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Luxus Medizin

Behutsam zupft Johann Peter Paul Peer einen Bogen Blattgold von einem kleinen Stapel. Hier im Hinterzimmer der Apotheke, die er 1787 übernommen hat, liegen auf dem Arbeitstresen säuberlich die Zutaten für seine kostbarsten Arzneien: Blattgold, Blattsilber. Und die kleinen runden Pillen, die er schon zuvor gedreht hat. Der Apotheker kleidet die kugelförmige Rollierdose aus dunkelgrünem Serpentinstein mit dem Blattgold aus und legt eine, zwei, drei der Pillen hinein. Dann schließt er die Dose und lässt sie kreisen, immer und immer wieder, bis die Kügelchen gleichmäßig mit Gold überzogen sind.

Einfache Arzneikügelchen, überzogen mit Edelmetall: Dieses goldglänzende Beispiel für Zweiklassenmedizin kam in der Mitte des 18. Jahrhunderts bei der Brixner Hautevolee in Mode. Medizinische Begründung gab es dafür keine. Gut betuchte Bürgersfamilien und die Mitglieder des kirchlichen Hofstaats am Bischofssitz Brixen wollten wohl einfach ihren Wohlstand signalisieren. Der Klerus deckte sich in der Fürstbischöflichen Hofapotheke ein, alle anderen versorgte Johann Peers Stadtapotheke, die noch heute als Peer-Apotheke besteht.

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Was die kapriziösen Kranken allerdings nicht ahnen konnten: Gold löst sich in Magensäure nicht auf. Der eigentliche Wirkstoff im Inneren der kostbaren Kügelchen – Abführmittel oder Arznei en gegen Herzleiden – kam nie dort an, wo er sollte. Sondern wurde einfach wieder ausgeschieden und landete mitsamt dem Gold im Nachttopf.

Mitunter zahlten die anspruchsvollen Kunden nicht nur für wirkungslose, sondern sogar für gefälschte Kügelchen: Heutige Analysen zeigen, dass gar einige der „vergoldeten“ Pillen nicht mit Gold überzogen sind – son dern mit Messing.

Pharmaziemuseum Brixen

+ Generationen der Apothekerfamilie Peer haben einen reichen Bestand an Apothekengefäßen, Kräuterbüchern, medizinischen Geräten und exotischen Heilmitteln angesammelt. Im historischen Gebäude der 1602 gegründeten Apotheke erzählt das Museum 400 Jahre Geschichte des Heilens von Paracelsus bis heute und bietet amüsante Blicke hinter die Kulissen des bürgerlichen Lebens der Stadt Brixen.

+ Eine weitere Kuriosität in der Wunderkammer des Museums: die sagenumwobene Arznei mumia vera – ein Stückchen einer echten ägyptischen Mumie. pharmaziemuseum.it