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Musik ist Friedensarbeit“

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Editorial

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Grandioses Palmsonntagskonzert des Oratorienchors St. Gallen

Der Chor und das Orchester während des Konzerts in der St. Laurenzenkirche Foto: Hans-Joachim Knopf

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Von Hans-Joachim Knopf

Die Palmsonntagskonzerte unseres befreundeten Oratorienchors St. Gallen haben eine lange Tradition. Am 10. April 2022 durfte ich einem beeindruckenden 163. Palmsonntagskonzert beiwohnen. Auf dem Programm stand das letzte große Chorwerk „Vision“ op. 63 des bedeutendsten Schweizer Komponisten des 20. Jahrhunderts Othmar Schoeck (1886–1957), das 1949 im spätromantischen Ductus komponiert wurde. Der Komponist vertonte dabei das Gedicht In Duft und Reif von Gottfried Keller. Neben diesem Opus wurde Mendelssohns Sinfonie-Kantate Lobgesang (nach Worten der Heiligen Schrift, op. 52) konzertiert.

Ein Konzert von unerwarteter Aktualität

Beide Werke ergänzten sich außerordentlich gut. Das lag nicht zuletzt an Dirigent Uwe Münch, der die ursprünglich für Männerchor komponierte „Vision“ für gemischten Chor bearbeitete – und das in überzeugender Manier. Schoecks etwas melancholisches Spätwerk ergänzte sich so genialer Weise mit dem strahlenden und optimistischen Lobgesang von Felix Mendelssohn Bartholdy. Auf der einen Seite das Werk eines an sich selbst zweifelnden Schoeck, der sich in einer tiefen persönlichen Krise befand und unter der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg litt, und andererseits Mendelssohns 2. Sinfonie, zu Ehren Johannes Gutenbergs geschrieben, dem Erfinder der Buchdruckkunst, und in der Erfindung des Buchdrucks ein Geschenk Gottes erkennend. Hier war es also das markante Bibelwort „Alles was Odem hat,

lobe den Herrn“, das den Rahmen des Werks absteckte, bei Schoeck hingegen die Vertonung von Kellers Gedicht In Duft und Reif, dessen Titel den Leser nicht auf die falsche Fährte führen sollte, bedeutet „tuft“ im Mittelhochdeutschen Dunst oder Nebel, hier am Bodensee ein nicht unbekanntes Wetterphänomen. Aber Kellers Anspielung geht dann weit darüber hinaus ins Politische, wenn er im Bürgerkrieg derer gedenkt, die für die Freiheit gestorben sind.

Dass dieses Thema nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine so rasch an Aktualität gewann, konnten die Initiatoren des Konzerts seinerzeit nicht wissen. Aber sie fanden immer den richtigen Ton. „Musik ist Friedensarbeit“, so versuchte Dirigent Münch in der ersten Chorprobe nach dem Einmarsch die Bedrücktheit der Sängerinnen und Sänger zu mildern. Und Präsidentin Ursula Frey stellte in ihrer Ansprache die rhetorische Frage in den Raum, ob man in diesen Zeiten des Kriegs Musik darbieten dürfe: Man muss sogar. hervorgehoben werden, als der Zeitraum der Einstudierung in die Pandemiezeit fiel, mit allen persönlichen Belastungen und coronabedingt variierenden Einschränkungen. Der Chor war präsent und folgte dem Dirigat von Uwe Münch aufmerksam. Ob mit Taktstock oder mit bloßen Händen, Münch zog den Chor und das Sinfonieorchester St. Gallen in seinen Bann. Er gab die Einsätze präzise und artikulierte auch eindrucksvoll mit Mimik und Gestik, wie er sich die Interpretation vorstelle. Der Chor dankte es ihm. Nur an wenigen Stellen hätten die Einsätze noch etwas dominanter sein können, geschuldet dem Umstand, wenn die Augen zu sehr an der Partitur kleben.

Überzeugende musikalische Leistung

Es ist daher beeindruckend, welche musikalische Klasse der Oratorienchor St. Gallen in die St. Laurenzenkirche St. Gallen zauberte. Die Leitung des Chors muss umso mehr

Die Solistinnen Vuvu Mpofu sowie Isabell Marquardt ergänzten sich kongenial und brillierten auch in höchster Stimmlage („Ich harrete des Herrn“), nicht minder stimmgewaltig Tenor Kai Kluge in seiner Arie „Stricke des Todes hatten uns umfangen“. Das Sinfonieorchester St. Gallen beherrschte alle Facetten romantischer Musik (besonderes Lob an die Holzbläser) und rollte die gesamte dynamische Palette aus. Ein tolles Konzert des Oratorienchors St. Gallen. OTTO Müller_09-15_Layout 1 03.09.15 10:30 Seite 1

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