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die Char M e - offensive von tiger Woods
Es war Freitagabend, Tiger Woods hatte gerade eine 69er-Runde gespielt, als ihn ein Reporter nach seiner Einschätzung von Jordan Spieth, nach dem Rennen an der Spitze des Feldes und den potentiellen Siegern dieses US Masters 2015 befragte. Tiger Woods wirkte pikiert, zumindest irritiert. Ganz offensichtlich zählte ihn der Reporter nicht zum Kreis der möglichen Sieger. Ein Triumph von Tiger Woods bei diesem ersten Major-Turnier des Jahres wäre eine Sensation gewesen, aber gerechnet hatte damit eigentlich niemand. Kein Mensch konnte Wunder von dem 39-Jährigen erwarten, der in diesem Jahr vor der US Masters gerade einmal zwei komplette Turnierrunden absolviert hatte. Vielmehr hatte so mancher Experte geunkt, Woods könnte in Augusta eine furchtbare Niederlage erleiden. «Ich glaube, dass Tiger sich erlaubt hat, zu technisch zu werden, und sich damit wahrscheinlich aus seiner eigenen Karriere gedrängt hat», prophezeite Ex-MastersChampion Paul Azinger, der seit Monaten kein gutes Haar am Spiel des ehemaligen Weltranglistenersten lässt.

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Seinen Kritikern aber spielte der 14-fache Major-Sieger in Augusta nicht in die Hände. Vielmehr wurde dieses Turnier für Woods zu einem kleinen Erfolg. Mit 73, 69 und 68 Schlägen platzierte sich der Amerikaner vor der Finalrunde auf dem geteilten fünften Platz. Speziell in Runde drei blitzte dabei das alte Spielvermögen des Amerikaners auf. Während die Auftaktrunde noch angestrengt, mühsam und ein wenig nervös wirkte, schien es einen Tag später wieder wie von selbst zu fliessen. Erst am Finaltag holten Woods die Probleme der letzten Monate wieder ein wenig ein. Den Drive am ersten Loch verzog er auf die gegenüberliegende Spielbahn, auf den ersten neun Löchern traf er kein Fairway. Sieht man einmal von der 73er-Schlussrunde ab, die letztlich Rang 17 bedeutete, fällt das gesamte Fazit durchaus positiv auf: An Yips, dem unkontrollierten Muskelzucken, das beim kurzen Spiel rund ums Grün zu verheerenden Schlägen führt, leidet er jedenfalls nicht. Seine Chips und Pitches waren während der Masters-Woche weitgehend exzellent – die Aussetzer, die bei seiner letzten Turnierrunde im Rahmen der Farmers Insurance Open dazu geführt hatten, dass diverse Kollegen und auch sein Ex-Coach Butch Harmon bei ihm Yips diagnostizierten, kamen nicht vor. «Ich habe mir den A… aufgerissen. Ich habe tausende und tausende von Schlägen gemacht im letzten Monat», erklärte Tiger Woods die bessere Qualität seiner Schläge. Er hat so viel trainiert wie seit Jahren nicht und unzählige neue kurze Schläger ausprobiert.» Die Mühe hat sich gelohnt, Woods war so konstant wie schon lange nicht mehr.
Locker und lustig: Tiger Woods zeigte sich am Masters von einer anderen Seite. Hier mit Weltnummer eins Rory McIlroy und den beiden Caddies.
Und: Der einstmals als Alleingänger bekannte Superstar zieht offenbar gerade eine Charme-Offensive durch. An Umarmungen, mit denen Woods dieses Mal so manchen seiner Kollegen begrüsste, könnten sich seine Dauerkonkurrenten Ernie Els und Phil Mickelson aus früheren Zeiten nicht erinnern. Nicht allein Woods’ Spiel hat sich bei diesem US Masters zum Positiven gewandelt, sondern auch sein Image: Sein Auftritt beim Par-3-Turnier mit den Kindern Sam und Charlie, begleitet von Freundin Lindsey Vonn, hat für Furore gesorgt. Der unnahbare Woods hat deutlich menschlichere Züge bekommen.

