KLUBZEITUNG DER SÜD -TIROLER FREIHEIT | 3-2017
| ERSCHEINT VIERTELJÄHRLICH
Unabhängigkeit
Keine Angst, Europa!
KATALONIEN SAGT SÍ Feiernde Menschen, prügelnde Polizisten und ein Land am Scheideweg: Am 1. Oktober stimmte Katalonien über seine Unabhängigkeit ab. Nun sitzt die Regierung in Haft oder im Exil. Ist der Traum vom eigenen Staat damit zu Ende? Die Süd-Tiroler Freiheit war in Barcelona dabei. Ein Stimmungsbericht in zwei Teilen.
A
renys de Munt ist eine kleine Stadt 45 Kilometer nördlich von Barcelona. Malerischer Ortskern, zwischen Hügeln gelegen, Blick auf das Mittelmeer: eine Ortschaft wie viele an der katalanischen Küste. Und doch ist Arenys de Munt besonders. Es ist das gallische Dorf Kataloniens, eine DER Keimzellen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Vor acht Jahren wurde hier erstmals ein unverbindliches Referendum zur Frage der Unabhängigkeit Kataloniens abgehalten. Ein Fanal, denn über 550 Gemeinden folgten dem Beispiel und organisierten ebenfalls unverbindliche Volksabstimmungen. Der Geist der Unabhängigkeit war aus der Flasche gelassen. Im November 2014 folgte eine landesweite Volksabstim-
mung, ebenfalls unverbindlich. Aber wie zuvor in den Gemeinden, sprach sich auch bei diesem Referendum eine große Mehrheit der Bevölkerung für die Schaffung einer katalanischen Republik aus. Über 80 Prozent sagten „Sí“ zur Unabhängigkeit. Gestärkt durch diese Volksbefragungen, siegte im September 2015 ein überparteiliches Bündnis für die Unabhängigkeit bei den Wahlen zum katalanischen Regionalparlament. Bereits bei seiner zweiten Sitzung billigte es eine Resolution, die „den Beginn des Prozesses der Schaffung eines unabhängigen Staates und der Einleitung eines verfassungsgebenden Verfahrens“ festschrieb. Mit der absoluten Mehrheit im Parlament im Rücken, gingen die Befürworter (Fortsetzung Seite 2)
Europa hat Angst. Vor Katalonien. Vor Veränderung. Vor der oft beschworenen „Kleinstaaterei“. Eine Kleinstaaterei, die es zu verhindern gelte, meinte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (sprach der Mann aus dem Kleinstaat Luxemburg). Die Angst ist unbegründet. Katalonien ist eine Chance für die EU! Vielerorts sinkt die Zustimmung zum Gemeinschaftsprojekt. Nur rund ein Drittel der Tschechen, Griechen, Italiener und Kroaten halten die EU-Mitgliedschaft für eine gute Sache. Für viele ist Brüssel vor allem eines: ein Bürokratiemonster. Gurkenkrümmungsregulierer. Weit weg. Anders Katalonien. Anders Schottland. Sie feiern einen proeuropäischen Patriotismus. Abschottung (welch Wortspiel) ist nicht ihr Ziel. Im Gegenteil. „In Vielfalt geeint“ lautet das Motto der EU. Erst wenn Europa die schönen Worte von Subsidiarität und Vielfalt auch lebt, hat es eine Zukunft. Ansonsten könnte auf den Brexit bald der nächste „Exit“ folgen. Stefan Zelger, Sekretär der Landtagsfraktion
www.suedtiroler-freiheit.com/landtag
Schottland will’s noch einmal wissen Auch Schottland will noch einmal über seine Unabhängigkeit abstimmen. Das schottische Parlament hat Ende März die Weichen für ein weiteres Referendum gestellt. Eines der größten Argumente der Unabhängigkeitsgegner war, dass Schottland aus der EU fliegen würde, sollte man sich vom Vereinigten Königreich trennen. Doch der EU-Austritt passiert nun mit dem Brexit, obwohl sich eine große Mehrheit der Schotten für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatte. Die Schotten haben aber einmal mehr bewiesen, dass das Selbstbestimmungsrecht ein proeuropäisches Projekt ist. (SZ) 1