SkiPresse November 2013

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NORWEGEN

Nach fünf Tagen flüchte ich aus dem Krankenhaus, ich will schnell gesund werden. In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten wird mir unmissverständlich klar, dass das „Schnell” nicht das Thema sein wird, vielmehr das „Ob”. Werde ich jemals wieder gesund werden? Werde ich wieder Skifahren wollen und können? 14 Monate danach stehe ich in Kiel am Color Line Kai und warte auf meine Freunde und ehemaligen Abfahrtskollegen Hannes Zehenter, Peter Eigler und Michael Brunner, die mich auf einer Reise durch Norwegen begleiten sollen. Wir wollen am kommenden Tag in Oslo aufbrechen und in acht Tagen nach Tromsø fahren. Jeden Tag weiße, norwegische Tiefschneehänge hochlaufen und das machen, was uns früher als Konkurrenten schon verband und uns nach den vielen Jahren immer noch zu Kindern werden lässt: Skifahren. In Tromsø werden die Jungs dann den Heimflug antreten und ich lade den Fotografen Toni Brey und meinen Schweizer Freund Sven Bethke in das Wohnmobil ein, um mit ihnen die Lofoten anzusteuern. So der Plan. Zehn Tage peilen wir für die Erkundung der entlegenen Inselkette an, die ich nur von traumhaften Bildern und aus einigen Erzählungen kenne.

Es waren diese faszinierenden Bilder von den Lofoten, die ich durch Zufall fand und die mich bei den unzähligen Krankengymnastikterminen und Trainingseinheiten im Geiste begleiteten. Bilder mit unberührten Tiefschneehängen, die direkt in türkis-blaues Wasser übergehen. Sie machten mir erst Angst und ich versuchte, mich den Gedanken zu entziehen. Im Sommer fing ich mit meiner Freundin an, Kajak zu fahren, um meinen Schultergürtel und Halsbereich zu stabilisieren und um mein verlorenes Gleichgewicht zu schulen. Aus zaghaften und unsicheren Spinnereien formierte sich dann doch langsam der Traum, mit dem Kajak zu diesen Traumlinien zu paddeln, wieder Ski anzuziehen und dort hochzulaufen, von wo ich es hoffentlich wieder schaffen würde, herunterzufahren. Die Fahrt von Oslo nach Kiel war ausgelassen. Wir genossen den Luxus der Fähre und träumten von den ersten Skitouren. Peter Eigler, den alle nur „Auge” nennen, und Hannes fingen gerade mit dem Skitourengehen an, Michael Brunner war bereits einige Male in der Vergangenheit mit mir unterwegs gewesen. Wir waren gespannt, welche Verhältnisse wir vorfinden würden.

© Anton Brey

© Anton Brey

© Martin Fiala

© Martin Fiala

© Martin Fiala


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