KOMPASS Stadtmagazin Ausgabe 12 | 20 bis 2 | 21

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Erst einmal sind Gewohnheiten auch etwas sehr, sehr Praktisches. Die Natur wollte nicht, dass wir uns Dinge immer wieder neu anlernen müssen – denn dies würde unsere kognitiven Ressourcen nur unnötig beanspruchen und unser Energiehaushalt wäre im Nu leer. Deswegen geht es um Funktionalität und Effizienz: Etwas, das man immer und immer wieder gleich oder ähnlich ausführt, wo man quasi eine Art eigenen Rhythmus oder eigene Regel entwickelt hat, geht über in automatisches Verhalten – es schleift sich ein. Dies meint, dass wir beim Ausführen (oder auch schon kurz vorher) nicht mehr groß darüber nachdenken müssen … die Dinge passieren einfach, wir agieren ohne Nachdenken und verhalten uns auf eine entsprechende Art und Weise – und im Optimalfall ist das eben genau dies, was wir schon immer gemacht haben. Damit spart unser Gehirn Energie, heißt: Gewohnheiten sind evolutionär gesehen wirklich sehr sinnvoll, denn sie erleichtern uns enorm das Leben auf dieser Welt. Wir wissen, wie wir Autofahren, uns im Supermarkt verhalten, kennen unseren Job in und auswendig. Doch wenn es um kleine Veränderungen in unserem Verhalten geht, dann wird es schwer. Warum? Weil wir unser Gehirn austricksen müssen und das kostet enorm viel Kraft und ist mit tatsächlicher Anstrengung verbunden. Das Gehirn versucht gegen die Veränderung anzukämpfen – und leider gewinnt es auch ziemlich oft, was dazu führt, dass wir mit unseren Vorhaben scheitern.

Individuelle Wünsche Gesunde Ernährung, ein sportlicher Körper, mehr Erfolg im Job – Was Menschen wollen, ist unterschiedlich. Gemeinsam ist jedoch, dass wir alle gegen die Macht der Gewohnheit kämpfen müssen. Foto Bill Oxford // unsplash.com

hab ich schon immer so gemacht!

schritt für schritt

Man nehme Karl-Heinz: Bereits in jungen Jahren aß er gerne und viel, was dazu führte, dass er ein stolzes Bäuchlein vor sich hertrug. Natürlich gab es zahlreiche Versuche, sein Essverhalten zu verändern. Heute ist KarlHeinz 55 Jahre alt und wiegt stolze 115 Kilo – mit der Gewichtsabnahme hat es irgendwie nie so richtig geklappt, mit der Gewichtszunahme dafür umso besser. Was war passiert? Sport, gesunde Ernährung – das war nicht seins. Versucht hat er es trotzdem: Viele gute Vorsätze folgten Jahr für Jahr: »Im Januar melde ich mich im Fitnessstudio an, beginne ich mit dem Laufen, werde keinen Alkohol mehr trinken, achte auf meinen Lifestyle, nix mit Schokolade, nur noch Salat … oder am besten gleich Nulldiät. Je konsequenter und restriktiver, umso besser! Denn bis März will ich 30 Kilo abgenommen haben. Tja« ... und als es dann Frühjahr wurde, war Karl-Heinz frustriert, weil er keinem seiner Vorhaben nähergekommen ist und wie jedes Jahr aufgegeben hatte. Weitermachen bringt jetzt aber auch nichts mehr – probiere ich es einfach nächstes Jahr noch einmal!

Ganz wichtig, wenn man etwas in seinen Gewohnheiten oder seinem Verhalten verändern möchte: Fangen Sie mit ganz, ganz kleinen Teilzielen an. Definieren Sie dabei die Ziele ganz konkret. So wollen viele Menschen beispielsweise mehr Sport machen und vielleicht bis zum Sommer einen Bikinibody bekommen. Das ist jedoch oft unrealistisch, da wir in kurzer Zeit gar keine so durchtrainierten und definierten Körper bekommen können und zum anderen: Was heißt mehr Sport? Jeden Tag drei Stunden? Das wird schwierig, insbesondere dann, wenn es von 0 auf 100 gehen soll, heißt: Wer bisher keinen Sport gemacht hat und unfit ist, wird nicht sofort zum Ultra-Marathon-Läufer – und das in einer Woche. Starten Sie also klein: Mehr Sport, ja – aber wann, was, wie, wo, wie oft? Das kann heißen: Jeden Montag und jeden Donnerstag werde ich nach der Arbeit, also von 17.30 Uhr bis 18.30 Uhr Bewegung in Form von Spaziergängen in meinem Alltag einbauen. Das Ganze wird also wie ein fester Termin geplant und sollte somit auf der To-do-Liste stehen. Auch gut: Sich kurz vorher den Handywecker als Erinnerung stellen und die Laufschuhe in Sichtweite vor der Tür platzieren.

Ein Experte merkt gleich: Die Ziele sind schuld – zu viele, zu hoch gesteckt, nicht konkret genug und zu unrealistisch. So wie Karl-Heinz machen es jedoch viele von uns: Wir wollen alles, sofort und bitte langanhaltend und ganz einfach. Die Anstrengung, die eine Verhaltensänderung mit sich bringt, haben wir nicht mit eingerechnet. Und dass wir etwas dafür tun müssen, entgeht uns auch oft. Wir stellen uns also schon im Vorhinein unser großes Ziel vor, vergessen aber, wie steinig der Weg dahin sein kann und dass Rückschläge weggesteckt werden müssen. Dafür braucht es Strategien. Leider reagieren die meisten von uns gleich mit Aufgeben. Dabei gibt es recht gute Strategien, um seine Vorhaben auch wirklich in die Realität umzusetzen. Ganz wichtig: Kein Ergebnis kommt mal eben so vom Himmel gefallen – wichtig sind Motivation, Disziplin, realistische Teilziele und ganz viel Geduld sowie eine gute Frustrationstoleranz.

Gar nicht mal so einfach In der Vorstellung sind Veränderungen immer zum Greifen nah … dabei ist es meist doch schwieriger als man glaubt, diese umzusetzen. Hier sind Selbstdisziplin und Geduld gefragt! Foto Elias Sch. // pixabay.com

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