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Hat er etwas darüber gesagt, wie realistisch das ist? für Migros und Coop gemacht, für Auftraggeber in der Industrie werden Nein. im CNC-Verfahren Teile gefertigt, Prototypen, Kleinserien à 20 bis 50 Stück oder grössere bis 1000. Es werden Necessaires bestückt, PromoAber er hat gesagt, man könne es probieren. tionsartikel zusammengestellt, für Kundengeschenke Bonbons assorJa. tiert, Teebeutel in Schachteln gefüllt. In der Aktenvernichtung arbeiten Leute, die weder lesen noch schreiben können: «Ein Paradebeispiel daWas könnte dich beim Regale-Auffüllen oder in einer Küche allenfür, wie wir versuchen, eine Einschränkung in eine Ressource zu verfalls stressen? wandeln», sagt Werkstättenleiter Andreas Gugger. Fabian Schläfli ist in In der Küche fast nichts. Aber beim Regale-Auffüllen, wenn man dann der Montageabteilung. Dort schrumpft er oft. Was heisst: Zwei Produketwas lesen muss, das Verfallsdatum oder so. Da fängt es dann an. te, die zusammen verkauft werden, aufs Einlegeband legen, in die Maschine hineinfahren, Plastik drum, dann in den Schrumpftunnel, wo die Früher gab es etliche Hilfsjobs, Laufburschen etwa. Mit jeder WirtFolie durch Wärme zusammengezogen wird, dann etikettieren, in Karschaftskrise sind aber Jobs weggefallen, weil man rationalisiert hat. ton verpacken, auf die Palette beigen. «Diese Stellen kommen nicht mehr zurück, weil sich die Anforderungen Fabian Schläfli arbeitet seit eineinhalb Jahren bei der VEBO, vorher der Wirtschaft verändert haben und weil viele Aufgaben im unqualifiwar er an anderen geschützten Arbeitsplätzen, hat Futter für Zuchtratzierten Bereich direkt an den Konsumenten ausgelagert worden sind», ten abgepackt, die für Tierversuche verwendet werden, oder Abstimmungscouverts bestückt. «Gewechselt habe ich, weil ich nach fünf Jahren mal wieder neue «Meine Idee ist, dass man den IV-Leuten in der freien MarktwirtLeute kennenlernen wollte», sagt Fabian Schläfschaft mehr Chancen gibt, damit sie eine Stelle finden können. li. Jetzt will er wieder wechseln, aber diesmal Ich merke, dass das Interesse eigentlich besteht, nur glaube ich, in den ersten Arbeitsmarkt. «Ich kann jetzt 14 dass sie zu wenig Geduld haben.» Tage in einer Arbeitsintegration schnuppern. Da merke ich, dass in der freien Marktwirtsagt SKOS-Co-Leiter Felix Wolffers. Das Self-Checkout etwa, das die schaft eigentlich Interesse besteht, nur glaube ich, dass sie zu wenig GeKassiererin ersetzt. Den Job also, den Dilek Kara vielleicht bekommen duld haben. Heute muss alles zack-zack-zack gehen. Meine Idee ist, hätte. Während es einen Fabian Schläfli, der die Einkäufe einpacken dass man den IV-Leuten in der freien Marktwirtschaft mehr Chancen könnte, schon lange nicht mehr gibt. Als bei der 6. IV-Revision vor vier gibt, damit sie eine Stelle finden können.» Jahren grössere Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitsplätzen verpflichtet werden sollten, ein Prozent ihrer Arbeitsplätze für Behinderte Auf die Chance hoffen freizuhalten, hat sich der Nationalrat gegen die Quotenpflicht gewehrt. Werkstättenleiter Andreas Gugger hat Verständnis für Fabian SchläfDas Gespräch mit Werkstättenleiter Andreas Gugger findet ein paar lis Wunsch. «Wenn unsere Leute den Schritt in den ersten Arbeitsmarkt Tage nach unserem Interview mit Fabian Schläfli statt. Die 14 Tage machen möchten, unterstützen wir sie dabei. Oft bauen wir über Jahre Schnuppern bei der Arbeitsintegration haben sich nach vier Tagen behinweg Fähigkeiten auf, und der eine oder andere findet nachher sogar reits erledigt: «Sie haben Herrn Schläfli einen Dämpfer gegeben. Sie haeine Stelle.» Es sind etwa ein Prozent, denn es gibt viele, die auch eine ben ihn zurückgeschickt und gesagt, sie sähen keine Chancen, ihn in Stelle suchen und keine Einschränkung haben. Trotzdem sagt Gugger: den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.» Andreas Gugger bekommt es «Die Chance ist immer da. Es kann sein, dass wir bei jemandem im sehr direkt mit, wenn der Lebenstraum eines seiner «Mitarbeiter mit Betrieb Fähigkeiten fördern, die genau zu einem Basisjob einer Firma Rente», wie er sagt, ein Stück weit zerbrochen ist. «Das wird in Gespräpassen, für die wir arbeiten. Vielleicht sagen die sich: Statt dass ich chen immer wieder thematisiert. Das tut gut und fängt auf. Die RückInserate schalte, kenne ich ja den Fabian Schläfli, und der könnte das meldung von uns ist dann vielleicht: Es ist ja kein Drama, wenn es nun auch erledigen.» doch nicht geklappt hat. Du machst hier so viel Gutes.» Es gibt sicher Es gab zum Beispiel den Herrn, der nach einer Hirnverletzung in der solche, die Ambitionen haben, es gibt aber auch diejenigen, die sich VEBO Teile zum Verpacken abgezählt hat. «Das stimmte nie richtig», irgendwann sagen: Was stresse ich mich damit, im ersten Arbeitsmarkt sagt Andreas Gugger. «Er musste 50 Teile in eine Schachtel legen, und einen Platz zu finden, wo ich unter Umständen wieder nicht genüge? das waren einmal 48, das nächste Mal 52.» Trotzdem hat er in einer FirWas habe ich davon, wenn die anderen sagen: Das ist der Langsamste, ma, die Solarpanels vertreibt, eine Teilzeitstelle gefunden. Jemand anden wir hier haben? ders ging auf einen Reithof und hilft heute in der Pferdebetreuung mit. Andreas Gugger weiss, dass diese Fragen nicht abwegig sind. Er sagt: Oft kommen die Leute in kleineren Unternehmen unter, die einen Hand«Menschen wie Herr Schläfli, die den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt langer brauchen oder das Lager aufräumen müssen. vielleicht nicht schaffen, haben bei uns eine Arbeit. Und zwar nicht Malen, Basteln oder etwas Sortieren, das am Abend wieder in den Topf Fabian, wo würdest du gerne arbeiten? zurückgeworfen wird. Sondern sie stellen ein Produkt her, das von der Entweder Migros oder Coop. Oder in einer Küche. Industrie nachgefragt wird. Das sind Tätigkeiten, die dem ersten Arbeitsmarkt entsprechen. Nur gäbe es dort niemanden, der die Zeit und Was würdest du bei Migros oder Coop machen? die Geduld hat, um mit Herrn Schläfli dieses Produkt herzustellen.» Regale auffüllen (zögert). Das ist wahrscheinlich die einzige MöglichAls Fabian Schläfli erfährt, was der Werkstättenleiter gesagt hat, läkeit, die es im Moment gibt. chelt er müde. «Er versteht vielleicht meine Lebenssituation nicht ganz. Wegen der Hirnhautentzündung bin ich halt in Behindertenwerkstätten. Und in der Küche? Aber meine Frage ist: Warum kann ich nicht einfach normal sein? WieRüsten und kochen. Und servieren, wenn es geht. so kann ich nicht arbeiten wie jeder andere auch?» ■ Hast du schon mal mit deinem Vormund darüber geredet? Ja, und er meint, ich solle dort, wo ich jetzt bin, weitermachen, und er schaut mit der IV wegen einer Möglichkeit in der Migros oder im Coop.

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