STUZ 151 Wiesbaden

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Haare MAGAZIN

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Der Wunderbringer Siggi Ebenhoch ist Zweithaardesigner und weiß, dass er mit seinen Perücken Krebspatienten und Menschen mit Haarproblemen Freude spenden kann. Was zunächst nach christlicher Nächstenliebe klingt, nimmt bald fanatische Dimensionen an.

Nähert man sich Siggi Ebenhochs Studio in Hochheim, fällt sofort die ungewöhnliche Werbung ins Auge, die früher vor der Mainzer Rheingoldhalle hing. Zu sehen sind darauf Menschen, die erst ihren fleckigen Haarwuchs oder Glatzköpfe zeigen und dann in voller Haarpracht zu sehen sind. Ebenhoch ist „Zweithaardesigner“ und sorgt für die Lösung von Haarproblemen. Da ist solche Werbung zweckmäßig. Vom Friseur zum Perücken-Perfektionierer Die Spezialisierung auf Perücken folgt auf eine erfolgreiche Zeit als Friseur in Augsburg, Köln und Mainz. 1979 wird der gebürtige Augsburger rheinland-pfälzischer Landesmeister der Friseure und gewinnt den Großen Preis von Deutschland, 1980 erhält Ebenhoch die Goldmedaille auf der Weltmeisterschaft in Rotterdam. Bereits während seiner Ausbildung arbeitet der Toupet-Träger bei Friseurmeistern als Perücken-Modell und erwirbt erste Kenntnisse für die Zweithaarkategorien der Meisterschaften. 1994 macht er sein erstes Zweithaarstudio auf. Mittlerweile hält er drei Patente für Zweithaarlösungen. Ebenhoch ist sich sicher, dass er seinen „Patienten“ durch individuelle Toupets helfen kann, sich wieder wohl zu fühlen. Daher verbessert er Perücken dahingehend, dass sie immer tragbar und angenehm sind. Zudem hat er mit anderen Friseurmeistern den „Solidarpakt der Friseure für Krebspatienten“ gegründet und mehrfach Krankenkassen angeklagt, da diese nur für Kunsthaarperücken der untersten Preisklasse aufkämen. „Wir wollen hingegen, dass die Leute zufrieden sind, weil sie die richtige Beratung und das richtige Produkt erhalten.“ Dafür sorgt seine „Gefallensgarantie“: Der Patient

Zweithaardesigner Siggi Ebenhoch bei der Arbeit. Kleines Bild unten: Ebenhoch ohne Toupet.

kommt zur objektiveren Bewertung mit Begleitperson und darf das Toupet probetragen. Die Kunden sind zufrieden und kommen aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet zu ihm. Auch, weil er seine Kunden mit dem täglich Brot des Friseurs an sich bindet: Während Ebenhoch einem Kunden zuerst die Haare schneidet und danach das Toupet an den Schnitt anpasst, erzählt er von einem Buch, das er gelesen hat, leiht es ihm schließlich aus und lädt ihn zu einer Filmvorführung ein. Ein Meister der Friseure ist eben immer auch ein Meister der Unterhaltung. Eine andere Patientin hat Ebenhoch Fotos davon geschickt, wie sie in seinem Salon ihre Perücke bekommt. Zuletzt sieht man sie Arm in Arm mit dem Meister: „Sehen Sie das? Wie die auf einmal glücklich wird? So muss es sein!“ Ihr glückliches Gesicht ist jedoch nichts gegen das Lächeln, das sich im Gesicht Ebenhochs breitmacht. Sein Erfindergeist und seine Begeisterungsfähigkeit tragen jedoch auch zweifelhafte Früchte. Alle Ideen sind spontane Anflüge: „Nachts um viertel nach drei kommen Impulse bei mir rein und

dann Bingo, alles funktioniert. Das ist der Hammer.“ So hat er auch zu seinem Glauben gefunden. Mitten in der Nacht, als sein „Leben am Ende“ war, privat und gesundheitlich. Er fängt sehr ausführlich darüber zu reden an, als man ihn nach seiner neuesten Idee, Seminare zu „Rückenproblemen“, fragt. Des Pudels Kern Ebenhochs Glaube ist der freier evangelischer Gemeinden, eine auf Jesus basierende Doktrin, die Pseudo- und Parawissenschaften auf biologische Fakten anwendet – quasi ein Selbstbedienungsladen erforschter und fragwürdiger Phänomene, in dem beides auf irrationale Weise verknüpft wird. Auch wenn Ebenhoch vehement abstreitet, dass die Lösung der Rückenprobleme nur ein Vorwand ist, um die Leute zu dem Vortrag über seinen Glauben zu locken, widerspricht er dem direkt im Anschluss: „Die Leute sagen: ‚Ich habe doch gar keine Probleme.‘ Die wissen gar nicht, dass sie in der Scheiße stecken! Wir erklären, wie es wieder aufwärts geht.“ Zu Beginn demonstriert Ebenhoch, wie er mit „der Kraft Jesu“ Rückenbeschwerden

heilt. Man soll sich auf einen Stuhl setzen, er diagnostiziert unterschiedliche Beinlängen und macht diese als Ursache der Rückenschmerzen aus. Mit der ihm verliehenen Kraft begleicht er den Fehler und präsentiert dies als Wunder. In Wirklichkeit hat er einfach unter Kraftanwendung am angespannten „kürzeren“ Bein gezogen. Nun darf jeder glauben, woran er will. Beim Missionieren unter Vortäuschung falscher Tatsachen oder Intoleranz gegenüber anderen Religionen hört die Glaubensfreiheit jedoch auf. „Beim Spazieren durch Limburg ist mir ein Islamisten-Stand aufgefallen. Da bin ich hin und habe gesagt: ‚Jesus ist meiner, der hat Power. Anders als Mohammed vergibt er, Jesus ist Liebe.‘“ Auch hier führte er den Bein-Trick durch, wo zuerst im„Namen Mohammeds“ nichts passierte, aber dann im „Namen Jesu“ das Wunder vollzogen wurde. Bei den Veranstaltungen folgen darauf „wissenschaftliche“ Erklärungen zur Beinverlängerung und zur Lösung der noch nicht erkannten Probleme. Diese kann er auf Nachfrage nicht nennen, nur ein konkretes Beispiel, das das Konzept „Seele“ mit Emotos pseudowissenschaftlichen Erkenntnissen über gefrorenes Wasser verbindet. Inwiefern er diese Thesen an die Kunden heranträgt? „Ich habe hier Menschen sitzen, die Krebs und sehr viele Schwierigkeiten haben. Die brauchen Hoffnung, der Patient schaut nur auf den negativen Umstand. Wenn er sich öffnet, zeige ich ihm den Glauben. Ob das klappt, ist jedem seine Sache.“ Wenn man Ebenhoch aber klar sagt, dass man nicht zur Bekehrung zu ihm kommt, unterlässt er seine Erzählungen. Auch jenseits des Glaubens weiß Ebenhoch, dass er durch seine Tätigkeit den Kunden hilft: „Haare und Seele gehören zusammen. Die Heilung der Haare sorgt für die Zufriedenheit des Patienten.“ Die Resonanz der Kunden stützt diese These. Sie bleiben treue und dankbare Patienten, Ebenhochs Freude an der Hilfe wird mit zahlreichen Empfehlungen und überschwänglichen Lobeshymnen belohnt. Und die Religion? Nur eine von vielen Antwortmöglichkeiten auf Fragen, die uns alle umtreiben. Text und Foto: Maximilian Kloes


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