anger 1982, 30 years of advanced technology

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THECUTTINGEDGE

2012

30 Jahre

erz채hlt von 30 Zeitzeugen.


Klaus Dirnberger

Prof. Dr. Ing. Eberhard Abele, Roland Andersson, Norbert Anger, Werner Bramhas, Fritz Buchenroth. Heinz Bürgstein, Karl Dorn, Joachim Eisenhut, Hans Gattringer, Roland Haas, Klaus Haberzettl*, Brian Harlow, Johannes Hartlieb, Ing. Herbert Haslinger, Ewald Kowanda, Harald Kugler, Bernd Lechner*, Judith Lindtner-Fontano, Jürgen Malburg, Dr. Norbert Nagele, Dr. Josef Pühringer, Wolfgang Ratzesberger, Bernhard Sagmeister, Anneliese und Arnold Schmied, Eberhard Schmid, Dr. Andreas Szigmund, Hadi Taam, Johannn Toth, Dirk Weihrauch, Ernst Weinheimer, Hans Wiesinger, Prof Dr. Ing. Michael Zäh, Hermann Zauner*, Ernst Zemsauer (Und sollten Sie Ihrem Zählzwang folgen, so sind es mehr als dreißig Namen. Im Falle der Familie Schmied oder bei den Investoren geht es um ein Ereignis, aber es sind eben manchmal zwei oder drei Personen, die an einem Strang zogen.) * ohne Abbildung

Dietmar Bahn


30 Jahre

erzählt von 30 Zeitzeugen.

Seit Ende Oktober sind es nun sieben Jahre, die Klaus Dirnberger und Dietmar Bahn – Letzterer kam

etwas später – das Unternehmen führen. Biblische Jahre könnte man sie nennen – aber nicht sieben magere Jahre, auf die sieben fette folgen, sondern beides zugleich. So empfindet es Klaus Dirnberger: „Diese Jahre waren mager und fett! Mager, weil ANGER MACHINING durch tiefe Krisentäler musste. Zeiten des Sparens liegen hinter uns, die aber auch Zeiten des Aufbaus waren. Fett, weil ANGER MACHINING seit dem ersten vollen Jahr nach unserem Einstieg eine knappe Versiebenfachung der Betriebsleistung geschafft hat und nun seit Jahren Geld verdient. Und die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sich verdoppelt!“ „Maschinen, Technologie, Innovation, Perfektion,“ ergänzt Dietmar Bahn, „das alles hat auch ein Gesicht - oder besser: Es hat viele Gesichter. Es stehen Menschen hinter jedem der Ereignisse, Menschen, die mit ihrem persönlichen Einsatz die positive Entwicklung des Unternehmens beeinflussen und mitgestalten!“ Das ist die Idee hinter diesem historischen Rückblick: 30 Jahre erzählt von 30 Zeitzeugen. „Die erfolgreiche Entwicklung unseres Unternehmens hat ihren Ursprung in der Veränderung. Es ist Tradition bei ANGER MACHINING, neue Wege zu gehen, neue technische Lösungen zu suchen, um die industrielle Fertigungsproduktivität immer wieder ein Stück voranzubringen!“ Diese Aussage unterschreiben beide – Dietmar Bahn und Klaus Dirnberger.


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Michael Jackson präsentierte „Thriller“ und ahnte wohl noch nicht, dass es sich bald um das meistverkaufte Album der Musikgeschichte handeln würde. Und alles andere als ein Thriller wurde das Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und Österreich für die FußballWM in Spanien. Österreich verlor 0 : 1 und qualifizierte sich. Das Spiel erhielt sogar einen Namen, der je nach Standpunkt „Nichtangriffspakt von Gijon“ heißt, oder eben „Schande von Gijon“. Erwähnen sollte ich noch, dass ich mit 30 Personen sprach. Es handelt sich um jene 30 Menschen, die in den letzten 30 Jahren den größten Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens hatten. Einer davon ist der Landesvater, Dr. Josef Pühringer, Oberösterreichs Landeshauptmann. Er ist gebürtiger Trauner und kann in der Geschichte weiter zurückgehen. Er kannte Wilhelm Anger, den Vater von Anton. Wilhelm und sein Vater waren gute Freunde. Der Landeshauptmann erinnert sich an die Anfänge, an den Aufbruch: „Viennaline – die Brillen – das war bereits eine ganz große Sache!“ Und natürlich hat Josef Pühringer als Trauner die großen Veränderungen und auch den Aufstieg von Anger nicht nur miterlebt, sondern auch ständig verfolgt.

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„Der alte Wotan, der mit einem Stab durch die Welt geht – das ist für mich Anton Anger ...“ „ ... wie der Wotan durch 1000 Verträge gebunden! Wotan, der im Staatengefüge nach jenem sucht, der frei ist – Siegfried eben – das ist die Person Anton Anger!“ Das sagt Dr. Norbert Nagele, ein wohl sehr bedeutender Rechtsanwalt in oberösterreichischen Landen. Sie sind alte Weggefährten. „Trotz seiner verschlossenen und mitunter leicht zynischen Art war er mir von Anfang an sympathisch – aus bestem sudetendeutschen Holz geschnitzt!“ Dieser Anfang, das war der Bau einer Brillenfabrik in der Sowjetunion. So hieß das noch vor 30 Jahren. Auch schon Geschichte. Es war eine Kooperation mit der VOEST Alpine, damals übrigens noch unter der

Die Geschichte beginnt 20 Jahre vor der Entdeckung Amerikas. Dabei feiert ANGER MACHINING gerade das 30. Jahr seit der Gründung. Und Gründungen beginnen mit einer Anschrift: Zaunermühlstrasse. „Seit 1472 wurde hier bereits eine alte Bauernlohnmühle betrieben,“ erzählt Hermann Zauner, „und seit 1876 trägt die Mühle unseren Namen!“ Das Jahr zuvor wurde | Die Zauners | sie in eine Handelsmühle umgewandelt, eine Landwirtschaft Jahrzehnte gute kam dazu und es entstand der klassische Vierkanthof. Was Nachbarschaft kaum jemand weiß: In unmittelbarer Nachbarschaft von ANGER MACHINING befindet sich ein Naturparadies. Abgeschottet von einem Fichtenwald, von einem Mühlbach begrenzt, mit einem Teich und altem Baumbestand. Rehe leben hier und auf den Wiesen blühen Pflanzen, wie sie einmal typisch waren in der Umgebung von Traun. ANGER MACHINING war eines der ersten Unternehmen hier am Stadtrand. Und direkt neben dem neuen, erst 2012 erweiterten und modernisierten Bau des Werks Traun von ANGER MACHINING steht jener kleine Fichtenwald. Und dahinter steht eine alte Mühle. Und unweit davon entfernt ziehen Rehe im Frühjahr ihre Kitze auf. „Wenn mich jemand fragt, was ich bin, dann sage ich: Verbesserer!“ beschreibt Anton Anger sich selbst, „wann immer ich mir Bearbeitungslösungen angesehen habe, stellte ich mir zuerst die Frage: Was kann man verbessern? Immer wieder wurde mir bewusst, was in den Prozessen sehr umständlich abläuft. Nach dem Motto: Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht! Und das habe ich eben immer verbessert!“ „Mag schon sein, dass er sich so sieht,“ sagt Heinz Bürgstein dazu. Er ist seit 29 Jahren bei ANGER MACHINING. „Verbesserer? Nein – da ist er schon sehr bescheiden. Er hat mehr als nur verbessert. Und was mich am meisten beeindruckt: Er war immer bereit, sich selbst zu verbessern. Ich habe erlebt, wie ein nicht mehr ganz junger Mann, der ein langes Leben lang am Zeichenbrett gearbeitet hat, konstruiert hat, wie dieser Mann lernte, mit CAD zu arbeiten. Dieser Umstieg ist eine ganz besonders große Leistung!“ Anton Anger gründete das Unternehmen in dem Jahr, als sich ABBA auflöste. Und als Argentinien die Falklandinseln besetzte, die zu Großbritannien gehören.

1984 AFA – Außenfräsautomat 1. Reihenmaschine

„Ich bin froh, dass aus dem ehemaligen Brillenerzeuger nun ein Unternehmen gewachsen ist, das in der weltweiten Automobilindustrie eine so bedeutende Rolle spielt.“ Wir plaudern dann noch über die Automobilindustrie, die Bedeutung Oberösterreichs als Heimat vieler bedeutender Zulieferer. Und auch über die Details, wie etwa die enorme Bearbeitungspräzision zum Beispiel in der Getriebeherstellung. Der Landeshauptmann kennt sich aus in diesem Metier.

1986-1988 AFA - Außenfräsautomat

1986 – 1988 IFA - Innenfräsautomat

Leitung des legendären Heribert Apfalter. Dr. Nagele war ein junger Anwalt, der das Projekt begleitete und Berater von Anton Anger wurde. Es ging um die Finanzierung, eine ganz große Sache für Anger, ein mehrfacher Jahresumsatz damals. „Und es ist auch gut über die Bühne gegangen!“, wie sich Dr. Nagele erinnert. Und dann sagt er, was ich schon öfter hörte: „Kaufmann ist er keiner!“ Nein, das ist er wohl nicht. Und das mit dem sudetendeutschen Holz, das bedarf auch noch einer

BJ: 1986 – 1988 BFA - Bügelfräsautomat

1988/1989 AFA –Außenfräsautomat


Erklärung: „Das sind die Menschen, die gut ausgebildet sind, strebsam, fleißig – und dann mit dem, was sie am Leibe trugen in der Fremde ankamen, aber trotzdem nicht verzweifelten und sich nicht aufgaben!“ Das meint Dr. Nagele mit dem „Holz“, das er auch schon bei anderen Klienten gesehen und schätzen gelernt hat. Dr. Lux sollte hier noch erwähnt werden, der mit den beiden Söhnen Angers in die Schule ging und nun seit Jahren das Unternehmen betreut. Ach ja – und dann dieser Hinweis auf Richard Wagner: „In diesem Genre fühlt er sich wohl!“ Natürlich war Anger schon in Bayreuth – was für eine Frage! – und man kann ihn wohl als „Wagnerianer“ bezeichnen. Manchmal tauschten sie sich aus, der Anton Anger und der Norbert Nagele, wobei der Rechtsanwalt sich als Liebhaber sieht, nicht als Experte. Wie ist das jetzt, mit dem sudetendeutschen Holz? „Die Familie lebte im böhmischen Erzgebirge“, erzählt Anneliese Schmied zum Thema, „Wilhelm und Elisabeth Anger und ihre sechs Kinder!“ Anneliese Schmied ist die Schwester von Anton. Zusammen mit ihrem Mann Arnold baute sie Silhouette auf, die weltbekannte Brillenmarke. „Wir wohnten nahe dem bekannten Kurort Karlsbad. Mein Bruder Anton betätigte sich schon im Kindesalter mit allerlei technischen Dingen. Mit Vorliebe hielt er sich in der Garage bei unserem Chauffeur, einem vorbildlichen Techniker, auf. Es war daher kein Wunder, dass er schon mit zwölf Jahren einen LKW aus der Firma unseres Großvaters lenken konnte. Gegen Ende der Pflichtschulzeit entschloss sich Anton, die Staatsgewerbeschule Abteilung Maschinenbau in Komotau zu besuchen, schon nach kurzer Zeit war er einer der fähigsten Studenten!“ 1946 mussten die Angers – wie viele andere – ihre Heimat verlassen. „Nach kurzer Aufenthaltszeit in Ostdeutschland gelang es uns nach Bayern auszureisen“, erinnert sich Anneliese Schmied, „in Donauwörth war es möglich, Fuß zu fassen. Anton hatte Glück und bekam eine Lehrstelle im Maschinenbau der dortigen Maschinenfabrik. Seine Studienzeit in Komotau wurde ihm angerechnet. Mit sehr gutem Erfolg legte er seine Gehilfenprüfung ab. Anschließend arbeitete er in einem blechverarbeitenden Betrieb!“ Im August 1948 rief ihn sein älterer Bruder Wilhelm Anger schließlich nach Österreich. Willy, wie er in der Familie hieß, hatte in Bad Hall einen kleinen technischen Betrieb aufgebaut. Anneliese und Arnold Schmied arbeiteten bereits dort. „Anton war inzwischen ein anerkannter Techniker geworden. Er baute neue, erstklassige Spezialmaschinen und erntete viel Lob und Anerkennung. In unserer Firma „Silhouette“ werden auch heute noch Spezialmaschinen von Anton eingesetzt!“

ANGER MACHINING war 1989 eines der ersten Unternehmen hier am Stadtrand

„Die Maschinen mussten so konstruiert werden, dass sie nicht breiter als etwa 2,20 m waren, damit sie auch durch die Haustür passen!“ | Heinz Bürgstein | „Die Firma war eigentlich noch keine Fabrik, sondern ein Wohnhaus. Verwaltung oben, Produktion in Erdgeschoss und Keller, „Kann schon sein, dass der Lager unter dem Dachboden“, erinnert sich Anton zur einen Seite geschaut Ernst Weinheimer. Er war gerade 20, als hat und nicht zur anderen. er zu Anton Anger kam. Vor 23 Jahren. Und – „Die Maschinen mussten so konstruiert rumms – hat ihn werden, dass sie nicht breiter als etwa Gott überfahren!“ 2,20 m waren, damit sie auch durch die Haustür passen!“ Damals waren sie zwölf Mitarbeiter und die Atmosphäre war sehr familiär. Wobei Anton Anger ein Chef alter Schule war, der klare Hierarchien vertrat – außer am Heinz Bürgstein erinnert sich Wochenende, da machte er immer eine Wendung um schmunzelnd an ein Ereignis Ende der 180 Grad und wurde zum Kollegen, mit dem man über 1980er Jahre. alles reden konnte. „Da erzählte er schon mal, wo es in Linz den besten Würstelstand gibt!“ Diesen Tipp Anton Anger war in München gibt er nicht preis, aber gut erinnern kann sich Ernst unterwegs, als es zu dem VerkehrsWeinheimer noch an das Jahr 1990 und die Mailänder unfall kam. Karel Gott saß am Steuer Brillenmesse. des Autos, das ihn anfuhr. „Geflucht Damals gab es Maschinen, die zum Beispiel in einem hat der Anton“, erinnert sich Heinz Arbeitsgang die Fassungen für die Gläser ausfrästen. Bürgstein, „er lag wohl auch einige Zeit Und in einem zweiten die äußere Form. Anton Anger im Krankenhaus. Er hatte vor allem sah eine Chance darin, beide Prozesse miteinander zu verbinden. Mehr oder weniger über Nacht konstruierte er eine Fußverletzung, am Fersenbein – die Maschine um. Wir konnten beide Prozesse realisieren, da musste er lange Zeit auf Krücken das Innen- und Außenfräsen. Und damit gingen wir zur gehen. Aber im Krankenhaus hat Mailänder Brillenmesse!” er wohl über das Leben an sich Ernst Weinheimer ist seit 23 Jahren bei ANGER nachgedacht und ging die Dinge dann MACHINING, Heinz Bürgstein seit 29 Jahren und Karl gelassener an.“ Dorn seit 41. Durchaus eine erwähnenswerte Leistung zum 30. Geburtstag des Unternehmens. Karl Dorn ist Weggefährte von Anton Anger. Er begann mit Atelier Brillen – der Anton Anger GesmbH. „Es gab ja gleich mehrere Brillenhersteller, die aus der Anger Dynastie kamen”, erinnert sich Karl Dorn, „wie die Wilhelm Anger OHG, aus der Optyl wurde, und natürlich Silhouette!“ Es waren Werkzeuge, die Roland Andersson zu Anger Das Spannen der Werkstücke und in der Folge deren brachten. Mehrspindelköpfe von Hellmerich, die in den Bewegung zu den feststehenden Spindeln im Prozess, Maschinen bei Volvo in Schweden schon lang im Einsatz „das wurde schon 1984 das erste Mal angedacht. sind. Bei einer Präsentation wurde als Referenz auch Und auch realisiert, um die Prozesse zu beschleunigen!“ das Anger System gezeigt. Roland Andersson war sehr

Die Geschichte von der Blüte, die zur Biene kommt. 1984. Georg Orwell sah wohl nicht voraus, dass man eines Tages das Werkstück bewegen würde! An diesem Datum kann man die Idee von nun an festmachen. Eine historische Idee, sozusagen, von der zum Beispiel der Darmstädter Universitätsprofessor Prof. Dr. Ing. Eberhard Abele sagt: „Das ist mit Sicherheit die Zukunft. Man darf aber nicht übersehen, dass der klassische Maschinenbau und damit auch der klassische Produktionsplaner eine relativ konservative Haltung vertreten. Etwa 80 Jahre lang wurden in der Industrie immer nur die Werkzeuge gehandhabt und nie das Werkstück. Jetzt kommt jemand, der plötzlich auch das Werkstück handhabt.“ Der Wissenschaftler ist Leiter des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt. Für Roland Andersson, derzeit bei Volvo in China, war es genau dieses Prinzip, das ihn ANGER MACHINING entdecken ließ. In Kürze werden erstmals sogar Motorblöcke bearbeitet. „Das Anger Prinzip faszinierte mich“, erzählt Roland Andersson. Dieses System ermöglicht einen kürzeren Prozess, es ist zwar nicht ganz so flexibel wie ein BAZ, aber eben wesentlich produktiver – eine Anforderung, die bei einigen Teilen erforderlich ist – wie zum Beispiel bei Kurbelgehäusen oder Zylinderköpfen!“

überrascht, denn er erinnert sich, das er diesen Ansatz bereits bei einem schwedischen Maschinenbauer sah, der „dieses äußerst interessante Prinzip aber letztlich nicht in den Griff bekam, weil sich die Spannvorrichtung als nicht ausreichend stabil erwies.“ „Eine Maschine, die den komplexen Prozess in nur einer Aufspannung erledigen kann!” das interessierte auch Herbert Haslinger von EVVA-Sicherheitstechnologie. Noch heute hütet er die Brille bzw. das Gestell, das vor seinen Augen gefräst wurde. „Ich war damals mit einem unserer Techniker auf dem Rückweg von einem anderen Termin in Ried und wir fuhren bei Anger vorbei – Na gut, dann schauen wir uns die Maschine halt einmal an!“ Sie sahen also die Maschine, ein Kunststoffstück wurde eingespannt und in 40 Sekunden war das Brillengestell mit Fassung und Nasenstück gefräst. „Ein sehr verblüffender Eindruck! Wir wollten bereits Maschinen in Italien bestellen, aber zogen die Bestellung sofort zurück. Meine größte Sorge war nur, dass die gesamte Schlossindustrie nun zugreift und der Markt überschwemmt wird, weil die Maschinen einen so wichtigen Schritt nach vorn bedeuteten – für EVVA! Aber glücklicherweise kam es nicht dazu!“ ...

„Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich!“ Anton Anger erinnert sich an die Reaktionen des Publikums, als er auf der Hannover Messe 1986 eine neue Maschinengeneration vorstellte. 1991/92 1. Sondermaschine

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Und dann war da noch die Geschichte mit der Extruder-Schnecke ...

denke, wir waren die Ersten, die an Anger glaubten!“ Der Weg war nicht ganz einfach, aber die beiden Männer verstanden sich. „Fast alles, was wir machten, beruhte auf Handschlag. Da war viel Pionierarbeit, wenn es aber um den Einkauf für ein börsennotiertes Unternehmen geht, dann kollidieren diese beiden Welten schon einmal.”

„Die Autoindustrie war aus meiner Sicht eine sehr logische Ausrichtung“, ist Norbert Anger heute noch überzeugt. „Mein Vater hatte Maschinen entwickelt, die sehr präzise Teile in hohen Stückzahlen fertigen können. In der Autoindustrie gibt es diese Serienfertigung und ebenso den Anspruch an hohe Präzision. Es war nur logisch, den wertvollsten Sektor zu nehmen und dort weiter zu entwickeln!“ So ergab sich die Autoindustrie als die logische Kernzielgruppe für Damals gab es Maschinen, die die Maschinen von Anger. zum Beispiel in einem Arbeitsgang die Und das klappte schon zu Beginn sehr erfolgFassungen für die Gläser ausfrästen. reich – im Volkswagen Und in einem zweiten die äußere Form. Getriebewerk in Kassel oder bei Daimler beim Mehr oder weniger über Nacht NAG 1 Fünfganggetriebe. konstruierte Anton Anger die Maschine um. Wir konnten beide Prozesse realisieren.

Auch eine Entwicklung von Anton Anger. In der Werbung eines Maschinenherstellers hieß das damals: „Das ist nicht komisch. Sondern konisch!“ Hans Gattringer weiß davon zu berichten. Der Wirtschaftstreuhänder gehört auch zum Kreis jener, die schon länger in Kontakt sind mit dem Namen Anger als „nur“ 30 Jahre. Schon als

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Lehrling in einer Beratungskanzlei hat Hans Gattringer Bilanzen für Anton Anger erstellt. Ab 1982 war er dann dabei – bis heute. Dieser Neuanfang 1982 „war eher bescheiden“ – wie schon von anderer Seite vernommen. Einmal hörte Hans Gattringer, wie jemand über Anton Anger sagte: „Er ist eine Forschungseinrichtung mit angeschlossener Werkstatt!“ Für ihn stand die technische Entwicklung immer im Vordergrund – was nicht ganz einfach ist für einen Wirtschaftstreuhänder, der ständig feststellen muss, dass „die wirtschaftliche Seite bestenfalls aus den Augenwinkeln heraus betrachtet wird!“ Und dann kam es zu dem kleinen Erlebnis Mitte der 1990er Jahre. Hans Gattringer war im Auftrag eines US-amerikanischen Unternehmens in Kanada, um eine Due Diligence durchzuführen. Sein Klient wollte ein Unternehmen in der Kunststoffindustrie kaufen. Im fernen Kanada hörte Gattringer dann, dass die Keimzelle der Extruder-Technologie auf Traun in Österreich zurückgeht. Es beeindruckte ihn sehr, dass die Kanadier so genau wussten, woher die Technologie ursprünglich stammte – die konische Extruderschnecke.

Die Söhne übernehmen. Norbert und Gerhard, die beiden Söhne von Anton Anger übernahmen 1998. „Plötzlich gab es statt 12.000 Beschäftigten in der deutschen Brillenindustrie nur noch 1000!“ erinnert sich Norbert Anger. In Deutschland und Österreich schrumpfte die Brillenindustrie. „Entscheidend für den Wechsel von Kunststoff zu Metall war vor allem ein Auftrag der Unitech,“ erzählt er dann, „nach den Maschinen für die Festplattengehäuse für Ericsson folgten die für das Kirchdorfer Unternehmen. Mit dieser Referenz führte der Weg zu Bosch – und hier nicht zu Werkzeugen, sondern mit Einspritzdüsen in den AutomotiveBereich.“ Daran erinnert sich auch Ernst Zemsauer, der heute Unternehmensberater ist. Damals war er für Produktion, Organisation und Materialbeschaffung bei der Unitech zuständig. Ihn faszinierte die Technologie zur Hochgeschwindigkeitsbearbeitung, wie sie Anton Anger für die Kunststoffbearbeitung entwickelt hatte. Er fragte sich, ob das nicht auch für die Aluminiumund Magnesiumbearbeitung möglich sei. Anton Anger dachte wohl schon an diese Option und Ernst Zemsauers Überlegungen wurden nun ein weiterer Auslöser. „Ich

„Eine neue, bessere Maschine kann man nur bauen, wenn man mit den besten Komponenten beginnt, auf denen man aufbaut!“ Eine der wichtigsten Erfahrungen von Anton Anger ist, dass in der Industrie immer wieder Versuche mit mäßigem Material und unbefriedigenden Teilen unternommen werden. So hat er einmal an einer Präsentation an der TU Wien teilgenommen und sich nur noch gewundert, wie armselig die Teile waren.

„Wir suchten eine elegante Lösung ...“ „Damals in den Neunzigerjahren ging es um ein neues Getriebe – ein Automatik-Getriebe“, erinnert sich Jürgen Malburg von Volkswagen in Kassel, „wir brauchten eine eher kleine, sehr flexible Maschine für eine komplexe Bearbeitung. Wegen des Automatikgetriebes mussten wir gratfrei arbeiten – die Grate entfernen – was eigentlich sehr anspruchsvoll ist. Wir hatten damals verschiedene Lösungen mit BAZs auf dem Tisch, aber die Dinger waren viel zu groß, brauchten viel zu viel Energie. Wir suchten eine elegante Lösung. Ein Kollege gab mir den Tipp, doch mal bei Anger anzufragen. Ich kannte die Firma gar nicht! Anger hätte hochflexible Fräsmaschinen. Das interessierte mich – wir waren echt in der Bredouille –, die Maschinen, die wir geprüft hatten, waren Riesenkisten! Anton Anger und beide Söhne waren bei uns. Das Maschinenkonzept war sehr interessant, die Lösung gefiel uns – das einzige Problem war die Steuerung. Wir haben bei VW natürlich Vorschriften, und die elektrische Steuerung der Anger Maschine war von Franuc – bei VW war aber nur Siemens zugelassen. Das ging dann ein bisschen hin und her, aber dann dachte ich mir: Vorschrift hin, Vorschrift her – ich kann ja von Anger nicht verlangen, dass die eine Maschine konstruieren mit der von VW genehmigten elektrischen Anlage – und wir dann eventuell Einschränkungen bei der Funktionalität bzw. Performance der Anlage hinnehmen müssten. Und so haben wir die Anger Maschine durchgesetzt – mit einer Sondergenehmigung.“ Ach, Österreich! Es war so mancher Kampf, den das kleine Unternehmen führen musste, der oft einem Abenteuer glich. Es ist nicht ganz so einfach, als österreichisches Unternehmen in der deutschen Autoindustrie anerkannt zu werden. Hier war wohl auch ein wenig Schmäh notwendig. „Eine großartige Zeit“, erzählen die Söhne, „und es war oft auch ein riesiger Spaß mit den Mitarbeitern!“ Man hört ja immer wieder von Anlaufproblemen, wenn es um so völlig neue Maschinen geht, Herr Malburg? „Ach was! Ich kenne keine komplexe Maschine, die sofort losläuft – aufstellen, einschalten und los geht’s – das gibt’s nicht! Es müssen immer Optimierungsschleifen gefahren werden – das liegt ja nicht nur an den Maschinen, sondern auch an eigenen Problemen. Wenn spezielle Werkzeuge eingesetzt

werden und andere Anforderungen erfüllt werden müssen, geht das nicht anders. Optimierungsschleifen sind immer notwendig!“ Später zog Jürgen Malburg von Kassel ins Motorenwerk nach Chemnitz. „Dort habe ich auch drei Maschinen bestellt. Das waren bereits HCP. Hier hatten wir zu Anfang wirklich massive Probleme – das gehört eben manchmal dazu. Ständig kam Besuch aus Traun. Aber die Jungs bekamen die Probleme nicht in den Griff. Bis Anger dann einen genialen Prozessmenschen schickte, der die Taktzeiten optimieren sollte. Er hieß Leutgebweger. Ich erinnere mich noch gut, wie ich ihm die Maschinen zeigte und dann kurz darauf zurückkam und er sagte: „Ha! Ich hab’ schon 30 Sekunden geholt!“ Der hat die Taktzeiten optimiert und dann lief es. Volkswagen in Kassel. Mit 3 Millionen Getrieben pro Jahr eines der größten Werke seiner Art. Hier kreuzten sich die Wege von Roland Haas und Dirk Weihrauch. Frühjahr 2005: Dirk Weihrauch und sein Kollege KlausDieter Bommhardt – inzwischen im Ruhestand – suchten eine Lösung zur Produktion des Ober- und Unterkastens für das Mechatronik-Gehäuse eines vollautomatischen Getriebes. Es ging um das revolutionäre 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe DQ200. „Das MechatronikGehäuse ist sozusagen der Arm des Fahrers, der für ihn das Schalten übernimmt“, erläutert Roland Haas. „Die beiden VW-Techniker prüften verschiedene Anbieter und stießen dabei auf uns. Aber die HCP jener Jahre war einfach zu klein, sie würde die bei VW geplanten Kapazitäten nicht schaffen. Oder es wären einfach zu viele Maschinen notwendig gewesen. Zu dieser Zeit entwickelten wir eine Maschine, die viel höhere Kapazitäten schaffen sollte: die HCX. Es existierte allerdings nur ein Prototyp. Volkswagen entschloss sich, Early Adopter zu werden. So wurden in Kassel schließlich die ersten drei HCX in Betrieb genommen – mit 84 bzw. 86 Spindeln, 3 Teile, die parallel bearbeitet wurden!“ Ein Meilenstein für ANGER MACHINING, ein neuer Maschinentyp, der hier in den Produktionsprozess integriert wurde. Drei Teile mussten mit den parallel

| Prof. Abele | „Etwa 80 Jahre lang wurden in der Industrie immer nur die Werkzeuge gehandhabt und nie das Werkstück. Jetzt kommt jemand, der plötzlich auch das Werkstück handhabt.“ 1995/1996 HCS

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arbeitenden Maschinen abgestimmt werden – was eine echte Herausforderung darstellte. Und zum Vergleich: Heute produzieren 3 HCX Maschinen in Kassel ebenso viele Teile wie mehr als 20 Maschinen in anderen Werken. Ja, die HCX war ein großer Schritt nach vorn! Und dann kommt Roland Haas der inzwischen gebräuchliche Begriff für die Maschine in den Sinn: Transferzentrum. „Es waren die Leute von Volkswagen in Kassel! Sie prägten das Wort!“ Die Legende sagt, dass die Kombination der Eigenschaften einer Transferstraße mit wichtigen Eigenschaften des BAZs zu dem Begriff „Transferzentrum“ führte, der inzwischen in der gesamten Industrie verwendet wird. Aber geprägt wurde er von Volkswagen in Kassel.

Das bewegte Werkstück. An Jürgen Malburg erinnert sich auch Ernst Weinheimer: „1996 und 1997 waren schwere Jahre. Es kamen die ersten Aufträge von der Automobilindustrie, das Volkswagen Getriebewerk in Kassel fragte an. Mit so einem Großauftrag macht man interessante Erfahrungen – soll heißen: Natürlich muss man sich an die Erwartungen anpassen. Hier gibt es Pflichtenhefte, an die man sich halten muss. „Herr Malburg nahm damals unsere ersten Maschinen ab. Das habe ich als Erfolg in Erinnerung. Die Maschinen waren noch nicht ganz fertig, aber sie funktionierten auf Anhieb. Was fehlte, waren die Schutzeinrichtungen, auch die Türen. Aber das Programm lief, während des Testlaufs gingen alle auf einen Kaffee. Und Herr Malburg sagte, bei Anger sieht er das erste Mal eine sofort funktionierende Maschine. Das ist ihm zuvor nie passiert. Anger lief im dritten Prozess – in beiden zuvor gab es Probleme, aber die Anger Maschinen liefen sofort problemlos an. 1998 folgte dann eine Schwestermaschine und wir waren top vorbereitet. Da hieß es nur ‚Maschine ein‘ und alles lief sofort und problemlos an!“

Fritz Buchenroth, „Mahle wollte Anger Maschinen für immer verbannen und Anger verstand die Welt nicht mehr!“ Fritz Buchenroth erhielt von einem vorausschauenden Vorgesetzten den Auftrag, sich die Situation anzusehen und wieder auf eine sachliche Ebene zu bringen. Und das gelang. Fritz Buchenroth spielte Feuerwehr, um „den verfahrenen Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen“. Lachend erwähnt er, dass er sich in dieser Zeit selbst als „Projektleiter der Firma Anger“ bezeichnete, er wurde ein freischaffender Entwicklungsingenieur. Heute stehen bei Mahle 7 komplexe Anlagen mit insgesamt 16 Maschinen – im Dezember 2012 folgt eine weitere. Der Aufbau der Geschäftsbeziehung und die Lösung des Problems, dass 2003 die Beziehung belastete, war mit Sicherheit ein bedeutender Schritt. In Folge wurde Mahle einer der wichtigsten Kunden von ANGER MACHINING und vor allem ein Kunde, der auch in wirtschaftlich nicht so guten Zeiten zu seinen Lieferanten steht. Eine Aussage, die ich nicht nur von Mahle hörte, sondern auch von ZF. Ein Unternehmen kann stolz darauf sein, solche Kunden zu haben.

Gar nix lief 20 Jahre später bei Magna Powertrain in Lannach bei Graz. Eine Chronik der letzten 30 Jahre ohne die eine oder andere kritische Anmerkung, die kann doch einfach nur geschönt sein. Johannes Hartlieb von Magna Powertrain ist derjenige, der dafür sorgt, dass unsere Geschichte objektiv bleibt. „Das war ein steiniger Weg!“ ist die Metapher, die er mehrmals bemüht, als er von der ersten HCXchange erzählt, die Magna bestellte. Eigentlich zwei, um genau zu sein, Zwillingsmaschinen. Anger Von der Brille und Magna betraten gemeinsam Neuland. zur High-End-Bearbeitung „Monate dauerte es, bis man endlich dort war, von Autoteilen wo man sein wollte!“ Johannes Hartlieb seufzt. „Aber jetzt – rückblickend – hat sich die Mühe dann doch gelohnt. Die Maschinen liefern die Teile in der Qualität, wie wir sie haben wollen, einfach schneller als jede andere Maschine. Aber manchmal dachten wir uns: „Das funktioniert nie! Das war’s jetzt!“ Viele Leute von Magna und Anger waren dreischichtig unterwegs. Auch samstags und sonntags. „Wir bei Magna hatten ja keine Alternative mehr. Die Entscheidung für die HCXchange war gefallen. Nun mussten wir eben gemeinsam schauen, dass wir Hans Wiesinger kann diesem Teil der Geschichte eine umsetzen, was gefordert ist. Wir konnten die Probleme Erfahrung aus der Zeit der Kunststoff-Bearbeitung hinaber letztlich auf eine sachliche Ebene bringen. So kommt zufügen: „Ich hatte einmal fünf oder sechs Wochen man sich auch menschlich näher und man wird zu einem in den USA zu tun, Ende der 1980er Jahre, bei der Team. Als es am Ende dann doch funktionierte, wussten Firma Titmus in Virginia – einem Brillenhersteller. wir, dass wir es gemeinsam geschafft haben. Wir haben Bearbeitungsmaschinen wurden in Betrieb genommen. viel gelernt bei diesem Projekt – ANGER MACHINING, Fünf Wochen Stress war das für mich, weil ich auch aber auch Magna!” Arbeiten machte, die ich nie gelernt hatte – zum Beispiel Hier – im Sinne eines objektiven Gesamtbilds – soll auch im Bereich der elektrischen Installation. Es war Learning noch Fritz Buchenroth zu Wort kommen. Für ihn fällt eine by Doing! Anton Anger hat immer nach eigenen, besseren ganz entscheidende Zeit in die Jahre zwischen 2001 und Lösungen gesucht, kleiner, schneller, präziser ...“ 2003. „Bei der Mahle Kleinmotoren-Komponenten GmbH Das klappte natürlich nicht immer. Und so bekam Hans stand 2001 das erste Maschinenprojekt an. 2003 sollte die Wiesinger bei seinem Job in Virginia Teile aus Traun, zweite Maschine dazukommen. Hier tauchten plötzlich die nicht wirklich eine ideale Lösung darstellten. Die Probleme im KSS auf – im Kühlschmierstoff- Kreislauf. Probleme, die daraus entstanden, wurden so dramatisch, Die Kühlschmierstoffe wurden unterschätzt – sowohl von dass er schließlich drohte, nach Hause zu fahren, wenn er Anger als auch von Mahle. „Die Situation geriet schnell in nicht die notwendigen Normteile bekäme, die man prosehr unangenehme Fahrwasser“, erinnert sich blemlos verwenden kann.

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1999 HCS – Schlüsselfräsmaschine

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Im heimischen Traun schimpfte Anton Anger: „Jetzt dreht der Wiesinger völlig durch!“Aber letztlich akzeptierte der Anton die Einwände und ließ seinen Mann an der Front mit verlässlichen Normteilen versorgen.

„Wir haben an Mahle verkauft. Jetzt haben wir unser Ziel erreicht“ Das sagte Norbert Anger zu seinem Vater, nachdem dieser große Tier1-Zulieferer-Maschinen bei Anger bestellte. Weitere Maschinen gingen zu LUK für ein stufenloses Automatikgetriebe – hier zeichnete sich schon die Bedeutung in der Getriebeherstellung ab – und an Daimler für das NAG1. Und wenig später gelang der Schritt über den großen Teich – nach Batavia nahe Cincinnati, wo ZF ein Joint Venture mit Ford betrieb.

An dieser Stelle könnte gleich der Satz folgen: „Wir haben an ZF verkauft!” Daran erinnert sich auch Joachim Eisenhut. Heute ist er Leiter der Fertigungsplanung PKWAntriebstechnik bei ZF in Saarbrücken. Damals war er in den USA. „Wir wickelten in den USA mit der Firma Anger ein relativ großes Geschäft ab“, erinnert sich Joachim Eisenhut, „das war noch die Vorgänger-Generation der HCP. Für uns war das ein wichtiger Schritt nach den Transferstraßen und BAZs hin zum Transferzentrum. Wir sahen uns nach Konzepten um, die uns die geforderten Volumina liefern, aber auch eine gewisse Flexibilität bieten!“ Joachim Eisenhut berichtet, dass die HCPs jetzt schon weit über zehn Jahre in der Produktion sind und tagtäglich die entsprechenden Volumina liefern. In Saarbrücken stehen inzwischen über 20 HCX. „Diese Maschine zielt genau auf diese Marktlücke, auf den Bedarf nach Maschinen mit hoher Ausbringung und einer gewissen Flexibilität. Wir bei ZF gehörten zu den ersten, die Ende 2008 eine HCX bestellten.

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Für uns war das sicherlich noch mal ein bestimmtes Risiko zu sagen: Ja, wir gehen von unseren Konzepten ab – ob das jetzt die Transferstraßen sind oder die flexiblen Bearbeitungszentren – und kaufen bei Anger die HCX Maschinen ...“ Es war eine Anlage mit sechs Maschinen. „ ... Zum damaligen Zeitpunkt war sie – glaube ich – nur ein-, zweimal in Betrieb. Wir waren aber bereit, ein gewisses Risiko einzugehen, und ich hatte schon manchmal ein paar Bauchschmerzen. Aber dann lieferte die Maschine die ersten Teile und es war abzusehen, dass wir sie in den Griff kriegen. Es war bei der ersten Einrichtung sicherlich nicht so, dass das wie ein Fingerschnippen umzusetzen war, aber gemeinschaftlich haben wir schon von Anfang an und relativ früh erkannt: Ja, wir schaffen das! Bei uns geht es um größte Anforderungen, was die Präzision und die Toleranzen betrifft. Wir reden hier über Mikrometer, über 1000stel Millimeter! Es geht dabei ja nicht nur um Vertrauen in die technologische Performance der Einrichtungen, sondern auch umVertrauen in die Mannschaft, die dahintersteht. Das ist sehr wichtig!“ „Sagen Sie, Herr Eisenhut, ZF ist zweifellos weltweiter Technologieführer in der Getriebeentwicklung. Sind Sie sich bewusst, was der Name ZF für ANGER MACHINING bedeutet?“ Man hört ihn lächeln, den Herrn Eisenhut: „Wir wissen schon, dass wir der Firma Anger die eine oder die andere Tür geöffnet haben! Wir stellen eine Referenz dar – auch in der Automobil-Industrie, auch bei anderen GetriebeHerstellern. Das ist mir bewusst!“ „ZF arbeitete bis dato mit einspindeligen Bearbeitungszentren und erkannte in der HCX-Technologie vor allem die Chance, wesentlich größere Fertigungskapazitäten

„Ich habe sehr, sehr gut gegessen! Allerdings weiß ich nicht mehr, was es war. Aber es schmeckte hervorragend. Und der Wein war sehr gut!“ In Traun traf Brian Harlow die beiden Söhne Norbert und Gerhard Anger – und er war sehr beeindruckt von den beiden. „Die halfen uns, die Dinge zum Laufen zu bringen. Da habe ich viel gelernt, wie diese Leute die Sache angehen.“ Damals wurde die Produktion eines Mercedes-Getriebes vorbereitet, in Kokomo, Indiana. Eine Folge der kurzen DaimlerChrysler-Hochzeit, die nun Geschichte ist. Brian Harlow wurde übrigens in Indiana geboren und wuchs dort auf – deshalb ist ihm die Stadt Kokomo besonders nahe. Er arbeitete 22 Jahre in der Kokomo Transmission Plant und kann sich gut vorstellen, was die Entscheidung von 2009 für die kleine Stadt bedeutete, als das Werk geschlossen wurde. Die Erleichterung ist deshalb jetzt besonders groß. KTP ist wieder auferstanden. Erst am Abend vor unserem Gespräch unterhielt er sich mit dem Bürgermeister der kleinen Stadt. „Die Leute sind heute viel engagierter, sie wissen was die Entscheidung zu bedeuten hat, die sie Fiat und damit Sergio Marchionne zu verdanken haben. 5000 Mitarbeiter werden bald in Kokomo beschäftigt sein. Nach all den Problemen, die Brian Harlow gern als „near death experience“ bezeichnet, freut er sich auf die Zukunft in den USA und im Rest der Welt. Der große Chrysler 300, den ich vom ersten Tag an mochte, der heißt in Europa jetzt Lancia Thema. Und sie verkaufen die Fiat 500 in den USA. Tja – und dann wird gelacht am Telefon. Es gibt ja jetzt eine neue, erfolgreiche TV-Serie in den USA. Anger Management, die Serie mit Charly Sheen. „Der Name Anger hört sich schon eher lustig an in unserem Sprachraum. Und jetzt kommt auch noch Anger Management!”

In den USA gibt es übrigens noch „The Anton Anger Machine“. Kurz: Taam. Hadi Taam arbeitete Mitte der Neunzigerjahre für ein deutsches Unternehmen in den USA, mit dem ANGER MACHINING eine mögliche Kooperation diskutierte. Aus dem geplanten Joint Venture wurde nichts, aber Hadi Taam stieß auf ANGER MACHINING. „Im August 1996 besuchte ich zum ersten Mal ANGER MACHINING in Österreich,“ erinnert sich Hadi Taam an seine persönliche Wende, „Heinz Bürgstein zeigte mir die Maschine. Als sie anlief, wurde meine Zukunft komplett umgedreht. In der Autoindustrie sah ich sofort ein Potenzial – diese Art der Bearbeitung war eine völlig neue | Hadi Taam | Philosophie. So begann das mit mir und Anger! Das mit der Autoindustrie klappte auf der vorhandenen – hier mit seiner Frau Cathy nicht sofort. Wir waren zuerst in der Produktionsfläche zu ermögbei einem Ausflug in der optischen Industrie unterwegs, wir lichen!“ So sieht Werner Wiener Straßenbahn – probierten es in der Computer- und mediBramhas die große Chance, entdeckte schnell seine Liebe zinischen Industrie – sogar in der Aircraft die sich 2008 bei ZF ergab. zu Österreich. Industry. Aber Ziel war die Autoindustrie, Konkret war es die dreifache die mit ihren Stückzahlen für das Konzept Kapazität auf derselben Anger am besten geeignet ist!“ Der erste Fläche. Das war wohl der große Erfolg wurde schließlich das Joint entscheidende Grund für den Venture von Ford und ZF in Batavia, Ohio. Kauf der Maschinen. „14 Maschinen wurden geliefert und wir waren endlich 2012 wurde bereits die dreißigste Maschine für die dort, wo wir sein wollten: in der Autoindustrie!” erzählt Fertigung von Ventilsteuergeräten des 8HP Hadi Taam, „es folgten Chrysler und Linamar und nach Automatikgetriebes bestellt. Und die ersten beiden der Krise läuft es seit 2010 wieder mit Chrysler!“ Maschinen für das 9HP. Die Auftragslage ist gut. Der Markt für ANGER MACHINING wächst – Erinnern Sie sich noch an den Namen Lopez? Nein, nicht die Nachfrage nach neuen Maschinen wird auch weiter die Jennifer! Es war ein Empfang in Wien, den Norbert wachsen und die Profitabilität wird sich ständig Anger in unserem Gespräch erwähnt, und er erinnert verbessern!“ZF spielt nicht nur als Referenz eine große sich an die Begegnung mit jenem Mann, der einmal Rolle, sondern entspricht in geradezu idealer Weise dem für sehr viel Atemlosigkeit in der Zulieferer-Industrie Berufsmotto von Werner Bramhas: „Mach’ Kunden zu sorgte. Die österreichischen Zulieferer waren eingeladen, Freunden!“ Ignazio Lopez kennenzulernen, der mit seinen „Warriors” und der Uhr am rechten Handgelenk Anfang der 1990er Jahre den Einkauf des Volkswagen-Konzerns neu ordnete. So gesehen stellt der Spanier gleichzeitig auch einen Meilenstein in der Entwicklung dar. Heute nahezu vergessen – aber von historischer Bedeutung. Eine Meinung, die auch Ernst Weinheimer vertritt: „Mich haben die Chefeinkäufer immer beeindruckt, weil sie klare Forderungen stellen. Sie fordern einfach ein, was der Kunde bestellt hat. Das finde ich richtig und Zum Thema USA und Joachim Eisenhut gehört noch ein mich haben die klaren Ansagen immer beeindruckt. weiterer Name: Brian Harlow. Die Erfahrung, die ich damit gemacht habe, lautet: Er ist heute Vicepresident Powertrain bei der Chrysler Schlampig ist nicht! Wenn wir Maschinen fertig hatten Group in Detroit – genau genommen in Auburn Hills bei und unser Geld erwarteten, gab es oft diese finanziellen Detroit und in Kokomo, Indiana. 2001 besuchte er Traun. Lücken. Zum Beispiel fehlende Dokumentationen der Woran erinnern Sie sich, Mister Harlow? Maschinen, Darstellungen der Schaltkreise.

Anger Management, so to speak.

2003 HCP 202

2004 HCK

2006 HCP 203

„Der Name ,Anger‘ bedeutet in unserer Sprache ‚Zorn‘ oder auch ‚Ärger’. Und jetzt gibt es auch noch diese neue TV-Comedy ‚Anger Management‘ ...“, freut sich Brian Harlow.

| Brian Harlow | Leiter der Produktionsplanung Powertrain bei Chrysler

Wir haben viel Lehrgeld gezahlt, verstanden dann aber, dass eine Lieferung komplett vorhanden sein muss, wie es das Pflichtenheft vorsieht. Dann klappt’s auch mit der Bezahlung!“

Das liebe Geld. Das alles war ja nicht immer ganz einfach. „Nein, wirklich nicht“, erzählt Dr. Andreas Szigmund, Vorstand in der Invest Unternehmensbeteiligungs AG. „Klaus Dirnberger kannte ich schon lange, schon seit Ende der 1990er Jahre, als ich noch bei der Raiffeisen Landesbank OÖ war. Er war Berater und sehr kompetent, wenn es um Klein- und Mittelbetriebe ging. Zu dieser Zeit hatte ich auch Kontakt zu den beiden Söhnen von Anton Anger. Sie hatten die – aus meiner Sicht, schon ersten wichtigen Schritte eingeleitet – wie etwa den Umstieg von der Brillen- auf die Metallbearbeitung. Es gab auch bereits Kontakte zur Autoindustrie. Mit der Invest AG waren wir in dieser Startphase dabei. Die neue Ausrichtung des Unternehmens und das zu erwartende Wachstum musste finanziert werden – aber das Unternehmen geriet 2003 in eine Phase der Stagnation. Wir hatten das Gefühl, das Produkt stimmt, auch die Richtung stimmt – jetzt aber brauchte man die richtigen Leute. Vor allem zu einem Zeitpunkt, als Gerhard Anger beschlossen hatte, seinem Leben eine andere Richtung zu geben. Diese richtigen Leute waren für mich Klaus Dirnberger, den ich kannte, und Dietmar Bahn, den Dirnberger empfahl. Wir hatten von Anfang an das Gefühl, das sind die richtigen! Gleichzeitig war aber auch ein Zyklus abgeschlossen – eine Zeit, in der wir das Unternehmen finanziert hatten. Für einen neuen Zyklus wollten wir nicht die Bremse für die weitere Entwicklung sein und haben ANGER MACHINING geholfen, einen weiteren Partner zu finden. Das war dann die EK Fin!“

2009 HCX 1400


eine sehr besonnen ist, der andere aber sehr impulsiv. Das war dann schon auf Messers Schneide, wenn einer einfach aufspringt und brüllt, er braucht das Geld, wir aber noch nicht so weit sind!“ Zwei weitere Persönlichkeiten aus der Welt des Geldes sind Judith Lindtner-Fontano und Ewald Kowanda von der Oberbank AG. „Es ist nicht immer ganz „Die Zeiten, in denen wir leben, einfach, wenn man an jene letzten Jahre seit 2009, sie eine Sache herangeht, haben es verursacht, dass man lieder – aus der Sicht einer | Judith Lindtner-Fontano | ber wieder Bankier wäre als Banker!“ sagt Ewald Bank – ein nicht so guter Kowanda gleich zu Beginn. Und sehr viel später: Ruf vorauseilt!“ Aber ... versteht mehr von Chow„Wenn ich in einer Maschinenfabrik bin, und ich Judith Lindtner-Fontano, Chows als von Maschinen. komme in meinem Beruf in viele Firmen und die die bei der Oberbank Dennoch fand sie das unterschiedlichsten Branchen, dann glauben die im Risiko-Management Konzept von ANGER gleich dort, ich könnte möglicherweise Betriebsspionage eben dieses beurteilen faszinierend. betreiben!“ Er kennt sich aus, der Bankier Ewald muss, sah die Dinge mit Kowanda, ganz einfach, weil ihn Technik interesAussicht: „Mir hat das siert, weil er Oldtimer restauriert, wie zum Beispiel Betriebsklima gefallen das Aero Cabriolet Baujahr 1931 eines Freundes. und wie das Management Und dann vielleicht noch ein wichtiger Satz: „Ich bin aus an die Aufgaben heranging!“ sagt sie. Und: „Natürlich Steyr!“ Das muss man als Statement verstehen. Man versind Zahlen sehr wichtig, aber man muss auch an eine steht es, wenn man in der Technik zu Hause ist. So eine Sache glauben!“ Die Bankerin versteht nichts von großen Aussage erklärt vieles: Ich bin aus Steyr. Maschinen, von Zerspanungstechnologie im GetriebeDie beiden Dinge, der Bankier und der Steyrer, erklären oder Motorenbau. „Aber es hat mich fasziniert. Ich glauvielleicht am besten, warum die Oberbank 2006 die be, man muss auch die Gesamtaufgabe begreifen, um die Hausbank von ANGER MACHINING wurde. Der Mann von Planzahlen zu der Bank verstand sofort, worum es ging bei der neuen verstehen.“ HCX, der Maschine, die den entscheidenden Schritt in ANGER MACHINING hatte in Folge Judith Lindtnerdie Zukunft bedeuten sollte. Und eine Bank, die versteht, Fontano und Ewald Kowanda auf ihrer Seite. „Wichtig was Reihentechnologie ist, warum man das Werkstück war auch Vorstandsdirektor Dr. Andorfer bei der bewegen will und nicht nur das Werkzeug, warum die Oberbank, der letztlich der Beurteilung zustimmte!“ Maschine wesentlich größer ist als ihre Vorgänger und ergänzt Judith Lindtner-Fontano. auch mehr Geld notwendig ist, um sie marktreif zu entwi- Teilt Kollege Ewald Kowanda mit Klaus Dirnberger ckeln, um sie zu bauen, na ja, so eine Bank zu finden, ist die Liebe zum Fliegenfischen, so ist es im Falle der kaum vorstellbar. Eigentlich. Familien Dirnberger und Lindtner die klassische Musik, Kammermusik zum Beispiel, Musik vom Barock bis ins frühe 20. Jahrhundert. Man trifft sich auch bei einem Chorkonzert oder der Musica Sacra, zur Kirchenmusik in Linz.

„Natürlich sind Zahlen sehr wichtig, aber man muss auch an eine Sache glauben!“

„Es stimmt nicht nur die Verpackung. Es stimmt vor allem auch der Inhalt!“ EK Mittelstandsfinanzierungs AG, das sind dann gleich drei in einer Person: Klaus Haberzettl, Johann Toth und Bernd Lechner. „Bei Anger hat man immer einen klaren Plan!“ sagt Johann Toth, „natürlich wird der dann wieder geändert – das ist das Wesen eines Plans –, aber es gab eine klare Vision, was mich sehr beeindruckte. Meine Devise war deshalb immer: Es lohnt sich zu investieren. Und wenn man sich das heute anschaut, die neue Fabrik in Traun, da weiß man, das Gefühl war richtig. Früher war der optische Eindruck der einer Quetschn. Jetzt ist es ein fundiertes mittelständisches Unternehmen geworden. Anger ist hervorragend aufgestellt. Ich meine das auch im übertragenen Sinn. Es stimmt nicht nur die Verpackung, es stimmt vor allem auch der Inhalt!“ Klaus Haberzettl, der bereits 40 Jahre im Bankgeschäft war, bevor er die EK Fin aufbaute, kommentiert ähnlich: „ANGER MACHINING war 2008 in einer guten Entwicklung, von Banken finanziert, aber es gab eine Innovation, deren Realisierung das Unternehmen an finanzielle Grenzen stoßen ließ. Das musste beurteilt werden – wie das Private Equity Fonds eben so machen. Innovationen haben es an sich, dass sie nicht immer gleich und sofort funktionieren! Es ist nicht immer ganz einfach, wenn einer sagt „Ich habe da eine Idee!“ Um die Sache beurteilen zu können, muss man auch abschätzen, ob der Business-Plan eher pessimistisch, realistisch oder – wie in vielen Fällen – zu optimistisch gerechnet ist. Wir haben dann einige wichtige Kunden angerufen und uns ein wenig beraten lassen. Schließlich sah die Sache für uns sehr gut aus. Natürlich gibt es bei solchen Gesprächen nicht nur lange Nächte, sondern manchmal auch sehr impulsive Situationen, wenn man es mit zwei Inhabern zu tun hat, von denen der

2008 HCX 2000

| Roland Haas | ... auf seinem Steyr T80. Was das mit Forschung und MMS zu tun hat, erfahren Sie auf den nächsten Seiten.

„Stellen Sie sich Bleistifte vor, die auf einer vibrierenden Fläche liegen,“ erklärt Roland Haas besonders bildhaft, „die beginnen zu wandern. Das ist das Prinzip!“

2011 HCXchange

2012 HCX 2000, Motorblockbearbeitung Volvo


THECUTTINGEDGE 1982 2012 10

Und dann gibt es noch den Chow-Chow im Leben der Judith Lindtner-Fontano, der dritte bereits. „Aufgeplusteter Löwenhund“ heißt die Rasse mit chinesischem Namen – oder auch Hek she, was so viel wie „blaue Zunge“ bedeutet.

„Es ist auch gut, dass es uns gibt!“ Und die Dritten im Bunde sind zwei Herren vom Austria Wirtschaftsservice (AWS). „Eine Institution wie der Austria Wirtschaftsservice hat den besonderen Auftrag, KMUs zu unterstützen,“ erläutert Bernhard Sagmeister, „die Wirtschaft zu fördern, im Auftrag der Republik dort zur Verfügung zu stehen, wo es Aussicht auf Erfolg gibt, wo Nachhaltigkeit geschaffen wird und wertvolle Arbeitsplätze gesichert werden können. Die Entscheidungen sind nicht immer ganz einfach. Aber gerade ANGER MACHINING ist für uns ein schönes Beispiel dafür, wie wir unserem Auftrag gerecht werden. Deshalb zeigen wir dieses Beispiel auch gern her!“ „Ein solches Zweiergespann sieht man eigentlich sehr selten,“ ergänzt Harald Kugler, „ein Gespann aus zwei gleich starken Persönlichkeiten! Klaus Dirnberger und Dietmar Bahn!“ Das war für ihn entscheidend bei der Beurteilung des Unternehmens. Es gab das Engagement der beiden Personen, eine aussichtsreiche technische Innovation, für die es seitens der Industrie bereits Interesse gab und es fehlte das Kapital, entscheidende Schritte auch durchzuführen. „Es war ein Scherbenhaufen!“ drückt sich Harald Kugler durchaus salopp aus. „Aber es gab eine Vision. Und die hat uns überzeugt!“ „Genau das ist das Schöne an dieser Story,“ schließt Bernhard Sagmeister ab, „es ist eine Erfolgsstory, die wir begleiten konnten. Und sie sagt uns: Es ist auch gut, dass es uns gibt!“ Vom Geld zur Forschung. „Anton Anger ist Techniker von ganzem Herzen!“ erklärt Wolfgang Ratzesberger. „Ein extrem kreativer, motivierter, technischer Geist – immer auf der Suche nach der optimalen technischen Lösung!“ sagt Heinz Bürgstein über den Mann, der ihn 1983 einstellte. Und Eberhard Schmid erwähnt dann etwas, das hier zuvor noch nicht zur Sprache kam: „Gerhard Anger war nicht allein für die Finanzen zuständig, sondern arbeitete auch in der technischen Entwicklung – und hier eng mit seinem Vater zusammen!“ Eberhard Schmid hat zumindest das Gefühl, dass „der Gerhard intensiv an der technischen Entwicklung mitgewirkt hat – er war vielleicht im Hintergrund tätig, aber ich hatte immer das Gefühl, dass Gerhard die Dinge mit gewissem Fortschritt vorangetrieben hat!“ Es gibt einen Wandel in unserer Gesellschaft, den zu betonen ein Anliegen ist von Eberhard Schmid. Er lebt in Stuttgart, in Baden Württemberg, jenem Bundesland, das für seine Vielfalt im Maschinenbau bekannt ist, dem Maschinenbau, der immer eine der tragenden Säulen der deutschen Exportwirtschaft war. Herr Schmid – lange Jahre Eigentümer der Otto BALZ Industrievertretungen – erinnert sich an die späten 1980er Jahre: „Wie üblich sah ich mich auf Messen um, auf der Suche nach interessanten Entwicklungen und neuen Technologien im Maschinenbau. So stieß ich auf ANGER MACHINING!“ Die Maschinen von Anger fielen Eberhard Schmid auf, weil sie ideal waren für kleinere und vor allem mittlere Betriebe, die komplizierte Werkstücke herstellten. „Wir haben immer gut mit ANGER MACHINING zusammen gearbeitet! Es war eine Familienfirma. Und in den meisten Fällen wird man von den Familien viel enger eingebunden in die Entwicklungen und in den Informationsfluss. Genau das hat bei Anger immer exzellent funktioniert.“

aber unsere Berechnungen haben gezeigt, dass die Werte passen. Natürlich ist das ein mutiger Schritt, nicht das Werkzeug zu bewegen, sondern das Werkstück. Eigentlich war es fraglich, ob die Vorrichtung, auf der das Werkstück eingespannt ist, die Belastungen aushält und nicht nachgibt. Aber die Berechnungen haben dann gestimmt.“

Roland Haas bringt an dieser Stelle ein weiteres Kapitel des technischen Fortschritts ins Spiel: die MMS, die Mindermengenschmierung. Bei VW in Salzgitter schon lange im Einsatz, denn auch hier war Volkswagen der Erste, der den Trend erkannte, über den sich Prof. Abele gern mit etwas Vorbehalt äußert. „Toll für die Zukunft, aber ob sich das bei den Präzisionsteilen durchsetzt?“ Die Ölwanne, die in Salzgitter bearbeitet wird, ist auch groß. Aber beim Motorblock sind die Bearbeitungskräfte eben noch größer. Roland Haas sieht in der MMS einen wichtigen Schritt in die Zukunft. „Und wo geht es hin?“ fragte er in unserem Gespräch. Wenn nur ein paar Tropfen Schmiermittel im Spiel sind, entstehen ganz andere Temperaturen, also wesentlich mehr Atmung der Teile. Okay – man kann vorhalten, wie ein alter Jäger mit seinem Gewehr. Aber die Kühlmittel spülen auch gleichzeitig den Dreck weg, die Späne, die anfallen, den Staub. Das macht man zur Zeit noch mit Druckluft. Die Späne werden weggeblasen und der Rest ist Schwerkraft. Sie fallen zu Boden. Man sucht aber auch hier nach besseren, nach effizienteren Lösungen. Aufbruch in eine neue Ära. Blechverkleidungen, Zwischen 2008 und 2012 die vibrieren, die in wurden in 3 Ausbaustufen Schwingungen gesetzt über 8 Mio. Euro in die werden. „Stellen Sie sich Betriebsliegenschaft investiert. Bleistifte vor, die auf einer vibrierenden Fläche liegen,“ erklärt Roland Haas besonders bildhaft, „die beginnen zu wandern.“ Dann lacht er. „Wenn ich ein paar Arbeitshandschuhe auf die Motorhaube meines Steyr T80 lege und darunter der Ein-Zylinder arbeitet, kann man zusehen, wie die Handschuhe zu wandern beginnen und schließlich zu Boden fallen!“ Das ist das Prinzip und der Traktor ist das Hobby des Roland Haas. Ein 15er Traktor von Steyr. Mit dem fährt er zum Mostbauern mit seiner Frau auf dem Schwiegermuttersitz – hoch oben auf dem Kotflügel. Mit 15 km/h über Land.

| 2012 | ... auch von außen ist das Wachstum der letzten Jahre erkennbar

Wo geht es hin? Und heute? Wer treibt jetzt die Entwicklung voran? ANGER MACHINING setzt auf die universitäre Zusammenarbeit. „Wir konnten Beiträge leisten zur Entwicklung neuer Maschinen!“ gibt sich Prof. Michael Zäh bescheiden. Neben Darmstadt, Wien oder Stuttgart erhält auch das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der TU München Forschungsaufträge von ANGER MACHINING. „Wir haben schlicht eine Begleitung der Prozesse gemacht, um so die Anforderungen zu erfüllen, wie sie das Pflichtenheft stellt. Wir haben vor allem Finite-ElementeBerechnungen durchgeführt und wissenschaftlich abgebildet, was die Optimierung der Prozesse ermöglichte. Die Spezifikationen waren vorgegeben, die Summe aus den Lastenheften der einzelnen Hersteller.“ Und dann sagt Prof Zäh noch: „Mich hat übrigens immer die Professionalität der Manager bei ANGER MACHINING beeindruckt, auch der Mut, mit dem sie an neue Lösungen herangegangen sind. Auf unserer Seite war zu Beginn eine gewisse Skepsis vorhanden –

Und ein weiteres, großes Projekt von Roland Haas kreuzt sich mit einem Gesprächspartner: Roland Andersson bei Volvo Cars in China. Roland trifft Roland sozusagen. Volvo ist der Schritt in die Königsklasse – hörte ich schon oft. Warum sprechen eigentlich alle von „der Königsklasse“, wenn es um Motoren geht? Getriebe sind doch auch toll! „Nein, das ist nicht der Grund, Motoren sind nicht wichtiger. Aber sie sind größer und schwerer. Die Teile, die hier bearbeitet werden, Blockgehäuse zum Beispiel, sind einfach wuchtiger als ein Ventilschieber. Auch die Bohrungen sind größer und damit sind ganz andere Anforderungen zu erfüllen, wesentlich größere Bearbeitungskräfte treten auf und sind zu bewältigen. Das erfordert ganz andere Spannvorrichtungen. Denn gearbeitet wird hier auch in mµ, im Mikron-Bereich – also 1000stel Millimeter – aber trotzdem gibt es dicke Bohrungen!“

Noch einmal zurück zu Roland Haas: „Der Prototyp ist fertig!“ versprach Norbert zu einer Zeit, als man bei VW in Kassel zweifelte, ob die HCP die erforderlichen Kapazitäten bewältigen würde. Es war der Prototyp des Roland Haas. Die HCX kam in Kassel zum ersten Mal zum Einsatz. Dann folgten AUDI in Györ und VW in Salzgitter. Daimler – inzwischen ohne Chrysler – plante die neuen Linien in Hedelfingen für die 7- und 9-Gänger und bestellt die Maschinen 2011 bei Anger. Hier werden Hydraulikschieber, wie es bei Daimler heisst, ebenso wie die Antriebswellen gefertigt, mit der vermutlich für diesen Bauteil produktivsten Maschine der Welt.


Die Zukunft könnte in China beginnen. Zum Schluss noch das, was man gemeinhin als Ausblick bezeichnet. Hier kommt noch einmal Roland Andersson zu Wort: „Natürlich ist mir sehr bewusst, dass der Schritt in den Motorenbau ein wichtiger ist, und ich bin auch davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit Volvo eine wichtige Erfahrung für Anger ist. Wir können eine wichtige Expertise einbringen – wovon Anger sicher profitiert. Und Volvo ist auch eine Erfahrung wert, weil wir anders sind als andere Autohersteller!”

Warum ist Volvo anders, Herr Andersson? „Unsere Lastenhefte sind ein wenig freier als bei anderen. Volvo schreibt nicht so detailliert vor, welche Fremdteile ein Lieferant zu verwenden hat, wir lassen mehr Freiraum und sind offen für neue Vorschläge, die wir gern diskutieren. Aber wir machen keine Kompromisse, wenn es um die Funktion und die Qualität geht. Beides muss stimmen, bevor eine Maschine die Hallen des Lieferanten verlässt!“ Gerade erst wurden Maschinen von Anger nach Volvo Skövde geliefert, wo sie 2013 die Produktion aufnehmen. Volvo hat sehr hohe Erwartungen, was ANGER MACHINING betrifft. Aber Roland Andersson ist sicher, sie werden auch erfüllt.

30 Persönlichkeiten, die in den letzten 30 Jahren den wohl größten Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens hatten. Nominiert von ANGER MACHINING. Also sollte die letzte Frage an die Inhaber gerichtet sein: „Sind es nicht eigentlich 32, Herr Dirnberger?“ Nein, sie können sich doch bitte nicht selbst nominieren, die Herren Klaus Dirnberger und Dietmar Bahn. Aber sie haben in den letzten Jahren aus ANGER MACHINING das gemacht, was Johann Toth zuvor als „ein fundiertes mittelständisches Unternehmen“ bezeichnete.

| 1989 | ... noch eher bescheiden, das Anger-Gebäude in seiner ersten Ausbaustufe.


THECUTTINGEDGE 1982 2012 12

Was kommt? TC1, das Transfer Concept. Neben der ständigen Optimierung und Weiterentwicklung der schlüsselfertigen, hoch produktiven Anger Bearbeitungssysteme investiert das Unternehmen in eine neue Generation von Maschinen. Was mit dem flexibleren Maschinentyp HCXchange bereits vor 3 Jahren begann, wird nun durch ein neu formiertes Expertenteam vorangetrieben, die Entwicklung eines Maschinenkonzepts mit höherem Standardisierungsgrad, Anger goes LEAN sozusagen. Diese neuen Maschinentypen sind modular aufgebaut und werden standardisierte MechatronikKomponenten beinhalten. Das umfasst standardisierte Spindelbaugruppen, Spann- und Beladungssysteme und die elektronische Architektur inkl. Steuerung. Das strategische Ziel ist, die Vorteile der Anger Transfertechnologie für die Zulieferindustrie noch breiter zum Einsatz zu bringen und das wird durch schnelle Umrüstbarkeit auf neue Werkstücke, schnelle Lieferzeiten von unter acht Monaten und einfachere Bedienbarkeit erzielt. Eine intelligente Weiterentwicklung also. Mit dem Standardisierungskonzept will Anger einerseits die Produktionsanforderungen der Wachstumsmärkte wie Mexiko, Brasilien und China besser abdecken,

als auch 1-2 Ebenen tiefer in die Automobil Supply Chain gehen. Darüber hinaus werden damit auch neue Anwendungen der Technologie in Non-AutomotiveIndustrien möglich, wie in der Freizeitfahrzeugindustrie, der Kompressoren-, sowie der Pneumatik- und Hydraulikindustrie. Überall dort also, wo Kunden höhere Flexibilitätsanforderungen haben, mehrere unterschiedliche Teile bearbeiten und öfters rüsten, aber nach einer entscheidenden Steigerung ihrer Produktivität suchen, nach einem sinnvollen Ersatz für ihre herkömmlichen BAZs. Denn die BAZs sind in der Regel an die Grenzen ihrer ProduktivitätsLeistungsfähigkeit gestoßen. Die TC1 ist eine interessante Alternative zu Bearbeitungszentren. Doppelte Produktivität bei gleich bleibendem Raumbedarf.

TC1. Modulare Mechatronik, schnelle Umrüstbarkeit auf andere Werkstücke. Doppelte Ausbringung wie ein BAZ und innerhalb von maximal 8 Monaten geliefert.

„Sniff The Future of Machining.” – TC1, das Transfer Concept.

| IMTS 2012 | Mit diesem ungewöhnlichen Konzept hat ANGER MACHINING die Zukunft auf der IMTS 2012 eingeläutet.

IMPRESSUM.

„1982“ ist ein Supplement zu „2012“ – einem periodischen Druckwerk von ANGER MACHINING, erstmals erschienen 2011. Alle abgebildeten Personen haben ihre Fotos zur Verfügung gestellt. Alle persönlichen Bildrechte liegen bei den abgebildeten Personen. Weitere Fotografen: Bernhard Angerer / Manfred Weis; Werksfotos: Nik Fleischmann und Anger-Archiv / Fotolia Gestaltung: schierholzsaxer ssx. Art-Director: Hanns-Georg Saxer. Interviews und Text: Patrick Schierholz. Gedruckt bei Holzhausen Druck GmbH/A-1140 Wien.


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