***040_043_heute_Buch_Programm 21.04.15 16:05 Seite 42
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42 Buch
ILLUSTRATION: RAF
Die Berliner Autorin Ria Klug
Koks im Feuerlöscher Ria Klug: „Die Vollpfostenmasche“, Grafit, 192 Seiten, 9,99 Euro
Drei Bücher lang drehte sich bei der lesbischen Krimiautorin Ria Klug alles um die Transfrau Nel und ihre Abenteuer, die sie über São Paulo bis nach Berlin führten. Nun verabschiedet sich Klug vorerst von ihrer Figur und begibt sich auf neue Wege. Diesmal steht ein Mann im Mittelpunkt ihrer Geschichte, und auch in der Wahl der Szenerie wagt sie den Sprung raus aus den Großstädten in ein kleines norddeutsches Nest: Torsten Hantsch, kauzig und gesetzestreu, macht einen folgenschweren Fund auf Amrum
> Als Vollpfosten werden im Volksmund extrem trottelige Menschen beschrieben. Ein Krimi also, der „Vollpfosten“ im Titel trägt, macht neugierig, weckt aber auch gleichzeitig die Sorge, dass er sich im Slapstick verirren könnte. Nicht so bei Ria Klug und ihrem Helden Torsten Hantsch. Von Beginn an beschreibt die Autorin ihren Protagonisten zwar als ein wenig wunderlich, aber keineswegs unsympathisch: „Hantsch war alleinstehend. Deswegen konnte und musste er seinen Tagesablauf stets gründlich planen. Ein unbeweibter Einzelgänger war er weniger aus Neigung denn vielmehr aus Menschenscheu, die sich – besonders dem anderen Geschlecht gegenuber – in unbeholfener Verlegenheit niederschlug, wie ihm wohl bewusst war.“ Besagter Hantsch macht Urlaub auf Amrum und findet nach einem Herbststurm beim Strandspaziergang einen vom Meer angespülten Feuerlöscher. In der Hoffnung, dass sein Fund noch funktionstüchtig ist und er ihn mit nach Hause nehmen kann, bringt Hantsch ihn Petter Jensen, dem örtlichen Brandschutzexperten, damit er ihn überprüft. Die Untersuchung fördert Erstaunliches zutage: das vermeintliche Löschpulver darin ist in kleine Päckchen eingeschweißtes Kokain! Was Hantsch auf der kleinen Nordseeinsel nun mit seinem außergewöhnlichen Fund macht, gerät bei Klug zu einem mit lakonischem Unterton geschriebenen, amüsanten und leicht lesbaren Abenteuer. Petter Jensen erkennt nämlich in dem Koks die Chance seines Lebens. So kann er schnell zu Geld kommen! Hantsch ist ihm dabei allerdings eher im Weg, denn er ist äußerst gesetzestreu und denkt gar nicht an krumme Touren. Die Probleme gehen jedoch erst richtig los, als die eigentliche Besitzerin des Feuerlöschers, eine flotte Blondine, auf den Plan tritt und die beiden um Hilfe bei der Suche nach dem roten Monstrum bittet. Aus ganz unterschiedlichen Motiven versuchen die Männer jetzt, „ihren“ Feuerlöscher zu retten, was einige Personen mit dem Leben bezahlen. Dabei eint sie eine Vorgehensweise: sie stellen sich dümmer, als sie tatsächlich sind. Sie probieren es mit der „Vollpfostenmasche“. Aber auch die Polizei glänzt nicht unbedingt. Aus Sicht der Leserinnen und Leser sind die ziemlich dürftigen Ermittlungen der zwei einheimischen Polizisten sowie dreier extra hinzugezogener Kriminalbeamten eine kleine Schwachstelle des Buches. Ria Klug schafft mit ihrem Werk trotzdem einen Krimi, der sich gerade durch seinen regionalen Charme besonders auszeichnet. Man erkennt Amrum mit seinen Einheimischen, die Platt sprechen (die Leserinnen und Leser lernen auch noch das eine oder andere dazu, so wie die amüsanten Ausdrücke Hunnköttel, Frisenlümmel oder Ampeldänen), und auch das spezielle Nordseeklima wird wunderbar eingefangen. Vor allem aber ist es der Mikrokosmos der Insel, auf der die unfreiwillig komischen Verwicklungen noch skurriler wirken als in einer rauen Großstadt, was, gepaart mit schrägem Humor, Inselcharme und Urlaubsgefühlen, den Krimi zur spannenden Lektüre macht. Gute Unterhaltung, die Lust weckt, mal wieder an die Nordsee Sonya Winterberg zu fahren und selbst Abenteuer zu erleben. <