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8 Politik
FOTO: NICK NEUFELD
Berliner Schnauze
jusos.de
> Kevin, wie hat sich dein Leben seit November 2017 verändert? Vom studentischen Mitarbeiter bis hin zum Bundesvorsitzenden der Jusos und größten innerparteilichen Gegner von Martin Schulz? Das ist nicht nur für mich neu, sondern auch für mein Umfeld. Ich habe die Arbeitszeit im Büro reduziert, denn meine Tage sind jetzt krass durchgetaktet. Es passiert alles so vor sich hin. Ich habe gar nicht wirklich Zeit, das alles zu reflektieren. Aber es hilft natürlich, dass wir die klare Mission haben, eine weitere große Koalition zu verhindern. Du bist derzeit überall: bei Maybrit Illner, Markus Lanz und Jan Böhmermann. Bekommst du bei so vielen Terminen noch was von der #NoGroKo-Debatte mit? Natürlich verfolge ich die Debatte. Zum politischen Alltag gehört es, Pressespiegel zu lesen, Tickermeldungen zu verfolgen und soziale Medien im Blick zu behalten. Allerdings kann ich nicht mehr alles lesen, was auf meinen Kanälen so abgeht. Feedback und Kritik interessieren mich aber sehr. Bei Dingen, die ins Unsachliche gehen, scrolle ich einfach weiter. Fehlt der SPD die sichere Hand, die Mut macht und in eine gute Richtung weist? Das glaube ich nicht. Die SPD hat
Er war der Mann der Stunde: Durch seine flammende Rede beim SPD-Parteitag, in der er sich gegen eine neue große Koalition wandte, wurde Kevin Kühnert über Nacht berühmt. Er ist offen schwul, studentischer Mitarbeiter der queerpolitischen Sprecherin der SPD in Berlin und seit November 2017 Vorsitzender der Jusos. Während der Koalitionsverhandlungen galt er wegen seiner #NoGroKoInitiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine weitere Koalition zwischen CDU und SPD zu verhindern, als „Schulz’ gefährlichster Gegner“(Berliner Morgenpost). Seitdem reist Kühnert von Sitzung zu Talkshow zu Interview und verleiht den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, eine laute und kräftige Stimme. Wir trafen ihn zum Gespräch
eher seit vielen Jahren einen krassen Identitätskonflikt mit sich selbst. Sie hat fast 20 Jahre Regierungsbeteiligung zu verantworten. Sie ist tief zwiegespalten, wie diese Regierungszeit zu bewerten ist. Was uns heute im Wege steht, wieder mutigere Forderungen zu stellen, ist die Angst vor dem Widerspruch zu dem, was die SPD all die Jahre mitgetragen hat. Das lähmt und hat leider dazu geführt, dass wir als einzige Partei kein wirkliches Alleinstellungsmerkmal mehr haben. Das ist auf Dauer tödlich in der Politik. Wie bewertest du den Rücktritt und den Verzicht auf einen Ministerposten von Martin Schulz? War es eine richtige Entscheidung? Sie war ebenso richtig wie unausweichlich, auch wenn es mir bei allen Differenzen mit Martin Schulz für ihn leidtut. Er hat sich ein Jahr lang in einer Art und Weise aufgerieben, von der wir alle uns kaum eine Vorstellung machen können. Der SPD ermöglicht sein Rückzug nun das Ende einer nervigen Personaldebatte. Über Köpfe haben wir in den letzten Monaten echt genug gesprochen. Welche Auswirkungen haben diese Entscheidungen auf die #NoGroKo-Kampagne? Wird es nun leichter oder schwerer, eure Ziele durchzusetzen? Wir Jusos haben ja von Beginn an gesagt, dass wir eine inhaltliche Auseinandersetzung führen wollen. Mit den Mitgliedern der SPD diskutieren wir über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen und über die Zukunft der SPD – nicht über Kabinettslisten. Deshalb ändern die personellen Entwicklungen an unserer Argumentation rein gar nichts. Was ist deine Idee einer besseren SPD? Wer kritisiert, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, muss Instrumente benennen, mit denen man das ändern kann. Das heißt, dass wir eine Vermögensbesteuerung in Deutschland brauchen. Es gibt sehr viele Optionen. Das Problem ist, dass die SPD