Siegessäule September 2013

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film Pierre Deladonchamps als Franck (li.) und Christophe Paou als Michel in „Der Fremde am See“

Ein beliebtes Cruising-Gebiet wird in „Der Fremde am See“ zum Schauplatz eines Verbrechens

Regisseur Alain Guiraudie

Ein idyllisch gelegener See im Süden Frankreichs, umgeben von einem lichtdurchfluteten Waldgebiet – das perfekte Setting für eine Sommerromanze. In „Der Fremde am See“ ist der abgelegene Ort eine Cruising Area für schwule Männer. Hier, so scheint es, geht es vor allem um handfesten Sex. Der attraktive Franck kommt fast täglich, ebenso sein Objekt der Begierde, Michel, eine Art haariger Adonis mit Burt-Reynolds-Charme. Franck verliebt sich in den mysteriös wirkenden Mann und es entwickelt sich eine Affäre. Als er eines abends aus der Ferne beobachtet, wie Michel anscheinend einen jungen Mann im See ertränkt, weiß er nicht, ob er seinen Augen trauen kann ... Einen realistischen wie märchenhaften Thriller hat der Franzose Alain Guiraudie gedreht, der in Cannes mit der Queer Palm und einem Regiepreis ausgezeichnet wurde. Siegessäule-Redakteur Andreas Scholz sprach mit dem schwulen Regisseur über seinen Film Warum haben Sie als Schauplatz Ihres neuen Films eine schwule Cruising Area gewählt? Solche Orte haben mich fasziniert, weil sie etwas Demokratisches und Utopisches haben.

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Ein Ballett der Körper, in dem jeder Mann seinen Platz findet. Dass man Liebe draußen in der Natur macht, zwischen den Bäumen, dem Wasser, das ist auch ein Symbol für Freiheit. Aber Cruising Areas scheinen immer eine dunkle, geheimnisvolle Seite zu haben. Auch in Ihrem Film ist es ein eher mysteriöser Ort, an dem ein Verbrechen stattfindet. Einerseits finde ich solche hedonistischen Orte schön, andererseits irritieren mich diese ständige Verfügbarkeit und der Konsum von Sex. Ich weiß nicht, wohin diese Lustauslebung um jeden Preis führen soll. Außerdem wollte ich eine sehr leidenschaftliche Liebe zeigen und so musste von diesem Ort eine Gefahr ausgehen. In jeder leidenschaftlichen Beziehung steckt etwas Gefährliches, denn man ist allen Risiken zum Trotz bereit, alles zu geben, häufig bis zur äußersten Konsequenz. Der bekannteste Film über diese gefährliche Seite ist William Friedkins „Cruising“. In „Der Fremde am See“ scheint ebenfalls ein homophober Killer zu wüten ... Freunde haben gesagt, dass ich mir „Cruising“ unbedingt ansehen soll. Mein Skript habe ich aber geschrieben, als ich den Film noch nicht kannte. „Cruising“ ist ein sehr urbaner Film, bei dem man die Morde von ganz nah sieht. Homosexualität ist vor allem an die Nacht gebunden. Vielleicht hat das etwas mit der Realität schwulen Lebens im San Francisco der 70er-Jahre zu tun, aber mein Film ist mehr ein sommerlicher Thriller. Es geht nicht vordergründig um

FOTO: 2013 ALAMODEFILM

Ballett der Körper


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