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Üben, üben…
Es soll Clubspieler geben, die sich rühmen, nie eine Driving Range zu Übungszwecken aufzusuchen, geschweige denn, sich dort vor dem ersten Abschlag einzuspielen. Ganz anders die Könner: Die Arbeit auf der Driving Range, dem Putting Green und der Pitching-Area gehört zu ihrem täglichen Brot – auch an den Turniertagen. Davon konnte man sich in Crans bei wiederholten Besuchen als Zaungast auf den Trainingsanlagen überzeugen.

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«Gutes Golf ist wie Violine spielen», das behauptete nach der Runde ein ziemlich übergewichtiger Baumaschinenvertreter auf der Durchreise – als solcher hatte er sich seinen Flightpartnern vorgestellt, zu denen er kurz vor Teetime auf dem lokalen PublicCourse von Pocatello, Idaho, zugeteilt worden war. Man war über das kolossartige Anhängsel nicht sonderlich erbaut, denn der erste Eindruck liess auf einen üblen Hacker und somit auf einen Störefried für den Flight aus sonst mittelprächtigen Clubspielern schliessen. Doch weit gefehlt: Der vermeintliche Hacker entpuppte sich als exzellenter Spieler mit einem Repertoire ohne Schwächen: mit einer ParRunde deklassierte er seine Flightpartner nach Noten. Kein Wunder eigentlich, denn es handelte sich um einen Ex-Pro aus Hollywood(!), der auf seine älteren Tage hin statt Film- stars – er nannte beiläufig einige einschlägige Namen – im Golf zu unterrichten, nun die Baumaschinen seines Bruders unter die Leute brachte. Szenenwechsel zum Omega European Masters nach Crans: Es ist Mittwoch Nachmittag, das Pro-Am ist noch im Gange, Flight um Flight schlägt am dritten Tee ab, doch auch auf der Pitching Area, die sich unterhalb in unmittelbarer Nähe befindet, herrscht reges Treiben: Spieler, die ihre Runde bereits beendet haben oder spielfrei sind, üben hier das kurze Spiel in allen seinen Varianten.

Stundenaufenthalt im Bunker
Beim längeren Beobachten der Szene kommt dem Zaungast unweigerlich das Zitat von Golf und dem Violinspiel in den Sinn, das er vor Jahren von einem aufgeschnappt hatte, dessen Name ihm längst der Vergessenheit anheim gefallen war. Denn auffällig sind die Perfektion der Schläge und die Ausdauer der Pros in der Bewältigung ihres Übungsprogramms. Der Routinier Barry Lane beispielsweise steht im Bunker und übt stets denselben Schlag: «Kurz gegriffenes Wedge ohne Handeinsatz nur aus dem Körper heraus» – das schnappt der Kiebitz auf, als Lane einem neben ihm übenden Kollegen über sein Tun aufklärt. Dabei visiert er, die Länge variierend, abwechselnd verschiedene Fahnen auf dem Green an. Zusätzlich hat er noch den Headcover seines Putters als Ziel auf dem Green platziert. Der Engländer spielt Ball für Ball ohne Hast, fast in gemächlich zu nennendem Tempo. Inzwischen hat sich Per-Ulrik Johnsson mit einem schwedischen Kollegen ebenfalls im Bunker installiert. Der zweimalige Ryder Cup Teilnehmer übt selber einen Spezialschlag für einen besonders hohen Ballflug und unterweist einen schwedischen Landsmann darin: breiter Stand, tiefe Hocke maximal geöffnetes Schlägerblatt und extremer Handeinsatz als wolle man Sand über die Schulter hinter sich schaufeln. Barry Lane schaut interessiert zu, macht selber einen Testschlag, um dann kopfschüttelnd zu bemerken, da sei viel zu viel Bewegung und damit Fehlerquellen im Spiel, um sich dann wieder seinem Übungsprogramm zuzuwenden: die drei nächsten Bälle kommen nahe beim Headcover zum Stillstand – drei meisterhafte Bunkerschläge mehr. Nach ziemlich genau einer Stunde steigt Barry Lane endlich aus dem Bunker, gönnt sich eine Zigarettenpause, bevor die nächste Lektion folgt: kurze Chips vom Greenrand –in Crans ein golferischer Überlebensfaktor.

Philip Archer, der letztjährige Zweite, weil Verlierer im Playoff, betritt mit seinem Caddie die Szene, stellt sich vor der Steigung zum erhöhten Green etwas seitlich auf das Kurzgemähte und beginnt Bälle in verschiedenen Varianten zu schlagen: solche die an der Böschung auftreffen und dann zur Fahne nahe am Greenrand rollen, andere, die auf dem Green auftreffen und weit zur hintersten Fahne rollen, und solche, die schnell zum Stillstand kommen. Auch er übt ohne Hast, locker, aber voll konzentriert. Nach einer Dreiviertelstunde am selben Ort – vom Caddie stets ausreichend mit Bällen versorgt – wechselt er die Standposition und begibt sich näher zum Green ins tiefe Rough. Währenddessen vergnügt sich der Waliser Jamie Donaldson zusammen mit einem Kollegen damit, einen extremen Lobshot durch die Astgabel eines Baumes auf die höchstens fünfzehn Meter entfernte Fahne zu spielen. Ungeachtet des vielen Verkehrs rund um das Pitching Green schlagen die beiden ihr Lobwedge mit voller Wucht in den praktisch graslosen Untergrund. Wären Clubspieler am Werk, müsste man von lebensgefährlichem Tun sprechen. Doch die Professionals treffen den Ball auf der schwierig zu spielenden Unterlage mit dem offenen Schlägerblatt jedes Mal perfekt, und der Clubspieler staunt ob ihrer stupenden Fertigkeit, den Ball annähernd kerzengerade in die Luft katapultieren zu können.
Treffpunkt Driving Range
Dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, bestätigt sich auch auf der Driving Range: Miguel Angel Jiménez schlägt seine Bälle und lässt mit seiner unvermeidlichen Zigarre immer am linken Rand der geräumigen Anlage Rauchzeichen steigen – hier kann man mit den am 12. Loch vorbeiziehenden
Spielern schäkern und hat ansonsten seine Ruhe, weil der Zuschauerbereich nicht bis dahin reicht – während beispielsweise Rory McIlroy und Brett Rumford ihre Zelte auf der entgegengesetzten Seite aufzuschlagen pflegen. Daneben sind die Professionals aber Individualisten mit unterschiedlichen Trainingsgewohnheiten: Brett Rumford setzt auf Trainingshilfen. Dazu gehört ein Fussball, den er zwischen die Arme klemmt und so Bälle schlägt, oder eine Art biegsame Glassfaserrute mit einem SchlägerGriff und einer roten Kugel an Stelle des Schlägerkopfes. Mit diesem Gerät führt er zwischen den Golfschlägen wiederholt Schwünge aus, wohl um das Schwunggefühl zu verinnerlichen. Rory McIlroy hingegen, der in unmittelbarer Nachbarschaft übt, legt, wie übrigens viele seiner Berufskollegen, als Hilfe bloss einen Schläger zur Richtungsanzeige vor sich auf den Boden. Gegenüber der Presse wird er am nächsten Tag in der Position des Leaders die Aussage machen, er hätte im letzten Training auf der Range einen kleinen Schwungmangel erfolgreich ausgebügelt. Was das genau war, konnte der Beobachter natürlich nicht eruieren. Vielleicht war ihm die Sicht durch das Augenwasser ein wenig getrübt, das sich ob der Perfektion der unzähligen Schläge ansammelte, die der Jüngling mit wechselnden Schlägern Mal für Mal produzierte. Die lockere Atmosphäre auf der Driving Range und den anderen Übungsanlagen ist dadurch gekennzeichnet –bei allem Ernst, der die Konzentration auch beim Üben erfordert – dass die Spieler immer wieder Grund zum Lachen und zum Diskutieren haben, untereinander, mit ihren Caddies oder Bekannten unter den Zaungästen. Für Aussenstehende ist es also eigentlich der richtige Ort, um mit den Profes- sionals näher auf Tuchfühlung gehen zu können. Daneben bieten sie auch besten Anschauungsunterricht, wie «es» eigentlich gehen würde, denn jeder – sei es ein Star oder ein (noch) unbeschriebenes Blatt – schlägt den Ball, unbesehen seines Alters oder seiner Konstitution und frei vom Wettkampfdruck, auf eine perfekte Flugbahn.
Fleissige Schlägervirtuosen
Als Beobachter abseits des Parcours bekommt man einen Eindruck von den hohen Ansprüchen, die das Spiel stellt, wenn man es in allen seinen Variationen wirklich beherrschen will.
Dass damit ein grosses Mass an Übungsaufwand verbunden ist, wird offensichtlich, und damit erscheint die Parallele zum Violinvirtuosen nicht als unlauterer Vergleich. Man darf sich nicht durch das lässige Gebaren, welches verschiedene Spieler vor allem auf dem Parcours ausstrahlen, irritieren lassen – zum Beispiel als lockerer, immer zu einem Spässchen aufgelegter Ferrarifahrer und Zigarrenliebhaber. Frühmorgens am Sonntag joggte jemand auf der Strasse, die am 4. Loch vorbeiführt – ohne Zigarre, jedoch trotz der kühlen Witterung kurzbehost. Das wurde vom Balkon eines Mietappartements aus zufällig beobachtet. Später sah der Beobachter dieselbe Person auf der Driving Range beim Einspielen – ganz auf der linken Seite, wo ihr Stammplatz ist – mit Zigarre. Joggen scheint eine gute Turniervorbereitung zu sein, jedenfalls spielte der Morgenläufer die Schlussrunde 4 unter Par. Das bedeutete für Miguel Angel Jiménez am Ende den geteilten dritten Platz.
■ Martin Schnöller
Viel Betrieb herrscht jeweils auch auf dem Putting-Green, wo sich der Zuschauer aus nächster Nähe mit den verschiedensten Trainingsmethoden vertraut machen kann (unten links).
Auch ein Routinier wie Barry Lane (zweiter von rechts im Bunker) übt das kurze Spiel mit grosser Ausdauer. Im Hintergrund schlagen Kollegen Bälle aus dem tiefen Rough, während sich Spieler des ProAm vom Mittwoch auf dem 3. Tee zum Abschlag vorbereiten (linke Seite unten rechts).
Brett Rumford und Rory McIlroy auf der Driving Range: Der Australier verinnerlicht das Schwunggefühl mit einem besonderen Accessoire, während der Jungstar sich wie viele seiner Berufsgenossen mit einem Schläger als Richtungshilfe begnügt (unten links).
Arbeitspause auf der Driving Range für ein Bild für das Familienalbum: Der Sohn eines Spielers zusammen mit einem Star der Branche – Miguel Angel Jiménez (Bild unten).


