Verkäuferporträt «Das sind echte Freunde» Bruno Bölsterli (57) ist Basler – durch und durch. Der Surprise-Verkäufer vom Marktplatz ist ein begeisterter Fasnächtler und besitzt die Fähigkeit, Hunde in Stiere zu verwandeln.
«Meine ‹Gugge› und der FC Basel – das ist meine Heimat, meine Familie. Als es mir dreckig ging, nach der Scheidung und auch nach meinem Unfall letztes Jahr, haben meine Kollegen von den Messingkäfern – so heisst unsere Gruppe – für mich geschaut. Über 30 Jahre spiele ich schon Trompete und jeden Donnerstagabend ist Probe angesagt. Für mich ist das jeweils ein echtes Highlight. Alleine macht das Üben halt bei Weitem weniger Spass und als Gruppe sind wir sehr erfolgreich. Neben unseren Auftritten an der Basler Fasnacht waren wir verschiedentlich in französischen und deutschen Städten zu hören. Eine Agentur hat uns vermittelt. Besonders gut bin ich jeweils am Mittwochnachmittag an der Fasnacht zu erkennen, dann kommt nämlich immer Messingkäfer-Fötzi mit. Den kleinen Holzhund habe ich vor 30 Jahren gekauft. Jedes Jahr schneidere ich ihm ein neues Kostüm, abgestimmt auf das der ganzen Gruppe. Letztes Jahr wurde aus ihm ein Stier, so was passiert wirklich nicht jedem Hund. Würde mich jemand nach meinem schönsten Geburtstag fragen, müsste ich keine Sekunde überlegen: Es war mein 50. und meine Kollegen von der Gugge haben ihn derart schön gestaltet, dass ich noch heute – fast acht Jahre später – ganz gerührt bin, wenn ich daran zurückdenke. Sie haben für mich gespielt und unseren Proberaum toll ausgeschmückt. Das sind echte Freunde, ich gehöre zu ihnen, obwohl ich IV-Empfänger bin und sich mein Leben ansonsten nicht gerade mitten in der Gesellschaft abspielt. Deswegen bleibe ich meiner Gugge auch treu, von dem oft praktizierten Gewechsle zwischen den verschiedenen Guggenformationen halte ich rein gar nichts. Es kommt darauf an, dass man zusammenhält und gemeinsam weiterkommt. Wenn bei uns jemand Neues dazustösst, stellt sich immer ziemlich schnell heraus, ob er zu uns passt oder nicht. Das muss einfach stimmen. Man muss schon sagen, irgendwie sind wir ‹e Sauhufe›, aber ein sehr sehr lieber. FCB-Fan bin ich seit meinem zwölften Lebensjahr, so ungefähr, ganz genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Bei Heimspielen bin ich grundsätzlich immer mit von Partie. Früher fuhr ich dem Club auch zu Auswärtsspielen hinterher. Das kann ich mir heute aber nicht mehr leisten und auch die Champions League ist mir zu teuer. Das macht aber nix. Dann fiebere ich halt vor dem Fernseher mit. Während sechs Jahren habe ich auch Tribünendienst gemacht. Das hat mir gut gefallen, da war man halt dicht am Geschehen dran. Eigentlich bin ich mit meinem Leben unterdessen ganz zufrieden, auch wenn es wirklich nicht das einfachste ist. Das hat schon in der Kindheit angefangen. Unterdessen habe ich mich aber daran gewöhnt, auch ans Alleinewohnen. Kochen tue ich mir ganz einfache Sachen und ab und zu gehe ich ins Restaurant. Mit dem Heftverkauf kann ich etwas dazuverdienen, das finde ich angenehm und es hilft mir auch, auf neue Leute zuzugehen und mich nicht allzu sehr in meiner Wohnung zu ver-
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BILD: ZVG
AUFGEZEICHNET VON ELISABETH WIEDERKEHR
kriechen. Seit ich Surprise verkaufe, führe ich ein Dossier. Ich lese das Heft und lege jeweils ein Exemplar in einer Mappe ab. Zudem schreibe ich manchmal kleine Kommentare und notiere Vorschläge von Kunden für neue Rubriken oder Artikel. Persönlich gefiele es mir ganz gut, wenn Surprise auch Kontaktanzeigen publizieren würde. Es gibt ja wirklich viele einsame Singles. Wäre doch eine Idee, nicht? Insgesamt habe ich aber rein gar nichts zu bemängeln, die Ausgaben gefallen mir und die Themen finde ich brisant. Ein echter Fortschritt war für mich, als ich meinen Verkaufsstandort vom Clara- an den Marktplatz verlagern konnte. Dort gibt es einfach viel mehr potenzielle Leserinnen und Leser. Manchmal möchte ich wetten, dass diese oder jene Person nach ihrer Einkaufstour noch mal bei mir vorbeischaut und ein Heft mitnimmt. Solche Wetten würde ich nämlich regelmässig gewinnen und das freut mich dann doppelt!» ■ SURPRISE 259/11