
5 minute read
Der „Dreibund“ lebt auf
Konstanz und Schaffhausen begrüßen St. Gallen „ars vocalis Winterthur“ streicht leider die Segel
Die drei Chöre aus Konstanz, Schaffhausen und Winterthur anlässlich des Dreibundtreffens in
Advertisement
Schaffhausen 2017 Quelle: Google images
Von Wolfgang Müller-Fehrenbach
In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts kam es auch in Konstanz wie in der nahen Schweiz und in weiten Teilen der deutschsprachigen Länder zu einer bedeutungsvollen sängerischen Volksbewegung. Tausende von Männern wurden begeisterte „Männerchörler“ und ließen sich von den volksnahen Komponisten und heimatbegeisterten, meist national ausgerichteten Dichtungen faszinieren.
Als Konstanz wieder badisch war
Auch in Konstanz, das 1805 nach 258 Jahren Zugehörigkeit zum habsburgischen Vorderösterreich durch Napoleon und den Reichsdeputationshauptschluss jetzt badische Landstadt unter der Herrschaft des Markgrafen von Baden geworden war. Damit wurde Konstanz immerhin noch Hauptstadt des Seekreises. 1821 führte die Auflösung des Bistums zum existenziellen Bedeutungsverlust, ja weitgehend zum Niedergang der Stadt. Dennoch kam spürbar doch gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Bewegung in die Stadt: Die liberalen Bürgerbewegungen organisierten sich im „Casino“, auch „Museum“ genannt, und im „Bürger-Museum“ von 1834, dem bedeutenden demokratisch agierenden Bürgerverein, auf den unser heutiger Chor tatsächlich zurückgeht.
1835 und 1836 war in Deutschland und in der Schweiz durch den Sängervater Hans-Georg Nägeli (Zürich) und den 1832 verstorbenen Friedrich Zelter (Berlin) eine enorme Begeisterung für den Chorgesang, besonders für den Männerchor, entstanden. In Konstanz war es der Gymnasialprofessor Ferdinand Schmalholz, der mitreißend wirkte, die Menschen durch den weltlichen Gesang zusammenführen und damit unglaubliche Erfolge
feiern konnte. Er war mit Nägeli persönlich befreundet.
Unser Ursprung, als „Sängerrunde Bodan“ im Rahmen des „Bürgermuseum Bodan“ 1834 gegründet, führte damals bis 1845 noch den Namen „Fidelia“. Bei der Gründung des „Bürgermuseum Bodan“ spielte Ferdinand Schmalholz die entscheidende Rolle für die Förderung der vokalen Musik, er wurde dann auch der erste entscheidende Chordirigent.
Das Sängerfest am Bodensee und die Folgen
Das erste ganz große Konzert, zu dem Schmalholz zu einem „Gesangverein am Bodensee“ aufgerufen hatte, führte 1836 Chormusik im Münster mit 200 Frauen und 300 Männern auf, am Schluss mit 600 Personen im Gemischten Chor. Anschließend fand die Kundgebung auf der Marktstätte mit einer mitreißenden Rede des Schweizer Sängervaters Hans-Georg Nägeli – in dessen letztem Lebensjahr – einen krönenden Abschluss.
Zu diesen Zeiten wurden landauf, landab große Sängerfeste, ja meist als Sängerwettsingen, gefeiert. Aktenkundig in unseren verschiedenen Festschriften und vor allem in der Vereinschronik ist schon das kantonale Sängerfest in St. Gallen 1843: Die Konstanzer Sänger wurden dabei für ihre Sängerleistung besonders ausgezeichnet. Gastgeber war der „Männerchor Frohsinn“ St. Gallen. Drei Jahre später wurde 1846 beim Eidgenössischen Sängerfest in Schaffhausen ein mannhafter „Dreibund“ geschlossen: Der preisgekrönte „Bodan Konstanz“, der „Männerchor Schaffhausen“ und der „Sängerverein Winterthur“ schworen sich brüderliche Freundschaft – und begossen diese nachdrücklich …

Der „Bodan“ hatte damals übrigens eine Gartenbank gewonnen, nach deren Verbleib der Schaffhauser Präsident Dr. Käser am 08.11.1953, also 107 Jahre später, bei der Nachfeier zur CARMINA BURANA im Konzil nachfragte – wie erwartet, ohne Erfolg.
Entstehung des Dreibunds
Die Begegnungen fanden zum einen bei vielen Sängerfesten statt, dann wurden zusätzliche Dreier-Treffen im dreijährigen Turnus vereinbart, jeweils wechselnd an den Gastgeberorten.
Die Kriegsjahre 1914–1918 und 1939–1945 waren einschneidend getrennte, ja bittere Jahre geworden, bis 1953 Karl Leo Nägele die Kontakte massiv wieder beleben konnte. Die Schweizer Freunde waren sofort bereit: Nägeles Aufruf zum Neubeginn der Dreibundbeziehung war 1953 erfolgreich.
Am 31.05.1953 im Festsaal des Insel-Hotels – welch eine Freude! Es hatten sich insgesamt 180 Sänger zur Wiederbelebung des Dreibunds versammelt. Nach dem beeindruckenden A-Cappella-Konzert (je drei einzelne Chordarbietungen und zum Schluss gemeinsame Schubert-Chorsätze) dann eine Dampfer-Schifffahrt auf der MS Karlsruhe in den Überlinger See mit 350 (!) Gästen an Bord! Schließlich ein Besuch der Insel Mainau und Rückfahrt zum Hafen Konstanz.
Die immer herzlich gefeierten Freundschaftstreffen wurden später alle fünf Jahre praktiziert, weil die organisatorischen und terminlichen Belastungen doch beachtlich waren. Zwischen den Treffen wird der Austausch der musikalischen und menschlichen Beziehungen per Delegiertenbesuchen bei den jeweiligen großen Jahreskonzerten gefestigt. Die Konstanzer Nachfeier-Gestaltung hatte seit Jahrzehnten die Schweizer Agenda zum Vorbild: Ein Bankett mit allen Mitwirkenden, den Solisten, den politischen Repräsentanten und nicht zuletzt mit den Delegierten der befreundeten Chöre – also nicht nur des Dreibunds, aber diese eben auch.
Lebendige Freundschaftstreffen
An unsere letzten vier Dreibundtreffen soll hier in Kürze angeknüpft werden:
2002 in Hallau/Schaffhausen: Pfarrer Gerhard Blocher, bekanntes Enfant terrible, beklagte, dass die Chor-Programmteile in seiner Kirche viel zu lange gedauert haben. Vielleicht war dabei der vorangegangene Umtrunk (Hallauer) mit schuld gewesen …
2007 in Winterthur: unser heiter-denkwürdiges Kulturtreffen in der berühmten Kartause Ittingen.
2012 in Konstanz: Konzert in der Hl. Dreifaltigkeitskirche, Sonderfahrt mit der Fähre auf dem Überlinger See, Rückwanderung von Staad am Ufer entlang zur Konzilsterrasse mit Umtrunk und sagenhaftem Panoramablick auf den See bis weit in die Schweiz hinein.
2017 in Schaffhausen: Konzert im Münster zu Allerheiligen, nach dem geselligen Essen am Rheinufer ein sportlicher Aufstieg zur Festung Munot mit fachkundigster Führung und spontanen fröhlichen Chorbeiträgen.
„ars vocalis“ steigt aus – Neuanfang mit dem altehrwürdigen St. Galler Chor
Nun kam es am 21.06.2019 zu unserem Bedauern zu einem bitteren Schreiben des ehemaligen Stadtsängervereins Winterthur, heute „ars vocalis“, an uns Konstanzer und an die Schaffhauser Freunde: Dessen Präsidentin Bea Spaltenstein kündigt darin
ANZEIGE die weitere Teilnahme am Dreibund nach 173 Jahren auf und verweist auf mehrere vereinsinterne Auseinandersetzungen (zwei Chöre quasi in Konkurrenz, mehrfacher Dirigentenwechsel, terminliche Überlastungen, gemindertes Interesse an derartigen Begegnungen). Ausschlaggebend aber sei der akute Mangel an Männerstimmen. Diesen historisch einschneidenden bedauerlichen Entscheid konnten weder wir noch der Schaffhauser Oratorienchor im Grunde so recht nachvollziehen. Auch ein weiteres Warten, ob sich bei einer anderen Vorstands- oder Dirigentenbesetzung eine Änderung ergeben könne, hatte keinen Erfolg. Offenbar droht jetzt ein endgültiger Abschied. Jetzt aber war die Stunde der Freundschaft zwischen unserem weiteren – bisher stillen – Freundschaftspartner, mit dem natürlich seit 1843 eine gleich enge Freundschaft besteht, angezeigt: Die Freundinnen und Freunde in St. Gallen sind mit heißem Herzen gefragt worden, von uns Konstanzern und von den Schaffhausern aus der nahegelegenen Munot-Stadt.
Unser Geschäftsführender Vorsitzender Dr. Hans-Joachim Knopf konnte nun in der Jahreshauptversammlung am 12.04.2022 eine wunderbare Freundschaftsbezeugung der St. Galler Partnerinnen und Partner bekanntgeben: Der Oratorienchor St. Gal-
len führt mit dem „Oratorienchor Schaffhausen“ und unserem „Sinfonischen Chor Konstanz“ den Dreibund gemeinsam fort.
Ich räume ganz offen ein, dass neben unseren hoch geschätzten internationalen Freundschaftsbanden – zu „Chorale Prélude“ in Fontainebleau/Avon, zu den Chören „Thames Philharmonic Choir“, hoffentlich auch wieder zu „Cantanti Camerati“, Richmond / London und zu Szt. István in Budapest – die Verbindungen zu unseren direkten Nachbarn in der Schweiz unsere besondere Wertschätzung verdienen. Deshalb war es mir als Geschäftsführender Vorsitzender in all den Jahrzehnten eine absolute Verpflichtung, zusammen mit unserem Chorleiter Wolfgang Mettler, dem Vorstand und Beirat und unseren Chormitgliedern alle Generationen vom bleibenden Wert solcher einmaligen Beziehungen zu überzeugen.
Dafür habe ich stets geworben, zuletzt herzlich in unserer 188. Jahreshauptversammlung.
Möge es uns dreien neuerlich gelingen, den Funken wieder zu entzünden. Es lebe unser Dreibund!
Gemeinschaftspraxis für
Orthopädie – Unfallchirurgie – Handchirurgie Sportmedizin – Manuelle Medizin
Ambulante Operationen Berufsgenossenschaftliche Heilverfahren Bücklestraße 5a 78 467 Konstanz fon 07531 54343 fax 07531 50601 info@chirurgie-konstanz.de www.chirurgie-konstanz.de
Dr. Kilian Rahm · Dr. Andric-Moser · Dr. Felix Ott