Murzarella für alle, die immer schon mal wissen wollten, was eine „Bauchsängerin“ ist. Den „Club Mix“ gibt‘s fünf Tage später, und am 30. November ist „Desimo Solo“ angesagt. Die Initiative „Theater für Hannover“ scheint ein Beleg für die Bereitschaft zur Solidarität zu sein. „Das hat hier schon Tradition“, bestätigt Schmitz, und Desimo weist darauf hin, dass dergleichen durchaus nicht selbstverständlich ist: „In anderen Städten gibt es eine große Konkurrenzsituation zwischen zwei oder drei Bühnen. Wenn du in einer auftrittst, bist du für die anderen gestorben.“
Kabarettist Matthias Brodowy Foto: Thomas Rodriguez
Fotos (Hintergrund): Sharon McCutcheon on Unsplash
Geschäftsführer Jan-Hendrik Schmitz führte zu greifbaren Resultaten. Durch Vermittlung des hannoverschen Kulturbüros kamen verschiedene Örtlichkeiten ins Spiel, unter anderem die Münchner Halle der Messe und das HCC. Letztlich fiel die Entscheidung auf den Großen Saal des Kulturzentrums Pavillon. Solidarität statt Konkurrenz Das hat viel für sich. Die benötigte Infrastruktur ist vor Ort vorhanden, und der Pavillon hatte seinerseits große Veranstaltungen verschieben müssen: „Dadurch waren bei uns Kapazitäten frei geworden“, sagt Geschäftsführerin Susanne Müller-Jantsch. Nicht zuletzt hat das Haus eine lange Tradition in Sachen Kleinkunst und scheint daher für entsprechende Veranstaltungen besonders geeignet. Das Projekt „Theater für Hannover“ war geboren, den Kleinkünstlern stehen nun rund 200 Plätze zur Verfügung, und sie sind der prekären Situation enthoben, vom Frühjahr in den Herbst verschobene Programme ein weiteres Mal verlegen zu müssen. Im September ging‘s los, weitere Termine stehen inzwischen fest. Am 6. Oktober tritt Matthias Brodowy mit Band auf und bekommt den Kabarett-Preis „Gaul von Niedersachsen“ verliehen. Das weibliche Music-Comedy-Duo „Suchtpotenzial“ will am 15. laut Programmtitel für „Sexuelle Belustigung“ sorgen. Desimos Spezial Club präsentiert am 21.
Hilfe zur Selbsthilfe Dr. Benedikt Poensgen, Leiter des hannoverschen Kulturbüros, hat auch schon in anderen Zusammenhängen die Erfahrung gemacht, dass man in Hannovers Kulturszene gerne kooperiert: „Zum Beispiel als wir uns 2014 beworben haben, als ,City of Music‘ ins UNESCO Network aufgenommen zu werden. Die Musikhochschule, Hannover Concerts, der NDR – die unterschiedlichsten Institutionen haben sofort mitgemacht. Es gibt hier tatsächlich eine große Bereitschaft, einen gemeinsamen Weg zu gehen.“ Und sieht Poensgen Gründe für solch ausgeprägtes Zusammenwirken? „Das kann mit der Größe der Stadt zu tun haben. Und vielleicht mit der jüngeren Geschichte: Nach dem Zweiten Weltkrieg musste sich Hannover sozusagen neu erfinden. Das hätte gar nicht funktioniert, wenn man nicht aus allen Bereichen aufeinander zugegangen wäre. Andernorts gab es Strukturen, die schon seit Jahrhunderten gewachsen waren und nach wie vor bestanden.“ Das Kulturbüro hat dem Projekt „Theater für Hannover“ 40.000 Euro zur Verfügung gestellt. Als Anschubfinanzierung: „Wir wollen“, sagt Poensgen, „das Projekt unterstützen, um den Kleinkunstveranstaltern eine Basis dafür zu schaffen, selbst Gelder zu erwirtschaften.“ Natürlich bleibe auch die Stadt ihrerseits am Ball: „Aber da müssen wir in erster Linie abwarten, was sich aus dem geplanten Förderprogramm des Bundes ergibt.“ Überhaupt: Wie soll es weitergehen? Vorerst plant man bis Dezember, aber natürlich ist es sinnvoll, über den Jahreswechsel hinauszudenken. Der Pavillon ist jedenfalls für Gespräche über eine Ausweitung des Programms offen: „Wir denken da an freie Theater oder Musikclubs, die auf uns zukommen können“, sagt Susanne Müller-Jantsch. Die Veranstalter müssen den Spagat hinbekommen, die eigenen Spielstätten nicht vollkommen außen vor zu lassen: „Ab November wollen wir auch wieder im TAK Veranstaltungen zeigen“, betont etwa Schmitz. Und bei aller Freude über die gezeigte Solidarität ist die Politik nach wie vor gefordert. Matthias Brodowy hat jedenfalls zweifellos recht, wenn er konstatiert: „Ein Land ohne Kultur ist ein trostloses Land. W nobilis 10/2020
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