style in progress 3/2019 – Deutsche Ausgabe

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SO LÄUFT’S

Fa s h i o n T ec h – Koo p e r at i o n e n

„DATEN SIND DAZU DA, ENTSCHEIDUNGEN SUBSTANZ ZU GEBEN, UND NICHT, SIE ZU ERSETZEN.“ Joor digitalisiert den Bestellvorgang für Marken wie Chloé, Sacai, Liebeskind und Händler wie Apropos und Zalando. Seit Kristin Savilia die Firma leitet, hat sich Joor auf Softwarelösungen konzentriert, die vorgelagerte Prozesse transparent machen, und expandiert in Europa. style in progress im Gespräch mit Kristin Savilia, der Chefin von Joor.

K

ristin, wie hat sich der Großhandel seit dem Beginn Ihrer Karriere gewandelt? Im Prinzip ist das Verfahren gleich geblieben. Als man mir die Leitung von Joor anbot, erfuhr ich, dass die Leute ihre Bestellungen immer noch so machten, wie ich es von 1995 kannte: mit Excel-Tabellen und Durchschlag. Die einzige Änderung vor Joor kam mit dem iPhone: Einkäufer machten bei Shows und im Showroom Fotos, aber die waren mit nichts verbunden. Während also das komplette FrontEnd, die verbraucherzugewandte Seite, hundertprozentig digital geworden ist, benutzen die Leute im Back-End, im Großhandel, immer noch Stift, Zettel und Kohlepapier. An diesem Knackpunkt braucht die Branche dringend eine Digitalisierung. Würden Sie sagen, die Gattung traditioneller Einkäufer ist vom Aussterben bedroht? Oh, auf gar keinen Fall! Im Kern bin ich Kauffrau, ich habe als Einkäuferin bei Macy’s angefangen. Bei Joor versuchen wir bloß, deren Fokus auf die kreative Seite des Einkaufs zu lenken, indem wir ihnen die Logistik abnehmen. Abgesehen von Nutzerfreundlichkeit und Kostenersparnis kann man so Trends erkennen und sich auf Termine vorbereiten und Upstream-Transparenz verbessert Entscheidungen. Dennoch glauben wir fest daran, dass Daten dazu da sind, Entscheidungen Substanz zu geben, und nicht, sie zu ersetzen. Mode wird nicht von der Vergangenheit vorhergesagt. Die kann ihr zugrunde liegen, aber für die Prognose braucht man immer noch den Blick des Einkäufers. Ein Thema derzeit ist die Frage, wie sich Direct­to-consumer-Marken auf den Handel auswirken. Warum glauben Sie, dass DTC den Zwischen­ händler nicht ausschalten werden? Erstens ist der Großhandel das größte Geschäft, das es gibt. Zweitens gibt es kein besseres Marketing für eine Marke, als sich mit einem Stück stationären Handel zu verbinden. Selbst Amazon macht Läden auf und

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Ehe sie an der Spitze von Joor stand, arbeitete Kristin Savilia für The Knot, wo sie die Hochzeitsplanung digitalisierte – ein praktischer Hintergrund, wenn man sich der Digitalisierung eines Geschäfts verschrieben hat, das heute noch oft mit Bestellzetteln aus Papier betrieben wird: Modegroßhandel.

Hudson Yards, die neue Großfläche in New York, hat 18 Läden, die von DTC-Marken aufgebaut wurden. Viele dieser Marken verkaufen zusätzlich an Händler wie Neiman Marcus, um mehr Konsumenten zu erreichen. Niemand glaubt, der Großhandel verschwindet. Ich glaube, er funktioniert jetzt nur anders. Was wäre denn ein Beispiel für diese Veränderung? Durch den Omnichannel-Onlinehandel beginnen Modechefs viel früher, Teile zu stylen. Sie greifen Trends frühzeitig heraus und stellen Outfits zusammen, damit das alles fast sofort live gehen kann, wenn sie vom Markt zurückkehren. Mit Tools wie Joor können sie auch ihre Einkäufer am Ordern beobachten, selbst wenn sie selbst nicht mit nach Paris reisen. Apropos Paris: Worauf konzentrieren Sie sich gerade in Europa? In Europa haben wir in Paris, London und Mailand begonnen, und vor etwa einem Jahr wollten wir dann nach Deutschland. Der Bereich D-A-CH ist jetzt unser Wachstumsfokus, wir arbeiten auf Hochtouren daran, dort unsere Markenliste zu verlängern. Natürlich sprechen wir auch mit Händlern. Wir hoffen, uns auch dort einen Signature Retailer als Aushängeschild zu sichern. jooraccess.com


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