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Erosion durch Kavitation
Auf Reaktionsturbinen beschränkt? Auch für Pelton!
Ein erster Blick auf ein Phänomen, das den Betreibern von Kaplan- oder Francis-Turbinen leider oft wohlbekannt ist: die Kavitationserosion. Wir müssen jedoch feststellen, dass dies nicht nur bei Reaktionsturbinen der Fall ist. Auch Pelton-Turbinen sind davon betroffen. Was sind die Schlüssel, um dieses Phänomen zu verstehen und die drohenden Schäden durch Materialverlust zu bewerten? Was sind die jeweiligen Verantwortlichkeiten des Turbinenbauers und des Betreibers? Und vor allem: Wie lässt sich das Problem beheben oder gar vermeiden?
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Ein thermodynamisches Phänomen Kavitation ist ein thermodynamisches Phänomen, das sich aus dem Übergang von Wasser vom flüssigen in den dampfförmigen Zustand ergibt, und zwar nicht wie beim Sieden durch eine Erhöhung der Temperatur bei (mehr oder weniger) konstantem Druck, sondern durch eine Verringerung des Drucks bei (mehr oder weniger) konstanter Temperatur.
Einfach ausgedrückt: Kavitation tritt bei Druckschwankungen um diese Kurve auf, die als Sättigungsdampfdruck oder Dampfdruck bezeichnet wird und die flüssige von der Dampfphase trennt.
Das Phasendiagramm von Wasser mit den verschiedenen Phasen (Aggregatzuständen) Hauptquelle der Illustrationen: Mhylab Sowohl bei Reaktions- als auch bei Aktionsturbinen definiert die Norm IEC 60609 Kavitation als «Dampfblasen, die sich bilden, wenn das lokale Druckniveau auf einen Wert um den Dampfdruck herum absinkt, und die sich wieder auflösen, wenn das lokale Druckniveau wieder über den Dampfdruck ansteigt.» Und in gewissen Fällen kann die Implosion dieser Blasen die benetzten Teile durch Materialabtrag beschädigen.
Kavitations- oder Abrasionserosion? Erosion durch Kavitation ist zu unterscheiden vom Abrieb durch Partikel, die in der Strömung transportiert werden, z.B. Sand. Der Abrieb ist je nach Menge der Feststoffe, ihrer mineralischen Zusammensetzung, Grösse und Form, der Intensität des Aufpralls (Geschwindigkeit, Einfallswinkel), der Qualität des erodierten Materials und den Betriebsbedingungen der Maschine unterschiedlich stark ausgeprägt. Durch die Veränderung des Laufrad-Profils kann Abrieb auch zu Kavitationserosion führen. Beide Phänomene können sich sogar selbst verstärken. Das Auftreten, die Lokalisierung und die Schadensmechanismen der beiden Phänomene sind jedoch in der Regel unterschiedlich.
Wo können Kavitationserosionsgebiete liegen? An der Schaufel einer Kaplan- oder Diagonalturbine kann man die Bildung von Kavitationsblasen beobachten, die meist unterhalb der Anströmkante in der Nähe der Nabe auftreten . Es kann aber auch zu Kavitation am Laufrad-Mantel (Randkavitation) und sogar an der Blattverstellung kommen.

Drei Arten von Kavitation an einem Kaplan-Laufrad, die auf einem Teststand beobachtet wurden: unter der Anströmkante , entlang des Laufrad-Mantels (Randkavitation) und an der Blattverstellung .

Schadstellen durch Kavitationserosion an einem Pelton-Schaufelbecher
Bei Pelton-Schaufelbechern kann Erosion praktisch überall auftreten, wie die Abbildung oben zeigt. Wann wird Kavitation zum Problem? Kavitation ist kein Phänomen, das bei der Konstruktion einer Turbine von vornherein ausgeschlossen werden sollte. Problematisch wird es, wenn die Implosion der Dampfblasen in der Nähe des Laufrades oder einer Gehäusewand stattfindet und die daraus resultierende Energie die Festigkeitsgrenzen des Materials überschreitet, was zu einem Materialverlust führt. Wenn ein Betreiber ein bestimmtes Geräusch von seiner Turbine hört, kann er sich fragen, ob Kavitation vorliegt. Bei Reaktionsturbinen erzeugt die Implosion von Blasen ein charakteristisches Geräusch, das sich wie das Rollen von Kieselsteinen anhört.
Auch der Rückgang der Stromproduktion ist ein Warnsignal für das Vorhandensein von Kavitation. Meistens wird der Erosionsverschleiss jedoch bei der Demontage des Laufrades im Rahmen der regelmässigen Inspektionen entdeckt. Dann gilt es, das Ausmass des Verschleisses zu quantifizieren und die Notwendigkeit von Korrekturmassnahmen zu bewerten.

Kavitationserosion an einem Francis-Laufrad (schwarze Spuren)

Kavitationserosion auf der Aussenseite eines Pelton-Schaufelbechers in einem Bereich nahe des Strahlausschnitts und der Mittelschneide Die Erosion durch Kavitation ist ein Teufelskreis. Lochfrass an der Oberfläche und Materialverlust können zu mehr oder weniger starken Strömungsstörungen führen, bis hin zu einer Veränderung des Schaufelprofils. Dies führt zu einem kontinuierlichen Leistungsabfall der Turbine. Der Materialabtrag führt je nach Fall schneller oder langsamer zu einer Schwächung der Festigkeit und/ oder einer Unwucht des Laufrades und damit zu Vibrationen (da die Erosion selten gleichmässig verteilt ist). Diese Schäden können sogar zum Bruch der Schaufeln führen, was unter allen Umständen vermieden werden muss, da sonst die Stilllegung der Anlage zur Behebung des Schadens nötig wird, was einen zusätzlichen Produktionsverlust bedeutet.


Pelton-Laufrad mit starker Kavitationserosion, die zum Bruch einiger Becher führte
Wie lässt sich Kavitationserosion erklären? Die Norm IEC 60609 definiert fünf Hauptfaktoren, die bei der Kavitationserosion von Reaktionsturbinen zu berücksichtigen sind: a) die Art der Maschine und ihre Konstruktion, b) Materialien und Oberflächenbeschaffenheit der
Teile, die der Kavitation ausgesetzt sind, c) die Aufstellhöhe des Laufrades in Bezug auf den
Wasserstand im Unterwasserkanal [...], d) die Betriebsdauer und die Betriebsbedingungen und e) die Wasserqualität.
Bei Pelton-Turbinen finden sich alle diese Faktoren wieder, wobei sich Punkt c eher auf die Bedingungen bezieht, unter denen das Laufrad aufgestellt wird (in der Norm heisst es: «z.B. Einstellung des Laufrades in Bezug auf den stromabwärts gelegenen Wasserstand oder durch stromabwärts gelegenen Unterdruck»). Bei Pelton-Turbinen kommen noch zwei weitere Faktoren hinzu: die Zufuhrbedingungen und die Erosion durch Tropfenschlag, die auch als Jet Impact Erosion bezeichnet wird. Wie zu erwarten, steigt das Risiko der Jet Impact Erosion mit der Anzahl der Düsen, aber auch mit der Fallhöhe.
In der Kleinwasserkraft ist eine der am häufigsten beobachteten Erosionsstellen durch Kavitation auf dem Becherrücken beidseits der Mittelschneide nahe des Strahlausschnitts zu finden. Die dortige Kavitation hängt von vielen Parametern ab, wie z.B. dem hydraulischen Profil des Bechers und den Eigenschaften des Strahls. Vereinfacht lässt sich die Interaktion des Strahls mit den Bechern wie folgt beschreiben: In dem Moment, wo der Strahl auf die Schaufel trifft, wird er zweigeteilt. Ein Teil tritt in die Schaufel ein und überträgt Energie auf sie, während der andere Teil mit der nächsten Schaufel interagiert. Der Bereich auf der Aussenseite der ersten Schaufel, unterhalb der Spitze, ist dann einer komplexen Thermodynamik unterworfen, bei der auch Luft eine Rolle spielt. Ein weiterer Parameter, der manchmal eine wichtige Rolle spielt, ist die Schwerkraft. Da die Geschwindigkeit des Strahls proportional zur Fallhöhe ist, wird er unter 80 Metern von der Gravitation messbar nach unten gekrümmt, was bei vertikalachsigen Maschinen eine asymmetrische Strahlteilung zur Folge hat.
SCHWERKRAFT
Asymmetrische Kavitationserosion bei Pelton-Turbine mit vertikaler Welle
Auf Erosion durch Kavitation reagieren Was tun, wenn die Oberfläche einer Turbine beschädigt ist? Erste Frage: Abrasion oder Kavitationserosion? Es wird insbesondere auf die Qualität des turbinierten Wassers und die Platzierung der Schäden eingegangen. Zweite Frage: Wie viele Betriebsstunden? Bei einer Turbine, die seit mehr als 10 Jahren in Betrieb ist, kann eine gewisse Kavitationserosion als Verschleiss angesehen werden.


Kavitationserosion am Laufrad-Mantel einer Kaplan-Turbine mit insgesamt über 90000 Betriebsstunden im Bereich der Schaufelränder: Die Abnutzung wird als akzeptabel angesehen (links: demontierter Mantel / rechts: Zoom auf den erodierten Bereich)
Randkragen auf der Ober- und Unterseite der Laufradschaufeln einer Diagonal-Turbine
Wenn die Kavitationserosion nicht als normaler Verschleiss der Maschine angesehen werden kann, dann muss die beste korrektive oder kurative Wartung bewertet werden.
Die häufigste Massnahme ist das Auftragsschweissen, welches jedoch in regelmässigen (kürzeren oder längeren) Abständen wiederholt werden muss. Wenn die Häufigkeit der Auftragsschweissungen zu hoch ist, kann eine erosionshemmende Beschichtung durch Wärmebehandlung in Betracht gezogen werden. Zu den Beschichtungen gehören Karbide wie Wolframkarbid, Cermets (ein Verbundwerkstoff aus einer keramischen Verstärkung und einer Metallmatrix), Nitrid-Verbundwerkstoffe wie Titanaluminid etc. Es werden verschiedene Spritzmethoden verwendet: thermisches Hochgeschwindigkeitsspritzen (HVOF), Plasmaspritzen, konventionelles Flammspritzen, Lichtbogen- oder Kaltgasspritzen.
Allerdings schützt man nur, aber man heilt nicht. Eine weitere Massnahme, die zur kurativen Instandhaltung gehört, wirkt an der Quelle, indem das hydraulische Profil der Schaufel verändert wird, was die Herstellung neuer Teile mit einer veränderten Geometrie erfordert. Bei Pelton-Turbinen kann beispielsweise das Profil der Aussenseite der Schaufel so korrigiert werden, dass der Winkel des Strahls beim Verlassen der Schaufel neu festgelegt wird.
Bei Turbinen des Typs Kaplan oder Diagonal kann das Hinzufügen von Randkragen (Winglets) an den äusseren Schaufelrändern die Implosion der Dampfblasen von den Schaufelflächen fernhalten.


Wie lässt sich Kavitation vermeiden? Um Kavitationserosion bei Reaktionsturbinen zu vermeiden, sollte die Position des Laufrades in Bezug auf den Wasserstand im Unterwasser und seine Schwankungen über den gesamten Betriebsbereich (in Bezug auf Durchfluss und Nettofallhöhe) genau charakterisiert werden. Der Turbinenbauer sollte in der Lage sein, diese so genannte Saughöhe, die projekt- und turbinenspezifisch ist, zu präzisieren. Diese Höhe wird anhand der so genannten Thoma-Zahl bestimmt, die

Auf dem Prüfstand: Beobachtung der Kavitation an einer Diagonal-Turbine durch Plexiglasmantel mit drehzahlsynchronem Stroboskop durch sigma (σ) dargestellt wird und zur Definition von Iso-Sigma-Kurven führt, die sich mit der Muschelkurve der Wirkungsgrade der Turbine überlagern.

Bei Pelton-Turbinen mit einer Fallhöhe unter 80 Metern ist es wichtig, den Verlauf des Druckverlustes in Abhängigkeit von der Turbinenleistung genau zu beobachten. Wenn der Druckverlust mit wachsendem Durchfluss zu schnell ansteigt, sollten Sie sich an einen Anbieter wenden, der ein spezielles hydraulisches Profil für diese niedrigen Fallhöhen entwickelt hat.
Welcher Vertrag zwischen dem Kraftwerkbetreiber und dem Turbinenlieferanten? Die IEC 60609 kann als Grundlage für einen Vertrag zwischen dem Turbinenlieferanten und dem Betreiber des Wasserkraftwerks dienen, in welchem die Verantwortlichkeiten und Betriebsgarantien festgelegt werden. Die Grundlage: Die Definition eines Grenzwertes für den Materialverlust (in Volumen und Tiefe) an allen benetzten Seiten (also nicht nur an den Schaufeln) nach einer bestimmten Anzahl von Betriebsstunden und unter bestimmten Betriebsbedingungen.
Der Vertrag muss auch die Mess- und Berechnungsmethoden festlegen, die zur Überprüfung der Einhaltung der Garantie verwendet werden sollen. Die Normen sind verbindlich, sofern das physikalische Phänomen dies zulässt. Ohne ins Detail zu gehen, kann man die direkte Messung nennen, bei der Kunststoffpaste verwendet wird, um die ausgefressenen Hohlräume zu füllen, bis das ursprüngliche Profil der Schaufel wieder hergestellt ist und deren Volumen anschliessend gemessen wird. Da diese Normen eher für die Grosswasserkraft gedacht sind, müssen die Anforderungen an jedes Kleinwasserkraftprojekt angepasst werden.
Aline Choulot Swiss Small Hydro unter Mitarbeit von Laurent Smati (Mhylab) Oktober 2021
Weitere Informationen: