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BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Saure Gurken Bei einer vor Kurzem absolvierten Ausfahrt mit dem Velo wurde ich mehrmals lautstark und wenig freundlich zurechtgewiesen. Von anderen Velofahrern, nach deren Ansicht ich mich auf einer Raum-Zeit-Koordinate befand, auf die sie sich Ansprüche ausgerechnet hatten. Platz, aneinander vorbeizukommen, gab es allemal genug, der Veloweg war breit und menschenleer. Doch ich fuhr anscheinend nicht so, wie sie sich das vorstellten, obwohl ich nicht gegen die Verkehrsregeln verstiess. Ich bin stets bemüht, diese einzuhalten, egal ob sie mir einleuchten oder nicht. Weil mir die gehässigen Belehrungen und Beschimpfungen nur im Vorbeifahren entgegengebellt wurden – etwas feige, so im Vorbeifahren, wo das Risiko gering war, dass sich daraus eine unangenehme Situation ergeben würde, denn die Zeiten, in denen ich eine Kehrtwendung gemacht, den

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Anschnauzer verfolgt und zur Rede gestellt hätte, sind zum Glück für alle Beteiligten vorbei –, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, was genau den Zorn meiner Mitradler erregte. Ich vermute, es hatte mit meinem Abstand zum Rand des Radwegs zu tun, der wohl als zu gross empfunden wurde. Die Gegend, durch die ich fuhr, war ein liebliches Tal vor den Toren Zürichs. Eine Gegend, in der es viel Grün gibt, von Überbevölkerung und Dichtestress weit und breit nichts zu spüren oder zu sehen ist. Dort, wo dichter gesiedelt wird, wohnte man in Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen. Das Wetter war angenehm warm, die Sonne schien an diesem Freitagnachmittag. Alles war eigentlich perfekt. Trotzdem waren diese Leute steinhässig und lauerten nur darauf, einen Grund zu finden, ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Sie fuhren in teurer Sportbekleidung auf Rennvelos, die auch nicht billig waren. Sie hatten also Geld, waren gesund und hatten frei. Nur Freude hatten sie keine. Am nächsten Tag sass im Bus eine alte Frau, die irgendwelche Zettel las, die sie auf dem Sitz neben sich ablegte. Sie brauchte also zwei Sitze. Gut, der Bus war nicht sehr voll. Drei Buben in Begleitung von zwei Frauen, den Gesprächen nach nicht ihren Müttern, stiegen ein. Das hörte man. Die Frau verzog angewidert den Mund und schüttelte den Kopf. Die Fünfergruppe unterhielt sich lebhaft, lärmte aber keineswegs herum. Als sie ausstiegen,

schimpfte die alte Frau laut auf die Buben, die ihrer Ansicht nach gar nicht hätten Bus fahren dürfen, wenn sie keine Erziehung genossen hätten. Ich will jetzt nicht in die oft gehörte Klage einstimmen, dass die Leute am Morgen auf dem Weg zur Arbeit im Tram ein saures Gesicht machen. Dazu haben sie meines Erachtens mindestens drei gute Gründe: 1. Es ist Morgen. 2. Sie sind auf dem Weg zur Arbeit. 3. Sie sitzen oder stehen im Tram. Diese Szene ereignete sich am späteren Vormittag. Die Frau hätte weiterhin ihre Zettel lesen können, so wie die Velofahrer völlig unbeeinträchtigt hätten zufahren können. Wahrscheinlich sind es Menschen, die finden, es sei zu voll in diesem Land, denn tatsächlich ist es selbst auf einem leeren Veloweg oder in einem halbvollen Bus sehr anstrengend, alle Mitmenschen im Auge zu behalten und aufzupassen, dass sie ja nichts tun, was nach einer Zurechtweisung verlangt.

STEPHAN PÖRTNER (STPOERTNER@LYCOS.COM) ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT (SAVVE@VTXMAIL.CH) SURPRISE 337/14


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