SchiessenSchweiz 08/12

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Rückblende

«Schlecht schiessen   war nicht meine Art!» Der 75-jährige Theo Ditzler, Weltmeister und achtfacher Schweizermeister, ist immer noch eng mit dem Schiesssport verbunden. Noch heute verfolgt er mit Interesse die Wettkämpfe der heutigen Spitzenleute. Dass diese und der Schiesssport im Generellen in den regionalen Medien immer weniger Beachtung finden, ärgert den ambitionierten Schützen. «SchiessenSchweiz» besuchte ihn in seinem Heim in Dornach. Béatrice Dürrenberger «Wenn Theo den Finger krümmt, klimpert das Gold», jubelte damals am 26. Oktober 1970 der «Blick». Gemeint war Theo Ditzler, frisch erkorener Weltmeister im Herren Einzel sowie in der Herrenmannschaft zusammen mit Andreas Beyeler, Erich Bürgin und Emile Kohler. 42 Jahre später in seinem Haus in Dornach erzählt er von seiner spannenden Karriere. «Diese Erfolge habe ich mir mit intensivstem Training hart erarbeitet. Jeden Tag bin ich nach getaner Arbeit als Plattenleger noch trainieren gegangen, ob ich müde war oder nicht», erzählt er. Seine Frau Doris wirft lachend ein, dass sie ihm einmal spasseshalber gedroht habe, sie stelle ihm sein Bett in den Schiessstand, da er mehr dort beim Training als zuhause bei der Familie war. Unterstützt habe sie ihn aber immer. «Wir haben die Vereinbarung getroffen, dass Theo aufhört, wenn unser erstgeborenes Kind in die 1. Klasse geht, und so war es für mich in Ordnung.»

Alle waren aus dem Häuschen Obwohl Ditzler immer sehr gut geschossen hatte, wurde er erst mit 32 Jahren für die Trainings der Nationalmannschaft eingeladen. «Man wollte schauen, ob ich mich überhaupt eigne», erinnert er sich lachend. Bei diesen Trainings räumte er fast alles ab. «Da blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als mich für die Ausscheidung für die Nationalmannschaft einzuladen», witzelt er. Auch bei dieser Ausscheidung habe er sich durchsetzen können. Noch im gleichen Jahr reiste er an die Europameisterschaft nach Pilsen in der damaligen Tschechoslowakei. Die

Theo Ditzler mit seiner Frau Doris ersten Wettkämpfe liefen gar nicht gut. So entschied der damalige Gruppenchef, dass Ditzler nun doch mit dem Kleinkaliber Standardgewehr schiessen müsse. Dabei hatte Ditzler sein Gewehr nicht dabei, war er doch für diese Disziplin gar nicht vorgesehen. «Darauf hingewiesen meinte der Gruppenchef lediglich, ich solle dann halt mit dem Gewehr von Beyeler schiessen. Man stelle sich das heute mal vor», schmunzelt er. «Ich hatte weder mit Beyelers noch mit einem Gewehr dieses Fabrikats geschossen. Ich war gar nicht gut.» Das Schlamassel der Schweizer wurde aber erst recht gross, als sich Hans Simonet bei der Siegerehrung der Russen ganz selbstvergessen und gemütlich auf einer Bank niederliess. «Wissen Sie, das war kurz vor dem Prager Frühling. Da waren ja alle nervös. Alles stand zur russischen Hymne auf, nur der Hans nicht. Der war zwar sicher 150 Meter entfernt, aber die Russen haben das als Staatsbeleidigung angesehen», erinnert sich Ditzler. Die Schweiz musste sich hochoffiziell entschuldigen und Simonet wurde vom restlichen Wettkampf ausgeschlossen. Das Glück liess aber nicht mehr lange auf sich warten. An der Weltmeisterschaft in Phoenix, USA, schoss er gleich zweimal Gold, sowohl im Einzel wie auch in der

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Mannschaft. Die Schweiz war aus dem Häuschen und empfing das Quartett wie Helden. Ditzlers Wohngemeinde Aesch lud zum grossen Empfang mit anschliessendem Fest ein. «Das war wirklich alles unbeschreiblich, einfach unvergesslich», erinnert er sich gerne. An der darauffolgenden Europameisterschaft in der DDR hatte er aber nicht so viel Glück. Er schoss nur Bronze. Und wenn er einen Schuss bereue, dann jener zweitletzte Schuss, erzählt er. «Als ich hochkonzentriert am Zielen war, ertönte plötzlich der Lautsprecher. Ich erschrak dermassen, dass mir dieser Schuss abging. Anstelle eines 10ers schoss ich nur einen 9er und genau dieser eine Punkt hat mich schlussendlich um den Europameistertitel gebracht.» Tempi passati. Ditzler mag keine Ausreden und wenn er einen Fehler macht, dann steht er dazu. So freut ihn auch diese Bronzemedaille.

Achtfacher Schweizermeister Die Abmachung mit seiner Frau hat er eingehalten. Einmal noch hat er an den olympischen Sommerspielen in München teilgenommen. Dann hatte ihn seine Familie wieder. Zu Wettkämpfen ist er aber trotzdem immer wieder gestartet und hat noch acht Mal den Schweizer Meistertitel nach Hause gebracht. «Schlecht schiessen war nicht meine Art», meint er bescheiden und wünscht sich für die Zukunft, dass der Schiesssport in den Medien wieder eine grössere Stellung einnehmen wird. Dass der Schiesssport in den Medien immer weniger präsent ist und Glanzleistungen wie diejenige von Simon Beyeler mit sagenhaften 1274,2 Punkten im Dreistellungswettkampf in München, die in der «Bz/Basellandschaftlichen Zeitung» gerade mal zwei Zeilen wert war, ärgert ihn. Mit 75 Jahren möchte er nun auch etwas leiser treten. Ganz lassen kann er es aber doch noch nicht: Zusammen mit Urs Kuenz kümmert er sich um den Nachwuchs der Freischützen Dornach. «Ich sage den Jungen immer wieder, jeder soll den Sport machen, den er will, aber wenn, dann mit Freude, Fleiss und Disziplin». Wer weiss, vielleicht gibt es bald wieder einmal einen Weltmeister aus Dornach. ●

Ausgabe 8 // August 2012


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