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Änderungen der Rahmenbedingungen
Überblick über die kommenden mehrstufigen Anpassungen
Bis ins Jahr 2024 werden sich die Rahmenbedingungen für die Kleinwasserkraft verschiedentlich ändern. Wir haben versucht, die Anpassungen dieser Schritte in diesem Artikel zusammenzufassen.
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ÜBERARBEITUNG MEHRERER VERORDNUNGEN (VORAUSSICHTLICH AB 2022)
Im Sommer hat der Bund eine Vernehmlassung zu Anpassungen verschiedener für die Kleinwasserkraft relevanten Verordnungen durchgeführt. Selbstverständlich hat auch Swiss Small Hydro dazu eine Stellungnahme erarbeitet. Diese findet sich auf unserer Homepage.
Wir gehen davon aus, dass in Kürze die definitive Version der Verordnungen publiziert wird und diese am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Sobald dies der Fall ist, werden wir wieder informieren.
Energieförderungsverordnung EnFV Für die Förderung von Neuanlagen über das Einspeisevergütungssystems standen schon seit längerer Zeit keine Gelder mehr zur Verfügung. Nun soll der komplette Ersatz einer Wasserkraftanlage nicht mehr wie bisher als Neuanlage eingestuft werden, sondern als Erneuerung oder Erweiterung. Damit können solche Projekte neu mittels Investitionsbeiträgen gefördert werden (Art. 3 Abs. 2 EnFV).
Zudem erfolgt die Berechnung des Referenz-Marktpreises für Elektrizität bei lastganggemessenen Anlagen neuerdings monatlich (Art. 15 Abs. 2 EnFV).
Energieverordnung EnV In der EnV wurde präzisiert, dass für die Erteilung einer Konzession oder Baubewilligung keine Ausscheidung der geeigneten Gewässerstrecken nach Artikel 10EnG erforderlich ist (Art. 7a EnV).
Ausserdem wurde die Definition, wann eine Erneuerung oder Erweiterung eines Wasserkraftwerks von nationalem Interesse ist, präzisiert. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass wenn vor oder nach Umsetzung des Projekts mindestens 10GWh produziert werden, ein Projekt von nationalem Interesse ist. Bei einer schwerwiegenden Beeinträchtigung gewisser Schutzgebiete kann zusätzlich erforderlich sein, dass entweder deutlich mehr Strom produziert wird, oder dass damit der Wegfall von Produktion oder Speicher verhindert werden kann (Art. 8 Abs. 2, 2bis und 2ter EnV).
Die Gesetzgebung zur Kleinwasserkraft bleibt eine Baustelle. Im Bild das KW Schiefertafelfabrik Frutigen im Februar 2020. Hydro-Solar Water Engineering AG
ÄNDERUNGEN IM ENERGIEGESETZ (VORAUSSICHTLICH AB 1. JANUAR 2023)
Am 17. Mai 2017 haben die Schweizer Stimmberechtigten der Energiestrategie 2050 zugestimmt. Schon damals war klar, dass Ende 2022 das Förderinstrument der Einspeisevergütung auslaufen soll. Abgesehen davon, dass die finanziellen Mittel für das Einspeisevergütungssystem ohnehin schon länger erschöpft sind, könnten damit Neuanlagen der meisten erneuerbaren Technologien nicht mehr gefördert werden. Aus diesem Grund wurde 2019 die parlamentarische Initiative 19.443 eingereicht, mit dem Ziel, eine Lücke in der Förderung der erneuerbaren Energien so lange zu schliessen, bis ein Nachfolgemodell (Mantelerlass «sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien») beschlossen ist.
Die parlamentarische Initiative wurde dieses Jahr behandelt und in der Schlussabstimmung der Herbstsession 2021 angenommen. Die Anpassungen treten am 1. Januar 2023 in Kraft, falls nicht bis zum 20. Januar 2022 das Referendum ergriffen wird.
Für neue Wasserkraftwerke kann dann ein Investitionsbeitrag anstelle der bisherigen Einspeisevergütung in Anspruch genommen werden. Dieser Investitionsbeitrag kann bis zu maximal 60% der anrechenbaren Kosten betragen. Die Förderuntergrenze von 1MW (mit Ausnahmen für Nebennutzungsanlagen) bleibt hingegen unverändert. Profiteure dieser Anpassungen sind Wasserkraftwerke mit einer Leistung von mehr als 10MW: Sie können dann bis zu 60% der anrechenbaren Kosten vergütet erhalten (bis anhin maximal 40%).
MANTELERLASS «SICHERES STROMVERSORGUNG MIT ERNEUERBAREN ENERGIEN» (ERWARTET AB 2024)
Am 18. Juni hat der Bundesrat seine Botschaft zum Mantelerlass mit dem Namen «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» veröffentlicht. Darin wurden die Revisionen des Energiegesetzes (EnG) und des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) zusammengefasst. Für die Kleinwasserkraft ist von Interesse, dass die bereits im Rahmen der parlamentarischen Initiative vorgeschlagene Förderung mit Investitionsbeiträgen bis ins Jahr 2035 weitergeführt werden soll. Zudem ist neu ein Beitrag von bis zu 40% an die Planungskosten von Wasserkraftwerken vorgesehen.
Erfahrungsgemäss fliessen während der politischen Verhandlungen noch verschiedene Anpassungsvorschläge ein. So ist grundsätzlich die Wirkung des Vorschlags der Förderung mit Investitionsbeiträgen umstritten, und alternative Modelle wie beispielsweise eine gleitende Marktprämie werden diskutiert. EINDRÜCKE AUS DER PARLAMENTARISCHEN DEBATTE ZUR PARLAMENTARISCHEN INITIATIVE
Im Rahmen der Verhandlungen zur parlamentarischen Initiative liess sich eindrücklich beobachten, in welche Richtung im Zusammenhang mit den zukünftigen Rahmenbedingungen der Kleinwasserkraft argumentiert wird. So fordern Gewässerschützer, dass nur noch Wasserkraftwerke Unterstützung erhalten, welche der Pflicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterstehen. Das würde bedeuten, dass bei der Förderung die Leistungsuntergrenze von 1MW auf 3MW angehoben wird. Dass diese Forderung in der Energiekommission des Ständerats gar eine Mehrheit fand und erst danach im Nationalrat wieder fallen gelassen wurde, zeigt, wie schwierig es ist, effektive Verbesserungen für die Kleinwasserkraft zu erwirken, wenn die Vertreter der Gewässerschutzseite ihre Muskeln spielen lassen. Aber es gab auch Vorstösse, die durchaus im Sinne der Wasserkraft waren. So setzte sich beispielsweise der Antrag für einen höheren Investitionsbeitrag ab einem Winterstrom-Anteil von 25% Produktion im Ständerat durch und wurde erst im Nationalrat wieder gekippt.
Unser Präsident Benjamin Roduit setzt sich im Parlament engagiert für die Anliegen der Kleinwasserkraft ein. Es ist insbesondere seinem unermüdlichen Einsatz zu verdanken, dass gewisse knappe Entscheidungen im Sinn der Kleinwasserkraft ausgefallen sind. Herzlichen Dank dafür an dieser Stelle!
Zusammengefasst ist mit der Annahme der parlamentarischen Initiative 19.443 kein grosser Wurf gelungen. Aber sie ermöglicht, dass voraussichtlich ab 1. Januar 2023 zumindest wieder eine teilweise Förderung von neuen Wasserkraftwerken möglich ist. Im Zusammenhang mit dem Mantelerlass sind Verbesserungen für Kraftwerke, welche einen hohen Winterstromanteil haben, denkbar. Ausserdem ist mit der kürzlich durch die ElCom kommunizierten drohenden Strommangellage deutlich grösserer Handlungsdruck entstanden. Zur Erinnerung: Auch die Windkraft kämpft mit ähnlichen Problemen und musste beispielsweise beim Windpark Sainte-Croix 23 Jahre auf eine Bewilligung warten. Forderungen nach neuen Atom- oder Gaskombikraftwerken liessen auch nicht lange auf sich warten, und es keimt die Hoffnung, dass dadurch die Umweltverbände alarmiert sind und mehr Kompromisse bei der nachhaltigen Nutzung der Wasserkraft möglich werden.
Seitens Swiss Small Hydro fordern wir deshalb auch konsequent, Bremsen beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu lockern und eine diversifizierte Stromversorgung – sprich mehr Wasserkraft – zuzulassen. Die besten Chancen werden Anlagen zugerechnet, die einen hohen Eigenverbrauch haben oder einen hohen Winterstromanteil ausweisen.