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DAS JÜNGSTE GERÜCHT

Wär der Herr Bundespräsident doch still gewesen! Er persönlich hat sich beleidigt gefühlt, und weil es nicht edel aussieht, nicht präsidial, beleidigt zu sein, schützt er sein Amt vor. Das tun alle, die ein Amt haben. Sie reden von der Würde des Amtes und meinen ihre eigene. Und fordern Respekt für es ein. Je weniger Würde sie selber haben, je weniger Respekt ihnen erwiesen wird, umso pathetischer verweisen sie auf die Würde des Amtes und orten allseits Respektlosigkeit. Wer würdig Amt führt, wird dafür respektiert. Punkt. Und dennoch: Ich muss dem entlaufenen deutschen Bundespräsident Respekt zollen. Immerhin ist er gegangen, freiwillig, und das ist nicht üblich. Dass er seinem Amt nicht Würde zu verleihen und dafür nicht Respekt zu erwecken vermochte, diese Unzulänglichkeit teilt er mit vielen in seinem Gewerbe. Für die meisten ist aber das kein Grund zu gehen. Nichts genießt im politischen Geschäft einen so schlechten Ruf wie Rücktritte. Zurückzutreten gilt als unkollegial in der Zunft. Wird doch die Würde des Amtes am ehesten von den eigenen Amtsträgern selbst beschädigt. Und würden diese das einsehen, und würden sie dafür zurücktreten, was würde das für die verbleibenden Amtsträger bedeuten? Müssten die dann Würdenträger sein? Das möchten sie nicht. Denn von Würde lebt niemand. Vom Amt jeder. Florian Kronbichler

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