten aber keinesfalls Monotonie. Denn eines ist so sicher wie die freudvolle Abfahrt nach dem mühevollen Bergauf: Jeder Tag bringt andere Aha- und Oje-Erlebnisse, neue Begegnungen und viel Abenteuer. Und um es gleich vorwegzunehmen: Ja, es wird Regen geben. Und vermutlich auch Nebel, Kälte, Wind. Aber mit Sicherheit auch Rückenwind, Sonne, mystische Wolkenstimmungen. Und nicht nur das. Mentale, körperliche und ausrüstungstechnische Höhen und Tiefen sind Teil jeder Langzeitreise. Wer aber den nasszugigen oder eiskalten Tagen von Herbst bis Frühling für eine kurze oder lange Weile entfliehen möchte: Kaum ein Zeitraum eignet sich für Radreisen in südlichen Gefilden besser als der vor uns liegende. RAUSZEIT stellt vier Winterflucht-Touren vor. Text: Christian Haas

Frankreich: Vom Atlantik zum Rhein

ALLES AM FLUSS Nein, ein Flussradweg führt nicht immer am Fluss entlang, sondern bietet durchaus mal Umfahrungen und Steigungen. Im Großen und Ganzen lassen sich solche Fernwege jedoch vergleichsweise leicht meistern. So gesehen ist der an Loire, Rhein und Donau entlangführende »EuroVelo 6« ein Top-Tipp für Freunde des entspannten Radelns. Doch von allein fährt es sich eben auch nicht, es braucht Ausdauer und (viel) Zeit. Schließlich verbindet Europas längster Radwanderweg den Atlantik mit dem Schwarzen Meer. Macht rund 4.450 Kilometer! Was aber tun, wenn Muße und/oder Beinschmalz für die Durchquerung von zehn Ländern fehlen? Dann pickt man sich eines raus. Eine formidable Wahl stellt die Passage quer durch Frankreich dar, von Nantes in der Bretagne bis an die schweizerische Grenze. Nicht nur wegen der abwechslungsreichen Landschaften – Atlantikküste, Loire-Tal samt Königsschlössern, Weinhänge –, sondern auch wegen der gaumenfreundlichen Kulinarik. Und wer doch richtig in Fahrt gekommen ist, bleibt an der Schweizer Grenze einfach im Sattel: Hinter Basel geht es entspannt weiter, über Bodensee entlang der Donau, vorbei an Budapest, Belgrad, Bukarest bis zum großes Finale: das grandiose Donaudelta bei Constanta.

KURZ GESAGT: • Charakter: Diese Tour eignet sich ideal für die Fernradweg-Premiere im nahen Ausland. Gut mit und für die Kondition, aber kein Kurbel-Wettkampf. Weitere Pluspunkte: top Beschilderung, top Zuganbindung inklusive Radmitnahme, top Wegeführung abseits der Hauptstraßen. Wer auf den Geschmack kommt, radelt gen Osten weiter. Und weiter und weiter. • Länge: ca. 1.200 km in Frankreich (gesamt ca. 4.450 km) • Beste Zeit: September und Oktober sowie Mai und Juni • Radgattung: Touren-, Trekkingrad oder Gravelbike • Weitere Informationen: e ­ n.eurovelo.com/ev6, loire-radweg.org, de.france.fr/de, »EuroVelo 6 Frankreich Ost« und »Loire-Radweg«, Bikeline Radtourenbücher, 2021 bzw. 2018, je 15,90 Euro

FOTOS Maurice Subervie/Atout France; Laurent Cheviet/Doubs Travel

SATTELFEST

Montenegro: Tour de Montenegro

Kennst du die Szene, als James Bond in Montenegro erst im Casino Royale pokert und dann die Schönheiten der Küste erkundet? Der größte Teil des Landes ist aber ein einziges, kaum entdecktes Trail-Traumland. Outdoor-Enthusiasten haben dort die Lizenz zum Austoben, insbesondere Radreisende mit Hang zum Hang. Mehr als 150 wenig erschlossene Zweitausender beheimaten entlegene Almwege, die reisenden Mountainbikern Freudentränen in die Augen und Schweiß aus den Poren treiben. Auf ihrem Weg durch den Durmitor-Nationalpark und vier weitere sollten sie ebenso genug Wasser und Foto-Speicherkarten an Bord haben sowie Offenheit bei den Schlafplätzen in den verschlafenen Bergdörfern mitbringen. Tipp: Die »Montenegro Bed & Bike«-Betriebe bieten einfache, aber tolle Unterkünfte. Autarke Abenteurer haben eh ihr Zelt dabei – und die »Wilderness Biking Montenegro«-Karte(!). Die kombiniert fünf Strecken des 3.000-Kilometer-MTB-Wegenetzes zu einer grandiosen Runde. Auf der liegen mit der Tara-Schlucht Europas tiefster Canyon sowie der größte See des Balkans, der Skutarisee. Von dem ist es nicht weit zu herrlichen Adria-Buchten. Ein Quantum Trost für alle, die sich nach den Bergetappen etwas Entspannung wünschen. Oder eine Runde Pokern.

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KURZ GESAGT: • Charakter: Die auch in höheren Lagen stets befahrbaren Wege variieren in ihrer Beschaffenheit – von Single-Grastrails über Pfade und Schotterwege bis zu Downhills und Asphaltstrecken bieten sie viel Abwechslung. Wer die gesamte Rundtour meistern will, sollte 14 Tage und stramme Schenkel einplanen. • Länge: ca. 1.275 km • Beste Zeit: September bis November, spätes Frühjahr. Achtung: Möglich sind Nachtfrost und Schneefälle in den Bergen. • Radgattung: Mountainbike, geländegängiges Trekking- oder Gravelbike mit Lastenhalterung • Weitere Informationen: m ­ ontenegro.travel/de (inklusive Gratis-Download aller Top-Trails mit Panoramakarten), »Montenegro« Individualreiseführer, Michael Müller Verlag, 2021, 17,90 Euro; der englischsprachige MTB-Guide »Mountainbikeführer Montenegro« von map.solutions ist eine gute Quelle, wird aber seit 2009 nicht mehr aktualisiert.

FOTOS NTO Montenegro

BALKAN, BERGE, BILDERBUCH-BUCHTEN


RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

Italien: Ciclovia Adriatica

DOLCE VITA MIT BICICLETTA Reiseziele erleiden zuweilen dasselbe Schicksal wie Modetrends. Eine Weile der Renner, dann kommen sie aus der Mode, nur um dann einige Zeit später ihre Auferstehung zu feiern. Ein bisschen so ergeht es auch der italienischen Adriaküste. Der lange als »Teutonengrill« geschmähte Küstenabschnitt zwischen Triest und Ancona hat in den vergangenen Jahren buchstäblich einen Imagewandel erfahren. Denn: Abseits der klassischen Touri-Ecken gibt es reichlich Wunderschönes zu entdecken, von kulturellen Kleinoden über charmante Dörfer bis hin zu unerwarteten Bergkulissen bis zum Meer. Am schönsten lassen sich all diese Aspekte auf zwei Rädern er-fahren – dachten sich italienische Radfreunde und kreierten vor wenigen Jahren gleich eine neue Route – in Größe XXXL. Dabei führten sie den »EuroVelo 8«-Radweg zwischen Triest und Venedig einfach gen Süden fort, immer mehr oder weniger am Meer entlang. Das war ordentlich Arbeit, sind es doch von der slowenischen Grenze über Venedig und Bari bis Santa Maria di Leuca am südlichsten Punkt des Stiefelabsatzes knapp 1.800 Kilometer. Das Gute: Je südlicher Radler kommen, desto untouristischer und authentischer wird’s – vor allem zu dieser Jahreszeit. Denn: Der Sommer reicht noch bis weit in den Herbst. Der uns bekannte Winter hält sich stark zurück. Und der Frühling startet, wenn wir noch davon träumen.

FOTOS Turismo Grado; Enrico Caracciolo; Regione Marche

KURZ GESAGT: • Charakter: Höhenmeter macht man auf dieser als leicht klassifizierten, wenn auch eher spärlich beschilderten Tour entlang des Nord- und Westteils der Adria verhältnismäßig wenig (etwa 6.000), meist geht es auf Landstraßen flach bis traumhaft leicht fallend dahin. Die Länge der Tour ist somit die größte Herausforderung. Küstenwinde kosten mitunter ein paar Extra-Körner. • Länge: ca. 1.800 km • Beste Zeit: September bis Mai, wobei die Monate Dezember bis Februar frisch werden können. • Radgattung: Touren-, Trekkingrad oder Gravelbike. • Weitere Informationen: b ­ icitalia.org/it, komoot.de, enit.de; spezielle Literatur gibt es (noch) nicht.

Chile: Carretera Austral

FOTOS Sernatur; Chile Travel

ANS (SCHÖNSTE) ENDE DER WELT Keine Frage: Unter Globetrottern ist Feuerland ein echter Dauerbrenner. Vor allem, weil es der Weg dorthin in sich hat. Für Segler gilt Kap Hoorn als Inbegriff stürmischer Abenteuer, bei Auto- wie Radfahrern hingegen lautet das Zauberwort »Carretera Austral«. Bei dem in den 70er-Jahren unter Diktator Pinochet begonnenen Mammutprojekt handelt es sich um eine weitgehend unbefestigte Fernstraße, die den Großen Süden Chiles durchquert. Um ganz nach Feuerland im Süden Südamerikas zu gelangen, muss man zwar mangels Straßenfertigstellung auf die argentinische Seite wechseln, doch ganz ehrlich: Die rund 1.300 Kilometer lange Strecke zwischen den Ortschaften Puerto Montt und Villa O'Higgins ermöglicht mehr als genug spektakuläre Eindrücke. Schließlich radelt man an zerklüfteten Fjorden, Gletschern und rauchenden Vulkanen vorbei, ergötzt sich an einer fantastischen Seenlandschaft und schneebedeckten, rauen Gipfeln, überquert reißende Flüsse, durchquert Regenwälder und die patagonische Pampa. Und wer dann immer noch nicht genug hat, hängt noch den XL-Abschnitt bis Ushuaia auf Feuerland dran oder zumindest einen Abstecher in den Nationalpark Torres del Paine. Chiles bekanntester Park setzt mit seinen hoch aufragenden Felsnadeln und den blau leuchtenden Eisbergen, die sich immer wieder von den Gletschern abspalten, noch eins drauf.

KURZ GESAGT: • Charakter: Der Autoverkehr auf der von Schotterpisten geprägten Carretera Austral ist auch heute noch sehr gering, also ideale Voraussetzungen, um diese entlegene Region per Reiserad zu erkunden und die Natur in vollen Zügen zu genießen. Aber: Erfahrung, die richtige Selbsteinschätzung und Selbstständigkeit gehören ebenso dazu wie Abenteurer-Mentalität. Für Einsteiger eine Spur zu heftig. • Länge: ca. 1.300 km (und nochmal 1.500 km bis Ushuaia) • Beste Zeit: Dezember bis Februar, denn dann ist auf der Südhalbkugel Sommer – ideal zum Radreisen. • Radgattung: Trekkingbike oder Gravelbike mit hoher Lastenaufnahme • Weitere Informationen: e ­ chile.travel, zahlreiche Beschreibungen im Netz; Literatur: »Chile: Carretera Austral«, Dirk Heckmann, Conrad Stein Verlag, allerdings: 2009; »Chile: Carretera Austral«, Doug Tomkins, Verlag Bradt Travel Guides, 2016 (nur in englisch)

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FOTO Schweiz Tourismus / Martin Maegli / Étang de la Gruère Jura

FOTO Schweiz Tourismus / Nicola Fuerer / Lago di Saoseo Graubünden

FOTO Kilian Schönberger / Pfälzer Wald

RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

ERLEBT: Lebenswelt Wald

SCHATZSUCHE UNTER KRONEN Drachentöter, Kräutersammler, Wandersleute – seit Jahrtausenden zieht es den Menschen in den Wald. Hier findet er Nahrung, Abenteuer, Erholung, Fabelwesen – und sich selbst. Eine stille Begegnung mit diesem Lebensraum und ­unseren kulturellen Wurzeln. Es war einmal ein kleines Mädchen. Das war fasziniert von der Schönheit des Waldes. Von kleinen Blüten, die im schrägen Lichteinfall erstrahlten. Und vom wuseligen Treiben im Ameisenhaufen hinter knorrigen Eichen. Die Neugier trieb das Mädchen immer weiter zwischen die Bäume hinein und es begann, die Zeit um sich herum zu vergessen. Dabei hatte die Mutter Rotkäppchen eigentlich klare Anweisungen gegeben: Kuchen zur kranken Oma bringen, keine Zeit vergeuden und bloß nicht vom Weg abweichen. Wer konnte schon ahnen, dass der Wolf die Faszination Rotkäppchens für die Natur so gemein ausnutzen würde, um in dieser Zeit zur Tat zu schreiten ... Ein Hoch auf die »Trödelei«! Wirklich? Aber ja! Denn ohne Abweichen vom direkten Weg gäbe es für dieses Märchen keine »Storyline«. Und noch wichtiger: Was verpasst man nicht alles, wenn man durch den Wald hetzt? Wie zum Beispiel dieses Prachtstück von Baum: Was für eine majestätische Aura! Darf ich nach dem Alter fragen, oder wäre das unhöflich? Natürlich! Ohne zu zögern legt Wolfgang Graf Hand an, richtet den Blick nach oben und beginnt zu sprechen: »Ich würde sie auf mindestens 200 Jahre schätzen. Das müsste von der Höhe und dem Durchmesser etwa hinkommen.« Graf

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muss nicht lange nachdenken. Er weiß genau, wie sich das Alter der Buche bestimmen lässt. Und auch sonst kann der Förster viel über diesen stattlichen Baum – und seine Nachbarn im unterfränkischen Gramschatzer Forst – erzählen. Hier vermittelt er als Wald-Pädagoge Besuchern wie uns die Bedeutung des Waldes. Besser gesagt: die Rolle jedes einzelnen Teils in diesem faszinierenden Lebensraum. Sein Blick geht weg von der Rinde, hin zum eigentlichen Star der Manege, dem Boden. »Wer kann sich vorstellen, wie viele Lebewesen auf einem Quadratmeter unterwegs sind?« Unwissendes Schweigen. Für die genaue Antwort muss sogar der erfahrene Förster einen Spickzettel aus der Hosentasche ziehen, so komplex ist die Lage. »230 Spinnen, 300 Asseln, 130 Regenwürmer, 28.000 Springschwänze, etwa 1,8 Millionen Fadenwürmer, zig Milliarden von Mikroorganismen ...« Kein Ende in Sicht. Denn in einer Hand voll Erde leben mehr Organismen als auf der gesamten Welt Menschen. Und alle sind damit beschäftigt, organisches Material umzuwandeln. »Zum Beispiel kann eine etwa hundertjährige Buche an einem sonnigen Tag genug Sauerstoff für zehn Menschen produzieren«, fügt der Experte seiner Aufzählung noch hinzu und hinterlässt staunende Gesichter.

Ausflug nach Fantasia Als Lebensraum ist der Wald reich an Flora und Fauna, filtert Staub, speichert Kohlenstoff sowie Wasser und gibt dem Menschen den nachhaltigen Rohstoff Holz, Nahrung und Sauerstoff. Doch da ist noch mehr: die Wurzeln unserer Kultur. Erst mit der Erkenntnis, dass Holz brennt, trennte sich der Mensch in der Entwicklung vom Affen. Und wissenschaftliche Einsichten, Traditionen und Geschichten verschriftlichen, um sie in Buchform weiterzugeben? Überhaupt erst möglich mit Papier aus Holz. Geschichten, wie die vom kleinen Rotkäppchen und anderen Märchenhelden. Von Drachentötern, Elfen und Trollen, die in den dunklen Ecken, nebeligen Schluchten und tiefen Höhlen deutscher Wälder leb(t)en. Anziehend, geheimnisvoll, wild oder gar gefährlich. In seiner vielfältigen Erscheinung liegt im Wald der perfekte Raum für Fantasien und Projektionen der menschlichen Psyche. Wenn sich an einem kühlen Herbstabend die Nebelschwaden über den Spreewald legen, Gewässer und Bäume ineinander übergehen, dann erscheint es dem Auge so, als gäbe es keinen Ausweg aus diesem Natur-Labyrinth. Oder doch? In diesem Moment erscheinen die Bludniki-Elfen und leiten mit ihren Lichtern gute


...weil wir einfach frei bleiben möchten!

FOTO Icebug / Jakob Edholm

FOTO Thomas Haltner, Bildarchiv Südliche Weinstrasse e.V.

FOTO Schweiz Tourismus / Markus Aebischer / Stazerwald Graubünden

RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

Oben: Buntes Spitzenkleid im herbstlichen Pfälzerwald (links) und im Schweizer Arvenwald (rechts). Sinneswandeln: Schmecken, riechen, fühlen – in jedem Wald empfängt den Besucher eine andere Atmosphäre.

Menschen aus den verwinkelten Sumpfgebieten des Spreeewaldes. Böse Menschen hingegen werden in ihr Verderben geführt. Oder die teuflisch erhabenen schwarzen Felsformationen im Eifel-Wald, die sich der Beelzebub selbst als Esstisch errichtete, um dort seine Opfer zu bearbeiten. Die aber eigentlich nicht mehr als geologische Überbleibsel aus der vulkanischen Geschichte dieser Region sind. Im Wald wartet die königliche Verheißung. Oder das teuflische Verderben. Meist abhängig vom eigenen Verhalten. Wer den Wald mit offenen Augen betritt, findet eine verzauberte Welt. Eine, durch die es sich lohnt zu wandeln, staunen, innezuhalten. Zu jeder Jahreszeit. Ob im frischen Frühlingsgrün, als Schattenspender im heißen Sommer, als Farben- und Nebelmeer im Herbst oder als Ort der absoluten Stille und Starre an klirrendkalten Wintertagen.

Tauchgang ins Blätterreich Dass etwas Geheimnisvolles vom Wald ausgeht, das kann auch der Biologe und Wildkräuterexperte Manuel Larbig bestätigen. »Hier gibt es nachts sehr viele Geräusche zu hören. Eine Schleiereule klingt zum Beispiel richtig gruselig: wie ein heulendes Baby. Und ein Rehbock wie ein aggressiv bellender Hund.« Ohne Zelt, dafür mit geschärfter Wahrnehmung, verbringt er viele Nächte draußen. Doch Angst löst das bei ihm nicht aus. Im Gegenteil. »Ich werde da richtig neugierig und will genau wissen, welches Tier hinter dem Geräusch steckt.« Es war wohl auch der Forscherdrang, der den gebürtigen Darmstädter vor ein paar Jahren dazu verleitete, 1000 Kilometer am Stück quer durch Deutschland zu laufen. »Nach dem Studium zog es meine Freunde in die Welt hinaus. Da fragte ich mich: Was habe ich eigentlich von Deutschland schon gesehen?« Mit dem Plan, die hiesige Natur besser kennenzulernen, zieht er los. Doch nicht, ohne sich davor eine genaue Route zurechtzulegen. Eine, die fast ausschließlich unter Baumkronen hindurchführt. Durch den von roten Sandsteinen geprägten Pfälzerwald, in dem er manchmal mehrere Tage niemandem begegnete. Oder über den Rhönwanderweg, der ihn durch ein vielfältiges Naturwaldreservat führte. »Es mag irrational sein, aber irgendwie fühle ich mich im Wald sicherer. Und wohler. Vielleicht ist das ein Urinstinkt von uns Menschen, sich einen geschützten Ort zu suchen.« In dem Buch »Wald-Wandern« beschreibt er seine Erfahrungen: wie er aus Laub und Moos Nachtlager baut oder sich Trinkwasser aus Bächen holt. »Im Gegensatz zu einem tropischen Regenwald muss ich hier nicht die Rinde erst genau auf giftige Tiere

Deshalb sind unsere Trekking- und Tourenrucksäcke mit leistungsfähigen Tragesystemen ausgestattet, die dich auf anspruchsvollen Touren zuverlässig unterstützen. Zudem sorgen wir durch die eigene Produktion nach TÜV-zertifizierten Sozialstandards für hohe Qualität, beste Verarbeitung und langlebigen Nutzen. Wie zum Beispiel bei unserem Yukon 60+10 Trekkingrucksack für deine nächsten Outdoor-Abenteuer.

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untersuchen, bevor ich einen Baum berühre.« Überhaupt drohen in deutschen Wäldern keine wirklichen Gefahren. Bis auf Zecken und Wildschwein-Bachen mit Frischlingen kann dem Menschen hier nicht wirklich etwas passieren. Im Grunde kann man sich hierzulande einfach hinsetzen oder legen und das Dreidimensionale des Waldes auf sich wirken lassen. Sein Rat: »Für mindestens eine Stunde irgendwo hinsetzen. Ohne zu sprechen und ohne Handy in der Hand. Und den Boden, die Rinde, das Blätterdach beobachten. Nach einiger Zeit wird man überrascht sein, was in diesem Mikrokosmos alles los ist. Und was Augen und Ohren plötzlich wahrnehmen.«

Langzeitwirkungen Ein Mikrokosmos, der sich anfühlt wie eine taufrische Atmosphäre. Eine, in der das Licht milde an die Augen dringt, die Luft würzig riecht und der Boden unter den Füßen einen zum nächsten Schritt federt. Die Gedanken entspannen sich, der Stress des Alltags gerät in Vergessenheit. »Shinrin-yoku« – so nennen Japaner das »Baden im Wald«. Zahlreiche Studien belegen: Eine Wanderung, ein Spaziergang oder die reine Anwesenheit im Wald senken den Blutdruck, reduzieren die Stresshormone und stärken das Immunsystem. In den Wäldern scheint der Mensch sich wiederzuerkennen. Der jahreszeitliche Wechsel von Blüte, Blätterpacht und herbstlichem Laubabfall ähnelt dem menschlichen Lebenszyklus. Während das kleine Rotkäppchen für das zeitverschwenderische Erkunden der Natur bestraft wurde, darf der moderne, gestresste Mensch hier zur Ruhe kommen. Ein Glück also, dass wir in der heutigen Zeit leben und alle Vorzüge des Waldes genießen können,

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FOTO Odenwald Tourismus GmbH FOTO Julian Rohn / Rügen Jasmund

FOTO Christoph Leditznig / Wildnisgebiet Dürrenstein

FOTO Kilian Schönberger / Harz FOTO Barbara Meixner / Gramschatzer Wald

Oben: Baum »on the rocks« – Eis-Skulpturen-Park im Harz Unten: Von den Wurzeln in die Blätter – im Stamm ist alles im Fluss

Unten rechts: Ganz klein – Mensch inmitten uralter Buchenwälder im Jasmund Nationalpark auf Rügen

ohne Sorge vor bösen Fabeltieren. Oder nicht? »Wenn das Ganze nicht vor Jahrhunderten als Jagdgebiet für die Würzburger Fürsten auserwählt worden wäre, dann stünden wahrscheinlich keine Bäume hier. Vieles wäre Ackerland geworden. Somit hat das mittelalterliche Feudal-System im Nachhinein auch etwas Gutes bewirkt.« Mit charmantem Zynismus versucht Waldpädagoge Wolfgang Graf darauf aufmerksam zu machen, dass der Gramschatzer Wald in seiner vielfältigen Pracht, Funktion und Mischung keine Selbstverständlichkeit ist. Weltweit lassen Brände, illegaler Holzeinschlag und der riesige Bedarf an Holz, Fleisch, Futtermitteln und Palmöl immer mehr Wälder verschwinden. Die Zahl der Urwälder – nicht nur in den tropischen Gefilden – sinkt. Mit fatalen Folgen. »Wenn der Mensch nur möchte, dann kann er das alles ändern. Doch scheinbar ist der Leidensdruck auf ihn als Lebewesen bisher noch nicht groß genug.« Für Wolfgang Graf ist das Bewusstsein, was passieren wird, wenn der Mensch nicht auf die Wälder achtgibt, noch nicht groß genug. Dabei ist es kein Zufall, dass das Wort »Nachhaltigkeit« der Forstwirtschaft entspringt. Bereits 1713 prägte der Sachse Hans Carl von Carlowitz den Begriff. Dahinter steckt ein klares Konzept: eine Ressource so zu nutzen, dass sie keinen bleibenden Schaden nimmt und auch künftigen Generationen in gleicher Weise zur Verfügung steht. Eine Ressource, die in ihrer Gesamtheit Regenmacher, Wasserfilter und -speicher, Sauerstoffproduzent und Lebensgrundlage für 80 Prozent aller landlebenden Arten ist. Und eine Ressource, die gemäß des aktuellen deutschen Waldzustandsberichts 2020 besonders an den Folgen des Klimawandels leidet, abstirbt, sich wandelt. Es könnte sein, dass Rotkäppchens Mutter mit der Anweisung »nicht vom Weg abweichen« schon früh darauf

DER WALD UND SEINE REGELN Der Wald ist für alle da. Selbst wenn er in Privatbesitz ist. So sagt es das Bundeswaldgesetz. § 14  Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr. Um Pflanzen- und Tierwelt nicht zu (zer)stören, sollte man diese Verhaltensregeln beachten: • Alles, was in den Wald mitgebracht wird, nimmt man auch wieder mit • Dämmerung meiden: in dieser Zeit ist das Wild besonders aktiv • Generell gilt: Zelten im Wald ist in Deutschland nicht erlaubt! In manchen Bundesländern ist das Betreten des Waldes außerhalb der Wege in der Nachtzeit sogar verboten • Offenes Feuer ist in Deutschlands Wäldern verboten. Die wenigen Ausnahmen bilden offizielle Trekking-Plätze mit Feuerstellen

hinweisen wollte, dass der Wald für uns Menschen nicht ausschließlich zum Spaß existiert. Sondern eine höhere Bedeutung hat. Und, dass wir ihm mit Respekt begegnen sollten. Denn sonst geht ihm – und uns – irgendwann die Luft aus. Die Moral von der Geschicht‘? Vielleicht: Der Mensch braucht den Wald, aber er uns nicht. Text: Barbara Meixner


EINZIGARTIGE WÄLDER ... DEUTSCHLAND

BE R Ü H R U NGS P U NKTE

THÜRINGER WALD RENNSTEIG Tiefe Flusstäler mit Laubmischwäldern, sturmerprobte Gebirgs-Höhenzüge mit Fichten- und Tannenwäldern – durch diese Baumvielfalt führt Deutschlands ältester Weitwanderweg, der Rennsteig. Doch nicht nur im bunten Herbst lohnend: Auf 142 Kilometern bewegt sich der Weg zwischen 500 und 980 Metern über Meeresspiegel und ist so der längste – verhältnismäßig schneesichere – Fernskiwanderweg Mitteleuropas. DARSSER URWALD OSTSEE Küste + Kiefer = Kunst. Wenn rauer Ostseewind auf urwüchsige Natur trifft, dann wachsen die Bäume im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft so, wie sie der Wind formt. Hier mischt sich der Geruch von salziger Brandung mit würziger Waldluft. Bis Ende November sammeln sich am Strand zwischen Ostsee und Urwald Tausende Kraniche, bevor sie in Richtung Süden ziehen. Ein beeindruckender Ort, um sich den Herbstwind um die Nase wehen zu lassen und den Zugvögeln nachzuschauen.

Unsere Welt ist aus Stein Geformt von Wasser, Wind und Zeit Sie schwitzt, wenn es heiß ist Und erstarrt, wenn es kalt ist Es ist der Ort, wo wir zusammenkommen Unsere Finger tapen Und zusammensitzen, um Stürme abzuwarten Wo wir gelernt haben, unser Bestes zu geben Und gelernt haben, zu scheitern Und manchmal Erfolg haben Wo wir gelernt haben, wann wir festhalten müssen Und wann wir loslassen müssen

ODENWALD Indian Summer gibt es nur in Nordamerika? Wer einmal im herbstlichen Odenwald unterwegs war, weiß es besser. Der vulkanische Katzenbuckel überragt als höchster Berg die umgebende Landschaft zwischen Neckar, Main und Rhein. Ob das Wort »Ode« wirklich eine Ableitung von »Sage« ist, lässt sich auf den über 6.000 Kilometern Wanderwegen herausfinden. Diese führen auf Spuren deutscher Drachentöter-Legenden durch verwunschene Wälder auf dem »Katzenbuckel«.

FOTO polen.travel

EINZIGARTIGE WÄLDER ... EUROPA POLEN - BIALOWIEZA-NATIONALPARK »Das einzig erhaltene Beispiel ursprünglicher Wälder in Europa«, so beschreibt die UNESCO die urwüchsige Landschaft des BialowiezaNationalparks im äußersten Osten Polens. Der geschützte Teil des Urwalds – mit dichtem Laub- und Mischwald – darf nur mit lizenziertem Führer besucht werden. Hier tummeln sich inmitten von durchschnittlich 130 bis 500 Jahre alten Bäumen an die 11.000 verschiedene Tierarten. So wie der König des Urwalds, das Wisent, das freilebend in Europa fast nur noch hier zu finden ist.

SCHWEDEN - MUDDUS NATIONALPARK Mysteriöse Moore und uralte Wälder – Muddus ist der Nationalpark in Schweden, der am wenigsten von jeglicher Forstwirtschaft berührt ist. Dass die Kiefern hier im Norden nicht die Höhen ihrer »Kollegen« in Zentraleuropa erreichen, ist den rauen Witterungsbedingungen, Eis und Kälte geschuldet. Nicht minder die Faszination dieser Landschaft im Winter, wenn man zu Fuß oder auf Rentierschlitten durch die vereisten Winterwälder zieht.

Fotos: Ken Etzel, Drew Smith, Miya Tsudome, Blake McCord, Austin Siadak © 2021 Patagonia, Inc.

FOTO Christian Penning

UNGARN – GEMENC AUENWALD DONAU Wenn ein Fluss regelmäßig über seine Ufer tritt und die angrenzenden Wälder flutet, dann nennt sich diese Landschaft Aue. So wie der Gemenc-Rezet, der größte zusammenhängende Auenwald Europas, 130 km südlich von Budapest. Das Donaudelta ist die Heimat exotischer Wasservögel, Rehe, Wildschweine und Rothirsche mit weltrekordgroßen Geweihen. Die verwinkelte Flusslandschaft lässt sich am besten mit dem Kanu erforschen.

SCHWEIZ - ENGADIN Im Herbst verwandelt sich die Engadiner Bergwelt in der Schweiz in ein leuch­ tendes Farbenmeer. Allem voran der God da Tamangur, Europas höchstgelegener Arvenwald. Bis auf 2.500 Meter wachsen hier knorrige Zirbelkiefern, die bis spät ins Jahr ihre Nadeln in fantastische Farbtöne werfen. Manche der Bäume sind über 700 Jahre alt! Das aromatisch duftende Arvenholz hat eine beruhigende Wirkung – auf Wanderer und Waldbader.

Hier haben wir Familien gegründet Betas ausgetauscht Wir kehrten jede Saison zurück, Jahr für Jahr Fanden unsere eigene Wildheit in der Wildnis Sprachen ihre Sprache Studierten ihre Risse und Spalten Ihre Unvollkommenheiten und ihre Zeichen Die Bewegungen, die jede Route ausmachen Das Klettern, das ein Leben ausmacht Die Stimmen, die eine Gemeinschaft ausmachen Die, die uns zurück nach Hause rufen


RAUSZEIT Winter 2021 / 2022

BESSERWISSER: Lampen und Reflektoren FOTO Will Saunders / Black Diamond

AM ANFANG WAR DAS FEUER Ob Outdoor-Aktivität oder Pendler-Alltag – beides endet im Herbst und Winter häufig in der Dunkelheit. Dabei selbst gut zu sehen, ist Spaß- und ­Sicherheitsfaktor. Apropos Sicherheit: Auch gesehen zu werden, ist ein häufig unterschätztes und vernachlässigtes Muss. Doch worauf kommt es bei der richtigen »Beleuchtung« an? RAUSZEIT hilft bei der Erleuchtung. Zugegeben: Feuer ist noch immer die mit Abstand gemütlichste Lichtquelle bei einem Abenteuer. Nichts ist besser, als bei einem Glas Rotwein mit Freunden dem Knistern der Flammen zu lauschen und über die letzten Erlebnisse zu philosophieren. Allerdings ist es weder romantisch noch ratsam, im Zelt mit einer Fackel nach der Zahnbürste zu suchen. Zum Glück haben einige helle Köpfe uns lichte Weiterentwicklungen beschert, die das Outdoor-Leben mittlerweile auch im Dunkeln sicherer und komfortabler, weil deutlich heller machen. Dabei ist elektrisches Licht, wie wir es nutzen, noch keine 150 Jahre alt und hat sich seither stark weitentwickelt. Mittlerweile ziehen wir mit modernster LED-Technik los in die Natur, um die Nacht zum Tag zu machen.

wie gut und hell eine Lampe ist, der irrt. Die Maximalgeschwindigkeit eines Autos sagt schließlich auch nichts über seine Fahreigenschaften aus. Lumen bezeichnen die unter Laborbedingungen gemessene, maximale Helligkeit einer LED. Wie lange eine Lampe diese Leistung in der Realität abgeben kann, wie viel Licht sie wirklich im Sichtbereich liefert und wie das Leuchtbild aussieht, verrät die Angabe nicht. So manche erstaunlich günstige Lampe mit atemberaubend hoher Lumen-Angabe verliert durch die entstehende Hitze bereits nach kurzer Zeit massiv an Lichtausbeute. Der Kauf einer neuen Lampe sollte daher keinesfalls nur anhand der Lumen-Angabe getroffen werden.

Die LED-Revolution und die Lumen-Lüge

Das Schweizer Taschenmesser unter den Lampen: die Stirnlampe

So klein und doch so hell: LEDs sind wahre Wunderwerke der Technik. Die Abkürzung steht für »light-emitting diodes«. Dahinter verbergen sich winzige Elektronikchips, die zu leuchten beginnen, sobald Strom sie durchfließt. Dieser Prozess wird Elektrolumineszenz genannt – wobei das an der Stelle total nebensächlich ist. Fakt ist: LEDs können massig Licht liefern. Gemessen und angegeben wird die abgegebene Lichtmenge in der Einheit »Lumen«. Wer jedoch glaubt, die Lumen-Angabe allein würde verraten,

Für jeden Outdoor-Liebhaber ist sie unverzichtbar: die Stirnlampe. Die Auswahl an Modellen ist riesig, und auch wenn es uns von Herzen leidtut, wir müssen euch an dieser Stelle enttäuschen. »Die eine perfekte Lampe für jeden Einsatzbereich gibt es leider nicht«, sagt Alexander Isphording von der Firma Ledlenser. »Je mehr Licht ein Produkt abgibt, umso größer wird es in der Regel auch«, erklärt er. Und genau darin liegt die Krux der Sache: Zum Joggen ist eine kleine, leichte

KOMPAKTE FAKTEN FÜR STIRNLAMPEN Helligkeit: Heller ist nicht immer besser! Mehr Licht heißt, mehr Gewicht und mehr Stromverbrauch. Dimmstufen sparen Energie und verhindern, vom eigenen Licht geblendet zu werden. Grobe Richtwerte: Zum Laufen und Campen reichen rund 200 Lumen, beim Mountainbiken und Skifahren sind mindestens 800 Lumen empfehlenswert. Lumen allein sagen aber nicht die ganze Wahrheit – daher unbedingt die weiteren Punkte beachten!

Leuchtbild: Achte auf den richtigen Mix aus hoher Reichweite bei gleichzeitig zur Sportart passenden Ausleuchtung im Nahbereich. Läufer profitieren von einer Lampe, die wenig nach oben abstrahlt, da sie so ihre Mitläufer weniger blenden und den Untergrund besser erkennen. Beim Skifahren ist die Weitsicht dagegen wichtig. Und zum Trekking am besten die goldene Mitte wählen.

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Passform / Montagemöglichkeiten: Die ­beste Lampe bemerkt man beim Tragen nicht. Sie darf nicht drücken und muss fest am Kopf sitzen. Entsprechend i­ndividuell muss das Kopf-Band einstellbar sein. W ­ ichtig: Achte, wenn du die Lampe beim Rad- oder Skifahren auf einem Helm tragen willst, auf geeignete Montagemöglichkeiten.

Pflichtausrüstung bei jeder Tour mit Zelt: eine gute Stirnlampe mit langer Laufzeit

TIPPS & TRICKS FÜR LICHTE MOMENTE • Starte bei der Tour mit einer möglichst niedrigen Helligkeit. Es ist leichter, mehr Licht zuzuschalten als sich an plötzliche Dunkelheit zu gewöhnen. • Trage den Akku an kalten Tagen nah am Körper, um ihn möglichst warm zu halten – das verlängert die Leuchtdauer. • Mache deine Stirnlampe zur Zeltlampe. Alles, was du brauchst, ist ein heller, dünnwandiger Drybag. Stirnlampe eingeschaltet reinlegen, an der Zeltdecke aufhängen – so wird aus dem Spotlicht ein angenehm weiches Camp-Licht.

Lampe ideal. Das lässt sich auch realisieren, da bei den geringen Geschwindigkeiten auch weniger Leuchtkraft benötigt wird. Beim Mountainbiken oder Skifahren dagegen braucht man viel mehr Licht, um weit in die Ferne blicken und sich mit relativ hoher Geschwindigkeit in einer optimal ausgeleuchteten Umgebung bewegen zu können. Den dementsprechend größeren Akku für den hohen Energieverbrauch kann man bei diesen Sportarten mit einer Kabel-Verlängerung im Rucksack verstauen. Aber wie findet man nun die persönlich richtige Lampe und worauf sollte man beim Kauf achten? Die wichtigsten Punkte erklärt die untenstehende Grafik.

Rotlicht: Gerade beim Lesen im Zelt oder beim Kartenlesen im Dunkeln ist Rotlicht als Option genial. Der Grund: Es blendet deutlich weniger als reinweißes Licht, und die Augen können schneller zwischen Hell und Dunkel wechseln, da sich die Pupillen weniger verengen. Eine Rotlicht-LED ist deutlich praktischer als ein Filter, den man extra aufsetzt und schnell mal verliert.

Gewicht: Weniger Gewicht bedeutet mehr Tragekomfort. Um Gewicht am Kopf zu sparen, kann der Akku bei großen Lampen gegebenenfalls in den Rucksack wandern.

Akku vs. Batterien: Hier gibt’s eine klare Empfehlung für den Lithium-Ionen-Akku. Er liefert eine konstantere Lichtleistung, ist umweltschonender, weil deutlich länger haltbar und weniger empfindlich bei Kälte. Probleme mit dem aus früheren Tagen vielleicht noch bekannten sog. »Memory-Effekt« gehören bei Qualitätslampen der Vergangenheit an. Außerdem hält er bei langer Nichtbenutzung seine Kapazität. Für Batterien spricht eigentlich nur, dass man sie bei Bedarf unkompliziert austauschen kann – austauschen lassen sich bei vielen Modellen die Akkus aber auch.

IP-Klasse: Die IP-Schutzklasse beschreibt, wie gut die Lampe gegen Staub und Wasser abgedichtet ist. Je höher die Zahl, umso länger hält die Lampe Einflüssen stand. IP64 bedeutet z.B. kompletter Staubschutz und Schutz gegen allseitiges Spritzwasser. Bei IP67 ist die Lampe bis 30 Minuten wasserdicht beim Untertauchen. Ein X in der IP-Klasse sagt aus, dass ein gewisser Test nicht durchgeführt wurde (z. B. IPX7 = wasserdicht, aber nicht auf Staubschutz getestet).


In der kälteren Jahreshälfte gilt es zwei Dinge zu beachten: die längere Nutzungszeit der Lampen aufgrund der kürzeren Tageslichtzeiten und die schneller schwindenden Akkus aufgrund der Kälte. Deshalb: Lampe, wenn möglich, körpernah tragen.

FOTO Wowow

FOTO Moritz Becher

FOTO Christian Adam / Black Diamond

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Links: Je schneller die Sportart, desto präziser das Licht. Nicht nur selbst sehen, sondern auch gesehen werden ist im ­Straßenverkehr extrem wichtig.

Gesehen werden – und am Leben bleiben

­Verantwortungsvoll in die Natur

Schneller Realitätscheck: Leider sind wir nicht jeden Tag bei einem Abenteuer in der Natur. Sehen und vor allem gesehen zu werden, ist aber dennoch jeden Tag wichtig – speziell im Straßenverkehr, ob unterwegs zur Arbeit oder bei der Freizeit. Neben aktiver Beleuchtung wollen wir gerne eine Lanze für Reflektoren brechen. Sie erhöhen die Sichtbarkeit enorm, sind unkompliziert, brauchen keinerlei Energie und reduzieren das Risiko, übersehen zu werden. Ach ja, preiswert sind sie auch – obwohl das bei der Frage nach persönlicher Unversehrtheit nicht Prio 1 haben sollte. Die Rückstrahlkraft von guten Reflektoren ist enorm. Entweder sie sind – wie z. B. bei allen Radtaschen der Marke Ortlieb – fest am Produkt angebracht oder fungieren als simples Accessoire als routinierte, aber lebensrettende Ergänzung zu Mütze und Handschuh, wie etwa leichte Warnwesten, -gurte oder Ärmelschlaufen.

Eine Sache liegt uns noch sehr am Herzen: Wir sind selbst unglaublich gerne in der Natur unterwegs. Aber: Der Winter ist für Wildtiere eine schwierige Jahreszeit. Schnee und Kälte sind für sie sehr kräftezehrend, Nahrung oft nur spärlich verfügbar. Auch wenn es uns die moderne Lichttechnik ermöglicht, eigentlich zu jeder Tages- und Nachtzeit unsere Outdoor-Leidenschaft auszuüben, ist das mit Blick auf die Natur nicht immer fair und angebracht. Deshalb hier unsere vier Regeln für möglichst naturverträglichen Outdoor-Sport in der Winterzeit: • Respektiere Schutzzonen! • Nutze breite, etablierte Wege – schmale Pfade speziell durchs Unterholz meiden. • Umgehe Futterstände und alle anderen bekannten Aufenthaltsorte von Tieren großräumig. • Bleib bei Nachtskitouren auf ausgewiesenen Routen und Pisten.

Tankt sich selbst voll. Diese Solarleuchte liefert nach fünf Stunden Ladezeit in der Sonne bis zu vier Stunden Licht. Das Little Sun Projekt unterstützt obendrein mit jeder verkauften Leuchte eine Gemeinschaft ohne Strom in Afrika. RELAGS Little Sun LED Solarleuchte Preis: 24,95 Euro Gewicht: 96 g Leuchtdauer: 4 Stunden

Text: Christoph Bayer

Romantik trifft Praktikabilität. Die Beacon Laterne liefert ebenso stimmungsvolles wie effektives Licht, egal, ob beim WinterCamping oder stoischem Weitergrillen auf der verschneiten Terrasse. Sie ist voll dimmbar, leuchtet bis zu 200 Stunden und ist dank des internen Akkus immer wieder aufladbar. BAREBONES Beacon Laterne Größe: 15 x 7,5 cm Helligkeit: 30 - 220 Lumen Akkulaufzeit: bis zu 200 Stunden Preis: 59,95 Euro

Bei Nacht im Wald ist dieser Reflex-Gurt überflüssig, bei der Jogging-Runde im urbanen Umfeld oder auf dem Weg ins Büro ist er aber ein echter Lebensretter. Mit ihm wird man garantiert nicht mehr übersehen, und falls doch – war es Absicht. WOWOW Reflex-Schärpe Cross Belt max. Bauchumfang: 130 cm Gurtbreite: 4 cm Preis: 19,95 Euro

Diese Lampe mit Mini-Rücklicht wiegt weniger als die Hälfte eines Apfels und macht noch dazu reichlich Licht für die nächtliche Jogging-Runde. 240 Lumen iefern in drei Modi bis zu 30 m Leuchtweite. Lange Runde? Kein Problem! Der Li-IonAkku hält sechs bis 40 Stunden. LED LENSER NEO6R Mit dabei: ein Brustgurt für blendfreies Laufen in der Gruppe. Gewicht: 95 g Helligkeit: 20 - 240 Lumen Akkulaufzeit: 200 - 6 Stunden Preis: 49,95 Euro

Richtig viel Licht im Hosentaschenformat liefert die P5R Core. Drei Lichtmodi bieten entweder maximale Leistung, extra lange Laufzeit oder eine StroboskopFunktion. LED-LENSER P5R Core Gewicht: 75 g Helligkeit: 20 - 420 Lumen Akkulaufzeit: 15 - 3 Stunden Preis: 69,95 Euro

Kompakt, leistungsstark und ein echtes Universaltalent für jedes Abenteuer. Möglich machen das ein geringes Gewicht von 100 g und die Leuchtkraft von 900 Lumen. Der Clou: Die Leuchtkraft und die Form des Lichtkegels werden über einen Helligkeitssensor automatisch angepasst, um die Akkulaufzeit zu optimieren. Bergsteigen, Trailrunning oder Skifahren? Mit der Swift RL geht alles. Petzl Swift RL Gewicht: 100 g Leuchtkraft: 100 - 900 Lumen Preis: 99,95 Euro

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EINBLICK: RAB

ROCK’N’RAB Rab Carrington hatte nicht die Absicht, Unternehmer zu werden. Eigentlich wollte er nur klettern. Heute tragen Tausende Outdoorer seinen Vornamen auf der Brust, im Logo der englischen Marke Rab. Und vermutlich wäre es nie dazu gekommen, hätten damals in Liverpool nicht die Hafenarbeiter gestreikt. Rückblickend hat Rab Carrington einiges richtig gemacht im Leben. »Nach zehn Jahren voller Klettertrips habe ich erst spät angefangen zu arbeiten – und habe mich dann früh zur Ruhe gesetzt, um das Leben zu genießen. Sollte das nicht das Ziel von uns allen sein?«, sagt er mit der Weisheit von 74 Lebensjahren. So spricht kein Workaholic. Und keiner der Unternehmer, die gerne so tun, als hätten sie das Rad neu erfunden. Aber so redet einer, der clever genug war, zur richtigen Zeit die richtigen Dinge zu tun. Der sicher auch fleißig war. Und der in jungen Jahren aus einer Not eine Tugend machte. Die Geschichte beginnt 1973: Der damals 26-jährige Rab reist mit einem Kletterkumpel nach Argentinien. Sie möchten den Fitz Roy (3406 m) erklimmen, einen ikonischen Granitzinken in den patagonischen Anden. Dummerweise gibt es zu dieser Zeit in England Streiks – und so bleibt die Ausrüstung der beiden im Hafen von Liverpool hängen. »Wir haben uns die Zeit in Buenos Aires mit Essen, Trinken und Partymachen vertrieben«, erzählt Rab schmunzelnd. Aber nicht nur. Denn der junge Schotte lernt einen Argentinier namens Hector Vieytes kennen. »Hector war selbst Kletterer und hat Schlafsäcke, Daunenjacken und -hosen für die örtlichen Bergsteiger hergestellt«, erzählt Rab. Zunächst ohne Bezahlung hilft Rab ihm in den Wochen des Wartens dabei, Muster zu produzieren. Hector erhoffte sich einen

Auftrag des argentinischen Militärs. Letztlich arbeitet Rab sechs Monate lang für Hector. »So habe ich in Buenos Aires gelernt, wie man Daunen-Ausrüstung herstellt.« Ebenfalls 1973 zog Rab von Glasgow nach Sheffield. Die mittelenglische Stadt wurde durch die Stahlindustrie bekannt, ist aber auch das Kletter-Mekka von Großbritannien. Das verdankt die »Steel City« nicht zuletzt dem nahen Peak District. Ein Teil dieses felsigen Nationalparks erstreckt sich bis ins Stadtgebiet. Das ideale Revier für Rock’n’Rab.

Aufsteiger: Rab Carrington ist nicht nur ein ­erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ein ­leidenschaftlicher Alpinist.

Aufwärmer: Mit Equipment für eisig kalte Verhältnisse machte sich Rab einen Namen. Noch heute schaut der Gründer und Namensgeber regelmäßig in der Firma Rab vorbei (rechts unten).

Manufaktur im Dachgeschoss Jedenfalls beginnt Rab 1981 im Dachgeschoss seines Reihenhäuschens und gemeinsam mit seiner Frau Sue, Schlafsäcke zu fertigen und zu reparieren. Dabei greift er nicht nur auf die handwerklichen Fähigkeiten zurück, die er aus Buenos Aires mitgebracht hatte. Von seinen zahlreichen Klettertrips auf der Insel, in den Alpen oder auch im Himalaya weiß er aus eigener Erfahrung, wo­ rauf es beim Equipment ankommt. Die handgefertigten Schlafsäcke finden Anklang in der örtlichen KletterCommunity und immer weiter darüber hinaus. Plötzlich ist Rab Unternehmer – und gibt seiner Firma seinen Namen. Einen enormen Schub erlebt sein Business in den 1980er-Jahren. Denn: Die englische Stoff-Marke Pertex

kommt mit einem Kunstfasergewebe auf den Markt, das nur noch rund die Hälfte herkömmlicher Materialien wiegt – die ideale Außenhülle für leichte Schlafsäcke oder Daunenjacken. Mit seiner Begeisterung für neue »Fabrics« legt Rab einen roten Faden, der sich durch die Firmengeschichte ziehen wird. »Rab hatte ein sehr tiefes Verständnis davon, was Materialien ausmachen, wie sie Tragekomfort und Anwendernutzen erzeugen und wie sie zusammenwirken«, sagt Tim Fish, der aktuelle Product Director der Firma. »Das ist bis heute ein typisches Rab-Ding«, ergänzt Tim und nennt als Beispiel das zweilagige Vapour-Rise Jacket. »Es erfüllte schon alle Wünsche an eine Softshell-Jacke, noch ehe man überhaupt von Softshell sprach. Kürzlich haben wir die Jacke wieder überarbeitet und uns dabei sehr nah an Rabs Originalkonzept orientiert. Ich als Produktmensch würde also sagen, dass Rabs Erbe noch äußerst lebendig ist.«

Zeit für den Ausstieg Zeitsprung. Aus der kleinen Schlafsack-Manufaktur im Dachgeschoss war rasch eine Firma mit mehreren Angestellten geworden. Um die Jahrtausendwende aber änderten sich die Rahmenbedingungen. »Unsere Mitbewerber verlegten die Produktion nach Asien und


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wir, die nach wie vor in Sheffield fertigten, mussten zunehmend kämpfen, um in Sachen Preis und Liefermenge mithalten zu können«, erinnert sich Rab. »Weder Sue noch ich hatten das nötige Know-how noch Lust darauf, die Produktion aus Sheffield heraus zu verlagern.« Und so entschieden sie sich 2003, die Firma zu verkaufen. Neuer Eigentümer ist die englische Firma Equip Outdoor Technologies Ltd, die neben Rab mit Lowe Alpine eine weitere sehr renommierte Outdoor-Marke übernommen hat. Die Firmenzentrale liegt in Alfreton, etwa 30 Kilometer südlich von Sheffield. »Rab schaut ab und zu bei uns im Büro vorbei«, erzählt Tim. Er war selbst als Student nach Sheffield gezogen und ein früher Kunde von Rab: »1994 habe ich ihm mal einen alten, abgenutzten Schlafsack vorbeigebracht. Er hat ihm eine neue Hülle verpasst.« Heute treffen sich Rab und Tim oft auch zufällig im Pub »The Union«, denn sie wohnen in Sheffield in derselben Straße. Das Sortiment von Rab deckt heute Bekleidung und Accessoires für sämtliche Bergsport-Aktivitäten ab, von Wandern über Klettern bis hin zum Skibergsteigen. Während die meisten Bekleidungsstücke in Asien gefertigt werden, ist ein Kernstück der Produktion in

England geblieben: Noch heute befüllt Rab seine Daunenschlafsäcke auf der Insel. In der Produktion, ebenfalls in Alfreton gelegen, arbeiten noch einige Mitarbeiter aus Rabs Anfangsjahren. Außerdem gibt es dort ein großes Reparatur- und Wasch-Center. Und im Laufe dieses Jahres soll ein weiteres Service-Center in den Niederlanden eröffnet werden, speziell für die Kunden in Kontinentaleuropa.

Ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele Die Langlebigkeit und Pflege der Rab-Produkte dienen zugleich der Nachhaltigkeit. Für Debbie Read, CSRManagerin bei Equip Outdoor, ist auch dies ein Erbe des Firmengründers: »Schon in den 70ern und 80ern hat Rab großartige Qualität geliefert, designt von Kletterern für Kletterer. Das ist wahrscheinlich das nachhaltigste Ausrüstungsteil, das man sich vorstellen kann: etwas, das dazu gemacht ist, damit es hält und intensiv genutzt wird.« Mittlerweile gehört noch deutlich mehr dazu, eine nachhaltige Outdoor-Marke zu sein. Als Hersteller von Daunenprodukten trägt Rab zum Beispiel eine hohe Verantwortung für das Tierwohl. 2010 wurde die Firma nach dem »Responsible Down Standard« zertifiziert. Seit 2019 setzt sie auch recycelte Daunen ein. Sie stammen unter anderem aus alten Bettdecken und werden von einer italienischen Spezialfirma aufbereitet. Ein möglichst hoher Anteil an Recycling-Materialien, Reduzierung von Verpackungsmüll, Abschied von Fluorcarbon bei Imprägnierungen – das sind nur drei von zahlreichen weiteren Punkten auf Debbies Agenda, bei denen Rab Fortschritte macht. Besonders freut sie, dass Rab 2020 Mitglied der Fair Wear Foundation geworden ist. Und seit 2020 trägt Rab auch das Siegel einer klimaneutralen Firma. Bis 2030 möchte Debbie noch einen großen Schritt weiter sein: Das Ziel heißt »Carbon Net Zero«. Bedeutet: Rab kompensiert nicht nur seine Treibhausgas-Emissionen, sondern fährt

Die Vapour-Rise-Linie, eine Eigenentwicklung von Rab, war ein Meilenstein mit typischem Understatement: »Sie erfüllte schon alle Wünsche an eine Softshell-Jacke, noch ehe man überhaupt von Softshell sprach«, sagt Tim Fish, Product Director bei Rab. Ein Blick ins Archiv – Bilder links und Mitte oben – zeigt die ersten Modelle dieser wichtigen Produktlinie.

sie auf ein absolutes Minimum zurück. Dieser Prozess wird von der unabhängigen Klimaschutzorganisation South Pole begleitet. Auch für Debbie ist die Funktionalität der Ausrüstung »das höchste Gut«. »Denn auch im Sinne der Nachhaltigkeit wollen wir ja, dass unsere Kundinnen und Kunden die Produkte intensiv nutzen. Ein kaum genutztes Produkt wäre Verschwendung.« Und mit intensiver Nutzung kennen sie sich aus. »Wir leben auf einer matschigen Insel, wo es viel zu oft regnet«, sagt Tim lächelnd. »Wenn du mal im Lake District bei Dauerregen wandern warst oder im Winter in Schottland zum Klettern – das kann richtig garstig sein, und da muss deine Ausrüstung bestens funktionieren.« Wie Tim, so sind viele Mitarbeiter von Rab begeisterte Outdoorer. »Es gehen häufig Kollegen gemeinsam klettern, biken oder laufen.« Und zwar bei jedem Wetter: »Wenn wir fürs Wochenende irgendwo hinfahren, dann gehen wir auch raus, egal, wie das Wetter ist. Denn wenn wir zum Wandern oder Biken immer auf schönes Wetter warten würden – da kämen wir ja übers Jahr gesehen zu gar nichts.« Rab Carrington himself genießt derweil das Klettern und engagiert sich ehrenamtlich im British Mountaineering Council (BMC). Dort betreut er vor allem die Wettkämpfe und freut sich sehr darüber, dass Klettern nun olympisch ist. Und was wünscht er sich für »seine« Firma bis zum runden Jubiläum in zehn Jahren? »Dass das Management mit den Veränderungen Schritt halten kann, seien es neue Materialien, andere Beschaffungsmethoden oder Richtungsänderungen innerhalb unseres Sports.« So wie er selbst, so habe auch die Firma mit seinem Namen bisher »ein gutes Leben« gehabt, sagt der Namensgeber. »Und wenn Rab auch nach 50 Jahren noch an der Spitze steht – das wäre doch eine tolle Leistung.« Text: Ingo Wilhelm Fotos: zvg RAB

Mit Leidenschaft aktiv draußen sein. Aber aufrichtig: Nachhaltigkeit spielt bei Rab eine immer größere Rolle. Frei nach dem Motto »Save our Schmuddelwetter!«

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NACHGEFRAGT: Harriet und Rob Fraser

KUNST AM BAUM Ein britisches Künstlerpaar schmückt den heimischen Lake District mit ­wortstarken Installationen – und verbindet sie auf einer Trekkingtour zu einem Gesamtkunstwerk. Mit diesem und weiteren Projekten wollen die Dichterin und der Fotograf vor allem eines erreichen: »wie wir als Menschen bessere ­Umweltbürger werden«. Dieser regnerische Tag im Lake District Nationalpark ist nicht gerade ein Sommermärchen. Doch Harriet und Rob sind Briten und als solche nicht wetterfühlig. Im Gegenteil: »Gerade solche Tage, wenn ich die Elemente spüre, bleiben bei mir am längsten erhalten«, erklärt Rob. »Collecting data of the heart«, nennt er das. Also Eindrücke und Emotionen sammeln, die sich besonders tief einprägen. Außerdem kämpfen sich Harriet und Rob an diesem Tag nicht bloß zum Vergnügen einen weglosen Hang mit tropfnassen Farnen hinauf – was sich in etwa so anfühlt wie Bergsteigen in einer Autowaschanlage. In ihren Rucksäcken tragen sie Campingausrüstung und Proviant für 13 Tage. Auf dieser 250 Kilometer langen Trekkingtour wandern sie alle Orte ab, an denen sie im Lauf des Jahres zwölf Leinwände mit kurzen Textbot­ schaften errichtet hatten. Diese Worte fügen sich zu einem Gedicht zusammen – und bilden gemeinsam mit Robs Fotos den Grundstock für eine Ausstellung zum Projekt »Sense of Here«.

Im Hier und Jetzt »Sense of Here« – der Titel beschreibt schon recht gut, worauf es Harriet und Rob ankommt. Als die fünf Prinzipien ihres Schaffens nennen sie: unterwegs sein – pausieren – reflektieren – antworten – verbinden. »Wir möchten die Menschen neugierig auf Orte machen, Orte hier im Lake District, aber auch anderswo«, sagt Harriet. »Wir möchten ein Bewusstsein schaffen, wie die Räume sind, wie sie geworden sind und wie sie besser geschützt werden können.« Der Lake District ist eine Kulturlandschaft, die seit

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Jahrhunderten vom Mensch geformt wird. Zurück zur Wildnis – das ist keineswegs das Ziel der Frasers. Die 51-jährige Harriet, eine studierte Religionswissenschaftlerin, sieht zum Beispiel die örtlichen Farmer weniger als Problem, sondern als Teil der Lösung: »Diese Menschen sind konstant in Berührung mit dem Land und den dort lebenden Tieren.« Rob, 58, ergänzt: »Wir möchten, dass Menschen weiter das Land bewirtschaften – aber auf eine respektvolle Weise.« Auch im Lake District macht sich der Klimawandel bemerkbar, ebenso wie das Artensterben. Ein weiteres Problem ist Overtourism, die vielen, vielen Busladungen von Besuchern. Und so versuchen Harriet und Rob mit ihrer Kunst, alle Parteien zusammenzubringen, damit alle an einem Strang ziehen: Umweltschützer, Farmer, Einheimische, der Tourismus … Bei ihren Ausstellungen oder geführten Touren kommen gegensätzliche Standpunkte einander näher. »Nachhaltiger Fortschritt findet auf dem Mittelweg statt«, sagt Harriet. »Deshalb ist es für uns entscheidend, Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen in die Projekte zu integrieren. Wenn alle immer nur auf ihren Extremforderungen beharren und rumschreien – das bringt die Menschheit nicht weiter.«

Weit gereist Sowohl Harriet als auch Rob haben mittlerweile erwachsene Kinder aus früheren Beziehungen. Vor elf Jahren sind die beiden zusammengekommen – privat wie auch künstlerisch zu ihrem Zwei-Personen-Kollektiv »Somewhere Nowhere«. Die in Südengland geborene Harriet war nach dem Studium in Manchester nach Indien gegangen. Dort begann sie als Autorin für die

Der englische Lake District bildet die Bühne für die Kunstaktionen der Frasers – und für ihre ­Outdoor-Aktivitäten.

erste Ausgabe von »The Rough Guide to India« ihre literarische Laufbahn, arbeitete später als Reise- und Outdoor-Autorin für Presseagenturen. Nach der Geburt ihres ersten Kindes wurde sie in England sesshaft und schrieb zahlreiche Medizinbücher, unter anderem über emotionale Gesundheit. Der gebürtige Schotte Rob arbeitet seit mehr als 40 Jahren als Fotograf, die meiste Zeit freischaffend. Er liebt es, mit verschiedenen Kameras zu arbeiten, digital wie auch analog, vom Handy über Mittelformat und Panorama bis hin zur Lochkamera. Außerdem ist er Bergführer und hat mehr als 70 Trekkingtouren weltweit geführt, darunter viele im Himalaya. Ihre Lebenswege vereinten sich im Lake District. Wo die Natur altnordische Namen trägt wie etwa »Fell« für Berg. »Die Landschaft hier hat vielleicht nicht das Drama wie der Himalaya oder die Dolomiten«, sagt Harriet. »Aber sie hat ihr eigenes Drama. Es gibt durchaus harsche Felsflanken, und das Wetter ist oft stimmungsvoll.« »Obwohl der Nationalpark nicht riesig ist, kannst du dich hier meilenweit entfernt von allem fühlen«, sagt Rob. »Mich macht diese Landschaft demütig. Und gerade im Winter können unsere Fells durchaus eine Herausforderung sein, insbesondere wenn du mit diesen Verhältnissen nicht vertraut bist und nicht die richtige Ausrüstung dabei hast.« »Oh ja«, ergänzt Harriet lachend, »es ist wichtig, warme Füße zu haben, wenn du auf einem Berg sitzt und dichtest.«

Kreatives Wandern Draußen zu sein ist integraler Bestandteil all ihrer Kunstaktionen. Beim Projekt »The Long View« beschäftigten sich Harriet und Rob zwei Jahre lang mit sieben alleinstehenden Bäumen in der Grafschaft Cumbria, in der auch der Lake District liegt. »Nicht nur für Rob als Fotograf sind Raum und Licht entscheidende Faktoren«, sagt Harriet. »Auch für mich ist Raum sehr wichtig, Raum und Bewegung.« Wie die Schauplätze ihrer Leinwand-Installationen, so verbanden Harriet und Rob auch alle sieben Bäume


© Chiemgau Tourismus e.V.

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10 Fragen an Harriet und Rob Fraser: mit einer Trekkingtour – 118 Kilometer lang. Die Fotos und Gedichte des Projekts brachten sie auf verschiedensten Wegen zu den Menschen, von öffentlichen Events bis hin zu Online-Workshops. An den geführten Touren zu den Bäumen nahmen in Summe mehr als 350 Menschen teil. Das jüngste Projekt heißt »Artful Ways«. Dabei animieren Harriet und Rob andere Künstler, ihre Kreativität auf Wanderungen durch Cumbria auszuleben. Ergebnis ist unter anderem eine interaktive digitale Karte, auf der die Teilnehmer ihre Route, Fotos und ihre Gedanken festhalten können. Die neuen Medien spielen eine wichtige Rolle in Harriets und Robs Arbeit. So pflegen sie nicht nur eine hervorragende Website (www.somewherenowhere.com), sondern nutzen auch Instagram oder die Videoplattform Vimeo, um ihre Kunst und ihre Botschaften zu vermitteln. »Mit die größte Freude bereitet es mir, wenn ich sehe, wie andere Menschen auf unsere Inspirationen reagieren«, sagt Harriet. »Du gibst einen Funken und siehst, welches Licht du damit entfachst. Unsere Kreativität hilft Menschen, die Natur zu verstehen und in ihr zur Ruhe zu kommen.« Wie etwa der ältere Pfarrer, der nach einem von Harriets Workshops schwärmte: »Zum ersten Mal stand ich zwischen Bäumen – und stand einfach nur zwischen Bäumen.« Text: Ingo Wilhelm Fotos: Rob Fraser

Glaubst du an Schicksal, und wenn ja, warum? HARRIET Nein, ich glaube nicht an das Schicksal. Ich glaube an Ursache und ­Wirkung. Ich bin nicht abergläubisch. — ROB Nein, das Leben ist eine Reihe von Konsequenzen, die als Ergebnis unserer Handlungen passieren. Bitte vervollständige folgenden Satz: Ein Abenteuer ist ... HARRIET … ein Geschenk, und der Beginn einer neuen Geschichte. — ROB … etwas zu tun, wovor man ein wenig Angst hat. Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du unterwegs nicht verzichten? HARRIET Wenn ich es auf eine Sache eingrenzen müsste, wären es meine Wanderschuhe. Aber was ist dann mit meinem Lieblingshut? Kann ich den auch mitnehmen? — ROB Neben meinen Kameras gutes Schuhwerk: Es gibt nichts Schlimmeres, als auf einer mehrtägigen Reise mit kalten, nassen Füßen unterwegs zu sein. Was hat dir im Leben schon mal richtig Angst gemacht? HARRIET Ich hatte Malaria in

Ostindien und fühlte mich dem Tod nahe, bevor ich in der Lage war, medizinische Hilfe zu bekommen. — ROB Der ständige nagende Gedanke, dass ich vielleicht nicht die Zeit habe, alles zu erreichen, was ich machen möchte. Wer war der beeindruckendste Mensch, den du je kennengelernt hast, und warum? HARRIET Der Dalai Lama. In seiner Gegenwart zu sein, war unglaublich. — ROB Es fällt mir schwer, zu sagen, wer das sein könnte. Es gibt beeindruckende Menschen da draußen, die ich gerne kennenlernen würde, einige leben, viele sind tot. Was hast du im Leben wirklich Relevantes gelernt? HARRIET Puh, ist nicht alles relevant? Der Fehler wäre, durch das Leben zu ­gehen, ohne zu lernen, sowohl die kleinen als auch die großen Lektionen. — ROB Jeder Tag ist ein Schultag. Bleib neugierig und sei offen für Neues.

Welchen Kindheitstraum hast du dir erfüllt? HARRIET Nach Utah zu gehen und unter den Sternen in der Salzwüste zu schlafen. — ROB Ich lebe immer noch den Traum; ich mache die Art von Arbeit, die ich mir vor 15 Jahren noch nicht hätte vorstellen können, mit einer Person, die mir jeden Tag das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Welche Dinge werden heutzutage oft überschätzt? HARRIET Geschwindigkeit, »Bequemlichkeit« und Populismus. — ROB Menschen, die durch nichtssagende Reality-TV-Shows berühmt geworden sind. Wie würde der Titel deiner Autobiografie lauten? HARRIET An den Ort gehen. — ROB Still Learning.

Was ist Glück für dich? HARRIET Auf einem Berggipfel zu sitzen und zu sehen, wie der Tag ankommt. — ROB Ein Pint Ale mit Harriet nach einer langen, harten Wanderung in den Bergen im Winter zu trinken.

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Berlin

Ötztal

PRODUKTINFORMATION: DEUTER FUTURA 30 SL UND 32

LIE ESERKLÄRUNG »MEHR ALS DIE VERGANGENHEIT I­NTERESSIERT MICH DIE ZUKUNFT, DENN IN IHR GEDENKE ICH ZU LEBEN.« (ALBERT EINSTEIN)

Sie sagt: Back to the Futur(a)

17 Jahr, blondes Haar, der Rucksack lag vor mir. Spontan hatten eine Freundin und ich uns entschlossen, das gute Wochenendwetter für eine dreitägige Bergtour zu nutzen. Alles, was ich dafür brauchte, wurde einfach in den Rucksack gestopft. Regenjacke. Check. Hüttenschlafsack. Check. Proviant für drei Tage. Check. Genial: die zahlreichen Fächer am und im Rucksack! So konnten auch alle meine »Teenage Essentials« dabei sein: coole Sonnenbrille fürs »Chillen« in der Abendsonne, Schminktäschchen für potenziell attraktive Hüttenbegegnungen und blumig duftende Body-Lotion für ein glänzendes Aussehen. Das war vor 15 Jahren. Und heute? Vieles hat sich geändert, nur das Rucksack-Modell nicht. Der Inhalt: angepasst an die aktuellen »Umstände«. Meine Regenjacke – immer noch da. Aber aus den Teenager-Notwendigkeiten wurden: eine weitere Regenjacke – fürs Kind. Puppe. Snackbox. Motivationsschokolade. Taschentücher. Wechselkleidung. Insekten-Lupe. Flasche Mama. Flasche Kind. Flasche Puppe. Sonnencreme. Check. Check. Check. Praktisch (oder sollte ich sagen: de-eskalierend!) sind auch heute die (Außen-) Fächer für »Notfall-Krimskrams«, der immer griffbereit sein sollte. Um schnell und flexibel auf Anfragen der Art »Mama, mir ist kalt«, »Mama, ich habe Durst!« oder »Mama, ich brauch‘ jetzt die Puppi – SOFOOORT!« reagieren zu können. Es scheint, als hätte Deuter die Zukunft vorhergesehen, als sie »meinen« Futura vor genau 23 Jahren entwarfen. Passend und Lasten ausgleichend – in jeder Lebensphase. In der Vergangenheit, Gegenwart – und natürlich: in the Futur(a) .... Text: Melanie Hauser

kind Puppe

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Mama

Eigentlich sollte hier nur ein Satz stehen: Komm‘ zu uns in den Laden und probier‘ ihn aus. Denn das ist eigentlich die wichtigste Regel beim Rucksackkauf. Der Vorteil bei Deuters gut 1400 Gramm schweren Futura-Modellen 30 SL und 32: Sie passen eigentlich fast jeder und jedem. Das Tragesystem ist wirklich komfortabel und überträgt das Gewicht zugleich präzise. Die Lastenkontrolle – wichtig bei z. B. ausgesetzten Passagen – ist hervorragend, auch dank des integrierten Rundprofilrahmens aus Federstahl. Die Raumaufteilung der 30 bzw. 32 Liter fassenden Modelle ist praktisch von klein (Deckeltaschen) bis groß (Hauptfach). Das SL-Modell ist speziell für Frauen entwickelt: kürzere Rückenlänge, schmalere Schulterträger, konisch geformte Hüftflossen. Was wir wirklich großartig finden: das optional per Reißverschluss abgetrennte Bodenfach und die Stretch-Tasche an der Vorderseite zum schnellen Verstauen von Kleidung. Ansonsten ist alles dran und drin, was das Wandererherz begehrt. Wie gesagt: Herzlich willkommen zur Anprobe! Preis: 154,95 Euro

Er sagt: Einer für alles

Als Student lebte ich mit Gegebenheiten, von denen man – im Vergleich zum Lebensweg der folgenden circa 40 Jahre – wenig und viel hatte: wenig Platz, wenig Kohle, viel Zeit. Dinge, die in diesem Lebensabschnitt Platz finden sollten, mussten vor allem eines sein: vielseitig. Und Rucksäcke gab es genau zwei: den großen Reise-Rucksack für Langzeit-Absenzen jeder Art. Und meinen Futura. Der meisterte meine so oft wie möglichen Wander-, Berg- und Skitouren ebenso wie nahezu alle zu tragenden Herausforderungen des Alltags. Ich erinnere mich noch ziemlich genau an den Moment des »Kennenlernens« im Laden: »Ich brauche einen Rucksack.« »Wofür?« »Eigentlich alles. Uni. Einkaufen. Wandern. Reisen. Draußen sein.« »Probier‘ mal diesen.« Zugegeben, mein Futura war keine heißblütige Liebe auf den ersten Blick. Eher wie eine Sandkastenfreundschaft, die von Anfang an gepasst hat. Aber ab diesem Tag hatte mich dieser Rucksack bei nahezu allem begleitet. Vermutlich habe ich mit ihm mehr Zeit verbracht als mit den meisten mir nahestehenden Menschen. Ich glaube, unsere Beziehung war auch deshalb so unglaublich wertvoll, weil er auf der einen Seite treu, unkompliziert und zuverlässig mein Lastenträger war – und ich ihn gleichzeitig dabei kaum wahrgenommen habe. Der Einzige, der ihn nach vielen Jahren wirklich ersetzen konnte war: mein neuer Futura. Text: Norbert Scharfenberg

FOTO Sahin Sezer Dincer  / Unsplash

Stockholm


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