ChemieXtra 7-8/2020

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Bilder: Adobe Stock

MANAGEMENT

Hier hilft ein Roboter bei der Schokoladenproduktion. Automatisierung verändert unsere Gesellschaft und führt vermutlich zu mehr Ungleichheit.

Automatisierung und ihre Konsequenzen

Ist Industrie 4.0 schlecht für die Gesellschaft? Die Automatisierung wird künftig zu mehr wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit führen – und dies werden vor allem die Menschen mit geringer Qualifikation zu spüren bekommen. Auch die Arbeitslosigkeit wird bei diesen Beschäftigten, langfristig gesehen, steigen. Das zeigt ein neues Rechenmodell, das Wirtschaftswissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart zusammen mit Kollegen der Universität Göttingen entwickelt haben.

Dr. Dorothea Elsner 1 Die oft diskutierte Robotersteuer könne dem nämlich weniger entgegensteuern, als man bisher annahm. Das Thema Industrie 4.0 weckt ebenso Hoffnungen wie Ängste. «Viele Menschen befürchten zum Beispiel, dass Industrieroboter Arbeitsplätze wegnehmen könnten», erklärt Prof. Dr. Klaus Prettner, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Hohenheim. «Ob das tatsächlich zutrifft und wie sich Massnahmen der Politik auswirken können, darüber geben uns Modellrechnungen klarere Einsichten.»

Die Basis-Modelle sind veraltet Um Wirtschaftswachstum und langfristige Entwicklungen zu erklären, verwenden die Forscher Rechenmodelle, in die sie Eckda-

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Universität Hohenheim, Stuttgart

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ten einspeisen. Wenn sie wissen wollen, wie sich Massnahmen oder Änderungen auswirken, ändern sie die entsprechenden Parameter in ihrem Modell – und können so einen Blick in die Zukunft werfen. «Die Basis-Modelle sind allerdings in den 1990er-Jahren entstanden – und da steckte die Automatisierung noch in den Kinderschuhen», gibt Prof. Dr. Prettner zu ­bedenken. «Daher haben wir die Automatisierung nun in diese Wachstumsmodelle eingebaut.» Das heisst, dass es nicht wie bisher im Modell nur Maschinen und Arbeitskräfte gibt, welche in einem relativ starken Ausmass komplementär sind, sondern jetzt auch die Automatisierung als Substitut für Arbeit mit einberechnet wird. «Ausserdem haben wir Bildungsentscheidungen modelliert, welche bisher vernachlässigt waren», so Prof. Dr. Prettner. «Ob man sich für eine Hochschulausbildung entscheidet oder nicht, hängt beispielsweise vom künftigen Einkommen ab. Doch ob man sich für ein Hochschulstudium ent-

scheidet, hängt auch von der Intelligenz einer Person ab – je höher sie ist, desto

Mechanismen und Lösungen zur sozialen Ungleichheit Der Forschungsschwerpunkt «Inequality and Economic Policy Analysis (Inepa)» der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften untersucht die Ursachen und Konsequenzen der Ungleichheitsentwicklung, um mögliche Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Neben dem Anspruch die Mechanismen aufzudecken, die zu einer ökonomischen Ungleichverteilung führen, sollen so auch politische Massnahmen formuliert, neue Methoden für eine präzisere Analyse von Ungleichheit entwickelt und das Wissen über die Ungleichheitsentwicklung verbreitet und dadurch ein gestärktes gesellschaftliches Bewusstsein geschaffen werden.

7–8/2020


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