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Das in Brixen

Die „neue“ Jugend

Im Auftrag der faschistischen Jugendorganisation ONB („Opera Nazionale Balilla“) wurde das Gebäude in der Brixner Romstraße am Rande der Altstadt im Jahr 1936 errichtet. Im „Casa del Balilla“ (später GIL, „Gioventù Italiana del Littorio“, Faschistische Jugend Italiens) sollten Kinder und Jugendliche von 6 bis 21 Jahren im Geiste des Regimes erzogen werden. In der Sport- und Kultureinrichtung wurde Theater gespielt und geturnt, auf dem Exerzierplatz marschierten die Jungen und Mädchen auf. So wollte das Regime sie mit „Tugenden“ wie Nationalstolz, Gehorsam und Autoritätstreue indoktrinieren.

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Retrochic

Der Schriftzug „Astra“, der nachts über dem Eingang leuchtet und weithin sichtbar ist, nimmt die Typografie der originalen Leuchtreklame auf, die in den 1960er-Jahren entwickelt wurde und schon damals den Eingang zierte.

Eins von fünf

Die beiden Architekten Francesco Mansutti und Gino Miozzo aus Padua errichteten in den 1930er-Jahren nicht nur das „Casa del Balilla“ in Brixen, sondern weitere vier Gebäudekomplexe in Bozen, Meran, Sterzing und Bruneck. Allesamt waren sie architektonisch sehr ähnlich und hatten denselben Zweck: die Jugend regimetreu zu erziehen. Neben dem Astra ist nur mehr der Komplex in Bozen erhalten, heute Sitz des Forschungszentrums Eurac.

Pompejanisches Rot

Das Bauwerk war ursprünglich mit einem roten Fassadenputz versehen. Zwischenzeitlich wurde er ockergelb übertüncht; seit der Restaurierung erstrahlt das Astra wieder im originalen pompejanischen Rot. Es ist an die Farbe angelehnt, die in den Ruinen von Pompeji am Fuße des Vesuvs in Fresken entdeckt wurde.

Italienische Sachlichkeit

Im Gegensatz zu den faschistischen Monumentalbauten, wie sie beispielsweise in Bozen mit dem Siegesplatz und der Freiheitsstraße entstanden, weist das Gebäude in Brixen den sachlichen Stil des italienischen Razionalismo auf, einer Architekturströmung, die auf eine klare und moderne Formensprache setzt.

Lichtspielhaus

Nach dem Ende des Faschismus pachtete Gino Bernardi einen Teil des Gebäudes und richtete dort einen Kinosaal ein – ihm verdankt es seinen heutigen Namen. Bernardis Sohn führte es bis zur Schließung 2011 weiter. Ganze 65 Jahre lang war das Astra-Kino ein fixer Bestandteil der Brixner Kulturszene –und stets am Puls der Zeit: In den 1970er-Jahren, als die Softpornoindustrie boomte, lief hier auch manch anrüchiger Streifen. Heute werden im renovierten Großen Saal, dem Herzstück des Astra, Arthouse- und Kinderfilme gezeigt.

Treffpunkt für junge Kultur

Nach aufwendigen Sanierungsarbeiten wurde das Astra 2019 wiedereröffnet. Lokale Architekturstudios adaptierten es für eine zeitgenössische Nutzung: Entstanden ist ein Raum für den kulturellen Austausch, in dem sich junge Künstlerinnen und Künstler auf rund 670 Quadratmetern frei entfalten können. In den Werkstätten wachsen und reifen Kunstprojekte, auf der Bühne im Großen Saal finden Konzerte, Talks und Performances statt.