
2 minute read
Die Puppen verlassen den Schrank
Freuen sich über den Fund: der ehemalige Schüler Lothar Maier, Wolfgang Müller-Fehrenbach, der damals die Puppenstücke initiierte, Anahita Fischer und Frank Raddatz (v.l.n.r.)
Vergessenes Lager in der Theodor-Heuss-Schule
Advertisement
Überarbeitet von Birgit Westphal*
Das waren 1968 noch ganz andere Zeiten, als Schüler in der Aula der Theodor-HeussSchule anspruchsvolle Theaterstücke wie „Dr. Faustus“ mit Handpuppen aufgeführt haben und auch der SÜDKURIER durch Artikel über diese Theaterstücke in der Blütezeit der Handpuppen in den 70er-Jahren dem noch Aufmerksamkeit zollte. Die jährlich „vor vollem Haus“ im Bürgersaal und später in der Aula des sog. Petershauser Schulhauses aufgeführten Stücke hatten Schüler aus der 9. und 10. Klassenstufe mit ihrem Klassen- und Deutschlehrer Wolfgang Müller-Fehrenbach, der das Puppentheater damals ins Leben gerufen hatte, um die Begegnung mit klassischen Stoffen der Literatur lebendig werden zu lassen, einstudiert und auswendig gelernt. „Das ging nicht anders, sie mussten die Hände frei haben“, sagt Wolfgang Müller-Fehrenbach. Er konnte damals einen Künstler für das Projekt begeistern – den Freien Bildhauer Hans Stingl, der dann im Rahmen eines Lehrauftrags für den Werkunterricht in der Theodor-Heuss-Schule eingestellt wurde und die Entwicklung und Produktion der Handpuppen leitete. Der damalige Schüler Lothar Maier erinnert sich, dass die Gesichter der Puppen zuerst in Ton modelliert wurden und diese Formen nach dem Brennen dann als Vorlagen für die aus Pappmaché geformten Gesichter dienten, welche nach dem Trocknen individuell angemalt wurden. Auch die Kleider der Puppen wurden unter der Leitung von Frau Miletzki (Textiles Gestalten) selbst hergestellt.
Lothar Maier ging 1971 von der TheodorHeuss-Schule ab und fragte sich und seine Mitschüler während eines Klassentreffens, was wohl aus den Puppen geworden sei. Er
wandte sich mit dieser Frage dann an Wolfgang Müller-Fehrenbach, der wiederum Frank Raddatz, Rektor der Theodor-HeussSchule, anfragte – vor allem, da die Schule bald in eine Gesamtschule umgewandelt wird. Und siehe da: Nach einigen Recherchen fand Rektor Frank Raddatz einen ganzen Schrank, abgeschlossen im Flur des zweiten Stockwerks, mit 72 Handpuppen in perfektem Zustand nebst Requisiten für das Bühnenbild, Theatertexten und originalen Reststoffen. Anscheinend wurde der Schrank seit 1975 nicht mehr geöffnet.
„Die Puppen haben es unbeschadet überlebt“, freut sich Wolfgang Müller-Fehrenbach, zumal „das Puppenspiel eine der idealsten Möglichkeiten ist, den Schülern klassische Literatur, gekoppelt mit Musik, Sprachtechnik, Bewegung, Licht, Gestaltung u.v.m., nahezubringen, sie verstehen und auch schätzen zu lernen“. Leider spielt das Handpuppenspiel in der heutigen Zeit in den Schulen wohl nur noch eine untergeordnete Rolle, obwohl das Spiel mit Puppen, deren Kopf und Gliedmaßen mit einer Hand bewegt werden – in den Puppenkopf wird der Zeigefinger gesteckt, die Arme werden mit Daumen und kleinem Finger bewegt –, in vielen nationalen Kulturen bekannt ist: z.B. als „Mister Punch“ in Großbritannien, als „Pulcinella“ in Italien und als „Kaspar“ in Deutschland.
Umso mehr freut sich Wolfgang Müller-Fehrenbach, dass er nun in Anahita Fischer, Schulleiterin der Grundschule in Dingelsdorf, eine interessierte Abnehmerin gefunden hat. Er kennt als ehemaliger Realschulrektor in der Geschwister-SchollSchule Anahita Fischer nicht nur seit Jahrzehnten aus den Rektorenkonferenzen, sondern auch als langjährige Chorfreundin aus dem Alt des Sinfonischen Chores, dessen Ehrenvorsitzender er ist, und hat sie daher aufgrund ihrer Kreativität und musikalischen Versiertheit als Grundschulrektorin angesprochen. „Ich habe die Puppen zurückgelassen und gehofft, dass sie jemand findet, ein Schulleiter, der das aktiviert“, sagt Wolfgang Müller-Fehrenbach, der Ende 1975 die Theodor-Heuss-Schule verlassen hat. Sein Gesamtwerk, bestehend aus vielen Elementen wie Bühnenbild, Beleuchtung, Musik, Kunst und Literatur wird daher sicherlich unter der zukünftigen Verantwortung von Anahita Fischer als „ein Stück Kulturgeschichte weitergeführt werden“.
