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„Die Leute sammeln die Figuren, deshalb haben wir dann auch sitzende Engel und einen knieenden entworfen.“
Ein Modell musste her. „Ich also mit meinem Salzteig hin und ein paar Wochen später hatte Gundolf Berger eine Idee, wie sich die Engel tatsächlich drechseln ließen, auch wenn sie nicht rotationssymetrisch sind.“ So ging es 2006 los – und jedes Jahr kommen seither neue Variationen hinzu. „Die Leute sammeln die Figuren, deshalb haben wir dann auch sitzende Engel und einen knieenden entworfen, damit die Gruppe dekorativ zusammen stehen kann“, sagt Sylva-Michéle Sternkopf und schüttelt noch immer mit dem Kopf, wenn sie die Geschichte erzählt. „Aber ganz ehrlich: Ohne die Technologie und das know-how in Gahlenz hätten wir noch so viele Ideen haben können. Es geht ja nicht nur um die Gestalt, sondern auch um die Qualität der Produkte“, beschreibt sie die Erfolgsfaktoren. Anfangs trugen die aus Ahorn gefertigten Engel farbige Kleider von sexy bis fröhlich, dann auch schlichte braun gebeizte Roben und inzwischen werden für die Körper auch Edelhölzer wie Palisander oder Robinie benutzt. „Mal sehen, was uns als nächstes einfällt“, lacht die sympathische Kommunikationsexpertin mit Hang zum Schönen.
Einfach raffiniert
T
reppen und Holz – das liegt ja schon mal nahe. Erzgebirge und Drechseln irgendwie auch. Ansonsten aber ist Gunnar Horatzscheck seit einiger Zeit weit entfernt von allem, was Normalität bedeutet. Angefangen hat das vor sechs Jahren, damals war er 46. Er schrieb sich in der Handwerkskammer Chemnitz zu einem mehrjährigen Kurs ein: „Gestalter im Handwerk“ hieß das Ziel. Denn der Drechslermeister verdiente sein Geld vorrangig mit Treppenbau, war aber schon lange auf der Suche nach der eigenen künstlerischen Handschrift, dem eigenen Stil beim Drechseln. „Bloß nicht die üblichen erzgebirgischen Männ’ln. Ich wollte eine eigene Edition“, sagt er. Und sein Dozent hat ihm Mut gemacht. So kam eines zum anderen, jedenfalls wagte Gunnar Horatzscheck den Schritt auf den Markt der erzgebirgischen Holzkünstler. Zur gleichen Zeit erfuhr er, dass der Nachlass von Prof. Friedrich Saalborn versteigert werden sollte, unter anderem auch seine Entwürfe zur Weiterentwicklung traditioneller erzgebirgischer Holzfiguren. Er bot und kaufte, auch wenn das nicht so nüchtern ablief, wie es hier klingt. Die ganze Familie war instruiert bei diesem Pokerspiel um das künstlerische Erbe des langjährigen Dozenten der Burg Giebichenstein in Halle. Jedenfalls darf Gunnar Horatzscheck seither produzieren, was der gebürtige Cranzahler erdachte. Doch noch immer fehlte die eigene Edition. Und
Den eigenen Laden eröffnete Gunnar Horatzscheck letztes Jahr zu Pfingsten und seine erste Serie hat bereits einen Preis gewonnen.
eine Schauwerkstatt mit Verkaufsraum, die er sich zudem erträumte. Beide Wünsche sind unterdessen auch erfüllt. Den eigenen Laden eröffnete er letztes Jahr zu Pfingsten und seine erste Serie hat bereits einen Preis gewonnen. Schlicht ist sie. Sehr schlicht. Und sie geht auf eine Arbeit aus dem Gestalter-Kurs zurück, wo er Lampen aus strukturiertem Papier entwarf, die er mit einem Pyramidenflügel komplettierte. Doch wie nun die Struktur ins Holz übertragen? „Ich hab’s hingekriegt“, lacht er und schweigt, schaut in die vollen Auftragsbücher und weiß nun endlich, dass er in den letzten sechs Jahren vieles richtig gemacht hat. „Bei diesen minimalistischen Formen ist natürlich Präzision gefragt, jeder Fehler würde umso mehr auffallen. Aber die Variationen um diese Kegelform sind jetzt sehr vielfältig. Ich bin schon längst mit den Gedanken bei der Weiterentwicklung“, erzählt er und streicht immer wieder mit der Hand über die Kegel. „Dass da so viele Händler jetzt gleich geordert haben, das hatte ich zwar gehofft, aber... Ich hab jetzt eben ganz schön zu tun bis Weihnachten.“ Das ist nun wiederum etwas, das nahe liegt bei den Holzkünstlern aus dem Erzgebirge.
Tipp: Seit 37 Jahren wird die Stadthalle am ersten Adventswochenende zum Schauplatz für erzgebirgische Volkskunst. Nicht anders in diesem Jahr: Zwischen 10 und 18.30 Uhr werden wieder rund 60 erzgebirgische Aussteller traditionelles und modernes Kunsthandwerk präsentieren oder sich in zahlreichen Vorführungen über die Schultern schauen lassen. Außerdem wird Kettenschnitzer
Markus Baumgart gemeinsam mit Enrico Kletke verschiedene lebensgroße Figuren sägen. Es wird also nicht nur heimelig sondern auch spektakulär. Und musikalisch wenn im Großen Saal zum Beispiel die Sängerinnen und Sänger des Studio W.M. traditionelle und moderne internationale Weihnachtsmusik präsentieren. Unterdessen können die Kinder in der Wichtelwerkstatt im Kleinen Saal selbst kreativ werden. Ein Familienfest der besonderen Art.