SI-GRUEN_2012_03

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GRUEN

#3 6. August 2012 www.si-gruen.ch CHF 7.–

100% Grün. 100% Lifestyle.

NADINE STRITTMATTER „Umweltschutz ist Lifestyle”

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8 Seiten Mode Im urbanen Sommerlook aufs Velo

Mister Nestlé Peter Brabeck «Das Wasser geht uns vor dem Öl aus»




GRUEN Fotos: Susanne Märki (3), Sarah Maurer

EDITORIAL EINE NASSE SACHE Manchmal fragt man sich, ob Spitzenmanager überhaupt wissen, wie der normale Alltag aussieht. Ob sie auch noch so banale Dinge erledigen wie Einkaufen oder Kochen. Wir machten den Test, legten Nestlé-Präsident Peter Brabeck unsere Footprint-Fragen zum Thema umweltbewusstes Kochen vor – und wurden überrascht. Als Wirtschaftsredaktorin Nina Siegrist Brabecks Büro in Vevey betrat, streckte er ihr den bereits ausgefüllten Bogen mit der Bemerkung entgegen: «Ich koche sehr gerne. Das ist meine Passion.» Das folgende Gespräch drehte sich dann um Wasserreserven, Managerlöhne und Gipfelerlebnisse. Ab Seite 32 Wasser – und zwar vor allem von oben – prägte unsere Schweden-Reise. Während hierzulande endlich Sommer wurde, hatten Fotografin Anne Gabriel-Jürgens und ich die Koffer etwas zu optimistisch gepackt. «Nein, das sind keine Regenjacken», war die entschiedene Bemerkung der

Wirtin des Gästehauses in Idre, als sie unsere Ausrüstung sah. Zum Glück ist man in solchen Regionen gut ausgestattet. Schnell waren die «blauäugigen» Gäste von oben bis unten mit Mützen, Regenjacken, Handschuhen und Regenhosen eingekleidet und blieben so auf dem abenteuerlichen Trip in die Berge zu den Rentieren trocken. Die Reisereportage ab Seite 38. Schön oder schön speziell? Die Aargauerin Nadine Strittmatter fällt mit ihrem Look auf. «Edgy» bezeichnen die Expertinnen vom Moderessort ihr Aussehen. Zu Deutsch würde man sagen: ein Model mit Ecken und Kanten. Diese beweist Nadine Strittmatter auch beim Thema Umweltschutz. Fleisch essen? Geht gar nicht: «Ich habe keine Lust, einen Friedhof in meinem Magen zu haben», sagt sie. Mit ihrem Verzicht sorgt sie für eine bessere Energiebilanz. Aber schon klar – auf der anderen Seite steigt Nadine Strittmatter als Model regelmässig in den Flieger.

EIN TAG AM ZÜRISEE …

Mit Model Nadine Strittmatter im Boot sind Stylistin Kathrin Eckhardt und Foto-Assistent Lorenz Richard (auf der mittleren Sitzbank) sowie Fotograf Christoph Köstlin und Hair & Make-up Artist Linda Sigg (hintere Sitzbank). Die sommerlichen Bilder entstanden beim Restaurant Fischstube in Zürich.

Dafür kompensiert sie ihren ganzen CO2-Ausstoss, indem sie in Biogasanlagen in Nepal investiert. Das sollte man sich merken – jetzt, wo Ferienzeit ist! Wie viele Franken Nadine Strittmatter dafür jährlich ausgibt, verrät sie im Interview ab Seite 18. Noch etwas in eigener Sache: Die beiden Fotografinnen Flurina Rothenberger und Anne Gabriel-Jürgens, die regelmässig für SI GRUEN arbeiten, sind für den ersten Greenpeace Photo Award 2012 nominiert. Wir gratulieren und rufen zum Voting auf! Die Details: Seite 10. Barbara Halter Redaktionsleiterin

Barbara Halter: „Nadine, ein Model mit Ecken und Kanten.“

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GRUEN

2012 #3 6. August

www.si-gruen.ch

CHF 7.–

100% Grün. e. 100% Lifestyl

NADINE R STRITTMATTE „Umweltsch”utz ist Lifestyle

COVER

Foto: Christoph Köstlin Styling: Kathrin Eckhardt Hair und Make-up: Linda Sigg für Style Council Assistenz: Lorenz Richard Outfit: Kleid von Sandro, bei Globus

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8 Seiten Mode Im urbanen Sommerlook aufs Velo

Peter Brabeck Öl aus» Mister Nestlé geh t uns vor dem «Das Wasser

Starter 10 Paul McCartney: Lanciert ein Kochbuch 12 Tatiana Santo Domingo: Die zukünftige Schwiegertochter von Prinzessin Caroline von Monaco verkauft Fair-Trade-Mode

Storys 18 Nadine Strittmatter: «Ein schlechtes Gewissen ist nichts Schlechtes», sagt das Model 26 Sigg: So wird die beliebteste Trinkflasche der Schweizer hergestellt 32 Peter Brabeck: Der Nestlé-Präsident prophezeit ein Schreckensszenario 38 Schweden: Bei den Rentierzüchtern in der Provinz Dalarna 44 Trudie Styler und Sting: Zu Besuch auf ihrem Bio-Hof in der Toskana 48 Die GRUENE Liste: 30 Künstler und ihre Natur-Werke 56 Mode: Das trägt man jetzt – robuste Schuhe zu kurzen Hosen und zum Kleid 66 City-Trip: Sommerlicher Ausflug in die Wasserstadt Thun 72 Tino Zimmermann: Der Koch des Restaurants Stiva Veglia steigt für seine Gäste in die Obstbäume

Money 80 Ich fahre GRUEN: Sängerin Sina mit ihrem sparsamen Skoda Citigo 84 Wandern auf Säumerpfaden: Entlang der neuen ViaPostaAlpina-Route 88 GRUEN einkaufen: Grillieren und geniessen mit Bio-Produkten


GRUEN 3/12

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EINSAM Bei den wilden Rentieren in den Bergen von Schweden.

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ZWEISAM Trudie Styler und Sting – das Power-Paar verkauft auch Bio-Wein.

Fotos: Anne Gabriel-Jürgens, Dukas, Sandra Kennel, Marc Wetli, Christoph Köstlin, Vanessa Püntener, Sara Merz

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SPARSAM Sigg-Flasche statt Plastik: trinken mit Stil und Umweltbewusstsein.

IM INTERVIEW Wieso Nadine Strittmatter im japanischen Zen-Kloster keine Ruhe fand.

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MITTEILSAM Der Nestlé-Präsident Peter Brabeck predigt Wasser.

AUF DEM MÄRIT Krautstiel einkaufen auf dem Rathausplatz in Thun.

IN DER STADT Im urbanen Sommerlook schwingt sich die Schöne aufs Rad.

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GRUEN

Macht Appetit: Linsengericht aus dem Kochbuch «Meat Free Monday. Einen Tag pro Woche fleischfrei essen», bei BLV.

EIN SCHAL MIT HERZ Von einer Reise durch Kambodscha haben Kerstin Schnyder und Inken Rohweder die traditionell gefertigten Khmer-Baumwollschals «Kramas» nach Hause gebracht. Diese waren so beliebt, dass sie das Projekt «leSchal» gründeten. Die karierten Teile werden in Kleinstbetrieben rund um Siem Reap hergestellt. Der Gewinn wird dem Angkor Hospital for Children gespendet. Online erhältlich ab CHF 35.–. www.leschal.com

SIR PAUL McCARTNEY

Schnippelt Gemüse!

PAUL, SETZ DIE LINSEN AUF… Bei den McCartneys gab es noch nie Fleisch. «Iss niemals etwas, das ein Gesicht hat», war die Maxime von Paul und seiner inzwischen verstorbenen Frau Linda. Heute macht es auch aus ökologischen Gründen Sinn, vegetarisch zu essen – und wenn es nur einmal wöchentlich ist. «Indem man einen Tag in der Woche auf Fleisch verzichtet, kann man Geld sparen, die Umweltbelastung verringern und ein gesünderes Leben führen», sagt Paul McCartney. Anleitung dazu gibt sein Kochbuch «Meat Free Monday», das im September auf Deutsch erscheint. 52 Speisepläne, nach Jahreszeiten geordnet, machen das Kochen ohne Fleisch zum Genuss. Prominente wie Kevin Spacey oder Pink haben Rezepte beigesteuert. Von Paul McCartney selbst ist der Gemüsesalat mit Tofu, Brokkoli und Cherrytomaten. www.blv.de, www.meatfreemondays.com

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GREENPEACE PHOTO AWARD DIE NATUR IM BILD Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, kann Missstände nicht übersehen. Greenpeace Schweiz hat Fotografen aufgerufen, ihre Fragen und Eindrücke zum Thema Umwelt in einem Projekt vorzustellen. Für den Greenpeace Photo Award 2012 nominiert sind: Nathan Beck, Anne Gabriel-Jürgens, Flurina Rothenberger, Jules Spinatsch und Peter Tillessen. Die zwei besten Arbeiten werden im Magazin «Du» publiziert. Der Publikumspreis von 15 000 Franken wird per Online-Voting ermittelt. Abstimmen ab 15. August auf www.photo-award.ch

„Ich liebe die Natur, sie ist mein Zuhause. Nichts gibt mir so viel Geborgenheit wie ein Strand, ein Wald oder der Regen. Alles, was wir machen können, um das zu erhalten, sollten wir tun.“ Lea Lu, Sängerin

Fotos: Tara Fischer / Kyle Books (3), zvg, Sony Music Switzerland

Essen alle kein Fleisch: Musiker Paul McCartney mit seinen Töchtern Stella (links) und Mary.


Coop belegte 2011 den 1. Platz im oekom Corporate Rating der Einzelhändler.

«Weshalb ich die Berge liebe, kann ich schlecht in Worte fassen. Aber umso besser in Milch und Käse.» Der Bündner Bergkäse von Peter Meisser aus Splügen ist nur eines von vielen auserlesenen und authentischen Produkten aus den Schweizer Bergen. Mit jedem Kauf fliesst ein Beitrag an die Coop Patenschaft für Berggebiete. Diese unterstützt die Pflege Schweizer Kulturlandschaften und verbessert die Existenzgrundlage unserer Bergbauern. So können Sie sicher sein, ein echtes Bergprodukt in Ihren Händen zu halten – auch morgen noch.

Für unsere Berge. Für unsere Bauern.


GRUEN

Gründeten die Muzungu Sisters: Tatiana (r.) mit ihrer Freundin Dana Alikhani.

FÜR VEGANE PASSAGIERE Wer kein Fleisch, kein Fisch, keine Milch und keine Eier isst – der hat Mühe, unterwegs eine warme Mahlzeit zu kriegen. Darum servieren die SBB jetzt in ihren Speisewagen vegane Fusilli. Die Pasta kommt an einer Cherrytomatensauce mit Oregano auf den Tisch. Das Gericht ist biozertifiziert und von Fernsehkoch Andreas C. Studer kreiert worden, der die Speisekarte für alle rollenden SBB-Restaurants entwickelt und zusammenstellt. www.sbb.ch

ERTRINKEN IN DER PLASTIKFLUT

Aus dem Shop: Bluse mit traditioneller Stickerei, hergestellt in Ungarn.

Ein Hippiegirl für Monaco

FAIRE SCHWESTER Noch kennen sie nicht alle. Doch mit der Hochzeit mit Andrea Casiraghi wird sich für Tatiana Santo Domingo alles ändern. Er ist der älteste Sohn von Prinzessin Caroline von Monaco, sie kommt aus einer kolumbianischen Milliardärsfamilie. Standesgemäss passt also alles. Ausserdem kann Tatiana mit ihrer Modelinie beim umweltbewussten Fürsten Albert II. punkten. Sie betreibt mit einer Freundin das Label Muzungu Sisters und verkauft online handgefertigte, ethisch korrekt hergestellte Kleider und Accessoires. Alles schön bunt und im auffälligen Ethno-Look – Bekommt Albert II. keine so wie es Tatiana selber mag: «Es geht nicht mehr um It-Bags oder ItKinder, sind sie das nächsSchuhe. Die Leute haben es satt, alle gleich auszusehen.» Auf das Brautte Fürstenpaar: Andrea kleid darf man also gespannt sein. http://muzungusisters.motilo.com Casiraghi und Tatiana.

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BLUMIGER GENUSS Eine grüne Oase – und zwar mitten in der Stadt Bern: Im Botanischen Garten hat diesen Sommer das Café Fleuri eröffnet. Eistee oder Limonade erfrischen, für den Hunger gibt es Salate, Birchermüesli und Süsses. Vor dem Essen sei noch zum Sprung in die Aare geraten. Bei Regen nimmt man im Sukkulentenhaus Platz. Täglich bis September, 9.30 bis 17.30 Uhr. www.cafefleuri.ch

„Ich war in Somalia und habe hungernde Kinder gesehen. Solche Erfahrungen relativieren nun wirklich alle Probleme, die ich vielleicht mal hatte.“ Sienna Miller, Schauspielerin

Fotos: zvg (2), Brauer Photos, NOAA // Marine Debris / Museum für Gestaltung Zürich, Getty Images

TATIANA SANTO DOMINGO

BEDROHLICH Die Weltmeere verwandeln sich immer mehr in eine gigantische Plastiksuppe. Abgebaut wird gar nichts, der Plastik kehrt einfach wieder in den Nahrungskreislauf zurück – und landet irgendwann auf unseren Tellern. Die Ausstellung Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt im Museum für Gestaltung in Zürich zeigt die ganze Problematik auf. Das Rahmenprogramm lädt ein, aktiv zu werden. www.museum-gestaltung.ch



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Räubereien unter der Lupe Kleinste Tierchen können die stärksten Pflanzen vernichten. Auch im Bio-Landbau wird dagegen etwas unternommen – am besten mit Nützlingen. Text: Edith Arnold / Infografik: Mathias Bader, Ringier Infographics

PFLANZENSCHUTZ Der verführerische Apfel ist schön, knackig, natürlich günstig. Idealerweise stammt er aus Bio-Anbau, denn er soll ja zudem gesund sein. Produzenten sind gefordert. 2000 Tonnen Pflanzenschutzmittel werden jährlich verspritzt. Die Liste der vom Bundesamt für Landwirtschaft zugelassenen Insektizide, Pestizide, Herbizide ist lang. Heinrich Höhn von Agroscope verweist auf Paracelsus: «Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis machts aus.» Mit vielseitigen

Kulturen schaffen Landwirte Voraussetzungen, damit sich Schädlinge und Nützlinge selber regulieren. Es sei denn, die Mehlige Apfelblattlaus taucht auf. Nach Höhn ist bei einem Prozent die Schadensschwelle erreicht, um intervenieren zu müssen. Derzeit sei die Kirschessigfliege aus China im Anflug, sagt Claudia Daniel vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau. «Kurz vor der Ernte sticht sie Kirschen, Himbeeren oder Trauben an. Ihre Eier lösen einen Verfaulungsprozess aus.»

Pestizidrückstände in unserem Lebensmittelangebot

Vertrauenswürdig sind Produkte mit genauen Herkunftsangaben (Rückverfolgbarkeit). Asiatische Importe sind besonders häufig mit Pestiziden belastet. % 0

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exot. Obst* Beeren Kernobst Steinobst exot. Gemüse* Salat Kräuter** Pilze Schwarz-, Grüntee Rückstände Proben, in denen mind. ein Pestizid nachgewiesen werden konnte Beanstandungen Proben, die mit mind. einem Pestizid über einen Höchstwert belastet sind oder unerlaubte Wirkstoffe enthalten * inkl. Ware aus Asien ** nicht aus Asien Quelle: Kantonales Labor Zürich, 2011

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Schädling Apfelwickler Der Apfelwickler oder Wurm im Apfel ist eine Obstmade. Im Mai legen Falter ihre Eier auf die Frucht. Die schlüpfenden Maden beissen sich ins Innere. Sollten die Temperaturen weiter ansteigen, rechnet Agroscope mit zwei bis drei Generationen pro Jahr.

Pestizide, Monokultur

Biologischer Landbau

Populationsgrösse

Schädling Nützling

Populationsgrösse

BEZIEHUNGSFRAGE Nützlinge und Schädlinge leben in Symbiose: Steigt das Beuteangebot, entwickeln sich mehr Nützlinge, worauf das Beuteangebot wieder sinkt. In der Natur wirken viele Beziehungssysteme ineinander. Werden Schädlinge mit Insektiziden kontrolliert, dezimieren sich vor allem auch Nützlinge. Für Gleichgewicht sorgt Biodiversität – und der Austausch mit benachbarten Gärtnern und Landwirten.

HEIMGÄRTNER Buchsbaumzünsler, Dickmaulrüssler und Blattläuse aus dem Paradies entfernen, ohne Nützlingen zu schaden? Darauf ist Andermatt Biogarten aus Grossdietwil spezialisiert. Von BioInsektiziden, Nematoden oder Marienkäfern bis zu Gesteinsmehlen oder Brennnesselpulver: Exakte Dosen fliegen auf Bestellung per Post zum Hobbygärtner.

Zeit Wird die Artenvielfalt reduziert, können sich Schädlinge ausbreiten, da ihre natürlichen Fressfeinde fehlen. Die Pestizid-Dosen müssen erhöht werden.

Zeit Die Population der ausgesetzten Nützlinge gleicht sich dynamisch und auf lange Frist an die Schädlingspopulation an.

Pflanzenschutz www.fibl.org www.agroscope.admin.ch www.sopra.info www.blw.admin.ch www.agrometeo.ch www.biocontrol.ch Bio


Schädling Blattläuse Blattläuse sind Schädlingsklassiker. Während des Wuchses der Pflanze breiten sie sich auf Trieben, Knospen und Blättern aus. Mit ihren Stechrüsseln entsaugen sie Zierund Nutzpflanzen den kohlenhydratreichen Saft. Zurück bleibt mitunter klebriger Honigtau.

Nützling Marienkäfer Als man im Ausland auf Asiatische Marienkäfer setzte, hat Andermatt Biocontrol in der Schweiz konsequent einheimische ZweipunktMarienkäfer gezüchtet. Die 5 Millimeter grossen Glücksbringer sind genügend hungrig: Selbst als Larven räubern sie 3000 Läuse.

BIO-STRATEGIEN Nebst Kulturmassnahmen empfiehlt Claudia Daniel vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau die Nützlingsförderung: «Welche Schlupfwespe verlässt schon freiwillig die Buntbrache für ein Kohlfeld? Über Kornblumennektar werden sie zu Kohlmotten gelockt.» Raubmilben eliminieren im Obstbau Spinnmilben und Läuse. Hilfe bieten auch Duftstoffe, die in Kästen aufgestellt Schädlinge verwirren und so vom Fressen abhalten.

Direkte Massnahmen Biokompatible Insektizide

Indirekte Massnahmen

Nützlingsfreilassung, Mikroorganismen (Biocontrol) Nützlingsförderung, Habitatmanagement, funktionelle Biodiversität Kulturmassnahmen (Fruchtfolge, Bodenqualität, resistente Sorten)

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• handelbare Produkte, Rückfluss der Entwicklungskosten • spezifische Wirkung

• kurzfristige Wirkung • mögliche Resistenzbildung • Kontrollierbarkeit kritisch

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• langfristige Wirkung • 100% kompatibel mit Richtlinien für biologischen Landbau

• kaum handelbare Produkte, «nur» ökologisch sinnvolle Produktionsmethoden

logischer Landbau www.biogarten.ch www.bioaktuell.ch www.bio-suisse.ch Chemikalien vorsichtig einsetzen

www.giftzwerg.ch

Quelle: FiBL, Forschungsinstitut für biol. Landbau Schweiz

Nützling Nematoden Nützliche Fadenwürmer lassen sich in Massen züchten. Sobald sie gegossen sind, gehen sie an die Arbeit: Sie befallen die Trauermückenlarven und vermehren sich darin, bis alle abgestorben sind. Danach dezimieren sie sich wieder.

Nützling Granulosevirus Das Virus von Labormaden wird selbst im astreinen Bio-Landbau geschätzt: Sobald die Obstmade in den behandelten Apfel beisst, holt sie sich die tödliche Grippe. Vom äusserst selektiven Virus werden weder Mensch noch Tier noch Nützlinge krank.

Grafik © Ringier Infographics

Schädling Trauermücke Die 4 Millimeter grossen Mücken mögen Zimmerpflanzen und Kräuter in feuchten Töpfen. Oft werden sie gleich mitgekauft (Basilikum). Während die Biester um die Pflanzen kreisen, greifen ihre Larven in der Erde die Wurzeln an.

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GRUEN FOOTPRINT

DER GRUEN-FOOTPRINT

Kochen mit Köpfchen

Einen Deckel auf den Topf legen oder das Wasser beim Abwaschen nicht laufen lassen: Kleinigkeiten, mag man sagen – doch wenn es alle tun, spart das viel Energie.Wie umweltbewusst kochen Sie? Testen Sie sich!

SPARSAM

Der gute alte Dampfkochtopf ist immer noch eine der energiesparendsten Kochmethoden. Auch gut: Das Essen ist schnell gekocht.

Einkaufen Kartoffeln kochen Backofen Kochgeräte Fleischkonsum Kochresten Abwaschen TOTAL PUNKTE

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1 WIE HALTEN SIE ES MIT DEN EINKÄUFEN FÜRS KOCHEN? ACHTEN SIE BEIM KAUF VON LEBENSMITTELN AUF BIO-, FAIRTRADE-, MSC- UND ANDERE LABELS? O Ich kaufe konsequent Bio-Produkte und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung. Bei Produkten aus dem Süden achte ich auf Fair Trade, bei Fisch auf das MSC-Label. 12 O Ich bin da meist nicht so konsequent. Maximal ein Drittel der Produkte, die ich kaufe, tragen eines dieser Labels. 6 O Labels sind für mich unwichtig. Ich beachte nur den Preis und das Aussehen der Produkte. 3 O Etwa die Hälfte der eingekauften Lebensmittel tragen eines dieser Labels. 9 2 WIE KOCHEN SIE NORMALERWEISE KARTOFFELN? O Im Backofen O Im Dampfkochtopf O In der Pfanne mit viel Wasser und Deckel drauf O In einer Isolierpfanne mit wenig Wasser und Deckel drauf O In der offenen Pfanne mit viel Wasser oder im Steamer

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Fotos: Getty Images, WWF

IHR PERSÖNLICHER GRUEN-FOOTPRINT

Tipps für den Alltag www.wwf.ch/tipps Effizient kochen www.wwf.ch/kochen Energieeffiziente Küchengeräte www.topten.ch Einkaufen

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3 WIE OFT NUTZEN SIE DEN BACKOFEN PRO WOCHE? O Mehr als dreimal O Etwa einmal O Etwa zweimal O Nur selten, weniger als einmal pro Woche 4 WELCHES DER FOLGENDEN KOCHGERÄTE KOMMT BEI IHNEN AM REGELMÄSSIGSTEN ZUM EINSATZ (1 ANTWORT)? O Normale Pfanne und/oder Bratpfanne ohne Deckel O Dampfkochtopf und/oder Isolierpfanne O Friteuse O Mikrowelle O Normale Pfanne und/oder Bratpfanne mit Deckel 5 WIE HALTEN SIE ES MIT DEM FLEISCHKONSUM? O Ich koche und esse gerne Fleisch, so vier- bis sechsmal pro Woche. O Ich esse etwa ein- bis dreimal pro Woche ein Menü mit Fleisch. O Ich koche wahnsinnig gerne Fleisch und esse es am liebsten täglich. O Ich esse kein Fleisch. 6 WAS MACHEN SIE MIT KOCHRESTEN? O Ich habe kaum Kochresten, weil ich die Mengen genau berechne. O Was nicht kompostierbar ist, kommt in den Abfallsack. O Ich bewahre sie im Kühlschrank auf und kreiere mit frischen Zutaten ein neues Gericht. O Ich mag nichts Aufgewärmtes. Kochresten kommen in den Abfallsack. 7 WIE WASCHEN SIE IHR GESCHIRR AB? WELCHE AUSSAGE TRIFFT AM EHESTEN AUF SIE ZU? O Ich spüle das Geschirr warm vor, reinige es von Hand in reichlich heissem Wasser und spüle es danach warm ab. O Ich lasse den Geschirrspüler erst laufen, wenn er voll ist. Ich wähle ein Spar- oder Ökoprogramm. O Ich spüle das Geschirr mit heissem Wasser vor, stelle es in den Geschirrspüler und lasse ihn im Normalprogramm laufen, auch wenn er nicht voll ist. O Ich wasche von Hand ab. Das Geschirr spüle ich zuerst mit kaltem Wasser vor und verwende danach möglichst wenig heisses Wasser.

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AUSWERTUNG O Bis 30 Punkte

Kochen Sie regelmässig für eine ganze Kompanie? Oder in zerbeultem Kochgeschirr? Anders lässt sich Ihr Resultat nicht erklären.

O 31 bis 55 Punkte

Nicht schlecht, aber behalten Sie den Ehrgeiz, Ihre Punktezahl zu erhöhen.

O Mehr als 55 Punkte

Kompliment! Fünf (grüne) Sterne für Ihre Küche.

5 FRAGEN an Jennifer Zimmermann GRUEN: Worauf soll ich achten, wenn ich beim Kochen Energie sparen will? Wenn Sie kleine Lebensmittelmengen kochen, verwenden Sie eine kleine Pfanne und immer auch wenig Wasser. Die Flächen von Pfannenboden und Herdplatte müssen übereinstimmen. Nutzen Sie auch deren Restwärme aus. Selbstverständlich gehört auch immer ein Deckel auf die Pfanne. Gibt es effizientere und weniger effiziente Pfannen? Unsere Tests haben gezeigt: Am besten schneiden der Dampfkochtopf und die Isolierpfanne mit Deckel ab. Letztere benötigt am wenigsten Energie und hält die Speisen noch warm, wenn sie schon auf dem Tisch stehen. Schlecht schneiden hingegen der Backofen, der Backofen-Steamer und Pfannen ohne Deckel ab. Wie kann ich schon meinen Lebensmittel-Einkauf grüner machen? Als Erstes gilt: nicht zu viel einkaufen. Schreiben Sie eine Einkaufsliste, damit Sie im Laden nur das kaufen, was Sie wirklich brauchen. So vermeiden Sie Resten. Wenn es dennoch solche gibt, verwerten Sie sie. Bevorzugen Sie ausserdem frische Bio-Produkte aus saisonaler Produktion anstatt Tiefkühlsachen. Mit welchen Menüs wird mein ökologischer Fussabdruck kleiner?

Jennifer Zimmermann ist Projektleiterin Konsum beim WWF Schweiz.

Essen Sie häufig vegetarisch, und pflegen Sie einen massvollen Umgang mit Eiern und Milchprodukten. Eine fleischlose Mahlzeit produziert dreimal weniger Treibhausgase als ein Fleischgericht. Wie wasche ich mein Geschirr umweltfreundlich ab? Die Spülmaschine verbraucht für die gleiche Menge Geschirr im Schnitt nur halb so viel Wasser und ein Viertel weniger Strom als der ideal ausgeführte Handabwasch. Das gilt allerdings nur für eine energieeffiziente Maschine, die ganz gefüllt ist. Achten Sie beim Kauf eines neuen Gerätes deshalb auf tiefen Strom- und Wasserverbrauch. Wenn Sie von Hand abwaschen, gilt Folgendes: möglichst wenig warmes Wasser brauchen. Keinesfalls unter laufendem Warmwasser spülen. Stark verschmutztes Geschirr vorher einweichen oder mit kaltem Wasser vorwaschen. Spülmittel sollten Sie generell sparsam verwenden.

Der WWF unterstützt Schweizerinnen und Schweizer, ihren ökologischen Fussabdruck zu verringern – in jedem Lebensbereich. Für eine erste Standortbestimmung bietet der WWF den Footprint-Rechner im Internet an. Spielerisch können Benutzerinnen und Benutzer ihre eigene Lebensrealität nachbauen. Konkrete Tipps und Tricks gibts ebenfalls. Der WWF-FootprintRechner wird von Swisscanto, einem führenden Asset-Manager für Anlage- und Vorsorgelösungen, gesponsert. www.wwf.ch/footprint

www.maxhavelaar.ch www.bio-suisse.ch www.naturaplan.ch www.migros.ch/bio www.msc.org/de Klimafreundlich essen www.eaternity.ch

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gruen cover


Als Model Vielfliegerin – doch Nadine Strittmatter kompensiert ihren ganzen CO² -Ausstoss bei My Climate.

nadine strittmatter

„Ich bin sehr kritisch“ Glamour gehört bei Model Nadine Strittmatter, 27, zum Job. Ihr privater Lifestyle? Yoga, Einkaufen beim Bauern und viel Zeit mit Freunden verbringen. Text: Barbara Halter / Fotos: Christoph Köstlin / Styling: Kathrin Eckhardt Hair & Make-up: Linda Sigg für Style Council

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„Ein schlechtes Gewissen finde ich nichts Schlechtes, sondern es ist ein Indikator, dass du was ändern solltest.“ 20

Ich fand den Dokumentarfilm von Al Gore sehr spannend. Wobei ich auch immer sehr kritisch bin. Ich weiss, wie man Schlagzeilen macht. Der Film sollte ja auch eine gute Geschichte erzählen. Los Angeles, Paris, New York … wo sind Sie eigentlich zu Hause? Ich habe eine Wohnung im Aargau an der Grenze zu Zürich und eine in New York. Die Schweiz ist aber meine Basis. Ich werde auch nicht auswandern. Wie umweltbewusst wohnen Sie? Meine Familie hat in Arosa eine Ferienwohnung in einem Chalet. Dort haben wir eben die Fenster erneuert, damit beim Heizen nicht die ganze Wärme rausgeht. Das ist ja das Schlimmste, wenn einfach die Energie verpufft. Und bei Ihnen daheim? Ich achte vor allem auch auf kleine Dinge: Stecker rausziehen, den Computer richtig runterfahren und nicht auf Standby lassen, das Wasser beim Zähneputzen abstellen. Wie oft und wie lange duschen Sie? Einmal am Tag, rund fünf Minuten. Ich bade nicht. Ich habe gar keine Wanne. Was für Kosmetik- und Pflegeprodukte stehen bei Ihnen im Bad? Für das Gesicht brauche ich Naturkosmetik von Dr. Hauschka oder Jurlique. Ich achte aber auch darauf, dass die Produkte nicht von zu weit her kommen. Alle meine Haarprodukte sind von der Firma Dobi aus dem Aargau, die dort entwickelt und hergestellt werden. Wie stylen Sie sich in Ihrer Freizeit? Im Sommer trage ich Shorts und T-Shirt oder ein Kleid. Sowie ein bisschen Wimperntusche für die Augen. Glamour langweilt Sie, haben Sie mal gesagt. Es ist halt immer das gleiche Prozedere: Man wird zu Partys eingeladen, später werden diese Anlässe in den Magazinen als megaglamourös dargestellt. Dabei ist das reine PR-Arbeit. Ich mache das gern, aber solche Partys sind nicht mein ganzer Lebensinhalt. Was ist Ihnen wichtiger? Ich gehe viel lieber am Abend mit Freunden aus, reserviere einen grossen Tisch in einem Restaurant und unterhalte mich mit ihnen. Danach gehen wir tanzen. Sie machen Yoga. Als Leibesübung oder als spirituelle Erfahrung? Das ist für mich Stressabbau. Ich mache Kundalini-Yoga, das ist eine sanfte Form und schont die Gelenke. Man macht zum Beispiel elf Minuten lang die gleiche

Nadine Strittmatter www.nadinestrittmatter.com Sie ist Ambassadorin für http://ch.myclimate.org

Erste Doppelseite: BH Agent Provocateur, T-Shirt Diesel, Kleid Carven bei Modestrom, Armreif Hermès. Bild links: Hemd Massimo Dutti. Bild rechts: Kleid Diesel, Anhänger und Uhr privat.

gruen cover GRUEN: Models sind Vielfliegerinnen. Wie ist das bei Ihnen? Ja, das ist bei mir auch so. Allerdings versucht meine Managerin mehrere Jobs am selben Ort zu organisieren, sodass ich nicht ständig hin und her fliegen muss. Aber Sie steigen immer noch regelmässig in den Flieger. Alle zwei Wochen mindestens. Mein CO2-Footprint ist sicher keiner der besten, doch dafür kann ich nichts. Fliegen gehört zu meiner Arbeit. Aber ich kompensiere alles bei My Climate.

Was gehört da dazu? Wohnung, Computer, Flüge und Autostrecken des ganzen Teams. All dies geben wir jährlich bei My Climate an, und die berechnen dann, wie viele Tonnen CO2 wir jährlich verbrauchen. Wie hoch ist jeweils Ihr Beitrag? Letztes Mal waren es 94 Tonnen CO2 , dafür zahlte ich 2690 Franken. Das Geld kommt in ein von mir ausgewähltes Projekt. Ich unterstütze eine BiogasAnlage in einem Dorf in Nepal. Die Leute dort haben viel Mist von ihren Tieren, aber keinen Strom zum Kochen. Mit einer speziellen Anlage wandeln sie Mist in Biogas um. Das ist eine super Synergie. Kritiker mäkeln, solche Kompensationen seien nur eine moderne Form von Ablasshandel. Es kommt immer die Frage nach dem schlechten Gewissen. Doch ein schlechtes Gewissen finde ich gar nichts Schlechtes, sondern es ist ein Indikator, der dir zeigt, dass du was ändern solltest. Man kann es erdulden oder aufstehen und sagen, ich mache jetzt was dagegen. Ich bin für die zweite Variante. Wie sind Sie sonst unterwegs? In den grossen ausländischen Städten, ausgenommen in Los Angeles, nehme ich vor allem öffentliche Verkehrsmittel. In Paris kann man auch Velo fahren. Da leihe ich mir bei Vélib Fahrräder aus. Haben Sie ein Auto? Kein eigenes. Ich muss zugeben, dass ich eine Schwäche für schnelle Autos habe: Mein Vater organisiert Autorennen und hat mich schon als Kind dorthin mitgeschleppt. Sollte ich ein Auto kaufen, wäre seine Umweltverträglichkeit sehr wichtig. Wenn ich in Los Angeles bin, miete ich wenn möglich einen Hybridwagen. Was ist das Tolle an einem Hybrid? Du brauchst praktisch kein Benzin – leider wird die Batterie stark beansprucht und muss schnell erneuert werden. Der Abfall, der dabei anfällt, ist dann nicht ökologisch. Dass Umweltbewusstsein auch trendig sein kann, beweisen die Hollwood-Stars. Hat Sie das beeinflusst?


Beschwingt und sommerlich leicht: Nadine Strittmatter beim Restaurant Fischstube in Z端rich.

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„Naturschutz ist das Thema meiner Generation – das muss es sein! Wir leben in einer anderen Zeit als früher.“

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GRUEN COVER Sommer auf dem Z端richsee: Nadine Strittmatter ist oft in Paris, Los Angeles und New York, doch die Schweiz bleibt ihre Basis.

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Zweite Doppelseite: Top und Jupe Clare Tough bei Modestrom, Brille Miu Miu. Links: Bluse und Short Sandro bei Globus, Brille Miu Miu Culte, Armreif Hermès. Rechts: Kleid Diesel. Produktion: Susanne Märki. Fotoassistent: Lorenz Richard. Location: Restaurant Fischstube, Zürich.

„Mich stösst Fleisch einfach ab. Ich habe keine Lust, einen Friedhof in meinem Magen zu haben.“ Übung. In L.A. gehe ich fast täglich ins Studio, hier vielleicht dreimal die Woche. Sie waren auch schon in einem Kloster. In einem Zen-Kloster in Japan, ja. Aber dort habe ich es nicht lange ausgehalten. Ich war 21, hatte Mühe, nichts zu sagen und vierzig Minuten still in einem Raum zu sitzen. Andere Dinge haben mich auch gestört: Man steht dort morgens um Viertel vor fünf auf – und dann rennen alle mal zur Küche und machen sich einen Instant-Kaffee. Meditation und InstantKaffee, das ist doch verrückt! Ein Mann aus San Francisco hat jeden Tag telefoniert und Tratsch verbreitet. Ich verliess das Kloster ziemlich desillusioniert. Was hatten Sie sich erhofft? Ich hatte zu dieser Zeit sehr viel gearbeitet und suchte einfach Ruhe. Die haben Sie hoffentlich dann an einem anderen Ort gefunden. Heute gehe ich in den Wald. Aber eigentlich bin ich auch nicht so der Ruhetyp. Ich kann viel besser entspannen, wenn ich mit Freundinnen rede. Ich brauche den Austausch, ich mag nicht allzu lange alleine sein. Werben Sie in Ihrem Freundeskreis für ein ökologisches Verhalten? Nein, das sicher nicht. Ich bin keine Predigerin. Man soll einfach das machen, was man für sich als richtig empfindet. Der Schutz unserer Natur beschäftigt viele Leute. Es ist das Thema meiner Generation – das muss es sein! Wir leben in einer anderen Zeit als früher. Das sehe ich auch, wenn ich mit meiner Familie diskutiere. Meine Eltern mussten sich nicht mit Umweltschutz beschäftigen. Für mich gehört er zum Lifestyle. Ihr Lebensstil beinhaltet auch eine vegetarische Ernährung. Ich habe schon ziemlich viel ausprobiert: Ich habe auf Fisch verzichtet oder gar keine tierischen Produkte gegessen, also mich vegan ernährt. Doch das hat für mich nicht funktioniert.

Hat Ihr Verzicht auf Fleisch einen speziellen Grund? Mich stösst Fleisch einfach ab. Zudem bleibt es sehr lange im Körper. Ich habe keine Lust, einen Friedhof in meinem Magen zu haben. Fisch essen Sie? Ja, ich liebe Fisch. Ich versuche Bio-Fisch zu essen. Aber unterwegs in Restaurants ist es halt oft schwierig. Auf was achten Sie, wenn Sie selber kochen können? Ich versuche, so viel wie möglich biologiIch besuche in Mosambik zwei Spitäler sche Lebensmittel zu kaufen. Gehe ab und von Solidarmed. Die Schweizer Organisazu in den Bio-Laden. Wichtig ist aber auch, tion bildet dort unter anderem Hebammen dass man direkt bei den Bauern einkauft. aus. Müttersterblichkeit ist neben HIV Erdbeeren zum Beispiel hole ich bei mir eines der grössten Probleme. im Dorf und unterstütze so die Leute um Können Sie schon abschätzen, wie Sie mich herum. vor Ort reagieren werden? Bevorzugen Sie gewisse Labels? Es wird mich sicher sehr mitnehmen, ich bin sehr nah am Wasser gebaut. Ich werde Die Demeter-Produkte finde ich gut. Die ein öffentliches Tagebuch führen, um so Anbaumethode ist spannend. Es stellt sich direkt wie möglich zu berichten. natürlich auch die Frage, ob es Sinn macht, wenn nur noch so angebaut wird. Es braucht viel Platz, ist auch ein Luxus. Kann man die ganze Weltbevölkerung so ernähren? Soll man ein Stück Wie grün kocht Nadine Strittmatter? Land mit Weizen bepflanzen Einkaufen 9 oder Kühe darauf halten? In einer Videobotschaft für Kartoffeln kochen 2 den Nachhaltigkeitsgipfel Backofen 8 in Rio wünschen Sie sich Kochgeräte 10 langfristiges Denken statt Fleischkonsum 12 Schnellschüsse. Könnten Sie Kochresten 9 sich vorstellen, selber zu politisieren? Abwaschen 8 Im Moment ganz sicher Total Punkte nicht. Ich wüsste auch gar nicht, welcher Partei ich 58 Punkte = Kompliment, Model Nadine Strittmatter richtet beitreten würde. Es gibt in ihrer Küche mit der grünen Kelle an! Ihr besonderer Pluskeine, die meine Meinung punkt: Sie isst kein Fleisch. Das schont die Umwelt voll vertritt. Aber ich glaube, besonders stark. so geht es auch anderen Der GRUEN-Footprint wurde vom WWF Schweiz für jungen Leuten. SI GRUEN entwickelt. Der Test soll für den Alltag sensibilisieren und Spass machen. Fix geplant ist Ihr nächster Berechnen Sie Ihren eigenen Footprint auf den Seiten 16 und 17. Einsatz: Sie reisen nach Afrika. Was tun Sie dort?

DER GRUEN-FOOTPRINT

Videobotschaft http://rio20.ch Solidarmed www.solidarmed.ch Biodynamische Landwirtschaft www.demeter.ch

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GRUEN UNTERNEHMEN

SIGG

Text: Christine Zwygart / Fotos: Sandra Kennel

Sie sind praktische Begleiter und Mode-Accessoires zugleich. Die bunten Aluminium-Trinkflaschen der Firma Sigg erobern vom Thurgau aus die Welt.

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Eine Flasche f端r


immer

Die Sigg-Flasche ist seit Jahrzehnten eine treue Begleiterin, auch auf Wanderungen (links). Rechts: CEO Patric Zingg vor dem ßbergrossen Modell der meistverkauften Flasche – rot mit Schweizer Wappen.

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Das Phänomen ist nur schwer zu erklären. Da ist eine Flasche – leicht, bunt, praktisch. Ein Gefäss, in dem man kalte Getränke mitnehmen kann. Beim Wandern, auf Reisen, zur Arbeit. Also im Grunde nichts wirklich Spezielles. Einfach nur eine Flasche aus Aluminium. Aber: Die Schweizer hängen an dieser Flasche. Und wie! Es gibt kaum jemand, der nicht mindestens eine Sigg daheim hat. Und der Besitzer erinnert sich noch genau, auf welcher Wanderung dieser Kratzer da entstanden ist und woher diese Beule kommt. Es scheint, als hätte er eine emotionale, innige Bindung zu diesem Objekt. Dabei ist es doch nur eine Flasche … Oder etwa doch mehr? Patric Zingg weiss von der Anziehungskraft der Sigg-Produkte, und der CEO wagt einen Erklärungsversuch: «Die Welt wird immer globaler, doch der Mensch sehnt sich zurück nach sicheren Werten.» Nach einem Stück Heimat, das einfach und verständlich ist. Die Form der Flaschen ist im Lauf der 104-jährigen Firmengeschichte kaum verändert worden – ganz bewusst nicht. Der Wiedererkennungswert ist riesig, die Flasche stillt eine Art Heimweh-Gefühl. Das ist beim Chef selber nicht anders: «Mein Vater ist Emmentaler, und wir gingen als Kinder

„Zur Umwelt schauen kann Spass machen und schön sein – das wollen wir mit unseren Produkten zeigen.“ oft mit ihm auf Skitouren. Im Rucksack mit dabei war immer unsere Sigg-Thermo-Flasche.» Heute besitzt der 40-Jährige unzählige Modelle, unifarbene, bunte, kleine, grosse. Je nach Kleidung wählt er am Morgen den passenden Trink-Begleiter dazu aus. Sein liebster ist die schneeweisse Version – und apropos: «Die Beule hier stammt von einer Vorführung: Ich wollte Freunden zeigen, wie robust die Flaschen sind, und

MOTIVE FÜR JEDES ALTER Nebst den Klassikern in diversen Farben kommen immer wieder spezielle Flaschen auf den Markt wie jene von Designerin Lena Hoschek (Bild links). Bei Kindern sind die Hello-Kitty-Motive der Renner (Mitte). Und für Médecins Sans Frontières entwarf Sigg eine eigene Flasche, die nun zugunsten der medizinischen Nothilfeorganisation verkauft wird (rechts). Solch soziales Engagement will CEO Patric Zingg künftig intensivieren: «Ich möchte längerfristig planen und mehrere Jahre in ein Projekt investieren, damit die Hilfe auch nachhaltig ist.»

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warf sie auf den Boden. Sie landete jedoch auf der Tischkante. Das tat mir richtig weh!»

Pro Tag verlassen bis zu 18 000 Flaschen die Produktionshalle Jede Sigg-Trinkflasche ist «Swiss made» und wird in Frauenfeld TG produziert. In der kleinen Fabrik riecht es nach Motorenöl und Farbe, haushohe Maschinen poltern und zischen, Fliessbänder nehmen die Waren mit zum nächsten Arbeitsposten. Hier entsteht aus einer Aluscheibe innerhalb von zweieinhalb Stunden eine bunt bedruckte Flasche. Das Metall wird zuerst mit einer Kraft von bis zu 600 Tonnen in seine Form gepresst und dann zurechtgeschnitten, der Hals erhält ein Gewinde, das Innere der Flasche wird versiegelt, die Aussenhülle grundiert und gebrannt. Mit Siebdruck kommt anschliessend das gewünschte Design auf die Flasche. Mitarbeitende kontrollieren die Ware und montieren den Deckel, bevor jeweils sechs Flaschen automatisch in

Kisten verpackt werden. Das Team arbeitet in zwei Schichten, 16 Stunden am Tag, bis zu 18 000 Flaschen. «Wir haben Büezer, die seit über 20 Jahren für Sigg tätig sind. Sie kennen alle Tricks und Kniffe – das sind die wahren Könner», schwärmt CEO Zingg. Er selber führt das Unternehmen erst seit März 2012 und ist auf solche Profis angewiesen. Regelmässig ist der Chef deshalb in der Produktionshalle anzutreffen: «Ich muss kapieren, wie alles funktioniert, wenn ich Verbesserungen anstrebe.» Zingg verbringt seine Pausen mit den Arbeitern, fragt, hört zu, motiviert, lobt. Sein Credo: «Erfolgreich ist nur, wer an seiner Arbeit Spass hat. Erst aus Leidenschaft wird man so richtig gut.» Das hat er von Nicolas Hayek gelernt, in dessen Swatch-Group Zingg gross geworden ist. «Das war die beste Schule meines Lebens.» Später arbeitete er bei Hamilton und bei Rado, vertrieb luxuriöse Uhrenmarken. Und jetzt verkauft er Flaschen? Patric Zingg winkt und wiegelt ab: «Es gibt keinen Menschen, der am Morgen aufsteht und sagt, ich muss heute eine neue Trinkflasche kaufen. Wir sind so gesehen auch ein Luxusgut.» Im Vergleich zur Konkurrenz sogar 20 bis 30 Prozent teurer, dafür garantierte Schweizer Qualität – und mit maximal 30 Franken für eine Flasche aus einer normalen Kollektion dennoch erschwinglich. «Wer sich eine Sigg kauft, gönnt sich etwas.» Und beruhigt obendrein sein ökologisches Gewissen. Einerseits sind die Alu-Gefässe zu 100 Prozent recyclingfähig, andererseits kann die Flasche immer und immer wieder mit Wasser aufgefüllt werden – der Gebrauch von umweltschädlichen Plastikflaschen wird überflüssig.Aber, betont Zingg, wenn das Design nicht stimme, überzeuge auch der grüne Aspekt kaum. «Zur Umwelt schauen kann Spass machen und schön sein – das wollen wir mit

Die Firma www.sigg.com Die Standort-Gemeinde www.frauenfeld.ch Partnerschaft mit Sigg www.msf.ch


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2 1 Jede runde Aluscheibe ergibt eine Flasche. 2 Fliessbänder verbinden die einzelnen Arbeitsstatio­ nen und transportieren die Produkte weiter. 3 Die Röhren mit Boden erhalten die richtige Länge, eine Maschine formt den Flaschenhals und setzt ein Gewinde ein. 4 Aufgehängt gelangen die Flaschen in die Malerei, wo sie weiss grundiert werden.

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unseren Produkten zeigen.» Zwischen vier und fünf Millionen Flaschen produzieren die gut 80 Mitarbeitenden Jahr für Jahr in Frauenfeld, 90 Prozent der Ware gehen in den Export. Sigg verkauft seine Produkte in 55 Ländern und ist nebst dem Heimmarkt stark in Nordamerika, Deutschland, Österreich, Grossbritannien und Japan. Die Produktion in Billigländer auszulagern, kommt für Patric Zingg nicht infrage: «Qualität hat für uns oberste Priorität.» Er wolle die Stellen in der Schweiz erhalten und so auch mithelfen, den hohen Lebensstandard hier zu sichern. Der Verkaufsschlager von Sigg ist und bleibt die dunkelrote Flasche mit Schweizer Kreuz. Der Klassiker behauptet sich unter Hunderten von Designs; zum Teil entworfen von Stars wie Maler James Rizzi oder Designerin Vivienne Westwood. Zwei Modelle sind sogar im Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Als LifestyleAccessoire ist die Sigg-Bottle auch bei Prominenten beliebt: Topmodel Gisele Bündchen trägt die silberne Ausführung mit sich herum, Schauspielerin Cameron Diaz steht auf die

„Für unsere neuen Kollektionen erspüren wir Trends, lesen dazu viele Magazine und besuchen Messen.“ dunkelgrüne und Formel-1-Fahrer Timo Glock auf die rote Variante. Patric Zingg betont, dass dies nicht das Resultat von gezielten Werbegeschenken sei: «Werden Prominente allerdings mit einer Sigg fotografiert, senden wir ihnen ab und zu ein

DER GRUEN-FOOTPRINT Wie grün kocht Patric Zingg? Einkaufen

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Kartoffeln kochen

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Backofen

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Kochgeräte

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Fleischkonsum

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Kochresten

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Abwaschen

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Total Punkte

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42 Punkte = Der CEO kocht nicht oft. Bei ihm muss es schnell gehen – und das wirkt sich auf die Bilanz aus. Mit etwas bewussterem Einkaufen und sparsamerem Abwaschen wäre bereits viel herauszuholen. Der GRUEN-Footprint wurde vom WWF Schweiz für SI GRUEN entwickelt. Der Test soll für den Alltag sensibilisieren und Spass machen. Berechnen Sie Ihren eigenen Footprint auf den Seiten 16 und 17.

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Exemplar aus der neusten Kollektion.» Die Flaschen taugen gar als bundesrätliche Mitbringsel; Eveline Widmer-Schlumpf und Doris Leuthard verschenken sie gerne. «Das ist für uns ein riesiges Kompliment», freut sich der CEO.

Das allererste Produkt von Sigg war 1908 eine Bettflasche Jahr für Jahr kreiert Sigg eine neue Kollektion. Was liegt im Trend? Welche Muster kommen in Mode? Auf welche Stoffe und Formen setzen die Designer? «Hier gehts nicht um Rot oder Blau. Wir erspüren Trends, lesen dazu viele Magazine und besuchen Messen.» Patric Zingg ist fasziniert von diesem kreativen Prozess und holt sich – nebst den Arbeiten der eigenen Produktmanager – auch Ideen von externen Designern. Bis eine Kollektion fertig ist, dauerts einige Monate. «Und wie das bei Kreativen manchmal der Fall ist, schwappen die Emotionen über. Da kanns im Sitzungszimmer ganz schön laut werden.»

Die allererste Flasche, die Sigg 1908 produzierte, war eine Bettflasche. Unternehmer Ferdinand Sigg kaufte damals in Biel BE eine Firma auf, die Teile für die Uhrenindustrie herstellte. Das Unternehmen steckte in einer Krise, und so beschloss der neue Patron, Haushaltswaren aller Art aus Metall zu fertigen. «Wieso er 1917 nach Frauenfeld umzog, geht aus der Firmengeschichte nicht hervor», erzählt CEO Zingg. Vermutlich hatte er im Berner Seeland keine Möglichkeit, den Betrieb zu vergrössern. Sigg starb 1930, sechs Jahre später kaufte die Alu Menziken aus dem Aargau die Firma und betrieb sie bis in die Neunzigerjahre als Tochtergesellschaft. Als der Markt mit billigem Kochgeschirr aus China überschwemmt wurde, ging Sigg an eine private Investorengruppe aus der Region Frauenfeld. Das Sortiment wurde auf Trinkflaschen reduziert. «Das war ein richtiger Entscheid», ist Patric Zingg überzeugt. Die Firma setzt auf Produkte, die Erfolg versprechen, und entwickelt diese konsequent weiter. Auch heute noch. So hat sich der CEO zum Ziel gesetzt, den asiatischen Markt zu erobern. In einer Region, die von einer Teekultur geprägt ist, braucht er jedoch andere Produkte: «Wir präsentieren Anfang 2013 neue Flaschen für heisse Getränke.» Und innovative Ideen schafft er auch für die bewährten Trinkflaschen – sie sollen Deckel erhalten, die sich personalisieren lassen. Auch über die Vielfalt der Produktepalette denkt Zingg nach. Wieso nicht ergänzende Produkte anbieten, wie einen Trinkbecher oder eine Zitronenpresse? Denn: «Sigg ist zu einem Baum mit einem starken Stamm herangewachsen. Jetzt müssen wir ihm ein paar Äste besorgen.» Verwurzelt ist die Firma ja schliesslich gut – dank diesem unerklärlichen Phänomen. Flaschen sind eben doch viel mehr als nur Flaschen.

Designer von Sigg-Flaschen www.lenahoschek.com www.james-rizzi.com www.lolapaltinger.com www.viviennewestwood.co.uk


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2 1 Damit die Getränke nicht mit dem Alu in Berührung kommen, erhält die Innenseite eine Beschichtung. 2 Nach der Grundierung durchlaufen die Flaschen einen Ofen, wo sie bei 180 Grad 10 Minuten bleiben. 3 Der Rohling: Die klassische und unverkennbare Form wurde in all den Jahren kaum verändert. 4 Im Lager sind diverse Modelle vorrätig. Die Firma kann auch rasch gewünschte Flaschen produzieren.

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gruen IntervIew

peter brabeck

Seine Mission: Wasser Als Manager hat er alles erreicht. Nun predigt der Nestlé-Präsident Wasser. Peter Brabeck über Nachhaltigkeit, Naturverbundenheit und seine miserable CO2-Bilanz. Interview: Nina Siegrist / Fotos: Marc Wetli

Er hat schon manch einen Berg bestiegen, ist aber auch einige Male vor dem Ziel umgekehrt. Peter Brabeck, 67, NestléPräsident, muss sich nichts mehr beweisen. Braun gebrannt und entspannt empfängt er einen am Firmenhauptsitz in Vevey VD, ein Mann von Welt mit österreichischem Schmäh, immer souverän, immer höflich. Er kommt gerade von einem Gipfel – nicht besonders hoch, aber umso herausfordernder: An der UnoNachhaltigkeitskonferenz Rio +20 hat er über Wasser referiert, mal wieder davor gewarnt, dass dessen Knappheit unter-

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schätzt wird. Nein, einer wie Brabeck muss sich nichts mehr beweisen, den Markenwert von Nestlé hat er vervierfacht, als Alpinist unzählige Gipfel erklommen. Aber wenn es ihm gelingen sollte, die Menschen endlich wachzurütteln, dann hätte er sein höchstes Ziel erreicht. GRUEN: Herr Brabeck, sind Sie eigentlich Wassermann? Im Sternzeichen? Nein. Ich bin Skorpion, also eher der Wüstentyp. Ich verbrachte ja auch viele meiner Urlaube in den Wüsten dieser Welt – was mich wiederum für das Thema Wasser sensibilisiert hat.

Nestlé www.nestle.com www.spiegel.de/thema/nestle Thema Wasser weltweit www.weforum.org/issues/water www.2030waterresources


Laut Sternen ein Skorpion, im Herzen ein Wassermann: NestlÊ-VR-Präsident Peter Brabeck am Firmenhauptsitz in Vevey VD.

group.com Thema Wasser in der Schweiz www.bafu.admin.ch/wasser www.trinkwasser.ch www.ecovia.ch

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GRUEN INTERVIEW

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Heute sind Sie der Schweizer «WasserApostel», warnen immer wieder davor, dass uns das Wasser vor dem Öl ausgehen wird, wenn wir so weitermachen. Ja, darüber sind sich leider viele Menschen nicht im Klaren. 1950, da war ich sechs Jahre alt, waren wir noch 2,5 Milliarden Menschen auf der Welt – heute sind es über 7 Milliarden. Was das für den Wasserbedarf bedeutet, ist enorm. Und damit meine ich nicht primär die 30 Liter am Tag, die wir zum Trinken und für die Mindesthygiene brauchen. Jeder Mensch «isst» am Tag etwa 3500 bis 6500 Liter Wasser, jede Kalorie, die wir zu uns nehmen, braucht einen Liter Wasser, wenn sie von der Pflanze kommt, und zehn Liter Wasser, wenn sie vom Tier kommt. Stellen Sie sich vor, es würden alle auf der Welt so essen wie wir – und stellen Sie sich vor, es kommen noch einmal drei Milliarden Menschen dazu. Da bekommen wir massive Probleme. Können Sie ein Schreckensszenario zeichnen: Wenn wir weitermachen wie bisher, wie steht es dann in 20 Jahren um unseren Wasservorrat? Dafür brauche ich keine 20 Jahre: Unsere Seen schrumpfen, und die fünf grössten Flüsse der Welt bringen teilweise monatelang keinen Tropfen Wasser mehr ins Meer. Das Schreckensszenario ist längst hier, nur wollen wir es nicht wahrhaben. Hoffen Sie, dass man irgendwann sagen wird: Brabeck hat es immer gewusst? Das ist nicht so wichtig. Wichtig ist mir vielmehr, dass wir unter anderem mit der «2030 Water Resources Group», einer Initiative von Unternehmen und öffentlichen Institutionen, in der Lage sind, konkret mit Regierungen an diesem Wasserproblem zu arbeiten. Beim Thema Wasser müssen Sie auch Kritik einstecken – weil Nestlé in Entwicklungsländern abgefülltes Wasser in Flaschen verkauft. Nervt Sie das? Mich nervt eigentlich selten etwas. Wir haben das Privileg einer Demokratie, und es freut mich, dass jeder das Recht hat, seine Meinung zu äussern. Aber wenn Sie den Nestlé-kritischen Film «Bottled Life» ansprechen: Ich habe schon etwas Mühe, wenn man die These aufstellt, dass Nestlé Unrechtes tut und dies dann mit ideologisch gefärbten Beispielen zu belegen versucht. Sie haben den Film inzwischen gesehen? Ich habe ihn gelesen – also alles, was darüber geschrieben wurde, studiert. Die Sache ist ja die: Erstens macht das Flaschenwasser, das Nestlé verkauft,

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PERSÖNLICH PETER BRABECK Peter Brabeck wird am 13. November 1944 im österreichischen Villach geboren. Schon als Kind erklimmt er mit den Eltern die Berge. Mit 23 ist er erstmals im Himalaja. Er besteigt unter anderem den Montblanc, die Jungfrau und das Matterhorn, klettert am Aconcagua, dem höchsten Berg Amerikas. Bei Nestlé absolviert der Diplomkaufmann eine Traum-

karriere: Er tritt 1968 als Glace-Verkäufer ein, wird 1997 CEO und 2005 VR-Präsident. Seit sechs Jahren setzt er sich unter anderem am World Economic Forum für Nachhaltigkeitsthemen ein, warnt immer wieder vor der Wasserknappheit. Mit seiner Ehefrau Bernadette, einer Chilenin, lebt er in Verbier VS. Er hat zwei Söhne, eine Tochter und vier Enkelkinder.

Nachhaltig Lebensmittel einkaufen www.nachhaltigleben.ch www.nachhaltig-einkaufen.de www.coop.ch/Nachhaltigkeit www.terrasuisse.ch

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4 1 Easy Rider Brabeck mit seiner Motoguzzi. Er ist passionierter Motorradfahrer. 2 Als Gletscherpilot erkundet der Nestlé-Präsident die Bergwelt auch gerne von oben. 3 Verheiratet, geschieden – und wieder verheiratet: Seiner Bernadette gab Brabeck mit 50 nochmals das Jawort. 4 Geschafft: der Nestlé-Boss unterwegs zum Jungfrau-Gipfel. 5 Unkompliziert: Beim Bergsteigen übernachtet Brabeck auch mal im Massenlager (hier 2005 in der Mönchsjochhütte). 6 Am World Economic Forum setzt sich der «Wasser-Mann» für Nachhaltigkeitsthemen ein.

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Die Adelsfamilie Brabeck http://de.wikipedia.org/wiki/Brabeck Bergsteigen http://alpinisten.info

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GRUEN INTERVIEW

rund 0,0009 Prozent vom weltweiten Frischwasserverbrauch aus. Wenn man uns den Verkauf verbieten würde, wäre das Wasserproblem dieser Welt nicht gelöst. Zweitens ist es doch in einer Zeit der Fettleibigkeit absurd, dass das Geschäft mit Wasser kritisiert wird, aber sobald ich Zucker und Farbstoff dazugebe und Limonade verkaufe, wieder alles in Ordnung ist. Drittens wird Wasser in diesen Ländern ja sowieso verkauft, egal ob sauber oder dreckig – also kauft man es, wenn schon, dann doch lieber 100 Prozent sauber bei uns. Und zu guter Letzt kann ich Ihnen sagen, dass wir mit dem Verkauf von Flaschenwasser in Schwellenländern nicht das grosse Geld machen. Wie sparen Sie eigentlich selbst Wasser? Ich habe heute einfach ein anderes Verhältnis dazu. Ich rasiere mich beispielsweise nass, aber heute stelle ich den Wasserhahn zwischendurch ab. Ich habe ein Haus in Spanien, und dessen Pool wird heute mit Salzwasser gefüllt – das sind Kleinigkeiten, aber immerhin. Man muss klar sehen, dass 70 Prozent des Wassers in der Landwirtschaft verbraucht wird. Da gibt es Lösungen, die breit angegangen werden müssen.

„Ich glaube, ich komme jetzt wirklich langsam in ein Alter, wo die Berge zu hoch werden für mich.“ Zum Beispiel? Die ETH hat nachgewiesen, dass Pflanzen 2,5 Mal mehr Wasser bekommen, als sie wirklich brauchen. Das bedeutet, dass wir einfach effizientere Bewässerungsanlagen einsetzen müssten. Das Problem ist: Wer macht solche Investitionen, wenn er keinen ökonomischen Nutzen hat? Wasser ist ja kostenlos. Sie kritisieren immer wieder, dass Wasser keinen Wert hat. Brauchte es da mehr Regulierungen? Die Schweiz ist in dieser Hinsicht ja vorbildlich: Wir zahlen einen bis fünf Franken pro Kubikmeter und gehen deshalb relativ verantwortungsvoll mit Wasser um. Was aber vielen Schweizern nicht bewusst ist: Über 80 Prozent unseres «unsichtbaren» Wasserkonsums kommt aus dem Ausland, wird in Form von Agrarprodukten importiert.

Sie selbst sind sehr naturverbunden. Geben Sie diese Begeisterung Ihrer Enkelin weiter, die in Ihrer Nähe wohnt? Oh ja! Sie ist drei und kann bereits Ski fahren. Wir gehen auch oft in den Wald. Wer recycelt im Hause Brabeck? Wir recyceln Glas, Papier, NespressoKapseln … Ja, aber wer machts? Das macht unsere Haushälterin. Sie sind allerdings auch Motorradfahrer, Gletscherpilot und Vielflieger – Ihre CO²-Bilanz dürfte miserabel sein. Ich bin aber auch Radfahrer und Bergsteiger (lacht). Nein, schon klar, ich bin Ihrer Meinung. Aber der CO²-Aspekt ist ja nur eine Komponente der Umweltnachhaltigkeit – mit CO² können wir noch lange leben, ohne Wasser nicht. Man muss sowieso immer im Kopf behalten,


«Unsere Gewässer schrumpfen», sagt Brabeck vor seinem Büro am Genfersee. Wassermangel sei kein Problem von morgen – sondern von heute.

dass Nachhaltigkeit mehrere Standbeine hat: die Umweltnachhaltigkeit, die soziale und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Im Bereich Umwelt haben wir in den letzten Jahren am meisten gemacht, auf der sozialen und wirtschaftlichen Ebene sollten wir mehr machen. Müssten da nicht auch die Unternehmen mehr in die Verantwortung genommen werden – zum Beispiel vom Staat? Ich glaube, wir brauchen heute weniger Regulierungen, aber mehr Prinzipien. Wir bei Nestlé haben früh das Prinzip der Nachhaltigkeit verteidigt – als sich in den Neunzigerjahren alles um den Shareholder-Value drehte, haben wir uns dem bewusst entzogen, verzichteten beispielsweise darauf, vierteljährlich Zahlen bekannt zu geben, weil wir uns nicht zur Kurzfristigkeit treiben lassen wollten. Deswegen bin ich übrigens auch gegen die einjährige Wahl von Verwaltungsräten. Sie selbst sind sehr langfristig engagiert bei Nestlé. Gabs nie Ermüdungserscheinungen? Nein. Ich verbringe jede freie Minute draussen in der Natur, das bringt diese Ausgeglichenheit, die für mich wichtig ist. Übrigens arbeiten unsere Mitarbeiter bei ihrer Pensionierung im Durchschnitt 27 Jahre bei Nestlé – das spricht für die

Nachhaltigkeit in unserem Personalwerden für mich. Natürlich ist das Gipfelwesen. erlebnis schön, aber mir wars schon immer wichtiger, sicher herunterzukomDiese müsste man aber auch beim men. Sie sehen: Ich verhalte mich Lohn anstreben: Bei einem Ranking zur stets nachhaltig – sogar beim Bergsteigen Differenz von Mindest- und Höchstlohn (lacht). im Konzern lag Nestlé kürzlich auf dem unrühmlichen dritten Platz. Gibt es nicht auch eine gesellschaftliche Verantwortung, die besagt, dass Führungskräfte nicht Wie grün kocht Peter Brabeck? zu viel verdienen sollten? Einkaufen 9 Letztlich geht es um Verhältnismässigkeit. Wenn Kartoffeln kochen 8 jemand zu mir kommt und Backofen 6 mir vorwirft, ich würde ein Kochgeräte 6 Vielfaches eines MindestFleischkonsum 9 gehalts verdienen, dann antKochresten 12 worte ich: «Und Sie verdienen 137 Mal so viel wie Abwaschen 8 jemand in einem SchwellenTotal Punkte land – und sagen ja auch nicht, dass Sie weniger ver58 Punkte = Exquisit! Peter Brabeck ist nicht nur ein passiodienen sollen.» nierter, sondern auch ein ökobewusster Koch. Er gibt aber auch Gibt es eigentlich noch zu, dass beim Einkaufen Nähe und Bequemlichkeit irgendein Ziel, irgendeinen ebenso wichtig sind wie Bio- und Fairtrade-Labels. Gipfel, den Sie unbedingt Der GRUEN-Footprint wurde vom WWF Schweiz für erreichen möchten? SI GRUEN entwickelt. Der Test soll für den Alltag sensibilisieren und Spass machen. Ich glaube, ich komme jetzt Berechnen Sie Ihren eigenen Footprint auf den Seiten 16 und 17. wirklich langsam in ein Alter, wo die Berge zu hoch

DER GRUEN-FOOTPRINT

Peter Brabecks Heimatort www.kaernten.at Peter Brabecks Wohnort www.verbier.ch CO²-Bilanz www.wwf.ch/footprint

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gruen reisen

schweden

Im Rhythmus d Das Volk der Samen züchtet in der Provinz Dalarna Rentiere. Ihre Vorfahren folgten als Nomaden den Tieren. Heute sind die Familien sesshaft. Doch ihre alten Traditionen überleben.

Text: Barbara Halter / Fotos: Anne Gabriel-Jürgens

Im Sommer ziehen sich die Rentiere in die Berge zurück, dort ist es kühler.

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der Rentiere

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GRUEN REISEN

Eine Frage kriegt man von einem Samen nie beantwortet – jene nach der Zahl seiner Rentiere. «Es bringt Unglück, wenn ich sage, wie viele Tiere ich besitze», sagt Mattias Jonsson. Seine Cousine Erika lächelt auf die Frage nur verschmitzt. Was man wissen darf: Im Sommer, wenn die Kühe ihre Kälber haben, bewegen sich rund 4000 Tiere auf ihrem Gebiet in den Bergen nahe der norwegischen Grenze. Mattias, 23, und die ein Jahr jüngere Erika gehören zur jüngsten Generation der Jonssons: eine Samen-Familie, die in Idre Rentierzucht betreibt. Momentan ist das knapp 500 Einwohner grosse Nest im Norden der schwedischen Provinz Dalarna von Campern bevölkert, die zum Fischen, Wandern oder Golfspielen haltmachen. Hier reiht sich See an See, Wald an Wald. Ein Traum für Naturund Ruhesuchende. Doch eher ein Albtraum für junge Leute. Entsprechend gelangweilt füllen die jungen Männer des Orts die endlos langen Abende mit Autofahren aus. Brausen zu viert oder alleine in ihren aufgemotzten Wagen das Dorf auf und ab. Mattias grinst über diese Beobachtung. Natürlich kenne er diese Typen, kennen tue man hier sowieso jeden. Und nein, ihm sei es hier, weit weg von

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jeder Stadt, nie langweilig. «Ich habe schon früh begonnen, mit den Rentieren zu arbeiten.» Zum sechsten Geburtstag bekam er von seinem Vater sein erstes Tier geschenkt. Ein weisses Männchen, das er Parak taufte.

Leben von dem, was das Rentier hergibt, und auf Bärenjagd gehen Traditionellerweise folgte das Volk der Samen dem Ren auf seinen Wanderungen von einem Futterplatz zum nächsten. Sie wohnten in Zelten und Jurten, lebten von dem, was das Rentier hergab. Samen gibt es in Russland, Finnland, Norwegen und Schweden. Die Jonssons stammen ursprünglich aus Lappland und sind erst 1985 nach Idre gekommen. Damals gab es niemanden mehr, der dort Rentierzucht betrieb, und die Regierung wollte diese wieder beleben. «Der Start war für meine Familie schwierig. Niemand hat mit ihnen gesprochen», erzählt Mattias. Die Vorurteile haben sich gelegt. Diskriminierungen gegenüber den Samen waren lange Zeit in allen skandinavischen Ländern verbreitet. Beispielsweise war es verboten, die samische Sprache zu sprechen. Der Grossvater von Mattias und Erika hat dies noch erlebt. Inzwischen hat sich die Regierung bei den Samen offiziell entschuldigt. Doch was viel wichti-

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„Im Umgang mit den Rentieren brauchen wir samische Wörter. Das geht schneller als Schwedisch.“ Erika Jonsson

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Das Samen-Zentrum in Idre www.idresamecentrum.se Der Ort www.visitidre.se Slow Food www.slowfood.ch

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1 Erika Jonsson im selbst genähten, traditionellen Gewand der Samen. Es wird an Festen getragen. 2 Das Gästehaus in Idre ist der Ausgangspunkt während der Woche bei den Samen. 3 Dieses weisse Moos fressen die Rentiere. Noch lieber mögen sie Pilze. 4 Rentierfleisch als Wurst und geräuchert. 5 Unterwegs im Wald rund um Idre. In diesem Gebiet sind die Rentiere im Winter.

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GRUEN REISEN

ger ist: Die Enkel pflegen neben dem Schwedischen auch das Samische. Erika studiert die Sprache, die ein bisschen wie Finnisch tönt und auch zu dieser Sprachfamilie gehört. Besonders im Umgang mit den Rentieren werden samische Wörter verwendet. «Das geht schneller.»

Das Schneemobil und das vierrädrige Motorrad erleichtern die Arbeit Während der 86-jährige Grossvater früher zu Fuss den Rentieren hinterherrannte, sitzt Mattias heute im Winter auf dem Schneemobil und im Sommer auf dem vierrädrigen Motorrad. Wenn alle Rentiere zusammengetrieben werden, kommt ein Helikopter zu Hilfe. Per Funk werden die Helfer am Boden dirigiert. Das jährliche Kälbermarkieren Anfang Juli ist mehr als blosse Arbeit. Erika und ihre Geschwister haben als Kinder jeweils geweint, wenn es vorbei war, weil sie nun wieder ein ganzes Jahr auf diesen Anlass warten mussten. «Ich bin auch heute noch traurig, wenn es zu Ende ist», sagt sie. Für mindestens eine Woche zieht die ganze Sippe in die Berge nach Grötvallsjön, wo die Rentiere im Mai gekalbt haben. Mattias’ Vater hat dort eine gemütliche Blockhütte gebaut. Der kleine See unterhalb ist voller Saiblinge und Forellen. «Das ist für mich der schönste Platz auf Erden», sagt Mattias. Kein Handyempfang, kein Facebook – auch dies gehört zum heutigen Samen-Alltag. Hinter der Hütte erstreckt sich ein grosser Pferch, in den die Rentiere zum Markieren getrieben werden. Gearbeitet wird nachts, weil es dann kühler ist. Mit einem Lasso stehen Mattias und Erika inmitten der Rentiere und fangen so ihre Kälber ein. Jeder Besitzer hat eine eigene Zeichnung, die er an den Ohren seiner Jungtiere mit einem Messer einschneidet. Danach werden die Tiere wieder freigelas-

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1 Lasso, Feldstecher und ein Messer – ohne diese drei Dinge geht Mattias nicht raus. 2 Früher haben die Samen in grasüberwachsenen Zelten gewohnt. 3 Mattias und sein Cousin Andreas fischen in Grötvallsjön. Mit dabei: die Border-Collies Wilma und Tindra.

sen. Während der Arbeit im Pferch findet der Grossvater immer wieder Zeit, seine Enkel den richtigen Umgang mit den Tieren zu lehren. «Dafür schätze ich ihn sehr. Wir leben in einer geschäftigen Zeit – doch es geht eben nicht nur ums Geld», sagt Mattias. Zuallererst steht der Respekt vor dem Ren: Auch wenn einen ein Tier tritt oder es wiederholt den falschen Weg nimmt – ein Same bleibt geduldig und schreit nicht. Respektlos ist es auch, sich mehr Tiere zu wünschen. «Das hiesse, dass ich meine eigenen nicht schätzen würde.» In den Bergen braucht es ein gutes Auge, um die Rentiere zu entdecken. Meist ziehen sie in Gruppen umher, mal nur zu

Rentierfleisch in der Schweiz kaufen www.coop.ch Mehr über die Samen www.eng.samer.se www.saamicouncil.net www.samer.se/


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dritt, dann hundert Tiere zusammen. Sie sind zwar wild, suchen aber gleichzeitig die Nähe zum Menschen, der sie manchmal füttert und vor Braunbär, Luchs, Vielfrass und Wolf beschützt. Nach einer Nacht in Grötvallsjön lassen sich die Rentiere frühmorgens aus nächster Nähe beobachten. Sie trippeln über die Veranda. Ein kleines dunkelbraunes Kalb blökt nach seiner Mutter. Um ihre Jungtiere verteidigen zu können, tragen bei den Rentieren auch die Weibchen Hörner. Kommt man der Gruppe zu nahe, heben sie ruckartig den Kopf, stellen das helle Stummelschwänzchen auf und laufen in federndem Gang davon. Einzelne Tiere stechen durch ihre Eigenheiten heraus:

das träge Männchen, das immer als Letzter dahergetrottet kommt. Oder die wilde Rentierkuh, die einem samischen Mädchen gehört und sich einfach nicht einfangen lässt. Allen gemein ist ihr Instinkt, der sie jedes Jahr entlang derselben Route führt. Die Samen-Familien besitzen kein eigenes Weideland. Sie dürfen es bloss benützen. Dazu kommen spezielle Rechte, wie auf die Unterkünfte in den Bergen oder das Fischen mit dem Netz. Vollständig im Besitz der Samen ist hingegen die Metzgerei, «das Herz der Gemeinschaft», wie Mattias stolz sagt. Von November bis Februar werden alle Rentiere gezählt, und man beschliesst, welche geschlachtet

werden. Dann ist auch Erika dabei. Ihr Platz in der Metzgerei ist jeweils bei der Waage. Die Arbeit sieht sie ganz pragmatisch: «So ist das Leben – wir können nicht mit unseren Rentieren leben, wenn wir sie nicht schlachten.» Letzten Winter waren es 1800 Tiere. Ihr mageres Fleisch wird eingefroren, getrocknet, ge-

räuchert oder zu Wurst verarbeitet. Abnehmer davon gibt es auch in der Schweiz. Mattias liefert das getrocknete Rentierfleisch unter dem Label Slow Food. Es schmeckt wild und natürlich nach den Kräutern, dem weissen Moos und den Pilzen, die die Rentiere auf den weitläufigen Weiden finden.

ReiSe zu den RentieRen Auf der sechstägigen Ananea-Rundreise von Kuoni erlebt man den Alltag der Rentierzüchter in dalarna ganz nah. es werden Ausflüge zu den Orten unternommen, die im Jahr der Samen eine wichtige Rolle spielen. Man begegnet den Rentieren in ihrer natürlichen umgebung. die Reise wird ab zwei Personen durchgeführt und ist auch im Winter möglich. infos: www.kuoni.ch

servlet/GetDoc?meta_id=2138 Rentierzucht www.paliskunnat.fi Schweden www.sweden.se www.si.se/Deutsch www.dalarna.se

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Sie lassen Wein und Honig fliessen

Weltberühmter Sänger und gut vernetzte Schauspielerin, ja. Aber Sting und Trudie Styler sind auch Umweltaktivisten, Regenwaldschützer und Bio-Bauern.

Text: Sylvie Kempa Eigentlich wollten sie gerade abreisen. Musiker Sting und seine Frau Trudie Styler hatten ein paar schöne Ferientage in der Toskana verbracht, die Koffer waren gepackt, der Chauffeur für die Fahrt zum Flughafen bestellt. Da hörten sie von einem Landgut, eine Dreiviertelstunde südöstlich von Florenz, das zum Verkauf ausgeschrieben stand. Genau das, wonach sie suchten. Sting, Sohn eines Milchmanns aus der englischen Grafschaft Tyne and Wear, legt das Vermögen, das er als einer der bekanntesten Musiker des 20. Jahrhunderts erwirtschaftet hat, konservativ an. «Wie die meisten Leute aus der Arbeiterklasse, die zu

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Geld kommen, misstraue ich Aktien, Anleihen, Fonds und all diesen Anlagen, die die Finanzindustrie anbietet.» Er investiert lieber in etwas, das er anfassen kann – Immobilien. Keine Investoren-Objekte, sondern Häuser, in denen er mit seiner Familie lebt: ein Apartment in New York, ein Stadthaus in London, ein Landsitz in Wiltshire, auf dem es spuken soll, ein Strandhaus in Malibu und eine Villa in der Dominikanischen Republik. Als Sting und Trudie vor 13 Jahren zufällig vom Anwesen in der Toskana hören, fahren sie in das Städtchen Figline Valdarno, wo das Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert steht, umgeben von 370 Hektar Wald, Wiesen und Wasser. Und schlagen sofort zu. Aus diesem Zufall ist eine Lebensaufgabe geworden. Das Ehepaar bewirtschaftet «Il Palagio», wie es seit jeher genutzt wurde. Sie bauen Wein und Oliven an, züchten Tiere und produzieren eigenen Käse, Salami und «Tausend Blüten»-Honig. Mit einem Unterschied zu früher: Unter Trudie und Sting ist alles bio. Sie bewirtschaften

die Erde nach den biodynamischen Regeln Rudolf Steiners. «Zehn Jahre lang haben wir den Mutterboden gereinigt und Kuhhörner vergraben. Und bei der Bewirtschaftung orientieren wir uns an den Mondphasen. Klingt wie Voodoo, funktioniert aber.»

Im Hofladen von Sting in der Toskana können Feriengäste Öl, Honig und Wein einkaufen Der Beweis: Stings erster Bio-Wein heisst «Sister Moon» (ja, er ist nach dem Song benannt) und wird zu 40 Prozent aus Sangiovese, verschnitten mit je 30 Prozent Merlot und Cabernet, gewonnen. Der «Wine Spectator» zeichnet ihn mit 96 von 100 möglichen Punkten aus. «Das ist, als hättest du im Zeugnis nur Einser», so Sting. Die Produkte von «Il Palagio» waren lange nur in exquisiten Geschäften in den USA und England zu erwerben. Nun hat das Paar einen Hofladen eröffnet, in dem Urlau-

Das liegt Trudie und Sting am Herzen www.rainforestfoundation.org www.amnesty.ch www.liveearth.org

Foto: Jamie Travezan

gruen porträt

trudie styler & sting


Biodynamisch: Sting und Trudie Styler produzieren auf ihrer toskanischen Farm «Il Palagio» Bio-Spezialitäten.

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gruen porträt

Mit dem Velo: ihr Landgut in der Toskana ist so gross, dass Sting und Trudie dort fahrradtouren unternehmen können. Als das Paar vor 13 Jahren «il Palagio» kaufte, war es am Verwittern. Sie liessen es originalgetreu restaurieren.

STifTung Von TruDie & STing Das Herzstück ihres Engagements für Umweltschutz und Menschenrechte ist die Rainforest Foundation, die Sting und Trudie Styler 1987 gründeten. In mehr als 20 Ländern setzt sich die Stiftung für den Erhalt von Waldbeständen und den Schutz von indigenen Völkern ein. Eingeborene werden so geschult, dass sie sich juristisch und politisch gegen Ausbeutung wehren können. gemeinsam auf der Bühne: Sting und Trudie an der Charity-gala für ihre foundation.

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Fahrrädern durch die Landschaft und gibt Partys für die Dorfbewohner. Sting verbringt auch viel Zeit in der zum Tonstudio umfunktionierten Scheune. Und Trudie lädt zum Yoga-Kurs inmitten von Weinreben und biologischen Olivenbäumen. Abends setzt sich das Ehepaar Sumner, so Stings Geburtsname, auf die steinerne Eingangstreppe vor dem Haus. «Wie kleine Kinder», sagt Trudie. Zwar sind Tür und Treppe etwas pompöser, als die beiden das von ihrer Kindheit her gewohnt sind. «Aber innerlich sind wir noch dieselben.» Natürlich; sie sind geschätzte 250 Millionen Franken reich, weltberühmt, jetten über den halben Planeten, haben einen persönlichen Koch, der sie überall hin begleitet, Butlers in Frack, die ihnen Tee servieren. Doch sie haben ihre Wurzeln nicht vergessen. Beide wuchsen in bescheidenen Verhältnissen auf. Sting arbeitete vor dem Durchbruch als Frontmann der Kult-Band The Police als Lehrer. Und Trudie wurde in einer Sozialsiedlung gross, bevor sie sich ihr Brot mühevoll als Schauspielerin verdiente. «Die Miete zu zahlen, war oft schwierig.» Doch Trudies Mutter hatte ihre

Kinder gelehrt, für alles, was sie im Leben erreichen, etwas zurückzugeben. «Als ich Sting und diesen komfortablen Lifestyle kennenlernte, wusste ich, dass es Zeit war, meinen Beitrag zu leisten.»

Viel Geld und Zeit wird für humanitäre Projekte und Umweltschutz investiert Sting und Trudie haben sich nicht nur der ökologischen Landwirtschaft verschrieben, sondern investieren auch viel Zeit und Geld in humanitäre Projekte und Umweltschutz. Er war Anti-Atomenergie-Aktivist. Sie engagierte Gegnerin der Ölindustrie. Seit den späten Achtzigerjahren widmen sich beide intensiv der Unterstützung von Amnesty International. Und gründeten gemeinsam mit dem Häuptling der Kayapó-Indianer aus Brasilien die Waldschutzstiftung Rainforest Foundation. Und wenn das kreative Paar abends mal wieder Zeit findet, gemütlich auf den Treppenstufen zu sitzen, denkt es sich schon die nächste Umweltschutzaktion aus. Die neuste Idee: Taschen aus recyceltem Elefantenmist.

„Als ich Sting und diesen komfortablen Lifestyle kennenlernte,wusste ich, dass es an der Zeit war, etwas zurückzugeben.“ Trudie Styler

Die Bio-Produkte online bestellen www.palagioproducts.com Trudies Yoga-Übungen auf DVD www.yoga-artikel.ch

Fotos: InterTopics, Dukas, Laif

ber und Dorfbewohner die Spezialitäten kaufen können. Dazu gibt es einen OnlineShop, sodass man die Produkte neuerdings auch in der Schweiz bestellen kann. Bewirtschaftung und Vertrieb der Produkte werden von Angestellten erledigt. Das Ehepaar selbst verbringt nur die Sommermonate auf dem Anwesen. Meist sind auch einige der sechs Kinder aus Stings zwei Ehen mit dabei. Dann fährt die Familie mit



DIE GRUENE LISTE

TOP 30

Die Natur war schon immer Vorbild der Kunst. Ihre perfekten Formen inspirieren, ihre Bedrohung durch den Menschen beunruhigt. Was Performer daraus machen, zeigen die 30 ZEIT-

GENÖSSISCHEN KÜNSTLERINNEN UND KÜNSTLER mit ihren Fotografien, Malereien

und Installationen.

Text: Edith Arnold

Vielschichtigkeit überrascht: Wie eine Blume zieht eine Vulva vorbei. Ein Anus bewegt sich, als wäre er ein Mund. Erdbeeren erscheinen rot und gross wie in Kinderfantasien. Der mit Musik durchpulste Bilderrausch verschiebt die Wahrnehmung: Was soll im Alltag gezoomt, was minimiert werden? Eine Wäscheleine mit Unterhosen im Park des Kunstmuseums St. Gallen führt derzeit zur ersten Retrospektive in der Schweiz.

Engagement: Nehmen wir Pipilotti beim Wort: «Ich finde es ein Geschenk, in diese Epoche geboren zu sein. Was ich schon an technischen Entwicklungen miterleben durfte – ich finde es optimal, jetzt. Klar hat diese Welt ihre dunklen Seiten. Wir sind im Begriff, sie zu zerstören. Aber ich glaube an die Veränderbarkeit der Menschen.» GRUEN-FAKTOR

Foto: Fabian Biasio

Pipilotti Rist, 50

48

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Die Schöpferin: Vom Himalaja über den Tulpenkelch bis zur menschlichen Zelle: Zur Natur gehört alles, was die Erde im Lauf ihrer Zeit hervorbringt. Und wer in den digitalen Kosmos der Schweizer Videokünstlerin Pipilotti Rist gelangt, wird von der

Na-ja-Faktor: Nach der bunten PipilottiWelt erscheint der Alltag sehr, sehr nüchtern. GRUEN-Faktor: Ihr einjähriges Sabbatical verbringt Pipilotti Rist momentan in einem Bauernhaus in England, 60 Kilometer von Bristol entfernt. Im Gewächshaus will sie stricken und schreinern.

Das Rating: 10: Beeindruckend auf alle Art(en), da steckt viel Persönlichkeit dahinter 9: Tolle Performance 8: Natur als Stilelement


Ai Weiwei, 54

10

Der Übermächtige: Nach einjährigem Hausarrest wegen angeblicher Steuerhinterziehung darf er sich seit dem 22. Juni frei in China bewegen. Doch die Augen des Staates lauern bereits beim Atelier in Peking. Dort bereite er eine Ausstellung fürs HirshhornMuseum in Washington vor, sagt seine Galerie Urs Meile in Luzern. An deren Stand an der Art Basel Miami Beach 2011 ist Ai Weiweis «Tree # 11» für 460 000 Dollar nach NewYork verkauft worden. Ein zusammengeschraubter Baum aus gefundenen Strünken: Anscheinend gibt es Sammler, die sich neben Kunst und Politik auch für Natur interessieren. Beim Werk «Bowls of Pearls» symbolisiert eine halbe Tonne Frischwasserperlen in Porzellanschalen: Jedem Chinesen steht eine Schale Reis zu.

aus Eisenholz von Tempeln der Qing-Dynastie. Davon hat er dünne Schichten nach altem Kunsthandwerk ohne Leim vertikal schichten lassen. In dieser Form würde das Reich der Mitte in eine Kiste von 51 mal 200 mal 200 Zentimeter passen. Wiederholt beschäftigt sich Ai Weiwei in seinem Werk mit den starken Veränderungen in China. Am 6. November 2010 äusserte er sich lautstark: «Die Regierung, das gesamte System, opfert Bildung, Umweltressourcen und die Interessen der Menschen, nur damit einige wenige Menschen mit Verbindung zur Regierung extrem reich werden können.»

Engagement: Neben Porzellan ist Holz ein wichtiges Arbeitsmaterial von Bildhauer, Konzeptkünstler und Kurator Ai Weiwei. Dieses bringt er in aufgeladene Formen. «Map of China» besteht

GRUEN-Faktor: Um die Diskussion um seine Person umzulenken: Warum nicht Greenpeace einen zusammengeschraubten Baum aus der «Tree»-Serie schenken?

Na-ja-Faktor: China ist das Synonym für Massen. Auch Ai Weiwei lässt tonnenweise Werkserien zu Ausstellungen transportieren. Für das Haus der Kunst in München sind es mitunter 100 Baumwurzelteile (Bild).

7: Spannend, aber wo bleibt der Zeitbezug? 6: Natur als schöner Schein 5: Natur verkauft sich gut

Foto: Jörg Koch / AFP / Getty Images

GRUEN-FAKTOR

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DIE GRUENE LISTE

Dinosaurier dar. Die elf Meter hohe Stahlkonstruktion ist mit Folie und Erde überzogen. Am liebsten hätte es Koons gehabt, wenn zur Eröffnung alle Blumen in all ihren Farben geblüht hätten, erinnert sich Fritz Braun, Leiter der Gemeindegärtnerei. Doch dann hat er darüber hinweggelächelt. Schliesslich dauert seine Ausstellung «Jeff Koons» einige Blütensaisons lang bis zum 2. September.

Engagement: Der amerikanische Kunststar ist von grosszügiger Natur. Seine überdimensionalen Tulpen aus glänzendem Edelstahl sind Geschenk und Aufforderung für alle, die sie zu Gesicht bekommen. «Du schaust die Tulpen an, und sie reflektieren dich. Dann erst werden sie zum Kunstwerk», pflegt Koons zu sagen. Nebst der glänzenden «Celebration»-Serie sind in der Retrospektive auch Exponate von «The New» und «Banality» zu sehen. GRUEN-FAKTOR

Jeff Koons, 57

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Der Glänzende: 65 000 Pflanzen von 12 Arten in 35 Farben lässt er allein für den «Split-Rocker» im Park der Fondation Beyeler in Riehen setzen (im Bild derjenige der Ausstellung in den Gärten von Versailles). Die Figur stellt eine Kreuzung aus Pony und

Na-ja-Faktor: Jeff Koons gilt als teuerster lebender Künstler. Der Pomp seiner Werke ist Puristen ein Graus. Seine Kunst wird oft als Kitsch bezeichnet. GRUEN-Faktor: Mit seinen überdimensionalen Blumen rückt er ihre Schönheit für eine Edelstahlewigkeit ins Licht.

Fotos: Raphael Gaillarde / Gamma-Rapho / Getty Images, Alessandro della Valle / Keystone

Frühling auf 3 mal 5 Meter grosse Leinwände wachsen lassen. «Wichtig ist, dass man nicht den Schöpfer spielt», sagt der Künstler. «Die Natur lässt sich nicht eins zu eins wiedergeben.» Dafür bietet sich die Möglichkeit, sie noch wirklicher als die Wirklichkeit abzubilden. Nämlich durch die eigene Wahrnehmung. Mit Distanz wirken die Werke hyperrealistisch.

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GRUEN-FAKTOR

Franz Gertsch, 82

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Der Hyperrealist: Vier Jahre hat der Berner Maler an den vier «Jahreszeiten»Gemälden gearbeitet. Seinen Meditationsweg in Rüschegg fotografiert, alle Bilder selektioniert, dann das «unspektakuläre» Waldstück als Sommer, Herbst, Winter und

Engagement: Als Kind ist Franz Gertsch von den Eltern zur Natur geführt worden. In der Zeit als «Stadtmensch» bewegt er sich in der bunten Szene um Luciano Castelli und Patti Smith. Es entstehen fotorealistische Riesenporträts. Später zieht Gertsch wieder aufs Land. «Die Natur hat mich so lange umzingelt, bis ich ihr nicht mehr ausgewichen bin.» Für das Bundesratsfoto 2012 hat Eveline Widmer-Schlumpf als Hintergrund den «Frühling» von Franz Gertsch gewählt. Das Gemälde soll auch in der Politik Aufbruch symbolisieren. Na-ja-Faktor: Der Tiefe und Faszination der «Jahreszeiten» lässt sich nichts entgegnen. GRUEN-Faktor: Den Schutz der Natur findet Gertsch ein Hauptthema unserer Zeit: «Es ist unverständlich, wie jeden Tag riesige Urwaldflächen mit Pflanzen und Tieren verschwinden.»

Das Rating: 10: Beeindruckend auf alle Art(en), da steckt viel Persönlichkeit dahinter 9: Tolle Performance 8: Natur als Stilelement


Goshka Macuga, 45

Natsuyuki Nakanishi, 77

Die Aktivistin: Der Wandteppich «Lost Forty» der polnischen Künstlerin ist eine Collage und bezieht sich auf ein 40 Hektar grosses Waldstück in Minnesota, das nur wegen eines Vermessungsfehlers 1882 den Holzfällern entging. Ein Symbol für bedrohte Wälder.

Der Meditative: Bei «Touching Down on Land and Touching Down on Water» tanzen helle Blüten auf lichten Leinwänden. Der Japaner gilt als Meister der organischen Inszenierung. Er sieht die Welt in einer Art Höhle: «Das einfallende Licht zeigt nur einen Teil der Wirklichkeit.»

7

Jeremy Deller, 46

GRUEN-FAKTOR

9

Der Überflieger: 2003 reist der britische Künstler durch Texas. Sein Film «Memory Bucket» zeigt Bush-Anhänger neben Millionen von Fledermäusen. Wie sie einer Höhle entschwärmen, lässt die Politik verblassen. 2013 ist er an der Biennale in Venedig.

GRUEN-FAKTOR

GRUEN-FAKTOR

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10

Die Wandgärtner: Ein bepflanztes Gemälde fürs Büro oder die eigene Wohnung – bindet Feinstaub, dämpft den Schall und ist gleichzeitig ein Designobjekt. Das Kapillarsystem von Verticalis wurde mit der ZHAW Wädenswil entwickelt und ist äusserst pflegeleicht.

Thukral & Tagra, 36/33

David Nash, 66

GRUEN-FAKTOR

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Verticalis

Maya Lin, 52 Die Transformatorin: Das «Wave Field» der amerikanischen Architektin bei der University of Michigan lockt als Spielwiese. Mit der Sonne wandern die Schatten der 50 Hügel. Das Werk aus Gras und Erde erinnert an einen Piloten, der in Mali in eine Sanddüne abgestürzt ist.

GRUEN-FAKTOR

Der Waldarbeiter: Sein Werkstoff ist Holz. Und diesem begegnet der Brite mit Demut, selbst wenn er die Skulpturen verkohlt. «Black Dome» besteht aus Eichenkörpern. Wie Menschen stehen die Holzleichen da. Sie stammen aus dem nordwestenglischen Grizedale-Nationalpark.

10

Die Schwerelosen: Neben Sträuchern und Lotusblumen beflügelt das indische Künstlerduo die Fantasien. Die Bilder, hier «Dominus Aeris – Escape», entstehen im aufstrebenden Süden Neu-Delhis. An der Art Basel finden sie reissenden Absatz. Für gutes Karma sorgt ihre Aidsstiftung.

GRUEN-FAKTOR

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Bharti Kher, 43

GRUEN-FAKTOR

7: Spannend, aber wo bleibt der Zeitbezug? 6: Natur als schöner Schein 5: Natur verkauft sich gut

8

Die Verwunderliche: Am «Waq Tree» hängen 2500 hautfarbene Köpfe. Man wisse nicht, ob sie lustig oder makaber seien, kommentiert Kher, die eine der bekanntesten zeitgenössischen Künstlerinnen Indiens ist. Inspiration dieses Werks ist der sprechende Baum aus dem Islam.

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Fotos: Galerie Kreps / Courtesy Art Basel, Galerie Scai / Art Basel, Concept; Paris, Hydroplant AG, HO (2), Annely Juda Fine Art – London / Courtesy Art Basel; © 2012, Prolitteris, Zürich; Galerie Hauser & Wirth / Courtesy Art Basel

GRUEN-FAKTOR


DIE GRUENE LISTE

Julia Rosa Clark, 36

GRUEN-FAKTOR

10

Die Vernetzende: Aus Fundobjekten zaubert die Künstlerin aus Kapstadt Collagen. Bei der VoltaShow in Basel fällt sie durch «Encounter» auf. Begeistert hat die Ausstellung «Paradise Apparatus». Sie glaubt nicht an Paradiese, doch sie konstruiert gern magische Fluchtorte.

Jeff Wall, 65

8

GRUEN-FAKTOR

Christian Achenbach, 34

Fotos: Whatiftheworld Gallery – Kapstadt, HO (2), Markus Stücklin / Keystone, LARMgalleri – Kopenhagen, Galerie Elisabeth & Klaus Thoman; Innsbruck – Wien; © 2012, Prolitteris, Zürich; Raqib Shaw

Christo, 77

GRUEN-FAKTOR

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Die Fokussierten: Verhülltes weckt Aufmerksamkeit. 1998 packen Christo und Jeanne-Claude mithilfe von 55 000 Quadratmeter Polyestergewebe und 23 Kilometer Seil 178 Bäume im Park der Fondation Beyeler in Riehen ein. Die Einnahmen spendete Ernst Beyeler WWF und Greenpeace.

Franz West, 65

GRUEN-FAKTOR

10

Der Verführer: Der Österreicher beherrscht die Kunst, in die Wahrnehmung vorzudringen. In Parks legt er seine knallbunten «Leibformen» aus. Die Wurstgebilde aus Blech und Alu sollen berührt respektive bestiegen werden. Bei «Flatus» dürfte dies nur in der Fantasie gelingen.

Giuseppe Penone, 65

GRUEN-FAKTOR

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10

Das Edelholz: Die Documenta Kassel positioniert sich derzeit zwischen Kunst und Natur. Im Park steht Giuseppe Penones Bronzebaum mit Stein in der Krone. Daneben hat der Italiener einen echten gepflanzt. Die meisten seiner Werke bestehen aus Naturmaterialien.

Der Inszenierer: Seine Kulissen sind Innenund Aussenräume des Alltags. In diese pflanzt der kanadische Fotograf die Darsteller oder deren Spuren. Besonders eindrücklich wirken die Szenerien in der Natur. Denn diese zeigt er, wie sie ist: von der Zivilisation geprägt.

GRUEN-FAKTOR

7

Der Wilde: Blühen und Verwelken gehören zum Kreislauf der Natur. Die «Vanitas» oder «Nature Morte» hält der in Berlin lebende Künstler in einem Farbenrausch fest. Ein bemerkenswertes Gemälde von einem, der auch DJ sein könnte. Es hing an der Volta-Show in Basel.

Walter de Maria, 76

GRUEN-FAKTOR

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Der Magier: Wohl nirgendwo auf der Welt blitzt es so häufig wie auf seinem Wüstenfeld in New Mexico. Dort hat der New Yorker auf einem Quadratkilometer 400 Stangen aufgestellt, welche Blitze anziehen. «Lightening Field» gilt als eines der eindrücklichsten Land-Art-Werke.

Raqib Shaw, 38

GRUEN-FAKTOR

5

Der Naturdandy: Seine «verlorenen Paradiese» hängen im White Cube in London und bei neureichen «Liebhabern des exotischen Oberflächengrusels» («Spiegel»). Der Inder lässt Fabelwesen in üppigen Gärten die Zähne fletschen. Glam-Art aus vielen Emailplättchen mit Glitzer.

Das Rating: 10: Beeindruckend auf alle Art(en), da steckt viel Persönlichkeit dahinter 9: Tolle Performance 8: Natur als Stilelement


scheint, wird er weiss lackiert. Kleine Haine mit unterschiedlichen Olivenbäumen sind an der Biennale in Venedig gezeigt worden. «Die Natur schafft die besseren Formen, als wir sie artifiziell machen können», findet Rondinone.

Engagement: Täuschend echt sind auch die Tannenbaumstämme, die er neben Kartoffellinien in einem weissen Raum installiert hat. Selbst für Kinder bleibt der Interpretationsspielraum gross. Der Künstler aus Brunnen SZ giesst Natur in Metall, um sie in ein nächstes Stadium zu überführen. Und bei aller Kunstmasse an der Kunstmesse in Basel bleiben seine Bronzevögel in Erinnerung: 59 Stück hat die Galerie Presenhuber auf dem Boden platziert. Jeder Vogel scheint von einem anderen Wesen zu sein. Alle tragen Rondinones Fingerabdrücke.

GRUEN-FAKTOR

Ugo Rondinone, 48

10

Der Naturpoet: Nur schon der wilde Baum im Hintergrund ist bis ins Detail ausgearbeitet: Im süditalienischen Matera hat Ugo Rondinone sein Original gescannt. Aus den Daten lässt er einen Aluminiumabguss machen. Damit dieser nicht zu natürlich er-

Na-ja-Faktor: Der in New York lebende Ugo Rondinone jettet viel herum: nach Matera in Süditalien, wo seine Eltern und die Olivenbäume herkommen, nach Brunnen am Vierwaldstättersee, wo er aufgewachsen ist. GRUEN-Faktor: Regelmässig und doch wie zufällig Natur in der glamourösen Kunstwelt zu platzieren, ist auch eine Art von Umweltschutz.

GRUEN-FAKTOR

Thomas Struth, 58

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Der Reporter: Man möchte sich hineinzaubern in die Paradiese des deutschen Meisters. Zum Beispiel die Fotografie «Paradise 15, Yukushima, Japan» auf einer Fläche von 181,5 mal 290,5 Zentimetern: Um die bemoosten Steine in der Mitte schlän-

Engagement: Die Natur ist die eine, die Technologie eine weitere Realität. Er interessiere sich für die Weltthemen, für Energie, Weltraum, Transport, Medizin und Gentechnik, sagt Thomas Struth. Er wolle in die Fabrik gehen und sehen, wie der Maschinenraum der Moderne aussehe. Dafür forscht er mit der Kamera beispielsweise in den Laboratorien des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Garching. Dort versucht man mit einem Superreaktor die Sonnenenergie umzuwandeln. Aufwendigste Reaktorgebilde erscheinen auf Struths Fotografien ebenso wie Urwälder von ineinander verschlungenen Kabeln im Maschinenbauch. Na-ja-Faktor: Technologie und Natur lassen sich nicht so einfach trennen. Technologie birgt Fortschritt, aber kann auch zerstören. GRUEN-Faktor: Thomas Struth ist ein Natur-Aktivist und dabei Ästhet im Grossformat.

7: Spannend, aber wo bleibt der Zeitbezug? 6: Natur als schöner Schein 5: Natur verkauft sich gut

Fotos: Roland Schlager / APA / Keystone, Rolf Vennenbernd / dpa / Keystone

geln sich Bäume in alle Richtungen. Das urwüchsige Dach wird gerade durch so viel Licht durchbrochen, dass der Ort magisch erscheint. Er hat bei Gerhard Richter Malerei studiert, bei Bernd Becher die Kunst der Fotografie. Mit bestechender Ästhetik rückt er seine Parallelserien ins Licht.

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GRUEN-FAKTOR

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Takeo Hanazawa, 35

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Die Blumengeisha: Auch wenn sie etwas von fleischfressenden Pflanzen haben, die «Flowers That Bloom Tomorrow» wirken freundlich. Mit Punkten sind die Plastiken bemalt – das Markenzeichen der japanischen Pop-Art-Künstlerin. Selber trägt sie einen knallroten Blütenkopf.

Der Popmystiker: «Natur kann ein Medium sein für eine tiefere Welt», sagt seine Galeristin. Der Japaner malt eine Landschaft nach Caspar David Friedrich und bevölkert sie mit Tieren. In den Bäumen erkennen sie Buddha. «Goldberg (Nirvana)» nennt er sein Werk.

GRUEN-FAKTOR

9

9

GRUEN-FAKTOR

Der Inspirierende: Die Natur ist das, was wir in ihr zu erkennen glauben. Als Projektionsfläche wählt der Luzerner «Maryon Park» aus Antonionis Kultfilm «Blowup». Wie er Realität, Fiktion und Ästhetik vereint, möchte man nicht aufhören, die Fantasie im Wald spazieren zu führen.

Gitte Schäfer, 40

Olafur Eliasson, 45

GRUEN-FAKTOR

8

Nils Nova, 44

Roni Horn, 56 Die Reisende: Wahlheimat der New Yorker Fotografin und Objektkünstlerin ist Island. Angezogen von den letzten Resten des Natürlichen und Unberührten, pilgert sie auf die Insel. Über Löcher in der dortigen Erde will Horn das Innere des Planeten erspüren können.

GRUEN-FAKTOR

Der Sprudelnde: Als Kunstaktivist schärft er den Blick in urbanen Räumen. In New York bringt Eliasson den East River durch Wasserfälle zum Rauschen. «Reversed Waterfall» (Bild) pumpt Wasser von unten nach oben und verstärkt das Bewusstsein für den natürlichen Lauf.

9

Die Floristin: Hinter der «Blumenmauer» an der Art Basel befinden sich Giesskannen und Frischblumen aus der Region. Mit 288 Vasen, gekauft auf Flohmärkten und bei Ebay, hat die Deutsche die Spiegelwand bestückt. Das altarmässige Stillleben muss gepflegt werden.

GRUEN-FAKTOR

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Andy Goldsworthy, 56

GRUEN-FAKTOR

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Der Bewahrer: Die Natur sei ebenso schön wie brutal. Ständig begegne man etwas Verfallendem, sagt der Brite. Aus Ästen, Steinen und Blütenblättern komponiert er Gebilde, die durch Dornen stabilisiert werden. Auch den vergänglichen Regenbogen hält er mit der Kamera fest (Bild).

Das Rating: 10: Beeindruckend 9: Tolle Performance 8: Natur als Stilelement 7: Zeitbezug? 6: Natur als schöner Schein 5: Verkauft sich gut

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Fotos: All rights reserved © Damien Hirst and Science Ltd. / © 2012, Prolitteris, Zürich; HO (4), Takeo Hanazawa / GALLERY SIDE 2, Roni Horn / Hauser & Wirth, Lullin + Ferrari – Zürich

Der Konservator: Nach Haien und Kühen fliegt der Brite auf Schmetterlinge. Zu «Blossom, Water and Butterflies» (Bild) äussert er sich: «Die Leere der Malerei ist immer eine schwierige Sache. Es gibt keine Schwerkraft.» Für «Butterfly Paintings» fängt er dann echte Fliegengewichte, um sie in Lack zu verewigen.

GRUEN-FAKTOR

DIE GRUENE LISTE

Yayoi Kusama, 83

Damien Hirst, 47


GRUEN FASHION Bomberjacke aus bedruckter Baumwolle, CLAUDIA ZUBER. Hoch geschnittene Jeansshorts, AMERICAN APPAREL. Leder-Schn端rschuhe, DR. MARTENS. Ohrringe, H & M. SinglespeedFahrrad mit Nylon-Rennreifen, Flip-Flop-Nabe mit Starrund Freilauf, MONOPONY.

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MODE

Spritztour mit Stil Der Look f端r den Ausflug vom Alltag ist nat端rlich: In leichten Baumwollstoffen und mit robusten Schuhen schwingt sich die H端bsche aufs Rad. Fotos: Sara Merz / Redaktion: Martina Russi / Hair & Make-up: Mia Bregar Model: Sarah Forveille, Woman Management


gruen fashion

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Links: Knielanges Kleid aus gepunkteter Seide, La Première. Halskette und Ohrringe, H & m. Rechts: Baumwollhemd mit aufgesetzten Taschen, NiNo BoLLag. Patchwork-Jupe, FamiLy aFFairs. Schnürschuhe, Dr. marteNs. Rucksack, Lacoste. Singlespeed-Fahrrad mit NylonRennreifen, Flip-Flop-Nabe mit Starr- und Freilauf,

moNoPoNy.


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gruen fashion


Geh채kelte Jacke, Sara VidaS. Tanktop aus BioBaumwolle, Coop NaturaliNe. Shorts mit hoher Taille, ameriCaN apparel. Halskette und Ohrringe, H & m.

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GRUEN FASHION Links: Baumwolltop mit umhäkelter Partie, IKOU TSCHÜSS. Jeansshorts, LEVI’S. Karierte Schals mit umhäkelten Kanten, ZEMZEM ATELIER. Armband, H & M. Schnürschuhe aus Leder,

DR. MARTENS.

Rechts: Durchgeknöpftes knielanges Kleid aus Baumwolle, LITTLE BLACK DRESS. Neongrüner Pullover mit Rundhals,

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Produktion: Susanne Märki Assistenz: Charlotte Fischli

AMERICAN APPAREL. Ohrringe, H & M. Schnürschuhe, DR. MARTENS.


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GRUEN FASHION

MODE FÜR ROCKSTARS

«Ich habe das Label gegründet, weil ich in den Shops keine passenden Kleider fand», sagt Liam Gallagher.

Der Bad Boy tut Gutes

Seit 2009 widmet sich der britische (Rüpel-)Rocker Liam Gallagher, 39, seiner Modelinie Pretty Green – und das ziemlich erfolgreich. Redaktion: Nina Lienhard Liam Gallagher, Ex-Leadsänger von Oasis und aktuell Frontmann der Rockband Beady Eye, feiert mit seinem Modelabel Pretty Green Erfolge abseits der Bühne. Der Brite bringt mit dem Modeschöpfer Nick Holland eine Männerkollektion auf den Markt: Streifenshirts, farbige PaisleyHemden, Military-Parkas und Slim-FitBlazer. Ergänzt wird das Sortiment durch Accessoires wie Canvas-Weekender, Espadrilles und iPhone-Hüllen. Gallagher setzt mit seinem Label ein Statement für grüne Mode, die ganz schön «pretty» sein kann. www.prettygreen.com

SCHUH UM SCHUH

FESTGESCHNALLT

«Dandy Belt» aus vegetabilem Rindsleder, erhältlich in Cognac und Schwarz (genarbtes Rindsleder), mit silberfarbener, schlichter Schnalle. Online auf www.griesbachweb.ch. CHF 210.–.

Für jedes verkaufte Paar Espadrilles spendet Toms ein Paar Schuhe für benachteiligte Kinder. Die Espadrilles sind in vielen Farben für Männer und Frauen erhältlich, auf www.asos.com oder bei Changemaker. Ca. CHF 60.–.

DIE SONNE KANN KOMMEN

Marc by Marc Jacobs unterstützt mit dem Verkauf dieser Sonnenbrille das «Plant a Seed»Projekt und hilft bei der Aufforstung des brasilianischen Tropenwaldes. Ca. CHF 180.–.

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Die «Dudebags» werden in der Schweiz mit viel Liebe zum Detail hergestellt. Die Metallteile sind von lokalen Produzenten massgefertigt, das Rindsleder stammt aus dem Emmental und ist vegetabil gegerbt. CHF 249.–.

DENIM AM HANDGELENK

Armband mit Metallring aus der Kollektion «Diesel for Only the Brave Foundation». Die Einnahmen werden einem Dorf in Mali gespendet. Diesel-Shop, CHF 19.–.

Grüne Männer-Accessoires www.dudebag.ch www.toms.com www.otbfoundation.org www.plantaseedproject.com

Fotos: DDP Images, zvg (5)

TASCHEN FÜR KERLE


GRUEN BEAUTY

ALICIAS EIGENE BIO-KOSMETIK

Die US-Schauspielerin, Veganerin und Mama Alicia Silverstone, 35, hat eine zertifizierte BioKosmetik-Serie lanciert. Juice Beauty by Alicia Silverstone gibt es derzeit erst in den USA. www.juicebeauty.com

FÜR DEN REISEKOFFER

Weledas zart duftende Pflegelotionen und cremige Pflegeduschen gibt es als praktische Reise-Duos. Die Sets Citrus, Sanddorn, Wildrose und Granatapfel gibt es mit je 20 ml Inhalt ab CHF 3.50. Fachhandel, Coop City. www.weleda.ch

BIO-LIFTING Die Premium-Pflegeserie NatuRoyale von Annemarie Börlind erscheint mit neuer Rezeptur und Verpackung. Das Herzstück des Lifting-Komplexes ist weisser Trüffel, der die Haut stärkt. Ab CHF 48.–. www.boerlind.com

Sommer-Feeling

Wir sind im Hoch! Nicht nur wegen der steigenden Luft- und Wassertemperaturen, sondern auch dank sommerlichen Schönmachern und Düften in Bio-Qualität. Redaktion: Kristina Köhler

Fotos: zvg (3), Inge Jurt (2), Paul Seewer (1)

JASMIN UND VANILLE

Wer auf der Suche nach sinnlichen Naturdüften in Bio-Qualität ist, wird bei Melvita fündig. Passt zu Sommertagen: das zarte Eau de Toilette mit Vanilleblütenduft. Und für abends: Jasmin mit Bergamotte. Ab CHF 34.–. www.melvita.ch

TAGE AM MEER

Riviera Bar heisst die Make-up-Kollektion für den Sommer von Couleur Caramel. Der Name passt, denn die hübsch verpackten Bio-Produkte erinnern farblich an Ferien am Meer. Etwa der Kajal, ca. CHF 13.–. www.couleur-caramel.com

AUS DER SCHWEIZ

Das Schweizer Bio-Kosmetik-Label Ananné ist gefragt. Neu gibt es die Pflegelinie bei Globus, etwa die Handcreme CHF 20.– oder die Tagescreme Equilibrium CHF 148.–. www.ananne.com

Alicia Silverstones Blog www.thekindlife.com Naturkosmetik bestellen www.portanatura.ch www.naturalcosmetics.ch

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GRUEN CITY-TRIP Der Sommer ist die beste Zeit für einen Besuch in Thun: In der Altstadt lockt ein feiner Märit mit Spezialitäten. Aare und See laden zum Abkühlen und Verweilen ein.

Text: Barbara Halter Fotos: Vanessa Püntener Wasser – türkisfarben und in gnadenlosem Tempo zieht es durch Thun. Zweimal überqueren wir die Aare, schlendern am samstäglichen Waren- und Gemüsemarkt auf der Insel Bälliz vorbei und weiter zum Frischprodukte-Märit in der Altstadt. Wer es klein und fein mag, ist hier genau richtig. Der Rathausplatz mit seinen historischen Häusern und dem erhabenen Schloss im Hintergrund gibt die ehrwürdige Kulisse. Auf dem Platz selbst gehts locker und sehr familiär zu und her – Berner Gemütlichkeit eben. Die Lebensmittel sind von bester Qualität. Meist bedienen die Produzenten an den Ständen gleich persönlich. Ursula Bühler vom Biohof Geist hat 1995 den Markt auf dem Rathausplatz initiiert. Diesen Frühling wurde ihr Stand zum schönsten von ganz Thun gekürt. Zu ihrem Sortiment gehören Gemüse, Beeren und Angus-Beef – möglichst viel kommt vom eigenen Hof. Besonders beliebt und ein Hingucker ist der Blüemlisalat, der in einer flachen, wei-

Zwischenhalt an der Aare in Thun, vor der Altstadt mit Schleuse und Schloss.

THUN GANZ GRUEN

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Sommerliche Wasserstadt Am Markt www.biohof-geist.ch www.sinnpathie.ch www.naturkostbar.ch www.grabenmuehle.ch In den Geschäften www.coppeneur.de


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1 Glückliche Kühe geben guten Käse: Die Eigenkreation Val Piora vom Biohof Sinnpathie ist aus Rohmilch. 2 Währschaft und mit Bio-Zertifikat: Kalbsgeschnetzeltes nach Zürcher Art mit Rösti, angerichtet von der «Metzgern»-Küche. 3 Sommer im Salat: Der Blüemlisalat vom Biohof Geist ist am Märit erhältlich. 4 Baden und Nichtstun im Flussbad Schwäbis. Das alte Holzbad wurde 1869/70 erbaut und steht unter Denkmalschutz. 5 Die kommen abends auf den Grill! Bachsaiblinge von der Grabenmühle Sigriswil. 6 Schokolade satt, aber nicht zu süss: Grand Cru Truffes von Zartbitter. 7 Der Oekoladen in der Thuner Altstadt hat auch viele Bio-Produkte aus der Region. 4

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8 Feierabend in der Ente Bar: Weissbier der Brasserie des Franches-Montagnes.

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www.bonnat-chocolatier.com www.choco-feeverte.com www.rvrtee.ch www.obereichi.ch www.brasseriebfm.ch

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GRUEN CITY-TRIP

ten Schale präsentiert wird. Je nach Saison mixt Ursula Bühler Wildkräuter, Blumenblätter und Schnittsalat zusammen. Mit Gewächsen aus ihrem Bauerngarten bindet sie Blumensträusse. Einen Stand weiter trifft man auf Alexandra Maier, Bäuerin aus Rubigen. Die goldgelben Rosinenbrötchen aus Zopfteig sind zum Reinbeissen gluschtig – genau das Richtige für ein spätes Frühstück! Alexandra Maier bäckt all ihre Brote im Holzofen, das Weizenmehl wächst auf dem eigenen biodynamisch geführten Hof. Das nächste Häppchen probiert man bei Stefan Moser vom Bauernhof Sinnpathie in Goldiwil. Käse mit wohlklingenden Namen wie Sammtrugeli oder Val Piora liegen zum Degustieren bereit. Insgesamt sechs Eigenkreationen stellt Moser in der eigenen Hofkäserei her. Mit einer Ausnahme bestehen alle aus Rohmilch. Ein exquisiter Genuss sind auch die Joghurts im Glas, die wenig Zucker und viele Früchte (kein Konzentrat) enthalten. «Die gute Qualität kommt ausserdem davon, dass wir in kleinen Mengen produzieren. Und unsere Kühe haben Hörner», sagt Stefan Moser.

Forellen aus Sigriswil oder Gourmet-Rohkost aus Steffisburg – für Vielfalt am Markt ist gesorgt Weitherum bekannt sind die Forellen von der Grabenmühle Sigriswil. Die Familie von Gunten führt einen ganzen Abenteuerhof, mit Forellenfischen und Goldwaschen. In drei grossen Naturteichen werden die Forellen gezüchtet. Was am Samstagsmarkt über den Ladentisch geht, ist frisch gefangen. Die Forellen gibts ganz, filetiert, mariniert, geräuchert oder zu einem Mousse verarbeitet. Zur Zubereitung empfiehlt Andreas von Gunten sein eigenes Fischgewürz. «Das beste, das es gibt, finden meine Kunden», sagt er und schaut mit schelmischem Blick zu den Leuten vor dem Verkaufswagen. Allgemeines Kopfnicken lässt keinen Zweifel aufkommen. Ungewohntes findet man bei der Naturkostbar. Die junge Lebensmittel-Manufaktur mit Geschäft in Steffisburg hat sich ganz der Rohkost verschrieben. Das tönt sehr nach Körnlipicker – ist aber momentan ziemlich trendy, etwa bei den gesundheitsfanatischen Hollywood-Stars. Um die Inhaltsstoffe in den Rohstoffen zu bewahren und eine gute Verträglichkeit beim Menschen zu garantieren, werden diese bei der Verarbeitung nicht höher als 42,5 Grad erhitzt. In der Naturkostbar entstehen so grüne Smoothies oder ganze Torten – Gourmet-

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Rohkost heisst das dann. Am Stand am Markt steht eine Auswahl an Ölen, Sprossen und Rohkost-Pralinés bereit. Nach der Marktrunde lässt sich perfekt eine Altstadt-Tour anschliessen. Vom Rathausplatz biegt man direkt in die Obere Hauptgasse und rein in ein Sammelsurium von kleinen Läden, in denen die Zeit teils stehengeblieben scheint. Über speziell gebaute Hochtroittoirs, eine typische Thuner Erfindung, führen Treppchen hoch und runter. Der jüngste Zuwachs in der Hauptgasse heisst Changemaker. In anderen Städten kennt man die Boutique und ihre Philosophie bereits. Alle Produkte bei Changemaker sind fair hergestellt. Sie stammen aus Kleinbetrieben, tragen ein Bio-Label oder sind Swiss made. Das einstöckige Geschäft in Thun ist wie alle Filialen hell und puristisch eingerichtet. Hier macht es Spass, «e chli z gwunderle», wie die Verkäufe-

Schon die Verpackungen aller süssen Köstlichkeiten sind bei Zartbitter ein Genuss. Ein antikes Sofa lädt zudem zum Verweilen im Geschäft ein. rin so nett sagt. Der Mix aus Kosmetika, Wohnaccessoires, Papeterieartikeln und Schmuck bietet für jeden etwas. Auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse befindet sich der Oekoladen. Luftig und klar strukturiert präsentiert sich der Spezialist für Lebensmittel und Naturkosmetik. «Alles ist bio und, wenn es geht, aus der Region», sagt Geschäftsführerin Marlen Feller. Eine Augenweide sind die Teemischungen vom Biohof Obereichi – mit perfekt getrockneten Blättchen. Beachtung verdient auch die Käsetheke: Der französische Ziegenkäse – «der böckelt nicht» – liefert Christoph Bruni. Der Thuner Käsehändler (Markenzeichen: ein Beret auf dem Kopf) betreibt seine Tätigkeit als Passion. In seinem «Kellerli» in einem Wohnquartier in Thun und dem «Märitwagen» lagern 80 bis 100 Sorten, «und keine einzige davon ist ein Industrieprodukt». Bruni schaut bei allen Produ-

zenten Stall und Tiere an. Denn die Milch von «Hochleistungskühen» oder enthornten Tieren gibt qualitativ einfach nicht so hochwertigen Käse, wie Christoph Bruni ihn sucht. Nach telefonischer Vereinbarung kann man bei ihm zu Hause einkaufen. So kurz vor Mittag ist Süsses «schnausen» eigentlich verboten, doch bei Zartbitter kann man schlecht widerstehen. Corinne und Christoph Neuenschwander haben sich auf dunkle Schokolade spezialisiert, es gibt sie aber auch heller oder mit verschiedenen Ingredienzen versetzt. Mit viel Leidenschaft hat das Ehepaar kleine, exquisite Produzenten wie Coppeneur, Chocolat Bonnat oder Reichmuth von Reding aufgesucht und sein Sortiment mit viel Liebe zusammengestellt. Schon die Verpackungen all der süssen Köstlichkeiten sind ein Genuss. Ein antikes Sofa und ein Tischchen laden im Geschäft zum Verweilen ein. Kaffee, heisse oder kalte Trinkschokolade und eine Auswahl an Gebäck werden serviert. Für später und «zum Anfixen» gibt Christoph Neuenschwander seinen Renner, ein Praliné von Le chocolat douceur des fées mit Absinth, mit auf den Weg.

Mittagessen in der «Metzgere», danach ein erfrischender Nachmittag nahe am und im Wasser Jetzt steht eine Mittagspause im Zunfthaus zu Metzgern auf dem Programm. Das

Traditionshaus mit Baujahr 1361 liegt gleich am Rathausplatz und ist mit dem Gôut Mieux ausgezeichnet – dem Gastrolabel für Restaurants, die biologisch und nachhaltig kochen. Im Sommer setzt man sich gerne ins kleine Gärtchen. Am Samstagmittag kann ab der grossen Karte bestellt werden. Gepflegt wird eine traditionelle Schweizer Küche, «frisch interpretiert», wie Pächterin Barbara Leuenberger sagt. Aufgefrischt wird diese mit asiatischen Gerichten, die die ausländischen Köche aus ihrer Heimat mitgebracht haben. So hat man die Wahl zwischen Rindsgeschnetzeltem mit Rösti oder indischem LinsenCurry. Die «Metzgere» ist übrigens jeden Herbst der Treffpunkt, wenn in der Altstadt das Volksfest «Ausschiesset» stattfindet und der «Fulehung» (eine Narrenfigur mit Teufelsmaske) durch die Gassen gejagt wird. Gleich neben dem Gartenrestaurant führt eine Treppe hoch zum Schloss. Auf zum Verdauungsspaziergang – nach ganz oben! Bis man schliesslich den Dachstock des Schlosses erreicht und über eine Leiter in eines der vier Türmchen gelangt ist, ist

Biologisch essen www.goutmieux.ch Thun www.thun.ch www.thunersee.ch Anlässe www.thunerseespiele.ch www.amschluss.ch


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1 Ein treuer Begleiter fürs Kinderzimmer, gesehen in der Boutique Changemaker. 2 Ein Ambiente wie in Italien – der Pavillon beim Jakobshübeli. Dafür lohnt sich auch der steile Treppen-Marathon. 3 Zwischenverpflegung am Markt: Saatenbrötli und Rosinenweggli von Bio-Bäuerin Alexandra Maier. 4 Wem es zu heiss wird, geniesst bei einer Schifffahrt ein frisches Lüftchen. 5 Eingang und Shop des Kunstmuseums Thun im ehemaligen Grand Hotel. 6 Blumen aus biodynamischem Anbau vom Hofladen der Gartenbauschule Hünibach. 7 Gesundes, kalt gepresstes Öl am Stand der Naturkostbar auf dem Rathausplatz.

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8 Sieben Zimmer bietet das Restaurant Schwert. Jedes ist so einzigartig und stilvoll, dass die Wahl ziemlich schwerfällt.

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www.thunfest.ch www.bachwochen.ch www.thunerstadtlauf.ch www.2012.oha.ch www.kleinkunsttag-thun.ch www.ktv.ch

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GRUEN CITY-TRIP

man ausser Atem. Doch der Blick über die Stadt, den See und in die sonst versteckten Gärten (wer sieht das Krokodil am Teich?) entschädigt für Schweiss und Mühe. In einer Wasserstadt wie Thun gehört im Sommer eine nasse Erfrischung unbedingt dazu. Fluss oder See ist hier die Frage. Das charmante alte Flussbad Schwäbis eignet sich nur für geübte Schwimmer – und kälteerprobt sollte man auch sein: Die Wassertemperatur der Aare in Thun beträgt durchschnittlich 18 bis 19 Grad. Eingestiegen wird beim Mühleplatz, und dann lässt man sich bis zum Flussbad treiben. Im «Strämu» (für alle Nicht-Berner: Strandbad) dagegen ist der See meist zwei Grad wärmer als die Aare, und es gibt ausserdem geheizte Schwimmbecken. Einzigartig ist hier die Aussicht auf die Berner Alpen. Erfrischend und erholsam ist auch ein Spaziergang entlang des Wassers. Von der Stadt bis nach Hünibach führt eine Promenade. Vorbei am Grand Hotel Thunerhof, wo sich ein Zwischenhalt auf der lang gezogenen, mit Rosen bewachsenen Loggia lohnt. Das Gebäude wurde als erstes Luxushotel in Thun 1875 eröffnet, seit 1942 gehört es der Stadt. Ein Teil der Verwaltung hat hier seinen Sitz, der ehemalige Speisesaal beherbergt das Kunstmuseum, zu dem auch ein gut ausgewählter Shop für Kunstbücher gehört. Auf der Terrasse lässt sich in Ruhe etwas trinken. Das Café Thunerhof wird von der Sozialfirma Transfair betrieben, die psychisch beeinträchtigten Menschen einen Arbeitsplatz bietet.

Wenn es am Abend zu spät wird: Die Zimmer im «Schwert» gehören zu den schönsten der Stadt Weiter flaniert man entlang der Aare dem See entgegen. Zu Fuss – oder per Velo: Am Bahnhof verleiht das soziale Projekt Thun rollt diese für vier Stunden gratis. Der nächste Tipp bringt den Kreislauf nochmals richtig in Schwung: Am Brahmsquai (der Komponist weilte hier 1886 im kreativen Sommerurlaub) folgt man dem gelben Wanderschild und steigt geschätzte tausend Treppenstufen hoch zum Jakobshübeli. Vom achtsäuligen und idyllisch zwischen Lindenbäumen gelegenen Pavillon geniesst man erneut einen schönen Blick über den See. Bald geht die Aare in den See über, und die Promenade endet in Hünibach. Zu den Sehenswürdigkeiten gehört hier das Schloss Hünegg. Eine Trouvaille für Garten- und Blumenfreunde ist ausserdem die Gartenbauschule Hünibach mit ihrem Hofladen.

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In einem alten, idyllischen Gehöft findet man hier Setzlinge, Stauden, Kräuter oder Pro-Specie-Rara-Zierpflanzen, aber auch Blumensträusse sowie Gemüse aus eigenem Anbau und ein kleines Sortiment an Bio-Produkten. Seit 1934 wird hier biodynamischer Gartenbau unterrichtet, insgesamt 60 Lernende werden momentan ausgebildet. Zurück in der Stadt wird in der Ente Bar eingekehrt, direkt an der Aare und unweit vom Mühleplatz, dem sommerlichen Epizentrum der Thuner Gastronomie. Therese Müller öffnet die Ente Bar jeweils erst ab 16.30 Uhr, perfekt, um abseits vom Rambazamba gemütlich ein Feierabendbier zu trinken. Auf der Karte stehen Spezialitäten wie das jurassische Bier aus der Brasserie des Franches-Montagnes. Dazu passt der Ente-Teller mit Spezialitäten der Berner Käsehändler Jumi.

Das charmante alte Flussbad Schwäbis ist nur etwas für geübte Schwimmer – und kälteerprobt sollte man auch sein. Das Wasser ist meist 18 bis19 Grad. Für den Abend wechselt man dann nochmals rüber in die Altstadt, ins Restaurant Schwert. Früher war das Lokal eine typische «Chnelle». Eine Hommage an diese vergangenen Zeiten ist das Gnagi auf der Speisekarte. Endo Schäublin und Dana Ebert führen das Schwert seit zwei Jahren und haben es nach wechselhaften Zeiten wieder belebt. Gekocht werden Schweizer Gerichte. «Frisch und mit lokalen Produkten, so wie wir selber gerne essen», sagt Endo Schäublin. Wenn der Abend in der getäferten Gaststube zu lange werden sollte: Das «Schwert» bietet sieben Zimmer und eine Ferienwohnung zum Nächtigen. Die schönste Unterkunft der Stadt, wie viele finden. Jedes Zimmer ist einzigartig und mit viel Stil eingerichtet. Ein verstecktes Gärtchen entzückt ebenso, und in Nachbarschaft zum Thuner Schloss fällt man hier in einen königlichen Schlaf.

ADRESSEN UND ÖFFNUNGSZEITEN MARKT FRISCHPRODUKTE-MÄRIT Rathausplatz, jeden Samstag 8 bis 12 Uhr. GESCHÄFTE CHANGEMAKER Obere Hauptgasse 35, Mo 13.30–18.30, Di und Mi 10–18.30, Do 10–20, Fr 10–18.30, Sa 9–17 Uhr. www.changemaker.ch CHRISTOPH BRUNI L’Art du Fromage, Bürglenstrasse 11, Direktverkauf nach telefonischer Absprache: 033 223 65 85. www.bruni.ch GARTENBAUSCHULE HÜNIBACH Chartreusestrasse 7, 3626 Hünibach, Mo–Fr 8.15–12 und 13.45–18.30, Sa 8.15–16 Uhr. www.gartenbauschule-huenibach.ch OEKOLADEN Obere Hauptgasse 20, Mo 13.30–18.30, Di–Fr 9–12.30 und 13.30–18.30, Sa 8.30–16 Uhr. www.oekoladenthun.ch ZARTBITTER Obere Hauptgasse 67, Mi–Fr 9–12 und 14–18.30, Sa 9–16 Uhr www.zartbitter-thun.ch RESTAURANTS SCHWERT Untere Hauptgasse 8, Di–Fr 11.45–13.30 und 18–22, Sa 18–22 Uhr. www.schwert-thun.ch ZUNFTHAUS ZU METZGERN Untere Hauptgasse 2, Di–Fr 11 Uhr bis Feierabend, Sa ab 9 Uhr. www.zumetzgern.ch ENTE BAR Am Aarequai 66, unter der Woche ab 16, Sa ab 11 Uhr, Sonntag nur bei schönem Wetter offen. BADEPLÄTZE FLUSSBAD SCHWÄBIS August 9–20 Uhr, September 9–18 Uhr, Bus Linie 1 ab Bahnhof Thun, Haltestelle Marktgasse. STRANDBAD THUN August 7–20 Uhr, September 7–19 Uhr, Linie 1 ab Bahnhof Thun oder Spiez, Haltestelle Strandbad. KULTUR KUNSTMUSEUM THUN Hofstettenstrasse 14, Di bis So 10–17, Mi 10–19 Uhr. Café: Mo–Fr 9–17 und Sa/So 10–17 Uhr. www.kunstmuseumthun.ch VELOVERLEIH THUN ROLLT Aarefeldstrasse (Nähe Bahnhof), täglich 7.30 bis 21.30 Uhr. www.thunrollt.ch

Schlösser und Spektakel www.schlossthun.ch www.schlossspielethun.ch www.schloss-schadau.ch www.schlossoberhofen.ch www.schloss

h


Illustration: Anna Haas

huenegg.ch www.schloss-spiez.ch Ă–kologisch unterwegs www.solarschiffthun.ch www.trampelwurm.ch www.alpmobil.ch www.veloland.ch

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GRUEN GENUSS

TINO ZIMMERMANN

Einfach hoch hin a Schnaus liegt hinter Ilanz GR in Richtung Lukmanier. Und dort, in aller Ruhe und Bescheidenheit, kocht Tino Zimmermann in seiner wunderschรถnen Stiva Veglia. Text: Peter Ruch / Fotos: Martina Meier

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Der Koch im Kirschbaum: Tino Zimmermann macht aus dem Obst, das rund ums Haus reift, Chutney, Sauce oder Schnaps.

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gruen genuss

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Ohne Auto kommt man fast nicht nach Schnaus. Doch käme man ohne Auto nach Schnaus, dann würde man wohl den Parkplatz der Stiva Veglia nicht beachten. Den Parkplatz aber, den sollte man schon gesehen haben, denn er ist rundum bewachsen mit wunderbaren Obstbäumen, Kirschen, Äpfeln, auch Quitten. Diese Bäume, man sieht es ihnen an, sie werden bestens gepflegt, doch wenn dann der Wirt der Stiva Veglia, Tino Zimmermann, erzählt, dass seine Eltern ein Blumengeschäft führen, dann wundert das nicht mehr. Dann weiss man auch, weshalb im ganzen Haus diese schönen Blumengebinde stehen. Zwar schön dezent, aber mit viel Liebe arrangiert. Und rund um das Haus finden sich überall prachtvolle Töpfe, in denen teilweise exotische Kräuter wachsen. Selbstverständlich verarbeitet Zimmermann, der unter anderem bei Roland Jöhri im «Talvo» sowie im Zürcher «Ambassador» am Herd gestanden hat, all diese Kräutlein und vor allem dieses Obst, das vor seiner Haustür gedeiht. Nicht einfach in Fruchtsalat, sondern vor allem in Chutney, Saucen, Sorbets, sogar Schnaps. «Meine Gäste freut das, wenn sie zum Abschluss des Essens noch etwas trinken können, was direkt vor dem Restaurant gewachsen ist», erzählt der Koch, der aus Flaach ZH stammt. Und dessen Dialekt so gar nicht ins Bündner Oberland passen will, der sich aber in Schnaus ausgesprochen wohl, daheim fühlt. Die Stiva Veglia hat Zimmermann vor zwei Jahren übernommen. Der Besitzer des Hauses, das aus dem Jahre 1761 stammt und früher eine einfache Beiz war, ist Architekt, und auch das sieht man auf den ersten Blick. Das Restaurant mit seinen zwei schönen Stuben, der wunderbaren Gartenterrasse und dem kleinen Balkon, auf dem auf Wunsch gerne ein Tischchen für

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zwei Personen für ein romantisches Tête-à-Tête gedeckt wird, ist mit viel Sachverstand renoviert worden. Man kann sich allein an Details, den aussergewöhnlichen Türschlössern, dem mächtigen Ofen, gar nicht sattsehen.

Tino Zimmermann verzichtet auf Show und Schäumchen Doch es geht ja um das Essen in der Stiva Veglia, und das ist ebenfalls ausgezeichnet. Zimmermann verzichtet auf Show und Schäumchen, er sagt selber, dass er «mit einfachen Mitteln» arbeitet: «Ich kann hier machen, was ich will. Ich ändere das Menü dann, wenn es mir passt, ich behalte einige Gerichte, ich lasse mich vom Angebot inspirieren.» Die Produkte sucht

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„Meine Gäste freut es, wenn sie zum Abschluss des Essens noch etwas trinken können, das direkt vor dem Restaurant gewachsen ist.“

Das Restaurant www.stiva.veglia.ch Die Region www.ilanz.ch/Schnaus.1148.0.html www.graubuenden.ch Forellen aus dem Val Lumnezia

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FORELLENFILET MIT GLACE Temperiertes Forellenfilet mit Tomaten und Sauerrahm-BasilikumGlace (für 4 Personen) Forellenfilet 4 ganze Forellen oder 8 Filets wenig Olivenöl, Salz, Pfeffer Forelle filetieren und Gräten zupfen. Filets mit Salz und Pfeffer würzen, mit Olivenöl beträufeln und bei 70°C mit der Hautseite nach unten ca. 10 Minuten im Heissluftofen glasig temperieren und anschliessend die Haut entfernen. Sauerrahm-Basilikum-Glace 250 g Sauerrahm 100 g Rahm 40 g Milch 50 g Zucker 60 g Basilikum, fein gehackt wenig Salz, Pfeffer Alles in die Glacemaschine füllen. (Im Voraus zubereiten!)

1 Auf dem kleinen Balkon wird zum romantischen Têteà-Tête gedeckt. 2 Rund ums Haus wachsen bei Tino Zimmermann Kräuter in Töpfen. 3 Die Stiva Veglia existiert seit 1761 und wurde mit viel Liebe und Sachverstand renoviert.

Zimmermann gerne vor seiner Haustür, in der Umgebung. Aber nicht ausschliesslich: «Man muss klar sehen, dass ich hier oben nicht alles bekomme, was ich haben will. Doch es geht da immer um das vernünftige Mass.» Und das sieht bei Zimmermann etwa so aus, dass er keine Meeresfrüchte serviert, «das passt doch irgendwie auch gar nicht ins Bündner Oberland». Dafür gehören die Forellen aus dem Val Lumnezia dazu, die auch beim Starkoch Andreas Caminada auf den Tisch kommen und die Zimmermann jederzeit frisch beziehen kann. «Ich rufe Curdin Capeder an,

sage, was ich brauche, und er liefert ein paar Stunden später. Da kann es halt auch einmal vorkommen, dass es keine Fische hat, im Winter, wenn der See gefroren ist. Aber meine Gäste verstehen das.» Die Fische von Capeder sind in der Tat aussergewöhnlich, eine kanadische Seeforelle, deren Fleisch lachsähnlich ist, bestens im Geschmack und ziemlich bissfest. Es ist eine wunderbare Erfolgsgeschichte, die Capeder, der mit Leib und Seele Bergbauer ist, da schreibt. Dort hinten, noch hinter Lugnez, in Surin, haben die Fische ein gutes Leben, bevor sie in der Pfanne landen. «Die Nachfrage nach den Forellen ist gross», erzählt Zimmermann. «Auch deshalb, weil meine Kunden halt wissen, woher ich sie beziehe.» Den Koch freut es, dass die Gäste so gut informiert

sind und Wert auf nachhaltige Produkte legen. Doch es ist natürlich noch weit mehr, was Zimmermann aus der Umgebung bezieht. Die Eier kommen selbstverständlich aus dem Dorf – und der Koch verarbeitet sie etwa zu einer seiner Spezialitäten, dem Schnauser Ei, das er 45 Minuten lang ganz sanft kocht, so, dass es innen noch flüssig ist. Diese Liebe zum Produkt, die Kreativität, aus einfachen Dingen wunderbare Gerichte zu zaubern, die zeichnet Zimmermann, «Entdeckung des Jahres in der Deutschschweiz 2012» des GaultMillau, aus. Allein schon die Amuse-Bouches, sechs an der Zahl, sind jedes für sich ein kleines Kunstwerk – und wunderbare, sehr feinfühlige Geschmackskombinationen. Bei Zimmermann geht auch

Tomaten-Tatar 4 reife Ramati-Tomaten 2 EL Olivenöl je 1 Zweig Rosmarin, Thymian, wenig Zucker, Meersalz, Pfeffer 1 EL Balsamico Tomaten blanchieren, die Haut entfernen und in Würfel schneiden. Kräuter fein hacken. Tomatenwürfel und Kräuter vermischen. Im Ofen bei 70°C ca. 90 Minuten antrocknen. Je zwei Filets mit Sauerrahm-BasilikumGlace und Tomaten-Tatar anrichten. Dazu passt ein Salat mit Frisée, jungen Salatblättern, Petersilie, Kerbel und Dill.

Forellenfilet, kombiniert mit Sauerrahm-Basilikum-Glace.

www.lumare.ch Spargeln aus Flaach www.flaacherspargel.ch Hier hat Tino Zimmermann gekocht www.talvo.ch www.ambassadorhotel.ch

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gruen genuss Schon an den Details im Restaurant kann man sich gar nicht sattsehen.

niemand hungrig vom Tisch. Vor dem Dessert serviert er noch ein Pre-Dessert, ein einfaches Mousse au Chocolat, köstlich, sehr cremig, sehr intensiv. Aber dann erzählt er auch von Problemen. Etwa vom Käse, der in der Umgebung zwar im grossen Stil produziert wird, doch halt keine grosse Vielfalt biete. Alles wird als Alpkäse verkauft, doch er hätte eigentlich mehr Bedarf nach einem Weichkäse: «Da sind gewisse, sonst sehr gute Produzenten dann manchmal zu wenig innovativ.» Dann ist Zimmermann halt nicht so streng, kauft das, was er braucht und will. «Und meine Spargeln stammen aus Flaach, doch das ist ja auch irgendwie regionales Denken, dort bin ich aufgewachsen, dort kenne ich selbstverständlich die besten Produzenten.» Und weil er genauso denke, immer, bei allen Gerichten, die bei ihm auf die Karte kommen, müsse er sich auch

nicht darum kümmern, ob seine Küche jetzt saisonal sei, das ergebe sich von selbst. «Ich muss nicht nach Zürich oder Paris fahren, bei berühmten Köchen essen – ich sehe mir an, was es gibt, und das reicht mir dann als Inspiration.»

Den Apéro kann man auch im schönen Weinkeller zu sich nehmen Auch bei den Weinen setzt Zimmermann zwar nicht auf lokale, so aber doch regionale Produzenten. Im Keller findet man alles, was in der Bündner Herrschaft Rang und Namen hat – und das teilweise in den seltenen, grösseren Flaschen. Aber Zimmermann hat auch hier einen weiten Horizont, auf der Weinkarte sind alle klassischen Anbauregionen Europas vertreten, gute und – für den Gast – fair kalkulierte Tropfen, die unbedingt einen zweiten

Blick lohnen. Man kann in der Stiva Veglia den Apéro ausserdem im schönen Weinkeller zu sich nehmen. Und gleich neben der Küche steht ein grosser Tisch, an dem abends oder sonntags nach der Kirche oft die Einheimischen sitzen, noch ein Bier trinken und einen Happen essen. Neben Zimmermann arbeiten zwei weitere ausgebildete Köche in der Stiva Veglia, die über elf Tische verfügt. Das ist ein grosser Aufwand hier hinten im Bündner Oberland, weit abseits der grossen Verkehrsachsen, doch es lohnt sich, denn das Essen ist nicht nur gut, sondern auch sehr schön angerichtet. Der Service ist ausgesprochen freundlich und sehr kompetent. Man merkt, dass Zimmermann auch noch auf die kleinsten Details sehr viel Wert legt. Günstig ist es nicht, aber auf jeden Fall den Preis und den langen Anfahrtsweg wert.


GRUEN GENUSS

Mitten im Gemüseparadies

Im Sommer erstrahlen sie wieder in Rot, Grün und Orange: Tomaten, Gurken und Rüebli haben Hochsaison. In Bio-Qualität schmecken sie besonders gut.

Text: Lisa Merz / Fotos: Sara Merz Fast wähnt man sich im Urwald – würden da nicht überall rote Tomaten im Grün aufleuchten. An drei Meter hohen Stauden räkeln sie sich der Sonne entgegen. Ganz oben sieht man die gelben Blüten, weiter unten sind die Tomaten schon bereit für die Ernte. Vorsichtig nimmt Gemüsegärtner Jürg Frey diese in die Hand, testet den Reifegrad. «Damit Bio-Tomaten auch wirklich gut wachsen, braucht es viel Arbeit», erklärt er. «Denn bei uns wächst jedes Gemüse in der natürlichen Erde, wir verwenden keine chemischen Düngemittel, und Schädlinge werden mit Nützlingen bekämpft.» Der Boden im Freiburger Seeland ist ideal für den Gemüseanbau – hier wird rund ein Viertel der inländischen Frischgemüse-Produktion erzeugt. Grund: Die Umgebung ist ehemaliges Überflutungsgebiet und deshalb besonders fruchtbar. Jürg Frey bringt seine Tomaten, Gurken und Salate zum Hauptgebäude der Terraviva AG, ganz in der Nähe seines Betriebs. Dort wird das Gemüse gerüstet, verpackt und an die verschiedenen Coop-Verteilzentralen geliefert. Jürg Frey ist zusammen mit

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Gemüsegärtner Jürg Frey erntet in seinem Betrieb in Ried bei Kerzers die biologischen Früchte seiner Arbeit.

über 120 anderen Bio-Landwirten Teilhaber der Terraviva AG. Sie liefern ihre biologischen Früchte und Gemüse direkt dem Grossverteiler. So hat man eine bessere Qualitätskontrolle, und die Produzenten bekommen einen angemessenen Lohn für ihre Ware, weil sie den Zwischenhandel auslassen können. Diese Organisation sichert landwirtschaftlichen Familienbetrieben eine Existenz. «Zudem schützen wir die Artenvielfalt», erklärt Roland Meuter, Geschäftsführer von Terraviva AG. «Zusammen mit Pro Specie

Rara betreuen wir ein grosses Sortiment an traditionellen Gemüsesorten.» Auch der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen ist ihnen ein Anliegen: So werden alle Betriebe mit Ökostrom geführt. «Überhaupt ist Bio-Landbau sehr nachhaltig», sagt Roland Meuter. 1 Die Bio-Rispentomaten von Coop Naturaplan haben alle Zeit, um zu reifen – deshalb schmecken sie so gut. 2 Auch der Rucolasalat ist biologisch. 3 Gemüse-Feuerwerk. Die Terraviva AG bietet über 150 Gemüse- und Früchtesorten an.

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Coop Naturaplan www.coop.ch Terraviva AG www.terraviva.ch Betrieb von Jürg Frey www.bioleguma.ch

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Money GRUEN

AUTO SHOPPING GELD WOHNEN REISEN

CAMPIEREN DE LUXE

ZELTEN WAR EINMAL Glamping heisst der neuste Trend. Was so viel heisst wie campen, aber mit Glamour. Also mitten in der Natur übernachten, aber ohne steifen Rücken erwachen. Die Eco-Lodge Brejeira im Hinterland der Algarve in Portugal bietet zum Beispiel eine Jurte mit Doppelbett und Kamin an. Strom aus Wind- und Sonnenkraft hat es auch. Die Seite «Go Glamping» stellt solche besonderen Zeltplätze auf der ganzen Welt vor. www.goglamping.net, www.eco-lodgebrejeira.com

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Sina:„Die 2000-Watt-Gese l liegt noch in weiter Ferne“ FACTS & FIGURES SKODA CITIGO Antrieb 1,0-Liter-Benziner, 60 und 75 PS Leistung 0–100 km/h in 13,2 bis 15,3 s, Spitze 160 bis 172 km/h Verbrauch 4,1 bis 4,7 l/100 km, CO² 95 bis 108 g/km, Energieeffizienz A bis B Masse Länge 3,56 m, Breite 1,64 m, Höhe 1,48 m Kofferraum 251 bis 959 Liter Preis ab 14990 Franken

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Sängerin Sina, 46, legt grossen Wert auf Nachhaltigkeit und lebt in einem Minergiehaus. Für ihre Mobilität setzt sie auf einen sparsamen Skoda Citigo.

Text: Jürg A. Stettler/Fotos: Dan Cermak Ursula Bellwald, wie die Schweizer Mundartsängerin Sina mit bürgerlichem Namen heisst, kam am 28. Mai 1966 in Gampel VS zur Welt. Nach einer Ausbildung als Bankkauffrau wurde sie bei einem Schlagerfestival im Oberwallis 1983 entdeckt. Nach Konzerten im In- und Ausland sowie Hauptrollen in

den Musicals «Annie Get Your Gun» und «Jesus Christ Superstar» arbeitete sie von 1993 bis 1996 als Moderatorin fürs Schweizer Radio DRS. 1994 veröffentlichte Sina ihr erstes, gleichnamiges Mundartalbum, das sich 23 Wochen in den Charts hielt. Seitdem hat die 46-Jährige mit ihren insgesamt neun Alben nicht weniger als acht Goldund zwei Platinauszeichnungen errungen. Zusammen mit ihrem Mann lebt sie am Hallwilersee. Momentan arbeitet Sina an einer Duett-CD mit Schweizer Künstlern, die im Frühling 2013 auf den Markt kommen wird. Ich bin erstaunt: Sie fahren mit dem Skoda Citigo einen sehr kleinen Wagen.

Sina www.sina.li Skoda GreenLine www.skoda.ch/CHE/skoda/umweltschutz/Pages/umweltschutz.aspx Minergie-Label www.minergie.ch


gefahr und Tempi unter 30 km/h automatisch auf die Bremse. Es ist gut zu wissen, dass man so etwas an Bord hat. Selbst wenn ich hoffe, dass es nie zum Einsatz kommen muss. Worauf könnten Sie im Auto nicht verzichten? Auf eine gute Musikanlage – und die funktioniert im Citigo astrein! Beim Fahren brauche ich immer Musik, ob aus dem Radio oder vom iPod. Und nachts suche ich auch gerne mal Musik, die mit viel Bass wach hält. Ihr Auto wirkt sehr aufgeräumt. Das ist für eine Frau eigentlich eher untypisch … Mein Auto ist immer sehr aufgeräumt. Zeugs, das am Rückspiegel baumelt, finde ich eher irritierend. Zumal mir von den Duftversuche ich, sehr effizient zu fahren, und bäumchen schon als Kind schlecht wurde. gehorche für eine optimale Fahrweise und Aber fragen Sie mich bloss nicht, wie es in geringen CO²-Ausstoss auch gerne meiner Handtasche ausschaut… Wie würden Sie Ihren Fahrstil bezeichnen? der Schaltempfehlungsanzeige. Legen Sie auch sonst Wert auf NachIn meiner Jugend war ich eine sportliche haltigkeit? Fahrerin. Das hat sich nun aber grundlegend Ja. Ich habe beispielsweise meinen CO²geändert. Heute lege ich viel mehr Wert Fussabdruck gemessen und war überrascht. auf genügend Abstand und bin eher relaxt Der Durchschnitt liegt bei rund 2,6 Planeten. unterwegs. Aber auch ich mit meiner doch recht ökoDas klingt sehr vorbildlich, besuchen Sie bewussten Lebensweise benötige noch etwa auch Fahrtrainings? immer 1,7 Planeten. Die 2000-Watt-GesellKlar, ich gehe regelmässig zu TCS-Kursen. schaft liegt wohl noch in weiter Ferne. Ich finde sogar, alle paar Jahre sollte jeder Was tun Sie, um Ihren persönlichen einen solchen Fahrkurs absolvieren müssen. Energiebedarf zu senken? Man kriegt ein viel besseres Gefühl für sein Wir leben in einem Minergiehaus. Wir achten Auto und verliert beispielsweise auch den falschen Respekt vor einer Vollbremsung. Ich auf unseren Strom- und Wasserverbrauch. Und auch beim Kochen lege ich Wert auf habe in jedem Kurs dazugelernt. «Sonntagsregionale und saisonale Produkte. Wobei fahren» kann jeder, gut Auto fahren ist daes mir die Gegend rund um den Hallwilersee gegen viel schwieriger und braucht Übung. natürlich einfach macht. So kaufe ich den Sind Sie viel unterwegs? Fisch zum Beispiel direkt beim Fischer, der Ich lege rund 20 000 Kilometer im Jahr übrigens witzigerweise auch noch so heisst. zurück und nutze meinen Wagen sehr bewusst. Einfach nur mal für ein «Cüpli» nach Worauf könnten Sie dennoch nicht verzichten? Ascona zu fahren, käme mir nicht in den Auf ein Mischpult. Im Studio brauche ich als Sinn! Ausserdem fahre ich auch sehr gerne Musikerin einfach Strom. Auch bei einem Velo oder gehe zu Fuss. Aber komplett aufs Unplugged-Konzert kann man nicht einfach Auto verzichten könnte ich dann doch nicht. den Stecker ziehen und Wieso nicht? gänzlich auf Strom verzichAls Sängerin bin ich häufig ten. Ich warte aber, bis die zu Unzeiten unterwegs. Technik eines Tages so weit Da würde ich mit dem ÖV ist, dass mein Körper genüschlicht stranden. So kann gend Strom produzieren ich nach dem Konzert ins kann, um einer E-Gitarre ein Auto steigen und auch ASSISTENTEN NUTZEN paar satte Töne zu entmorgens um drei Uhr noch Nutzen Sie den Bordcompulocken. locker heimfahren. ter, um stets über den aktuelHaben Sie den StromSie fahren einen Benziner len Verbrauch orientiert zu bedarf an Ihren Konzerten – würden Sie auch auf sein. Oder lassen Sie sich bei Ihrem CO²-Fussein Auto mit Alternativauch auf kürzeren Strecken abdruck mitberechnet? antrieb umsteigen? durchs Navi führen, da Nein, danach wurde ich gar Ich kann mir gut vorstellen, moderne Systeme nicht nur nicht gefragt. Machen Sie 2014, wenn Skoda sein die schnellste oder kürzeste, mir nun bitte kein schlechtes Elektromobil lanciert, darsondern auch die sparsamste Gewissen… auf umzusteigen. Bis dahin Route berechnen können.

„Ich habe meinen CO2Fussabdruck gemessen und war überrascht, dass ich trotz bewusster Lebensweise immer noch 1,7 Planeten benötige.“

e llschaft Wieso nicht? Je kleiner das Auto, desto geringer meist auch der Verbrauch. Normalerweise fahre ich ja einen Skoda Fabia. Und momentan teste ich eben den kecken, noch etwas kleineren Citigo. Reicht Ihnen denn das Platzangebot? Der Platz reicht mir völlig. Mein Koffer und die Akustikgitarre haben in seinem Kofferraum locker Platz. Ausserdem wird bei mir jedes Auto voll, egal wie gross oder eben klein es ist. Was schätzen Sie am kleinen Citigo? Er ist witzig, sehr wendig und kompakt. Zudem überzeugt mich seine umfassende Sicherheitsausstattung. Er hat nicht nur einen speziellen Kopfairbag, sondern auch eine Notbremsfunktion und geht bei Kollisions-

GRUEN FAHRTIPP

Walliser Heimat www.ferienhaus-wiler.ch Skoda www.skoda.ch CO²-Fussabdruck www.wwf.ch/footprint

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GRUEN AUTO

Gut im Rennen

PORSCHE 918 SPYDER Wie die aktuellen Porsche-Hybridmodelle ist auch der Supersportler der Zukunft als ParallelHybrid konstruiert. Das Hybridmodul besteht aus 122-PS-Elektromotor und einer Trennkupplung als Verbindungselement zum 4,6-Liter-V8-Mittelmotor (570 PS). Den Spurt von 0 auf 100 km/h schafft der 918 Spyder in weniger als 3 Sekunden. Auf 200 km/h gehts unter 9 Sekunden, und erst bei 325 km/h ist Schluss. Porsche peilt einen Verbrauch von nur 3,0 l/100 km an. Somit liegt der auch in der Schweiz in Euro fakturierte Hybridrenner beim Verbrauch, aber nicht beim Preis (inkl. MwSt. 724900 Euro) im Rahmen. www.porsche.ch

FRECHER, KLEINER HYBRID TOYOTA YARIS HYBRID Mit einer Hybridvariante lanciert Toyota den ersten Vollhybrid im Kleinwagensegment. Er wird von einem 1,5-l-Benziner (74 PS) und einem E-Motor (61 PS) angetrieben. Der auf 120 Zellen abgespeckte Nickel-Metallhydrid-Akku ist unter der Rückbank verstaut, sodass der Yaris weiterhin viel Gepäckraum (286 bis 786 l) bietet. Nur beim Verbrauch zeigt er sich mit 3,5 l/100 km knauserig. Sein Preis: ab CHF 27500.–. www.toyota.ch

EIN RICHTIG SMARTER ROLLER SMART ESCOOTER Smart arbeitet weiter an seiner Idee für ein umfassendes Elektromobilitätskonzept für die Stadt und lanciert 2014 einen E-Scooter. In den nächsten zwei Jahren wird das Design der kecken Studie (Bild) weiterentwickelt. Bereits jetzt kann man sich übrigens für CHF 3450.– ein E-Bike von Smart kaufen, das dank Hinterradnabenmotor den Fahrer bis 25 km/h mit 35 Nm unterstützt. www.smart.ch

EIN MOTOR ZUM VERLIEBEN

Ford-Chef Alan Mulally setzt voll auf die sparsamen Ecoboost-Motoren. Allein in Europa will Ford die Produktion der effizienten Motoren bis 2015 verdreifachen. www.ford.ch

SAUBER F1 TEAM Dass Rennsport auch umweltgerecht betrieben werden kann, beweist der Schweizer F1-Stall von Peter Sauber. Das Hinwiler Team wird dank seiner Kooperation mit Carbon Neutral Investments in den nächsten drei Jahren CO²-neutral arbeiten. Ob Renneinsätze, Produktion oder auch Transport von Menschen und Material, Sauber ist das erste F1-Team, das seinen CO²-Ausstoss vollständig kompensiert. www.sauberf1team.com

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Sparsame Autos www.autoumweltliste.ch Auto und Umwelt www.cleverunterwegs.ch E’mobile www.e-mobile.ch

Fotos: zvg

EINE SAUBERE SACHE


Hybrid-Raumschiff

Sportlich: Der Citroën DS5 Hybrid kaschiert seine alternative Antriebstechnik unter einer sehr sportlichen Karosserie.

Mit dem DS5 als sparsamem Diesel-Hybrid lanciert Citroën einen avantgardistisch gezeichneten Teilzeit-Allradler mit viel Raffinesse.

Fotos: zvg

Text: Jürg A. Stettler Citroëns Modellbezeichnung für die legendäre DS (von 1955 bis 1975) leitet sich von Déesse (Göttin) ab und bezog sich nicht zuletzt auf die damals revolutionäre, sänftenartige Hydropneumatik-Federung. Ganz so göttlich wie sein Urahn ist der neue Citroën DS5 freilich nicht unterwegs. Bewusst stimmen die Franzosen ihre moderne DS-Linie straffer ab, um sie sportlicher zu positionieren. Auch optisch setzt der DS5 mit seinen mächtigen Doppelendrohren, der riesigen Chromleiste von den Lampen bis zum Dach und den speziellen Leuchten sportliche Akzente. Im Luxus schwelgen und sich dabei fast wie ein kleiner Halbgott fühlen kann man sich dagegen im raffiniert gestylten Innenraum. Edles Leder, feine Materialien und eine von der Haute Couture inspirierte Verarbeitungsqualität überzeugen. Anfangs ist man von der Fülle an Schaltern im Cockpit fast etwas überfordert, nach einiger Zeit gewöhnt man sich aber an das avantgardistische, von einem Helikopter inspirierte Interieur. Praktisch: Mit einem simplen Dreh kann der Fahrer beim 4,53 Meter langen Luxusgleiter zwischen unterschiedlichen An-

triebsvarianten wählen: rein elektrisch oder als Teilzeit-Allradler mit der Kraft des Zweiliter-Turbodiesels (163 PS) an der Vorder- und des 37-PS-Elektromotors an der Hinterachse. Oder auch im Wechselspiel der beiden Antriebe, wobei der Diesel-Hybrid recht flott, aber leider nicht ganz ruckfrei vorankommt. Dafür soll sich der stattliche Franzose gemäss Citroën mit 3,9 l/100 km begnügen, was einem CO²-Ausstoss von nur 99 g/km entspricht. Gar so genügsam wird man den DS5 im Alltag zwar kaum je bewegen können, aber dank der tollen Optik und dem raffinierten Antrieb macht der Citroën auch so eine gute Figur.

FACTS & FIGURES CITROËN DS5 HYBRID Antrieb 2,0-Liter-Diesel (163 PS), E-Motor an der Hinterachse (37 PS) Leistung 0–100 km/h 8,6 s; Spitze 211 km/h Verbrauch 3,9 l/100 km; CO² 99 g/km; Energieeffizienz A Masse (L×B×H) 4,53×1,87× 1,50 m; Kofferraum 325–1145 Liter Preis ab CHF 41900.–

DER ELEGANTE HYBRID-FRANZOSE bietet aussen wie innen viele schicke Details und überzeugt mit hochwertiger Verarbeitung. www.citroen.ch

Freunde der klassischen DS www.citroendsclub.ch Details zum Hybridantrieb www.hybrid-autos.info Citroën www.citroen.ch

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GRUEN WANDERN

Auf Säumer-Spuren über die Alpen

Die neu eröffnete ViaPostaAlpina führt über vier Pässe: Grimsel, Nufenen, Gotthard und Susten. Das Beste daran: Wer es gemütlich mag, legt einen Teil im Postauto zurück.

Text: Lisa Merz/Fotos: Paolo Emmanuele Als wäre man plötzlich in einer Symphonie von Grün gelandet – schon zu Beginn der Reise zeigt sich die Farbe in allen Nuancen. Am Strassenrand ragen Tannen in die Höhe, der Waldboden ist dicht mit Moos bedeckt, und die Felswände schimmern türkisfarben. Die erste Etappe der Wanderung von Guttannen im Berner Oberland über den Grimselpass bis nach Ulrichen im Oberwallis geniesst man im Postauto. Immer höher schlängelt es sich den Berg hinauf. Bis man in Handegg aussteigt. Hier führt ein schmaler Weg immer weiter weg von der Strasse, sodass selbst das «Düüdaadoo» des Postautos klingt, als käme es aus

einer anderen Welt. Und da thront auch schon der erste Zeuge aus vergangenen Zeiten: der Säumerstein. Im Schatten des 50 Kubikmeter grossen Granitblocks ruhten sich früher die Säumer aus. Sie transportierten verschiedene Güter über die Alpen. Ihre Esel, Maultiere und Pferde tränkten sie gleich nebenan am flachen Bächlein.

Auf alten Saumwegen wandert man durch märchenhafte Natur Die erste schriftliche Quelle vom Handel über den Grimselpass stammt aus dem Jahr 1397. Darin regelten die beteiligten Regio-

nen den Verkehr und den Unterhalt des Saumwegs. So wurde Zoll erhoben, um den Weg instand zu halten. Zudem versprach man den Säumern ein sicheres Geleit über den Pass. Vom Norden in den Süden wurden Käse und Vieh transportiert. Von Süden gelangte Wein, Reis, Mais, Salz und Öl nach Norden. Auf dem Weg entstanden Susten, Gebäude, in denen die Ware gelagert und Saumtiere gewechselt wurden. Weiter geht es entlang buschbewachsener Felsen und teils erhaltenem Saumweg, der mit steinernen Platten gepflastert ist. Nach einer Steigung eröffnet sich die Sicht auf die Hälenplatte. Einst schliff der Gletscher den Fels zu einer glatten Fläche. Damit die Säumer nicht abrutschten, schlugen sie Trittstufen und Löcher für Geländepfosten in den Stein. Auch Gletscherforscher Louis Agassiz verewigte sich 1838 mit einer Inschrift.

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Unter dem kleinen Böglisbrüggli in Chüenzentennlen schiesst das Wasser durch bizarre Felsformationen. Von hier sieht man das erste Mal wieder auf die Strasse. Sie war bereits bei der Eröffnung am ersten Oktober 1894 eine touristische Attraktion. Und die Grimselstrecke entwickelte sich

Guttannen

Bern

Luzern

Luzern

Gadmen Meiringen Sustenpass

Guttannen

Handegg

Göschenen

Chur

Gerstenegg Grimsel Hospiz

Grimsel Passhöhe

Grimselpass Gotthardpass

Grimselpass

Airolo Obergesteln, Dorf Ulrichen PostAuto-Haltestelle PostAuto Kulturweg

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Ulrichen Bellinzona Brig Nufenenpass

0

6 km

ALLGEMEIN Die ViaPostaAlpina ist ein Projekt von ViaStoria und PostAuto Schweiz. Die Route kann vollständig zu Fuss oder ganz im Postauto zurückgelegt werden. Für die vorgestellte Strecke von Guttannen nach Ulrichen lohnt es sich, mit dem Postauto bis nach Handegg, Gelmerbahn zu fahren und danach zu laufen. In Ulrichen gibt es einen Bahnhof. GEMÜTLICHE VARIANTE Wer möchte, kann von Handegg bis nach Grimsel Hospiz laufen (etwa 3 Stunden) und danach mit dem Postauto weiterfahren. ROUTE Strecke: 19 Kilometer (Handegg bis Ulrichen), Aufstieg: 850 Meter, Abstieg: 900 Meter, Wanderzeit: sechs Stunden. Signalisierung: Handegg–Obergesteln, Wanderland Route 40 ViaSbrinz. TIPP Erkundigen Sie sich im Voraus über den Fahrplan. In manchen Bussen muss man reservieren. PACKAGE Wer die ganze Route machen möchte, bucht für sechs Tage und fünf Nächte ein Arrangement inklusive Übernachtung, Frühstück und Gepäcktransport (CHF 995 pro Person). SAISON Mitte Juni bis Anfang Oktober.

Foto: Foto-Illustration / Museum für Kommunikation / Bern. Infografik: Nigel Simmonds

HIER GEHTS LANG ROUTE UND INFOS

Mehr über ViaStoria www.viastoria.ch Fahrplan und Infos über PostAuto Schweiz www.postauto.ch Infos zur Strecke, Angebot für mehr


dann rasch zu einer der renommiertesten Alpenpostlinien. Zu Beginn wurde sie noch von Postkutschen bedient. 1906 schaffte die Postverwaltung die ersten Motorfahrzeuge an – es waren 14-Plätzer mit einer Höchstgeschwindigkeit von 15 Kilometer pro Stunde. Der Durchbruch des Postautos kam dann nach dem Ersten Weltkrieg, als die Post kostenlos rund hundert ArmeeLkws übernehmen konnte und diese zu Postautos umbaute.

Grosse Felsplatten laden zu einer gemütlichen Pause ein

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Nun ist endlich der erste Stausee in Sicht. Blaugrau schmiegt sich der Räterichsbodensee an den Fels. Der Weg führt ganz nah am Ufer des Wassers entlang. Ein letzter steiler Anstieg, bei dem man ein paarmal die Strasse kreuzt, endet beim historischen Alpinhotel Grimsel Hospiz. Das ursprüngliche Hospiz wurde beim Bau der Stauseen ab 1920 überflutet. Wer es gemütlich mag, kann hier zu Mittag essen und danach anstatt zu Fuss mit dem Postauto bis zur GrimselPasshöhe fahren. Von dort geht die Wanderung weiter ins 7,5 Kilometer entfernte Ulrichen. Hier oben verlässt man das Berner Oberland und wandelt weitab der Strasse auf einem Saumpfad durch eine wunderbare Berglandschaft ins Walliser Tal des Rotten. Felsplatten laden zu einer Pause ein, man kann noch einmal innehalten und sich vorstellen, wie auch die Säumer hier Rast machten. Das «Düüdaadoo» holt einen zurück in die Gegenwart. Im Gegensatz zu den Säumern überwindet das «Poschti» noch heute Pass um Pass.

1 «Die Alpenpost erschliesst neue Reiseziele». Plakat von Herbert Libiszewski, um 1940. 2 Auf alten, steinbesetzten Saumwegen gelangt man zum Räterichsbodensee. 3 Der Räterichsbodensee ist einer von acht Speicherseen, die der Kraftwerk Oberhasli AG Strom liefern. 3

tägige Wanderung www.viapostaalpina.ch Weitere Highlights und Führungen zum Thema Strom auf der Strecke www.grimselwelt.ch

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GREEN LOUNGE präsentiert von

Judith Ellens und Manuel Klarmann sind die Gründer von Eaternity.

Der Name verbindet Essen mit Ewigkeit: Eaternity. Denn Lebensmittel sind CO²-Schleudern. Deshalb lohnt es sich, auch beim Essen ans Klima zu denken.

Essen fürs Klima

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stehen. Neben CO² gibt es auch andere Gase wie Methan oder Lachgas, die auf das Klima wirken. Ein Beispiel: Kartoffeln werden gedüngt, und wir berechnen, wie viel Dünger die Pflanze aufnimmt und wie viel davon als Lachgas in die Luft abgegeben wird. Um exakt zu sein, rechnen wir das in CO² um und erhalten so eine genaue Berechnung. Darf man guten Gewissens Fleisch essen? Ellens: Zum Schutz des Klimas wäre es sinnvoll, nicht mehr als zweimal pro Woche Fleisch zu essen. Wir müssen ein Gleichgewicht finden zwischen der Menge an Ressourcen, die wir verbrauchen, und der Menge, die wir benötigen, um den Planeten mit sieben Milliarden Bewohnern nachhaltig zu ernähren. Ihr Verein entstand an der ETH Zürich. Wurde der Rechner da entwickelt? Ellens: Die erste Version, die Datenbank und die Software haben wir während meines Studiums entwickelt. Zusätzlich wurde die Datenbank im Rahmen einer Masterarbeit aktualisiert und erweitert. Das Ziel ist ein Rechner, der einfach und für jedermann zugänglich ist. Wie viele Mitglieder hat Ihr Verein? Klarmann: Bis jetzt haben wir nur Mitglieder, die sich aktiv für unseren Zweck einsetzen.

In Zukunft möchten wir Mitglieder anwerben und ihnen etwas bieten. Sie waren beim Prix NATURE Swisscanto nominiert und wurden Zweite. Hat es Ihnen trotzdem etwas gebracht? Ellens: Es brachte uns viel Anerkennung und Kontakte. Wir wollen mit Eaternity zu einer führenden Organisation im Bereich Ernährung und Nachhaltigkeit werden. www.eaternity.ch Das ganze Interview im Web-TV: www.schweizer-illustrierte.ch oder www.swisscanto.ch/multimedia

SWISSCANTO GREEN LOUNGE NACHHALTIGKEIT Als Fondsanbieter der Kantonalbanken fühlt sich Swisscanto der Nachhaltigkeit verpflichtet. In der Green Lounge gibt Swisscanto verschiedenen Organisationen Gelegenheit, sich zu präsentieren und ihr Engagement für Nachhaltigkeit bekannt zu machen. Mehr über Nachhaltigkeit bei Swisscanto: www.swisscanto.ch/nachhaltigkeit

Foto: Geri Born

GRUEN: Judith Ellens, der Verein Eaternity setzt sich für klimafreundliches Essen ein. Was ist das? Klimafreundlich sind Nahrungsmittel, die bei ihrer Produktion möglichst wenig CO² verursachen, also saisonales Obst und Gemüse, Erbsen, Linsen, Getreide, Nüsse. Klimaschädlich sind Fleisch und Käse. Sie sagen, dass der CO²-Ausstoss durch klimafreundliches Essen um die Hälfte reduziert werden kann. Wie geht das? Mindestens 20 Prozent der konsumbedingten Treibhausgase in der Schweiz werden durch die Produktion, die Herstellung und den Konsum von Lebensmitteln verursacht. Das sind mehr als zwei Tonnen CO² pro Person und Jahr. Wir haben konkrete Berechnungen durchgeführt und mit Köchen zusammengearbeitet. Wichtig ist die geschickte Wahl der Zutaten, dann kann man sehr klimafreundliche und leckere Menüs zusammenstellen. Herr Klarmann, Sie berechnen pro Mahlzeit das CO²-Äquivalent. Wie funktioniert das? Dafür schaut man den ganzen Lebensweg eines Produktes an, also die verursachten Emissionen, die durch den Energie- oder Benzinverbrauch bei Anbau, Transport, in der Verarbeitung und für den Konsum ent-


GRUEN MONEY

Legate: Spenden über den Tod hinaus Organisationen mit hehren Zielen leben von Spenden. Wer auch nach dem Tod etwas für seine Überzeugung tun will, macht ein Legat.

Text: Monique Ryser Über 30 Milliarden Franken werden in der Schweiz jährlich vererbt. Der grösste Teil davon geht an die gesetzlichen Erben. Denn: Blutsverwandte haben ein verbrieftes Recht, mindestens einen Teil des Erbvermögens zu bekommen. Allerdings haben Erblasser daneben auch das Recht, Personen oder Organisationen zu begünstigen, die ihnen am Herzen liegen. Die Stiftung Zewo (schweizerische Zertifizierungsstelle für gemeinnützige, Spenden sammelnde Organisationen) erhebt eine jährliche Spendenstatistik der 418 angeschlossenen Organisationen. Daraus geht hervor, dass 2010 zwölf Prozent oder rund 120 Millionen Franken als Legate in die Spendentöpfe geflossen sind. Oft werden Legate von (sehr) vermögenden Personen gemacht, aber auch von Menschen, die keine gesetzlichen Erben haben. Hilfswerke oder gemeinnützige Organisationen sind froh um Legate in jeder Grössenordnung. Vermehrt werden denn auch Veranstaltungen für ältere, treue Spenderinnen

Bei einem Legat kann erwähnt werden, wie das Geld ausgegeben werden soll.

und Spender organisiert. Dabei wird die Möglichkeit der Erbschaft an wohltätige Werke erläutert. Will man seiner bevorzugten Organisation aus der Erbschaft eine letzte Spende vermachen, lohnt es sich, sich gut zu informieren und gewisse Regeln zu beachten. In jedem

Foto: Getty Images

LEGATE FÜR MENSCH UND NATUR BIOVISION Der Insektenspezialist Hans Rudolf Herren hat in den Achtzigerjahren mit seiner biologischen Bekämpfung eines verheerenden Insektenschädlings im Maniok Millionen von Menschen in Afrika vor dem Hungertod gerettet. Die Stiftung Biovision hilft mit biologischen Massnahmen, Hunger und Armut zu bekämpfen. www.biovision.ch

SRK Das Schweizerische Rote Kreuz gehört zur weltweiten Rotkreuzbewegung und ist bei Katastrophenfällen im Ausland am besten vernetzt. Es leistet Not- und Aufbauhilfe und unterstützt Gesundheitsprojekte. Im Inland sorgt das SRK unter anderem für den Blutspendedienst, den Fahrdienst für Betagte und leistet Hilfe für Migranten. www.redcross.ch

WWF SCHWEIZ Der WWF will die weltweite Zerstörung der Umwelt stoppen und eine Zukunft gestalten, in der Mensch und Natur in Harmonie miteinander leben. Er setzt sich ein für Biodiversität, Artenschutz und für eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen. Der WWF ist breit in Politik und Wirtschaft vernetzt. www.wwf.ch

Fall müssen Wunsch und Summe in einem gültigen Testament niedergeschrieben werden. Martina Ziegerer, Geschäftsleiterin der Zewo, rät auch, mit dem betreffenden Hilfswerk Kontakt aufzunehmen. «Dabei kann genau besprochen werden, wie das Geld eingesetzt werden soll. Gibt man schriftlich zu detaillierte und zu enge Vorgaben, ist es für das Hilfswerk später oft schwierig, das Geld zu verwenden, da sich Verhältnisse ändern können», erklärt sie. Denn: Die Begünstigten müssen sich in jedem Fall an die Wünsche des Erblassers halten. Eine Zweckbindung, wie das Geld ausgegeben werden soll, kann, muss aber nicht erwähnt werden. Wichtig ist auch, abzuklären, ob die Organisation, die in den Genuss des Geldes kommt, als wohltätige Organisation gilt. Nur dann ist sie nämlich von der Erbschaftssteuer befreit. Ansonsten müssen, je nach Betrag, bis zu einem Drittel des Erbes an Steuern bezahlt werden. Die meisten Hilfswerke und Organisationen haben Merkblätter zum Thema Legate verfasst. So auch die Zewo, die Hilfestellung geben will, damit der Wunsch des Erblassers erfüllt wird und nicht an einem juristischen Fallstrick scheitert.

Organisationen mit Gütesiegel www.zewo.ch Rechtliche Grundlagen fürs Testament www.ch.ch (Persönliches/Todesfall)

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GRUEN SHOPPING

Die grüne Shoppingliste Trotz Wetter-Kapriolen zwischen Gluthitze und Regenstürmen – es bleibt kulinarisch konstant fruchtig, scharf und lokal. Ob im Garten oder in der Badi: Sommer, du bist willkommen!

Redaktion: Eva Bünter

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FÜR LECKERE COCKTAILS

IM GARTEN SERVIEREN

MACHT KINDER FROH

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FEUERSTELLE IM GEPÄCK

GARTEN-BIBEL

SÜSSES AUS DEM GLAS

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SCHUTZ-BEUTEL

HAUT- UND UMWELTSCHONEND

SOMMERLICHES HÜNGERCHEN

2 cl Bio-Kokosnussmilch plus je 8 cl Ananasund Orangensaft, und fertig ist der Virgin Colada. Coop Naturaplan, 200 ml CHF 3.20

Fast schon ein Klassiker: Rucksack-Grill von der Stiftung Brändi aus rostfreiem Edelstahl. www.braendi-shop.ch, CHF 49.90

Aus rezyklierten afrikanischen Anzeigebannern und in Handarbeit hergestellte iPhoneHülle. Stark limitiert! Manor, CHF 9.90

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Die Bambusschale aus Vietnam macht als Servierbrett oder Schale eine gute Falle. In drei Farben, Helvetas, CHF 32.–

Die eigene Gemüseabteilung vor der Haustür: eine Anleitung für Hobbygärtner und Selbstversorger. Christian Verlag, CHF 39.90

Feuchtes Toilettenpapier von Duckies. Sorgt für ein sauberes Füdli und ein gutes Gewissen. Biologisch abbaubar. Volg, CHF 3.30

Bären-Family für süsse Fruchterlebnisse. Fruchtgummi ohne Gelatine und aus FairTrade-Produktion. Claro, 100 g CHF 2.90

Mit Erdbeeren aus dem Luzerner Seetal zaubert der Familienbetrieb Räber die fruchtige Amselspitz-Konfi. Globus, 320 g CHF 6.40

Ohne Bio-Grillbrot kein Brätliabend! Kleine Portionen, leicht zu brechen und mit neuer Rezeptur. Coop Naturaplan, 450 g CHF 3.95

Fotos: Paul Seewer, Inge Jurt, zvg

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Einkaufen www.monogranofelicetti.com www.fairshop.helvetas.ch www.manor.ch www.shop.speiselift.com www.claro.ch www.bioladen-


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SONNENSTRAHL IM HOSENSACK

Da geht ein Licht auf! Die LED-Solartaschenlampe sorgt für eine umweltfreundliche Beleuchtung. Im WWF-Shop, CHF 24.90

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FÜRS REGENWETTER

Kräutertee Waldbeere aus Hibiskus, Minze und Erdbeerscheiben. Wiederverschliessbar. Drogerien und Apotheken, 65 g CHF 12.80

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FAIR-TRADE-FRUCHTBOMBE

Der Max-Havelaar-Orange-PassionsfruchtSirup sorgt mit sommerlich-frischen Drinks für eine gute Stimmung. Migros, 50 cl CHF 4.90

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NASCHKATZE UND BÜCHEREULE

Naschen, Spiel und Spass: Bio-Guetsli und Geschichten auf Deutsch und Englisch. Handgemacht. www.speiselift.com, 150g CHF 6.90

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FEINES GAUMEN-FEUER

Das Paranussbrot mit getrockneten Tomaten ist gluten- und milchfrei. Dafür schön pikant. Im Bio-Geschäft, 100 g CHF 8.70

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BIERGARTEN ZU HAUSE

Der wetterfeste Gartentisch Felicia aus Robinienholz ist FSC-zertifiziert und leicht zusammenklappbar. Bei Pfister, CHF 299.–

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GRIECHISCHER GENUSS

Das gibt den Salat: Bio-Fetawürfel, würzig mariniert. Geniessen ohne Euro-Sorgen. Coop Naturaplan, 90 g CHF 3.95

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HERZIGER SONNENSCHUTZ

Das Buben-T-Shirt «Bär» lädt Schleckmäuler zum Kleckern ein. Faire Produktion und BioBaumwolle. www.zwazo.ch/shop, CHF 29.–

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FEURIG AUFGEPEPPT

Das Bio-Paprika-Gewürz edelsüss gibt den Gerichten und Grilladen auch im Sommer eine Extraportion Pfiff. Migros, 40 g CHF 1.75

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KULINARISCHE SCHRAUBE

Wie bei «la Mamma» schmecken die BioFusilloni von Monograno. Produziert in Italien. Bio-Geschäft, 500 g CHF 5.90

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SÜSS MIT EINER PRISE SCHARF Schweizer Schoggi mit einer scharfen Überraschung! Das Jungunternehmen Taucherli aus Zürich produziert in Handarbeit eine dunkle Bio-Schokoladentafel mit «anregend scharfen» Ingredienzen wie Chili und Fleur de Sel. Alle Zutaten kommen aus fairem Handel, selbst die Etiketten sind auf FSC-Papier gedruckt. Ein Teil der Kunden wird per Velo und ÖV beliefert, und sonst kommen die Bio-Taucherli-Tafeln, die es auch weiss oder als Milchschokolade gibt, per Post. www.taucherli.com, 100 g CHF 7.90

paradiesli.ch www.pfister.ch www.shop.wwf.ch www.christian-verlag.de Labels www.maxhavelaar.ch www.fsc-schweiz.ch

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GRUEN

Impressum Leitung GRUEN /Verlagsdirektor Urs Heller Mitglied der Chefredaktion Monique Ryser Redaktionsleitung Barbara Halter Mitarbeit Edith Arnold, Eva Bünter, Sylvie Kempa, Kristina Köhler, Anita Lehmeier, Nina Lienhard, Oskar Marti, Lisa Merz, Peter Ruch, Martina Russi, Nina Siegrist, Jürg A. Stettler, Christine Zwygart

ANITA LEHMEIER

DIE GRUEN-KOLUMNE

Himmlisch parkieren

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Grafik / Produktion Fabienne Rodel (Leitung / Layout) Mathias Bader (Infografik) Doris Wüthrich (Satztechnik) Design Beling Thoenen Design Bildbearbeitung Ringier Redaktions-Services Korrektorat Alex Hansen, Andrea Leuthold, Marco Morgenthaler Verlag der Ringier-Zeitschriften Dufourstrasse 23, 8008 Zürich Telefon 044 259 61 11 Fax 044 259 68 44 gruen@schweizer-illustrierte.ch

„Higgs, Gottesteilchen, Antimaterie – ich verstehe nur Bahnhof.“ Automobilisten wehklagen. Täglich brauchen 4,2 Millionen Schweizer Personenwagen einen Platz zum Ruhen. Und Platz ist, neben Zeit, das letzte Luxusgut unserer Tage. Vielleicht gelingt es dem Cern demnächst, die Ausdehnung des Alls auf Parkplätze zu transformieren oder Autos, wenn sie stehen (96 Prozent der Zeit!), in Antimaterie zu verwandeln oder hochzubeamen. Bis es so weit ist, bietet sich eine Teilchenlösung an, für die man kein Einstein sein muss, um sie zu kapieren. Die Formel ist viel simpler, eleganter und kürzer als Einsteins E = mc². Sie heisst ÖV. Man steigt ein, wenn der Wagen vorfährt; man steigt aus, und der Wagen fährt weg. Parkieren tun ihn dann andere. Himmlisch logisch, oder?

Das Cern http://public.web.cern.ch Peter Higgs www.ph.ed.ac.uk/higgs

Marketing Verena Baumann Druck Swissprinters AG 4800 Zofingen Telefon 058 787 30 00 Papier Inhalt: Furioso matt, FSC-zertifiziert, 80 g/m2 Umschlag: WFC, matt gestrichen, FSC-Mix, 200 g/m2

Foto: Christian Hug

Herrje, war das eine Aufregung! Die ganze Welt blickte nach Genf und jubelte. Ein Weltwunder! Ein grosser Schritt für die Menschheit, vollbracht in unserem kleinen Land: Im Kernforschungszentrum Cern in Genf fand man das HiggsTeilchen. Mit diesem Winzling will man nichts weniger als das Universum neu erklären. Wir hätten damit, so die frohe Botschaft, unbekannte Ufer erreicht, die vielversprechendsten, seit Kolumbus Amerika betreten hat und Neil Armstrong den Mond. Das epochemachende Fundstück bekam gleich eine eingängige Metapher verpasst, einen Kosename sozusagen: das Gottesteilchen. Das Gottesteilchen? Dies liess den Vatikan sicher aufhorchen. Es muss für die Herren dort noch besser klingen als das Turiner Grabtuch; eine erste virtuelle Reliquie quasi! Ein profaneres Gemüt wie unsereins denkt: Na ja, muss es gleich Gott sein? Hätte eine Nummer kleiner nicht gereicht? Einfach der bürgerliche Name Higgs? Gott ins Gespräch gebracht haben die klugen Köpfe im Cern, die winzige Dinge durch riesige Röhren jagen und den Schöpfungsplan entschlüsseln. Diese Ghostbusters des Mikro-Zeitalters, die mit Atomen und Antimaterie rummachen. Aber egal, ob die Entdeckung nun HiggsBoson oder Gottesteil heisst: Ich verstehs nicht. Gar nichts. Nicht mal ansatzweise. So etwas wie «Antimaterie» dürfte ich nicht mal schreiben, denn ich habe nicht den leisesten Schimmer, worum zum Teufel es überhaupt geht. Mein Trost: Ich bin nicht allein. Im schwarzen Anti-Erkenntnisloch stecken ausser den Geistesgiganten im Cern, einigen Nuklearforschern, Quantenphysikern und Nobelpreisträgern wohl alle. Also etwa 99 Prozent der Menschheit. Uns

Bildredaktion Susanne Märki (Leitung) Roger Hofstetter

plagen ganz andere Sorgen. Unsere Entdeckerlust kreist weniger um die Weiten des Alls als vielmehr um zweieinhalb mal fünf Meter irdischer Fläche. So gross ist ein Parkplatz hierzulande. Vor allem in Städten sind Parkplätze ein höllisches Problem. Es erscheinen deren Kosten und der Mangel vielen Autofahrern wie eine Strafe von oben, so hart und willkürlich wie einst die biblischen. Es stöhnen unter den astronomischen Kosten all jene, die ihr Auto etwa mitten in Zürich, unter der Sechseläutenwiese, abstellen. Die Tarife des neuen Opera-Parkings und anderer städtischer Auto-Schlafplätze lassen Heerscharen von


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