Wege zur Psychosozialen Notfallversorgung

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Die „Erfindung“ der Psychosozialen Notfallversorgung – eine persönliche Erinnerung Hanjo von Wietersheim Kirchenrat Hanjo von Wietersheim war in seinen ersten Berufen Polizeibeamter und Rettungsassistent. Er studierte evangelische Theologie und ist ehrenamtlich in der Feuerwehr und der PSNV tätig. Hanjo von Wietersheim ist Mitbegründer der Notfallseelsorge und der „Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen“ (SbE). Seit 1993 ist Hanjo von Wietersheim Beauftragter der Evang.Luth. Kirche in Bayern für Notfallseelsorge und Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdienst. Er ist Fachreferent für die PSNV sowie für Krisen- und Notfallmanagement in sozialen und diakonischen Einrichtungen.

Heutzutage gehört die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) ganz selbstverständlich zum Alltag der Rettungsorganisationen. In etlichen Gesetzen oder Verordnungen ist geregelt, wie die psychosoziale Betreuung der Betroffenen geschehen soll und wie Einsatzkräfte zu begleiten sind. Präventionsabende, psychosoziale Betreuung der Notfallpatienten und der stets wachsame Blick auf das psychische Wohlergehen der Mitarbeitenden sind Alltag geworden. Die Zeiten, als für viele Einsatzkräfte das Schweigen und das Trinken die einzigen Mittel der Stressbearbeitung waren, sind glücklicherweise vorbei. Für viele jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rettungsorganisationen und der PSNV ist es kaum vorstellbar, dass es auch Zeiten ohne diese Angebote gegeben hat. Dabei liegen die Anfänge der PSNV gerade einmal 35 Jahre zurück, und es gibt immer noch Zeitzeugen aus den Tagen der Anfänge. Dr. Jutta Helmerichs ist so eine Zeitzeugin, und sie hat eine wichtige Rolle gespielt bei der Erfindung der PSNV. Wesentliche Anfänge geschahen fast gleichzeitig in den Jahren um 1990: Frank Waterstraat machte ein Berufspraktikum bei der Feuerwehr Hannover und vertiefte durch seine Examensarbeit die Arbeit der Feuerwehrseelsorge – ein Gebiet, das es ansatzweise schon vorher gab, aber nie wirklich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen war.

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In Bayern machten sich die beiden evangelischen Pfarrer Eckhard Mattke und Hanjo von Wietersheim Gedanken darüber, wie die seelsorgliche Betreuung von Menschen in Krisensituationen verbessert werden könnte, insbesondere wie Seelsorgerinnen und Seelsorger im Notfall schnell an Einsatzstellen alarmiert werden können. Eckhard Mattke war Mitglied des Bayerischen Roten Kreuzes, Hanjo von Wietersheim war früher Polizeibeamter und Rettungsassistent gewesen, jetzt arbeitete er ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr. Durch ihr Engagement hatten die Rettungsorganisationen in den Landkreisen Kronach und Erlangen erstmalig die Möglichkeit, per Funkmeldeempfänger Seelsorgerinnen und Seelsorger an Einsatzstellen zu alarmieren. Um ihre Arbeit besser beschreiben zu können, suchten Eckhard Mattke und Hanjo von Wietersheim einen eingängigen Begriff und sie erfanden 1990 die Bezeichnung „Notfallseelsorge“ (NFS). Schon in den ersten Jahren kamen dann das noch heute gültige Logo der NFS hinzu und auch die gelbe Farbe der Einsatzjacken, die heute noch in vielen Bereichen der PSNV getragen werden. Zeitgleich machte sich in München der damalige Rettungsassistent Andreas Müller-Cyran Gedanken über seine Arbeit. Es wurde ihm immer wichtiger, dass Mitarbeitende der Hilfsorganisationen nicht nur „Vitalfunktionsmechaniker“ sind,


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