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Tüfteln mit System

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Die ganze Golfwelt redet über ihn. Das ist nichts Neues bei Bryson DeChambeau. Der Amerikaner galt schon immer wahlweise als Spinner oder als interessanter Erfinder. Was er nie war? Ein ganz normaler Sportler auf der US PGA Tour.

Bryson DeChambeau, 26 Jahre alt, genannt «The Scientist». Der «Wissenschaftler» hat mal wieder ein wenig über seinen Golfsport gegrübelt und diesmal beschlossen, sich den letzten Kick in Sachen Leistungssteigerung beim Thema Ernährung zu holen. Bis zum Jahreswechsel erlebte man den Amerikaner noch als relativ schlanken, drahtigen Typen. Das hat sich geändert. Die Metamorphose ist beachtlich – aus DeChambeau ist ein gewaltiger Muskelprotz mit einer Gewichtszunahme von 20 Kilogramm geworden, der selbst den ebenfalls muskelbeladenen Brooks Koepka eher unterernährt wirken lässt.

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Kalorien-Orgien

Der Speiseplan lässt erahnen – mit Genuss hat die neue Ernährungsweise nichts mehr zu tun. Es geht um Masse, Kohlenhydrate und reichlich Proteine. Zum Frühstück vier Eier mit fünf Scheiben saftigem Speck, dazu Toast und zwei Protein-Shakes. Zum Lunch gibt es Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade. Auf der Runde wirft der Amerikaner ein paar Energieriegel ein und rundet das Ganze mit zwei weiteren Protein-Shakes ab. Diese Getränke sind auch beim Dinner Standard, hier greift er daneben noch zu Steak und Kartoffeln. Guten Appetit. Die Kalorien-Orgien kombiniert mit einem täglichen Fitnessprogramm sind dabei durchaus zielorientiert. Bryson DeChambeau will mit seiner neuen Methodik vor allem noch ein Stückchen besser golfen. Wir erinnern uns: Um dieses Ziel zu erreichen, war er von Beginn seiner Karriere an ungewöhnliche Wege gegangen. DeChambeaus Golf dreht sich um zwei Prinzipien, die in den Büchern «The Golfing Machine» von Homer Kelley aus dem Jahr 1969 und «Vector Putting» von H.A. Templeton niedergeschrieben sind. Nachdem er sie als Teenager gelesen hatte, beschloss er mit 15 Jahren, einen Golfschwung zu entwickeln, den er «zero shifting motion» nennt. Anders als alle seiner Kollegen schwingt er relativ geradlinig vor und zurück. Er schaffte sich ausserdem mit 17 Jahren einen Satz Eisen an, bei dem alle Schläger die Länge eines Eisen 6 haben, exakt 278 Gramm wiegen und nur in der Neigung der Schlagfläche variieren. Auf diese Weise, so die Überzeugung des ehemaligen Physikstudenten der Southern Methodist University in Dallas, ist das Golfspiel deutlich einfacher.

Selber erstaunt

Zumindest steht inzwischen fest, dass weder die spezielle Schwungform noch die Set-Zusammenstellung Erfolg verhindern. Der Amerikaner war schon als Student herausragend. Die Kombination aus Titelgewinnen bei der U.S. Amateur Championship und der NCAA Division I

Championship gelang vor ihm nur vier anderen Kollegen. Seit seinem Wechsel ins Profilager 2016 hat er acht Siege auf weltweiten Touren verzeichnet.

Der vorerst letzte bei der Rocket Mortgage Classic in Detroit im Bundesstaat Michigan hat für mehr Medien-Echo gesorgt als alle davor. Der neue DeChambeau mit rund 20 Kilogramm mehr am Leib spielte vier Birdies auf den ersten sieben und drei weitere auf den letzten drei Löchern. Sein Gesamtergebnis von 265 Schlägen war das Beste, das er jemals erreicht hatte. Vor allem aber flogen die Drives 300 Meter und damit weiter als bei jedem anderen. Die Frage nach der Legalität einer derart schnellen Gewinnung von Muskelmasse und Kraft wurde in den US-Medien denn auch schnell gestellt.

Der Mann im Mittelpunkt des Interesses zeigt sich selbst erstaunt über den rasanten Erfolg. «Ich hatte mir eigentlich ausgerechnet, dass ich bei einem derart harten Fitnessprogramm ungefähr ein Jahr brauchen würde», meinte er nach seinem Sieg. Und das Ausmass der Veränderung hat ihn offenbar selbst erstaunt. «Ich bin überrascht», sagte DeChambeau. «Ich dachte nicht, dass sich so schnell eine so starke Veränderung zeigen würde.»

Tiger ist beeindruckt

In all die lauten Diskussionen über die rechtmässige oder unrechtmässige Körperveränderung des Kollegen mischte sich wie so häufig die Stimme eines Analytikers, der in seiner Vergangenheit selbst reichlich Erfahrung mit dem Thema Muskelaufbau gemacht hat. Tiger Woods, als Fitnessfanatiker bekannt, war weniger von der puren Länge der Schläge DeChambeaus beeindruckt: «Er schlägt den

Ball weiter – aber wir sollten einen Blick auf die Tatsache werfen, wie gerade er ihn haut», gab er zu bedenken. «Das ist nämlich das Schwierigste an der ganzen Sache.» Woods selbst hatte mit verzerrten Drive-Flugbahnen im Verlauf seiner Karriere reichlich zu tun. «Die Tatsache, dass er dieses Problem gelöst hat und die schlechten Bälle echt im Griff hat, ist für mich genauso beeindruckend wie seine Zunahme bei der Distanz», kommentierte der Superstar.

Wer einen Blick auf die Statistiken wirft, stellt obendrein fest: Erst die richtige Mischung macht den Erfolg. Ende Juli führte DeChambeau mit einem Durchschnittsdrive von 322,8 Yards bei der Drivelänge, er lag aber auch im Scrambling (Retten des Pars) auf Position 5 und beim Putten auf Rang 15. Allein von einem langen Abschlag kann ein Weltklassegolfer bekanntlich nicht leben – diese Einsicht ist keineswegs neu und dem Statistikfanatiker Bryson DeChambeau wohlbekannt.

Im Clinch mit dem Verband

Was ihn abhebt von der Konkurrenz, ist sein extremer Hang zur Akribie, den in dieser Form nur noch Tiger Woods mitbringt. «Ich glaube, Tiger ist derjenige, der einem kompletten Golf-Verständnis bisher am allernächsten gekommen ist», schwärmt DeChambeau über den Superstar. «Er war am nächsten dran, wenn es darum geht,

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