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«Beim Golf erhole und ärGere ich mich»

Man kennt Carla Del Ponte als Eiserne Lady aus dem Tessin oder als Mafiajägerin oder … Allem hängt eine gewisse Strenge an. Aber dem ist überhaupt nicht so, als wir sie an einem warmen Montag im Golf Club Lugano treffen. Sie nimmt sich Zeit, zu plaudern und die Fragen von GOLFSUISSE zu beantworten. Auch zu ihrer neuen Lieblingsrolle als «Nonna».

Interv I ew Hannes Huggel

Eigentlich wären Sie ja in einem Alter, in dem Sie alles etwas ruhiger angehen könnten. Aber Sie sind immer noch voll engagiert. Macht Ihnen diese manchmal sicher nicht leichte Arbeit immer noch so viel Spass?

Ich bin ja auch seit 2011 pensioniert (schmunzelt). Doch dann hat mich unser Aussenminister für die UN-Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Syrien vorgeschlagen und da kann man schlecht Nein sagen. Aus den geplanten sechs bis acht Monaten wurden bis jetzt drei Jahre und soeben wurde das Mandat um ein weiteres Jahr verlängert.

Die Arbeit macht eigentlich keinen Spass, kann sie gar nicht. Was in Syrien passiert, ist derart schrecklich, ja grauenvoll, dass dies ein völlig falsches Wort ist. Wir sind mit der Kommission in den Nachbarländern – nach Syrien hinein dürfen wir ja nicht – und haben in Genf ein Büro. Wenn ich mit der Kommission arbeite, bin ich aber voll motiviert.

Es scheint für Aussenstehende, dass Sie gefährlich leben. Wie empfinden Sie dies?

Ich lebe absolut nicht gefährlich, hier schon gar nicht. Wenn ich im Vorderen Orient bin, wird für meinen Schutz gesorgt. Vor allem, wenn wir unterwegs sind.

Hier auf dem Golfplatz Magliaso bewegen Sie sich völlig unbeschwert und spielen locker an einem SSLGA-Turnier mit. Was bedeutet das für Sie?

Hier bin ich ein freier Mensch und kann die Zeit voll und ganz geniessen.

Wie und wann sind Sie zum Golf gekommen? Viel zu spät. Als junge Frau hätte ich nie daran gedacht, Golf zu spielen. Aber als Chefank lägerin des UN-Tribunals für die Verbrechen in Ruanda lebte ich in Tansania oft in einem Hotel, hinter dem sich ein Neun-Loch-Golfplatz befand. Dort habe ich angefangen. In der Zeit des UN-Tribunals in Den Haag durfte ich dann im Koninklijke Haagsche G&CC – einer der besten Plätze in den Niederlanden –spielen. In meiner Zeit als Botschafterin in Argentinien hatte ich dann endlich mehr Zeit zum Spielen, vor allem Samstag und Sonntag.

Wie oft kommen Sie überhaupt zum Golfspielen?

Ich bin nach Ascona gezogen, weil ich in nur fünf Minuten auf dem Golfplatz bin (lacht). Wenn ich etwas Zeit habe neben meiner neuen Leidenschaft als Nonna, gehe ich auf den Golfplatz.

Ist ein SSLGA- oder ein Clubturnier für Sie Erholung oder Stress oder Wettkampf?

Ein Turnier wie dieses hier, wo ich mit gleichaltrigen Damen spiele, ist Erholung – wenn ich mich nur nicht so ärgern würde, wenn ich schlecht spiele. Das erste Turnier der Saison in Ascona habe ich schon gewonnen, aber es war nicht handicapwirksam. Der Wettkampf macht mir auch im Golf Spass. Ich will auch hier gewinnen.

Wie oft spielen Sie Golf? Und wie oft Turniere? Ich spiele alle Turniere, die ich kann. Neben der Mitgliedschaft in der Swiss Senior Ladies Golf Association bin ich auch noch Mitglied bei den Italian Ladies.

Spielen Sie auch mit Ihren Enkeln? Sicher irgendwann, aber jetzt sind sie noch zu klein. Aber sie üben schon mal das Putten.

Sie klingen begeistert. Haben Sie den Winter hindurch irgendwo, wo es warm ist, auch gespielt? Nein, das ist nicht nötig. Bei uns in Ascona haben wir fast immer offen und ich spiele auch, wenn wir Wintergrüns haben.

Haben Sie ein golferisches Ziel? Ich will dieses Jahr mein Handicap bis Ende Saison unter 20 bringen (in Lugano ist sie mit 22,6 gestartet). Trotz dem milden Winter und gelegentlichen Golfrunden muss ich eigentlich jedes Jahr wieder neu starten. Ich nehme auch entsprechend viele Stunden, damit ich mich beim Approach – meinem grössten Problem –endlich verbessern kann.

Ich nehme an, dass Sie im beruflichen Leben oft sehr bestimmt und forsch sein müssen. Spielen Sie auch so Golf?

Leider ja, aber man sollte nicht so forsch Golf spielen. Ich kann dies schwer ändern, das ist mein Charakter. Aber Golf lehrt einen auch immer wieder, demütig zu sein.

Sie haben auf der ganzen Welt viel Schreckliches gesehen. Wenn Sie zurückblicken –was hätten Sie am liebsten nicht erlebt oder sich nicht darum kümmern müssen?

Ich hatte und habe ein fantastisches Leben und würde alles wiederholen. Das Leben hat mich so viel gelehrt. Ich habe die Mächtigen der Welt kennengelernt, habe unglaubliche Geschichten erlebt.

Ich konnte zum Glück immer sehr schnell Emotionen ausschalten, all die schrecklichen Geschehnisse immer wieder ausblenden. Viele meiner Mitarbeitenden konnten dies nicht und mussten aufhören. Nochmals: Ich würde alles wiederholen, wenn ich könnte.

Sehen Sie zwischen Ihrem Beruf als Staatsund Bundesanwältin oder als Anwältin Parallelen zum Golf?

Eher nein. Wir reden hier von zwei ganz unterschiedlichen Welten. Denken Sie immer daran: Golf ist ein Spiel.

Carla Del Ponte

Carla Del Ponte wurde am 9. Februar 1947 im Tessin geboren und wuchs in Cevio auf. Die Juristin war unter anderem Anwältin, Staats- und Bundesanwältin, Chefanklägerin des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien sowie für Ruanda und arbeitet nun immer noch in der UN-Kommission für die Menschenrechte in Syrien.

Ihr Sohn Mario ist Direktor des Filmfestivals von Locarno und mit dessen beiden Kindern geht sie schon mal ein bisschen putten.

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