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DER LETZTE PUTT, IHR LETZTES MATCH

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VORSCHAU

VORSCHAU

Die Norwegerin Suzann Pettersen kam mit einer umstrittenen Wildcard ins Team, besiegelte den überraschenden Sieg Europas gegen das Team Amerika im Solheim Cup – und trat gleichzeitig zurück.

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Petra Himmel

Das schottische Hochland kann hart sein im Herbst. Windig, kalt, stürmisch. Die perfekte Bühne für Dramen und unglaubliche Geschichten. Für Suzann Pettersen war der Schauplatz beim diesjährigen Solheim Cup auf dem Centennary Course perfekt. Da stand sie, die grossgewachsene Blondine, auf dem 18. Grün des Platzes bei einem Spielstand von 13,5 zu 13,5 Punkten, und hatte einen ZweieinhalbMeter-Putt zum Sieg gegen die Amerikanerin Marina Alex. Sie lochte den Putt, holte den 14,5- zu 13,5-Sieg für Europa und beendete damit ihre Karriere.

«Der Traum wird wahr, dass ich das hier in Schottland vor all diesen Menschen zu Ende bringen kann», resümierte die 38-Jährige. «Besser geht es einfach nicht. Das hier ist der perfekte Schlusspunkt – das Ende meiner Solheim-Cup-Karriere und ausserdem ein schönes Ende für meine Profikarriere. Ich bin fertig. Morgen mache ich Schluss.»

Dem H Chsten Druck Standgehalten

Ein Bilderbuch-Finale für Europas Team um Teamchefin Catriona Matthews, die damit ihre umstrittene Entscheidung, Pettersen eine Wildcard zu geben, gerechtfertigt sah. Die Norwegerin hatte nach der Geburt ihres ersten Kindes zwei Jahre so gut wie kein Turniergolf gespielt, war in der Weltrangliste abgerutscht auf Rang 635, schien auf den ersten Blick nicht mehr wettbewerbsfähig. Aber wie beim Ryder Cup geht es auch beim Solheim Cup der Frauen eben nicht nur um die Fähigkeit, eine exzellente Runde abzuliefern, sondern auch darum, unter höchstem Druck über sich hinauszuwachsen. In einer besonderen Situation Besonderes zu leisten – diese Anforderung geht über das tägliche Turniergeschehen weit hinaus.

Auch deshalb endete dieser Solheim Cup am Ende mit einem Sieg der Europäerinnen, die rein nach den Ranglistenpositionen den Amerikanerinnen deutlich unterlegen waren. Womit sie wuchern konnten, war das Übermass an Erfahrung: Während auf Europas Seite nur drei Neulinge am Start standen, hatte die US-Teamchefin Juli Inkster gleich sechs Solheim-Cup-Anfängerinnen am Start – mehr als jemals zuvor.

Kern des europäischen Erfolges war eine Phalanx von sechs Spielerinnen, die nahezu ein Maximum an möglicher Leistung lieferten. Allen voran die Britin Georgia Hall und die Französin Céline Boutier, die sich in ihren vier Matches keinen einzigen Ausrutscher leisteten. Vier Punkte aus vier Spielen lautete die Bilanz des Duos, das sich dreimal im Klassischen Vierer und Bestball perfekt ergänzte und ausserdem jeweils das Einzel gewann. «Das ist schon ziemlich einzigartig», befand Hall, die ihren zweiten Solheim Cup absolvierte. «Am Samstag habe ich 33 Löcher gespielt, und das bei diesem Wetter. Ich war wirklich müde, aber bei dem Adrenalinspiegel funktioniert man dann doch.»

Für ihre Kollegin Céline Boutier, ein Rookie im Team, wurde die Woche zum CinderellaMärchen. «Ich hätte ja niemals erwartet, dass ich so gut spiele», befand die kleine Französin. «Aber mit Georgia hatte ich in den Vierern eine grossartige Partnerin.» Die Bilanz der beiden wurde ergänzt durch die anderen Leistungsträgerinnen im Team: Charley Hull leistete sich keine Niederlage und holte drei Punkte, Carlota Ciganda zwei. Ihre spanische Landsmännin

Azahara Munoz kam auf zweieinhalb Punkte, Bronte Law auf zwei. Die Taktik von Kapitänin Catriona Matthew, die damit den ersten SolheimCup-Erfolg seit 2013 sicherte, war relativ einfach: Solange sie sich auf diesen Kern verlassen konnte, die anderen sechs Spielerinnen wenigstens ab und an ein Pünktchen beitrugen, konnte das Spiel gelingen. Es funktionierte. Nur Caroline Hedwall kam am Ende auf null Punkte. «Das hier ist einfach fantastisch», resümierte Matthew begeistert. «Ein Traum wird für mich Wirklichkeit. Alle zwölf Spielerinnen haben alles gegeben. Wir wussten ja, dass es eng werden würde. Aber am Ende entschied der letzte Putt, und dass ausgerechnet Suzann ihn gelocht hat, ist unfassbar.»

Amerika War Knapp

Vor Dem Sieg

Ihrer Gegenspielerin Juli Inkster blieb der sportliche Respekt. «Am Ende war es eine grossartige Woche», sagte die 59-Jährige, die zum dritten Mal als Kapitänin antrat. «Für das Frauengolf war das grossartig. Wir haben hervorragend gespielt, die Europäerinnen ebenfalls.»

Spannender jedenfalls kann ein Solheim Cup kaum sein: In den Vierern war der Endstand nach vier Begegnungen zweimal unentschieden 2 zu 2. Die Auftaktpartien holte Europa mit 2,5 zu 1,5, dafür hatten die Amerikanerinnen bei der vierten Einheit mit 2,5 zu 1,5 die Nase vorn. Die Einzel starteten vom Spielstand 8 zu 8. Wer die Mehrheit der Einzel gewann, würde am Ende die Trophäe nach Hause nehmen. 11 zu 11, erneut Gleichstand, lautete der Zwischenstand nach den ersten sechs beendeten Einzel-Matches. Danach zogen die USA kurzerhand auf 13,5 zu 11,5 davon, sie benötigten nur noch einen halben Punkt, um als Titelverteidiger den Solheim Cup wieder nach Hause zu nehmen. Doch die Schwedin Anna Nordqvist besiegte Morgan Pressel mit 4 und 3. Es war ihr erster Erfolg im dritten Aufeinandertreffen bei einem Solheim Cup.

Die zwei letzten Matches, besetzt mit drei Rookies und einem Routinier, mussten die Entscheidung bringen. Bronte Law holte Europas Punkt mit 2 und 1 gegen Ally McDonald, Suzann Pettersen lochte den entscheidenden Putt gegen Marina Alex. Juli Inkster wird ihre Entscheidung, zwei Rookies an solch spielentscheidenden Positionen aufzustellen, womöglich bereuen.

Neue Gesichter Kommen

Am Ende konnten auf der Seite der Amerikanerinnen vor allem die beiden Korda-Schwestern überzeugen. Nelly, mit 21 Jahren die jüngere Schwester, avancierte zum Star des US-Teams und holte ebenso wie ihre Schwester drei Siege. Das Korda-Duo sorgte von Beginn an für die nötige Stimmung im Team und drängte die Veteranin Lexi Thompson damit in den Hintergrund. Bei ihrem vierten Solheim-Cup-

Start wirkte die Amerikanerin bei weitem nicht so selbstbewusst und sicher wie sonst. Kein einziger Sieg, dafür zwei Niederlagen und zwei geteilte Matches, dazu ein verletzter Arm vor den Einzeln – das alles summierte sich zu einer Veranstaltung, welche die erfolgsverwöhnte Amerikanerin wohl eher schnell hinter sich lassen will.

Für Amerika brechen wohl neue Solheim-CupZeiten an: Juli Inkster liess zum Ende der Veranstaltung wissen, sie werde ihr Kapitänsamt nun niederlegen. Und auch auf Spielerseite werden die altbekannten Gesichter weniger. Michelle Wie jedenfalls, die den diesjährigen Solheim Cup aufgrund ihrer Handgelenksverletzung verpasste, trat erstmals als Kommentatorin im Golf Channel auf. Morgan Pressel, die inzwischen ihren sechsten Solheim Cup bestritt, ist bei der nächsten Auflage im amerikanischen Toledo wohl eher eine unsichere Kandidatin. Man wird sich auf neue Namen und Gesichter einstellen müssen – und auf eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Team. Dass die gerade einmal 21-jährige Nelly Korda im Einzel als Zweite und damit als Führungsfigur auf die Runde geschickt wurde, spricht Bände. Der Name Korda dürfte Amerikas Solheim-CupTeams auch in Zukunft prägen.

Sie Muss Nichts Mehr Beweisen

Europas Frauen werden in Zukunft auf den Namen Suzann Pettersen wohl nicht wirklich verzichten müssen. Die Veteranin wird nach neun (!) Auftritten als Spielerin mit Sicherheit in Zukunft auch als Teamchefin zu sehen sein. Die Norwegerin machte mit ihrem Sieg in Gleneagles auch ihren Auftritt aus dem Jahr 2015 wett, als sie beim Solheim Cup im deutschen St. Leon-Rot nach einer Streitigkeit über einen geschenkten Putt im Match mit Charley Hull gegen Alison Lee und Brittany Lincicome stark in der Kritik stand. Nach dem Vorfall drehte sich die Stimmung im Team der USA stark und Amerika gewann. «Für sie ist es grossartig, dass sie vier Jahre danach zurückkommt und für uns mit einem Schlag den Cup gewinnt», bilanzierte Laura Davies, die als Assistenz-Kapitänin in Gleneagles das Drama verfolgte. «Das war der grossartigste Moment, den sie als Solheim-Cup-Spielerin je hatte. Sie muss nichts mehr beweisen.»

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