OpernZeit

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beilage ausgewählter opernhäuser für die wochenzeitung „die zeit“ vom 12.11.2009

höhepunkte der saison 2009|2010

Vielfalt, die überwältigt ie Opernlandschaft im

Eine überkommene Kunstgattung?

deutschsprachigen Raum

Wen interessieren die Konflikte

ist international einma-

vergangener Jahrhunderte? Wer sich

lig. Die Bandbreite der

ernsthaft mit diesen Fragen beschäf-

hier präsentierten Werke

tigt, kommt bald zu dem Schluss, dass

und Komponisten versetzt weltweit

es aberwitzig wäre, nicht für diese

jeden Kenner in Staunen. Die hiesigen

singuläre Kunstform, diese originär

Musiktheater sind Talentschmieden

europäische Hervorbringung zu kämp-

für einen weltumfassenden Markt;

fen. Die deutschsprachigen Häuser mit

nicht wenige Sänger und Dirigenten,

ihrem Bildungsauftrag und moderaten

Musiker und Regisseure haben ihre

Preissystemen stehen grundsätzlich al-

ersten Schritte in deutschsprachigen

len Menschen offen. Die guten Arbeits-

Stadt­theaterstrukturen gemacht. Es

möglichkeiten erlauben immer neuen

gibt Bühnen mit stark ausgeprägter

Generationen von Regisseuren, die

Ensemblekultur und solche, die mit

Geschichten um Pflicht und Neigung,

renommierten Stars arbeiten. Manche

um Liebe und Verrat einem heutigen

verfügen über ein Repertoire mit teil-

Publikum nahezubringen. Das Kern-

weise über 30 oder 40 Jahre gereiften

repertoire der Oper altert – aber jedes

Produktionen, manche gleichen einem

einzelne Haus sieht sich jeden Abend

zeitgenössischen Laboratorium, das

aufs Neue herausgefordert, diesen

die Grenzen des Genres auslotet. Im

einmaligen musikalischen Reichtum

deutschsprachigen Raum wird gera-

als schützenswertes Kulturgut in der

de heute die Debatte „Wo liegt die

Gesellschaft zu verankern und an eine

Zukunft der Oper?“ vehement und

nächste Generation weiterzugeben.

leidenschaftlich geführt. Nirgendwo

Erstmalig haben sich nun zehn füh-

sonst gibt es mehr Uraufführungen,

rende Opernhäuser zu einem gemein-

Wiederentdeckungen, ein derart breit-

samen Auftritt zusammengeschlossen.

gefächertes Gegenüber von kontrover-

Ihre Projekte und Premieren führen

sen Regiekonzepten und traditionellen

den Wert und Facettenreichtum der

Inszenierungen gleich einem „Gang

Opernlandschaft vor Augen. In der vor-

durch die Theatergeschichte“.

liegenden

In Zeiten knapper Stadt- und Staats-

Haus sein Profil, seine Spielzeit und

kassen steht die Oper verstärkt unter

aktuelle Neuproduktionen. Die Vielfalt

Legitimationsdruck: Ist sie nur kost-

ist überwältigend.

spieliger Luxus für eine kleine Elite?

Hamburgische Staatsoper

seite 8

seite 6

Komische Oper Berlin

Deutsche Oper am Rhein

seite 9

seite 7

Deutsche Oper Berlin

Oper Leipzig

seite 5

seite 10

Staatsoper Stuttgart

seite 2

seite 4

Sächsische Staatsoper Dresden Semperoper

seite 11

seite 3

Bayerische Staatsoper München

Opernhaus Zürich

Staatsoper Unter den Linden

Impressum herausgegeben von den Opernhäusern in Berlin, Dresden, Düsseldorf/Duisburg, Hamburg, Leipzig, München, Stuttgart und Zürich · Oktober 2009 · gestaltung und layout schech.net | Strategie. Kommunikation. Design. www.schech.net · titelbild Monika Rittershaus: La Bohème an der Komischen Oper Berlin

präsentiert jedes


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Staatsoper Stuttgart Foto: Martin Sigmund

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Wagner-Begegnungen an der Staatsoper Stuttgart: der katalanische Opernregisseur Calixto Bieito inszeniert Parsifal

W

as soll man davon halten, wenn die öffentliche Meinung einem Regisseur Ehrentitel wie „Skandalregisseur“ oder „Opernberserker“ angedeihen lässt? Wenn Zuschauer mit dem Ruf „…na, der ist doch pervers!“ aus dem Opernhaus fortlaufen? In Zeiten, in denen sich der kalkulierte Skandal als karriereförderndes Mittel im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit wachsender Beliebtheit erfreut, beschleicht den professionellen Beobachter natürlich sofort der Verdacht, dass da ein neues Marketing-Label etabliert werden soll. Was im Falle des Opernregisseurs Calixto Bieito ja durchaus funktioniert hat. Wer sich allerdings genauer einlässt auf die Ästhetik des 1963 geborenen Katalanen, wer womöglich das Privileg hat, sich einmal eingehend mit ihm zu unterhalten, wer ihn bei der Probe beobachtet — der erlebt einen klugen, nachdenklichen Gesprächspartner und einen Regisseur, der geradezu liebevoll mit seinen Sängern umgeht. Freilich: Er lernt auch einen kompromisslosen

Regisseur Calixto Bieito probt Wagner

Es war Albrecht Puhlmann, der Bieito in die deutsche Musiktheaterszene einführte: Puhlmann war damals frisch gebackener Intendant an der Staatsoper Hannover, Bieito war Chef des Teatro Romea in Barcelona (das ist er bis heute) und ein spanischer Schauspielregisseur,

gemordet, geprügelt und verführt; dem Trovatore (Hannover 2003) liegt eine Fabel von ausgesuchter Grausamkeit zugrunde; Puccinis Butterfly (Berlin 2004) beschreibt ein zynisches Wechselspiel der Liebe mit blutigem Ende — von Opern wie Wozzeck (Hannover 2005),

„Die Extreme sind ein Spiegel der Welt“

Staatsoper Stuttgart Oberer Schloßgarten 6, 70173 Stuttgart Karten unter Telefon (0711) 20 20 90 www.staatstheater-stuttgart.de

Künstler kennen. Ein Zuschauer hat ihm einmal vorgeworfen, in seinen Inszenierungen sei so wenig Hoffnung. Er hat geantwortet: „Erstens stimmt das nicht, da ist Hoffnung! Und zweitens: Ich bin kein Priester. Wer Hoffnung sucht, soll in die Kirche gehen. Ich mache Opern.“ Trotzdem gehen ihm die Buh-Attacken der Entrüsteten an die Nieren. „Ich verstehe diese Leute nicht: Gehen die denn nicht ins Kino? Schauen die keine Nachrichten? Kennen die keine Gemälde von Hieronymus Bosch, von Francisco Goya, von Francis Bacon? Glauben die wirklich, ich denke mir das alles nur aus? Der eigentliche Skandal wäre doch, wenn sich Kunst der Wirklichkeit verweigert.“

dessen 1996 begonnene Opernkarriere in Deutschland bis dahin kaum wahrgenommen worden war. Das änderte sich nach seinem Don Giovanni 2002 schlagartig. Allerdings: Was da losbrach, war weder kalkuliert noch kalkulierbar. Es war eine regelrechte Kampagne mit wütenden Leserbriefen, Morddrohungen an Puhlmann und Interventionen bei der Staatsanwaltschaft. Am Ende griff gar BILD ein und forderte die Absetzung des Intendanten — was dessen Position vermutlich festigte. Was war geschehen? Aus Bieitos Sicht wenig, über das die Zuschauer sich hätten wundern müssen. Schließlich wird ja auch bei Mozart/Da Ponte

Elektra (Freiburg 2007) oder Fanciulla del West (Stuttgart 2007) ganz zu schweigen. Doch solche Opern verfügen über komplexe Vermittlungssysteme zur ästhetischen Darstellung der Grausamkeit. Es wirkt eben weit weniger brutal, wenn ein spanischer Edelmann den Vater seines Verführungsopfers mit dem standesgemäßen Degen niedersticht, als wenn Jugendliche einen Rentner in der U-Bahn totschlagen. Aber ist es weniger grausam? Kaum. Nur machen sich das viele Opernzuschauer nicht klar. Da aber lässt ihnen Bieito keine Chance. Er verzichtet so weitgehend wie möglich auf traditionelle ästhetische Codes. Wenn die Vorstadt-Desperados seines Don Giovanni auf dem düsteren Parkplatz in den Slums irgendeiner Megacity einander quälen, vergewaltigen, mit Präservativen um sich werfen, dann steht das an Direktheit dem Reality-TV und den Schockszenarien der Nachrichtenbilder in nichts nach. Was aber Bieitos Ästhetik von der einschlägiger TV-Formate unterscheidet, ist die Differenzierung — seine Inszenierungen wären in der Tat sehr eindimensional, wenn ihre „Brutalität“ nicht zusammenspielte

Staatsoper Stuttgart Die Staatsoper Stuttgart ist Teil des größten Dreispartentheaters der Welt. Das sechsmalige „Opernhaus des Jahres“ setzt wichtige Impulse für das Musiktheater der Gegenwart und pflegt bis heute das Ensembletheater. Rund 250.000 Besucher zählt die Staatsoper pro Saison und verfügt über 1404 Plätze. Mit ungewöhnlichen Wagner-Neuinterpretationen, dirigiert von dem österreichischen Generalmusikdirektor Manfred Honeck, knüpft Intendant Albrecht Puhlmann an eine Stuttgarter Tradition an, gilt doch das Opernhaus seit den 60er Jahren als „Winterbayreuth“. Die Geschichte der Oper in Stuttgart reicht bis in das 17. Jahrhundert zurück. 2012 wird das bis heute bestehende Königliche Hoftheater des Architekten Max Littmann 100 Jahre alt. In der Saison 2009/2010 inszenieren an der Staatsoper die beiden Enfants ­terribles der Opernwelt: Stefan Herheim gibt mit Der Rosenkavalier sein Stuttgart­ debüt und Calixto Bieito inszeniert mit Parsifal seine zweite Wagner-Oper.

mit einer hocheinfühlsamen Erkundung der seelischen Verletzungen, die die gezeigten Extreme in den Seelen der Figuren anrichten. Vielleicht ist Bieito nur deshalb so „brutal“, damit der Zuschauer die Möglichkeit erhält, mehr noch: damit er gar keine andere Möglichkeit mehr hat, als mit diesen Figuren zu leiden. Genau deshalb war sein Don Giovanni für jeden, der hinschaute, statt blindlings „Skandal“ zu rufen, ein bewegendes Erlebnis. Da gab es tiefe Momente von Verlorenheit, die einem die Figuren in ihrem Unheil-Sein ganz nahe brachten. Und wenn am Ende der blutüberströmte Komtur Don Giovanni entgegentrat und ihn mit dem Leid konfrontierte, das dieser Vorstadt-Desperado angerichtet hatte — dann war der Held fertig mit sich und der Welt. Das brutale Abschlachten zu Mozarts schneidend jubelnden Triumphklängen war nur noch musikalische Formsache, sein Lebensentwurf war zuvor schon gestorben. Dieses Denken in Extremen mag ein Erbe von Bieitos Heimat sein. „Die katalanische und spanische Avantgarde waren sehr prägend für mich, vor allem der katalanische Surrealismus: sehr sophisticated, sehr einfühlsam. Dann der spanische Realismus in all seiner Härte, schließlich die galizische Melancholie — mein Vater war aus Galizien. Aber vor allem hat mich diese Gegensätzlichkeit der spanischen Kulturkreise geprägt– von daher kommt vielleicht meine Vorliebe für dieses Denken in extremen Kontrasten. Aber auch unsere Gesellschaft ist extrem: dieser Konsum, diese Brutalität. Die Extreme reflektieren viel genauer, was wir sind, als der Alltag. Sie sind ein Spiegel der Welt.“ Albrecht Puhlmann hat Bieito die Treue gehalten, auch in Stuttgart, wo er 2006 die Nachfolge von Klaus Zehelein antrat, und wo Bieito 2008 seinen ersten Wagner herausbrachte. Von Ernst Bloch gibt es einen klugen Aufsatz über die „Rettung Wagners durch surrealistische Kolportage“. Der Text liest sich wie der philosophische Überbau zu diesem Fliegenden Holländer. Wagners Seehelden deutete Bieito als Heimatlosen der internationalen Finanzwelt. Die Schiffsmannschaft in ihren Business-Anzügen, die da ein Schlauchboot auf einen unwirtlichen Strand zog, hätte die Führungsetage eines Bankhauses auf Ausflug im Erlebniscamp sein können. Der Holländer aber ist einer, der ganz oben auf der Erfolgsleiter steht und deshalb Bargeld im Koffer hortet, während die anderen mit wertlosen Börsenpapieren um sich werfen — dass die Premiere zwei Tage nach dem Januar-Finanzcrash 2008 herauskam, darf man mit Fug das Glück des Hellhörigen nennen.

An Kolportage-Bildern war im „wetterndem Bildnebel“ (Ernst Bloch) kein Mangel, und auch die Mahnung, die „liebe Leiche“ sei „mit Essig“ zu waschen, beherzigte Bieito mit der grotesken Überzeichnung der Figuren aufs Wort. Doch wo Wagner im Verlauf der Handlung immer neue Bedeutungsebenen freilegt, zeigte Bieito in immer neuen Szenen immer dasselbe. Die Bilder waren stark — und seine Wagner-Interpretation einseitig. Bei ihm gibt es nur heiß oder kalt, aber nie lau. Und so spaltete Bieito das Publikum wieder einmal in buhend Erzürnte und jubelnd Begeisterte. Man muss das nicht immer mögen — kann aber auch nicht leugnen, dass die Oper Regisseure wie ihn braucht: Damit nicht eines Tages Stromausfall ist im Kraftwerk der Gefühle. Albrecht Puhlmann jedenfalls hat den Gefallen an explosiven Konstellationen mit Bieito nicht verloren. An der Stuttgarter Staatsoper geht im März 2010 Bieitos Parsifal über die Bühne. Für Wagnerianer und andere Gralshüter der Werkgerechtigkeit gilt: Betreten der Vorstellung auf eigene Detlef Brandenburg Gefahr!

Premieren der Spielzeit

3. Oktober 2009 Gaetano Donizetti Lucia di Lammermoor Regie: Olga Motta, Dirigent: Patrick Fournillier

10. Oktober 2009 Friedrich Hebbel/Antonio Vivaldi Judith Koproduktion mit dem Schauspiel Stuttgart und den Salzburger Festspielen, Regie: Sebastian Nübling, Dirigent: Lutz Rademacher

1. November 2009 Richard Strauss Der Rosenkavalier Regie: Stefan Herheim, Dirigent: Manfred Honeck

7. November 2009 · Uraufführung Ruedi Häusermann Randolph’s Erben 27. Januar 2010 Jonathan Dove Pinocchios Abenteuer Regie: Markus Bothe, Dirigent: David Parry

28. März 2010 Richard Wagner Parsifal Regie: Calixto Bieito, Dirigent: Manfred Honeck

9. Mai 2010 Leoˇs Janáˇcek Katja Kabanova Regie: Jossi Wieler/ Sergio Morabito, Dirigent: Michael Schønwandt

10. Juni 2010 Ludger Vollmer Gegen die Wand Regie: Neco Çelik, Dirigent: Bernhard Epstein

9. Juli 2010 Chaya Czernowin Pnima Regie: Yona Kim, Dirigent: Johannes Kalitzke


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3 Foto: Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper/München

D

Oper in München, das ist mehr als Traditionspflege, große Sängernamen und die Garantie für einen genussvollen Abend. Oper in München ist eine radikale Verpflichtung an die Gegenwart.

Martin Kušejs bildgewaltige Produktion von Verdis Macbeth mit Zeljko Lucic und Nadja Michael

Musikgenuss ausgerichteten Publikums? Wer dies kolportiert, der vergisst dabei leicht, dass sich weltweit kein anderes Opernhaus stets so sehr dem Neuen in der Musik geöffnet hat, wie es die Münchner Oper in ihrer über 350-jährigen Geschichte getan hat. Hier wurden Werke uraufgeführt, ohne die diese Kunstform wahrhaftig ärmer wäre: Mozarts Idomeneo, Wagners Tristan und Isolde, Die Meistersinger von Nürnberg, Rheingold und Walküre sowie Palestrina von Pfitzner oder Richard Strauss’ C ­ apriccio. Bedeutsame Werke der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts von Paul Hindemith bis zu Aribert Reimanns höchst erfolgreichen Opern Lear, Troades, Bernarda Albas Haus oder Pendereckis Ubu Rex wurden ebenso in München uraufgeführt, wie etwa Wolfgang Rihms Das Gehege. Und mitunter eröffneten Weltpremieren dieser Art sogar die alljährlich stattfindenden Münchner

ja Gier nach Neuem, also Neugier hatten. Dass Publikum und Künstler hier immer Fragen stellten und der Kunstform Oper die Antworten auf ihre Fragen zutrauten. Denn: Wer fragt, der lebt. Und wer Neues hören (und sehen) will, der geht in München in die Oper — auch und gerade, wenn er dort irritiert oder gar schockiert wird und manchmal, wie Stolzing in Foto: Guy Vivien

er neue Intendant Nikolaus Bachler holt auch Regisseure ans Haus, die teilweise zum ersten Mal Oper inszenieren und die bekannten Stoffe aus ihrer unmittelbaren Gegenwart heraus neu befragen. Zu Beginn dieser Spielzeit setzen sich Stephan Kimmig mit Don Giovanni und David Bösch mit L’elisir d’amore auseinander. Aus Bachlers erster Spielzeit sind besonders Andreas Kriegenburgs gefeierte Produktion des Wozzeck, Barbara Freys Jen˚ufa-Inszenierung und Martin Kušejs radikaler Zugriff auf Verdis Macbeth im Gedächtnis, der die Massenmorde der Hauptfiguren in die Nähe der Massaker von Srebrenica rückte. Verpflichtung an die Gegenwart bedeutet vor allem auch die Uraufführung neukomponierter Werke und damit eine Erweiterung des Repertoires aus unserer Zeit heraus. Im Februar 2010 ist Peter Eötvös’ Oper Die Tragödie des Teufels zum ersten Mal zu erleben. Das bekannte Thema der Verführbarkeit des Menschen zum Bösen erlebt in diesem Auftragswerk der Bayerischen Staatsoper eine uns alle betreffende neue Dimension. Schließlich besteht die Tragödie des modernen Menschen heute darin, dass er nach dem Zusammenbruch klarer politischer Verhältnisse und gesellschaftlicher Systeme das Böse nicht mehr konkret benennen oder exakt lokalisieren kann. Ein in Zeiten des Abgleitens in

Wer fragt, der lebt Komponist Peter Eötvös

Bayerische Staatsoper Max-Joseph-Platz 2, 80539 München Karten unter Telefon (089) 21 85 19 20 Fax (089) 21 85 19 03 tickets@st-oper.bayern.de

Foto: Wilfried Hösl

www.staatsoper.de

immer neue virtuelle Welten hochaktuelles Thema, das hier von Peter Eötvös und seinem Librettisten, dem deutschen Schriftsteller Albert Ostermaier, als „komisch-utopische Oper in drei Teilen“ erstmals auf einer Opernbühne verhandelt wird. Das große Interesse an der Uraufführung von Die Tragödie des Teufels zeigt, dass Oper als gesellschaftsrelevante, konsequent der Gegenwart verpflichtete Kunstform höchst lebendig ist. Ja, dass sie gerade dort pulsiert, wo man ihre Vitalität zunächst nicht immer unbedingt vermutet: in München. Wurde nicht eben hier der Oper gerne nachgesagt, sie diene unter dem weiß-blauen Fönhimmel zu­ allererst der Repräsentation ihres angeblich so konservativen, auf kulinarischen

Opernfestspiele — so etwa jüngst Unsuk Chins Alice in Wonderland in der Produktion von Achim Freyer. Häufig verstörten diese neuen Werke ihr Publikum, doch letztlich interessierten und faszinierten sie, überwanden eingefahrene Hörgewohnheiten und setzten sich auf den Spielplänen der Opernbühnen durch. Die große, nun bis zu Peter Eötvös’ Die Tragödie des Teufels reichende Uraufführungs-Tradition der Bayerischen Staatsoper beweist, dass an der Isar Publikum und Künstler stets Sehnsucht,

Wagners Meistersingern, denkt „das klingt mir alles fremd vorm Ohr“. Opernstadt München. Diese beiden Worte leuchten durchaus auch im Licht des von München aus nahen Italiens, wo das Leben seit jeher mit größerer Theatralik und Dramatik, mit stärkerer Sinnlichkeit und Leidenschaft gelebt und kommentiert wird, als in nördlichen Breiten. Die theatralische Italianità hat in vielen Bereichen auf München abgefärbt — auch als Opernstadt. So erhielt Venedig 1637 ein öffentliches Opernhaus,

Die Bayerische Staatsoper in München Mit mehr als einer halben Million Besucher, rund 350 Vorstellungen im Jahr und einer Auslastung von über 90% zählt die Bayerische Staatsoper zu den bedeutendsten künstlerisch-musikalischen Betrieben weltweit. Hauptspielstätte ist das klassizistische Nationaltheater — mit 2.101 Plätzen das größte Opernhaus Deutschlands. Das Repertoire des von Intendant Nikolaus Bachler geführten Hauses umfasst Werke aus fünf Jahrhunderten. Generalmusikdirektor und damit künstlerischer Leiter des Bayerischen Staatsorchesters ist Kent Nagano. Ivan Liška steht an der Spitze des künstlerisch eigenständigen Bayerischen Staatsballetts als Company von internationalem Rang mit den Ballettfestwochen als Glanzpunkt der Saison. Die von der Bayerischen Staatsoper alljährlich veranstalteten Münchner Opernfestspiele wurden 1875 gegründet, sind damit das älteste Festival dieser Art in Europa und markieren jedes Jahr den Höhepunkt des Münchner Kultursommers.

und schon siebzehn Jahre später baute man das erste freistehende Opernhaus Deutschlands — in München. Wo sonst? Seitdem ist Oper ein wesentlicher Teil des Lebens in dieser „schönen und gemächlichen Stadt“, wie Thomas Mann die Isar-Metropole nicht ohne ironischen Unterton einmal nannte. Doch neben der Italiennähe bildeten in München noch andere Elemente den idealen Nährboden für diese Kunst: Monarchie, Katholizismus, kunstsinnige Wittelsbacher Kurfürsten und Könige sowie ein Bürgertum, das seine Wurzeln in der Sinnlichkeit des Bäuerlichen hat und sein Gefühl für Schönheit an der atemberaubenden bayerischen Landschaft orientierte. Dem Willen zu mediterraner Prachtentfaltung und Festkultur verdankt München heute die zweifellos schönsten Theaterbauten Deutschlands und Spielstätten der Oper: Cuvilliés-Theater, Prinzregententheater und Nationaltheater. Letzteres wurde zweimal in seiner Geschichte zerstört und wieder aufgebaut. Nach dem Brand von 1823 finanzierte man den Wiederaufbau des Opernhauses übrigens unter anderem mittels eines „Bierpfennigs“: Mit jeder Maß zahlten Münchens Bürger für ihr Nationaltheater einen Pfennig. Wo gäbe es das sonst — Biertrinken für die Kunst? Eine historisch amüsante Randnotiz, gewiss — doch auch eine wichtige, sucht man ein Beispiel für den basso continuo, der mehr als 350 Jahre Münchner Operngeschichte durchzieht. Eine Geschichte, die ebenso wechselwie glanzvoll ist und immer eng mit den Werken Mozarts, Wagners und Richard Strauss’ verbunden bleibt; jener Komponisten also, die in München arbeiteten und bis heute ebenso respekt- wie liebevoll „Hausgötter“ der Münchner Oper genannt werden. Doch „Tradition ist nicht das Anbeten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme“, wie der englische Humanist Thomas Morus schon um 1500 schrieb. So ist die Bayerische Staatsoper heute wahrhaftig mehr als nur ein Tempel für Hausgötter und Sängerstars. Ja, die Bayerische Staatsoper zeigt inzwischen mehr als nur Oper — sie zeigt spannendes, neue und unbekannte Horizonte des Menschen erkundendes Musiktheater. Ihr Intendant Nikolaus Bachler: „Unsere Arbeit auf und hinter der Bühne zielt letztlich darauf ab, die inneren Wahrheiten von Menschen in Zusammenhang zu ihren äußeren Realitäten zu setzen.“ Entscheidend für diesen Anspruch von Opernarbeit ist in München der weite, scharf reflektierende Blick auf Gesellschaft, Ästhetik, Kultur- und Musikgeschichte — auf die ganze Bandbreite des Repertoires zwischen Barock und Moderne, zwischen Georg Friedrich Hän-

del und Peter Eötvös. Das zeigen gerade auch die herausragenden Inszenierungen bedeutender Regisseure, die inzwischen die Bayerische Staatsoper zu einem hotspot in der Opernwelt, zu einem Ort permanenter, oftmals durchaus auch unbequemer Auseinandersetzung mit den großen Werken der Musikgeschichte gemacht haben. Für sinnlose Sinnlichkeit und museale Genügsamkeit steht die Arbeit der Bayerischen Staatsoper nicht. Sie ist sich stets ihrer großen Tradition bewusst und fühlt sich genau aus diesem Bewusstsein radikal der Gegenwart verpflichtet . Die Bayerische Staatsoper in München: Oper zum Fühlen und zum Pascal Morché Denken. Premieren der Spielzeit

31. Oktober 2009 Wolfgang Amadeus Mozart Don Giovanni Musikalische Leitung: Kent Nagano; Inszenierung: Stephan Kimmig

01. Dezember 2009 Gaetano Donizetti L’elisir d’amore Musikalische Leitung: Juraj Valcuha; Inszenierung: David Bösch

22. Februar 2010 Peter Eötvös (Musik) Albert Ostermaier (Text) Die Tragödie des Teufels Uraufführung Musikalische Leitung: Peter Eötvös; Inszenierung: Balázs Kovalik

28. März 2010 Francis Poulenc Dialogues des Carmélites Musikalische Leitung: Kent Nagano; Inszenierung: Dmitri Tcherniakov

07. Juni 2010 Giovanni Simone Mayr Medea in Corinto Musikalische Leitung: Ivor Bolton; Inszenierung: Hans Neuenfels

28. Juni 2010 Giacomo Puccini Tosca Musikalische Leitung: Fabio Luisi; Inszenierung: Luc Bondy

20. Juli 2010 Richard Strauss Die schweigsame Frau Musikalische Leitung: Kent Nagano; Inszenierung: Barrie Kosky

Bayerisches Staatsballett 23. Dezember 2009 Nacho Duato Vielfältigkeit. Formen von Stille und Leere Musik: Johann Sebastian Bach; Choreographie: Nacho Duato

25. April 2010 William Forsythe Artifact Musik von Eva Crossmann-Hecht, Feruccio Busoni/J. S. Bach, William Forsythe; Choreographie: William Forsythe

22. Juni 2010 Terence Kohler Série Noire — ein choreographischer Krimi Uraufführung Musik: Philip Glass; Choreographie: Terence Kohler


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Foto:Matthias MatthiasCreutziger Creutziger Foto:

Sächsische Staatsoper Dresden | Semperoper

Foto: Erwin Döring

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wirkte hier als Kapellmeister und brachte drei seiner Opern zur Uraufführung. In Sempers zweiter Dresdner Oper, 1878 bis 1945, gab es über 30 Uraufführungen, darunter mehr als die Hälfte aller Bühnenwerke von Richard Strauss. Zählt man die Erstaufführungen dazu, dann erlebten die Dresdner und ihre Gäste den Luxus einer äußerst risikofreudigen Verbindung von Tradition und Moderne. Seit 1985 wurden auf der großen Bühne fünf Opern uraufgeführt, in eindrücklicher Erinnerung, nicht zuletzt wegen der Inszenierung durch Ruth Berghaus, von Siegfried Matthus’ Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, am 16. Februar 1985. Bleibende Maßstäbe,

man dem Neuen und Ungewöhnlichen hier gern die Bühne zur Verfügung stellte. Die Verblüffungen, die Überraschungen der letzten Spielzeiten sind stark. Genrebedingt scheinen sich Uraufführungen nicht in gleichem Maße für ein Haus wie Dresden unter gegenwärtigen Bedingungen anzubieten, wie die Erweiterung des Repertoires durch Werke, die in Vergessenheit geraten sind, hier uraufgeführt wurden oder in einer ästhetischen Beziehung zur Semperoper zu sehen sind. Die Erfolge der Inszenierungen von Paul Hindemiths Cardillac durch Philipp Himmelmann und Penthesilea von Othmar Schoeck durch Günter Krämer, beide 1926 bzw. 1927 in Dresden uraufgeführt, waren

Die Frauenkirche von Paris Die 25. Spielzeit in der dritten Semperoper lockt wieder mit einer Entdeckung: Notre Dame von Franz Schmidt zum ersten Mal in Dresden

Sächsische Staatsoper Dresden Semperoper Theaterplatz 2, 01067 Dresden Karten unter Telefon (0351) 49 11 705 bestellung@semperoper.de

Foto: Matthias Creutziger

www.semperoper.de

der Wahrnehmung eine andere Bedeutung als etwa die der Frauenkirche in ihrer Wirkweise als schmerzhaft authentisches Mahnmal unweit des Ortes, an dem bis zum Neubau im Jahre 2001 ein Gedenkstein an die Zerstörung der von Gottfried Semper erbauten Synagoge im Jahre 1938 erinnerte. Mit der neuen Semperoper verbanden sich viele Hoffnungen. Bald musste man einsehen, dass hier vornehmlich bestimmt durch die Inszenierungen von Joachim Herz und Christine Mielitz szenische Qualitäten tonangebender sein werden als sängerische, jedenfalls gemessen an den internationalen Standards und dem Flair, das die Gastspiele aus Wien, Zürich oder Hamburg ins weltweit geschätzte Opernhaus, dessen Semperscher Geist erhalten geblieben ist, brachten. Das erste von Gottfried Semper errichtete Theater wurde 1841 eröffnet und fiel 1869 einem Brand zum Opfer. Richard Wagner

die sich ganz und gar nicht mit dem Ende der DDR erledigt hatten, setzte 1986 die politisch subversive Sicht der Ruth Berghaus auf Elektra von Strauss als graues Drama einer in sich aggressiven Gesellschaft im Wartezustand. Nach 1989 galt es, Werke zu entdecken, von denen man wusste, die aber bislang, etwa Aribert Reimanns Lear, nur in Ostberlin zu sehen waren. Wenn Gerd Uecker mit der 25. Spielzeit der dritten Semperoper seine Intendanz beendet, die er 2003 im Jahr nach der großen Flut begann, dann hat er für gut 40 Produktionen unterschiedlichster Art fast 30 Regisseure nach Dresden geholt, Altmeister und Vertreter jüngerer Gene­ rationen wie Vera Nemirova, Andreas Baumgarten, Karoline Gruber, demnächst Jens-Daniel Herzog. Auf Erfolg allein kann er dabei nicht gesetzt haben. An der Dresdner Tradition lag ihm, die seiner Meinung nach dadurch geprägt war, dass

überraschend. In seiner letzten Saison möchte Gerd Uecker neben publikumssicheren Werken wie Verdis La traviata, Gounods Faust oder gerade noch jubiläumsgemäß Händels Giulio Cesare in Egitto, zuletzt vor 75 Jahren unter Karl Böhm im Hellerauer Festspielhaus aufgeführt, Notre Dame von Franz Schmidt zur Dresdner Erstaufführung bringen. Das heute fast vergessene, einstmals erfolgreiche Werk, wurde 1914 in Wien uraufgeführt. Am Pult der Staatskapelle steht Fabio Luisi, der bislang dem symphonischen Werk Schmidts neue Aufmerksamkeit zukommen ließ und sich dabei hohe Anerkennung erwarb. Intendant und Generalmusikdirektor sind gleichermaßen davon überzeugt, dass es gut ist, dieses Werk vorzustellen. Die Praxis wird zeigen, ob mit dessen symphonisch grundierter Struktur das derzeit allgemein arg eingeschränkte Opernrepertoire um andere Akzente zu erweitern ist.

sächsische staatsoper dresden — semperoper Die Semperoper Dresden — ein Haus von Weltruf mit einem Ensemble von Rang und internationalen Gästen. Hier spielt die Staatskapelle Dresden, eines der traditionsreichsten Orchester der Welt, das über 460 Jahren kontinuierlichen Bestand hat. Der von Carl Maria von Weber 1817 gegründete Opernchor ist auch durch Konzerte und CD-Produktionen mit der Staatskapelle Dresden über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. In Dresden wurde Opern- und Musikgeschichte geschrieben — durch Kapellmeister und Komponisten wie Heinrich Schütz, Johann Adolf Hasse, Carl Maria von Weber, Richard Wagner oder Richard Strauss; durch Dirigenten wie Ernst von Schuch, Fritz Busch, Karl Böhm, Joseph Keilberth, Kurt Sanderling oder Giuseppe Sinopoli. Wagner etablierte sich durch die Uraufführungen seiner ersten großen Bühnenwerke und Strauss durch neun Uraufführungen, deren erste Salome war. Tradition und Moderne gehen seit Jahrhunderten Hand in Hand durch die Pflege des Bewährten und den Mut zu Neuem. In den letzten Kriegsmonaten 1945 zerstört, wurde die Semperoper — eines der schönsten Opernhäuser Europas — 1985 wieder eröffnet. Im Februar 2010 ist dies 25 Jahre her!

Foto: Erwin Döring

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er 13. Februar 1985 war ein eiskalter Tag in Dresden. Im Gedenken an die Zerstörung der Stadt vor 40 Jahren, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, seit etlichen Jahren auch in starkem Maße ein Datum der kirchlich und pazifistisch motivierten Friedensbewegung mit Tendenzen des Widerstandes, fanden sich jedoch bei jedem Wetter unzählige Menschen an diesem Tag zusammen. Am 13. Februar 1985 wird die dritte Semperoper, zu deren Wiederaufbau 1977 der Grundstein gelegt wurde, eröffnet. Die Ruine des Opernhauses, mit dem sich so viele Erinnerungen verbanden, hatte in

Regisseur Günter Krämer (unten) inszenierte bereits 2002 an der Semperoper Die Fledermaus (links) und im vergangenen Jahr Othmar Schoecks Penthesilea. Iris Vermillion in der Titelpartie wurde mit dem Theaterpeis „FAUST 2008“ ausgezeichnet.

Für den Regisseur Günter Krämer, nach Penthesilea mit dem klug gebauten Libretto aus Originaltexten des Trauerspiels von Kleist, bedeutet Notre Dame zunächst eine Herausforderung. Es gilt mit dem Text einer Oper umzugehen, der daran nicht zu messen und eindeutig historistisch orientiert ist. So kommt Krämer rasch auf die musikalische Qualität zu sprechen, die es zu erkunden galt. Bislang war auch ihm nicht mehr bekannt als der Titel und das schmelzende Zwischenspiel als Hit der Wunschkonzerte vergangener Jahre, sonntags nach dem Braten. Einen Bilderbogen des Mittelalters mit Typisierungen der von Victor Hugo erfundenen und populär gewordenen Figuren, wie es Film und Musical ausgiebig getan haben, wird er nicht inszenieren. Die Emotionen der Musik brachten ihn dahin, ausgehend vom Hinrichtungstod der Esmeralda und dem Schnelldurchlauf der Stationen eines Lebens im Augenblick des Sterbens, die subjektive Sicht der Frau in diesem Männerstück in den Mittelpunkt zu stellen. Ihn interessiert das Psychogramm einer Frau unter den Zumutungen der Männer, die sich in ihren Entblößungen, wie der erotisch durchtriebene Archidiaconus von Notre Dame, um der eigenen Lebenslüge willen entscheiden, die Frau als Grund ihrer Erschütterung zu opfern. Das Zigeunermädchen Esmeralda, nicht zuletzt durch die ihr zugeordnete Süße der Musik, wird zu einer der vielen Schwes­tern Lulus, der man den Mantel der Madonna über ihre Reize legt, um sich so zügellosen Anbetungsfantasien hingeben zu können. Krämer hofft wie bei Penthesilea auf den Vermittlungseffekt des ungewohnt Emotionalen im Musiktheater. Er weiß schon, dass bei vielen Menschen nicht die Neugier auf unbekannte Werke den Gang in die Oper motiviert. Er weiß um die Wirkung des Hauses mit seinem festlichen Ambiente im Kontext der Dresdner Touristenattraktionen. Er setzt auf die Popularität des Titels, der im deutschen etwas fehlgeleitet ist, denn der französische Originaltitel lautet Notre-Dame de Paris: Die Frauenkirche von Paris. Und Krämer strebt die Überraschung an, durch die Musik etwas, das man zu kennen

meint, so zu präsentieren, dass man es neu oder anders sieht und erlebt. Im Spielplan der Festtage zum Jubiläum 25 Jahre „Neue Semperoper“, vom 13. Februar bis zum 7. März 2010, wird Fabio Luisi einen Ring-Zyklus dirigieren. Neben Konzerten und Ballettaufführungen stehen drei wesentliche Werke aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts auf dem Programm: Penthesilea, Brittens Peter Grimes und Cardillac. Nach der Premiere der Oper Notre Dame am 18. April wissen wir, ob der scheidende Intendant an seine Nachfolgerin Ulrike Hessler, die wie er von der Bayerischen Staatsoper München nach Dresden kommt, das Repertoire mit der weiteren Rückgewinnung eines bislang kaum mehr bekannten Werkes übergibt. Boris Michael Gruhl

P r e m i e r e n op e r

2. Oktober 2009 Giuseppe Verdi La traviata Inszenierung: Andreas Homoki Musikalische Leitung: Fabio Luisi

13. Dezember 2009 Georg Friedrich Händel Giulio Cesare in Egitto (Julius Cäsar in Ägypten) Inszenierung: Jens-Daniel Herzog Musikalische Leitung: Alessandro De Marchi

18. April 2010 · Dresdner Erstaufführung Franz Schmidt Notre Dame Inszenierung: Günter Krämer Musikalische Leitung: Fabio Luisi

5. Juni 2010 Charles Gounod Faust (Margarete) Inszenierung: Keith Warner Musikalische Leitung: Alexander Joel

12. Juni 2010 Gaetano Donizetti Lucrezia Borgia Oper konzertant Musikalische Leitung: Andriy Yurkevych Premieren ballett

21. November 2009 Peter I. Tschaikowsky Schwanensee Musikalische Leitung: David Coleman Choreografie: Aaron S. Watkin nach Marius Petipa & Lew Iwanow

20. Juni 2010 3 Farben Weiss A Sweet Spell of Oblivion (dt. Erst­ aufführung), Musik: Johann Sebastian Bach Choreografie: David Dawson Kreation Uraufführung Musik: 48Nord Ulrich Müller & Siegfried Rössert/ Choreografie: Jacopo Godani

Diamanten Musik: Peter I. Tschaikowsky/ Choreografie: George Balanchine im repertoire Fidelio, Peter Grimes, L’Upupa und der Triumph der Sohnesliebe, Cardillac, Hänsel und Gretel, Die lustige Witwe, Così fan tutte, Die Entführung aus dem Serail, Le nozze di Figaro, Die Zauber­ flöte, Don Giovanni, Boris Godunow, La Bohème, Tosca, Il barbiere di Siviglia (Der Barbier von Sevilla), La Cenerentola — Das Aschenputtel, Penthesilea, Die Fledermaus, Der Rosenkavalier, Salome, Die schweigsame Frau, Il trovatore, Falstaff, Macbeth, Otello, Rigoletto, Der fliegende Holländer, Lohengrin, Parsifal, Die Meistersinger von Nürnberg, Das Rheingold, Die Walküre, Siegfried, Götterdämmerung


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Oper Leipzig

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Der Leipziger „Doppelring“

Musikdramatiker im Doppelpack: Gluck und Wagner

Oper Leipzig Augustusplatz 12, 04109 Leipzig Musikalische Komödie Dreilindenstraße 30, 04177 Leipzig Karten unter Telefon (0341) 12 61 261 fax (0341) 12 61 300 service@oper-leipzig.de www.oper-leipzig.de

Beide, Gluck und Wagner, gelten als die großen Musikdramatiker der Operngeschichte. Beide wollten sie mit Hilfe der Musik Geschichten erzählen, die zeitlos sind, mythische Geschichten also, die uns helfen können, uns selbst besser zu verstehen. Der Chefregisseur der Oper Leipzig, Peter Konwitschny, möchte mit seinem Leipziger Ensemble den Beweis antreten, dass nicht nur beide Komponisten auf die gegenwärtige Opernbühne gehören, sondern auch, dass sich Glucks mythologische Opern Alkestis, Iphigenie in Aulis, Iphigenie auf Tauris und

Fotos: Andreas Birkigt

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ie Spielpläne der großen Opernhäuser orientieren sich nicht selten an den wichtigen Daten der Musikgeschichte, die der Jubiläenkalender vorgibt. Gleich zwei der bedeutendsten Namen der über vierhundert Jahre andauernden Operngeschichte gilt es in der Spielzeit 2013/14 zu feiern, zwei Komponisten, die auf den ersten Blick hundert Jahre zu trennen scheinen, die auf den zweiten Blick allerdings weitaus mehr verbindet, als man sich das je gedacht hätte. Es sind dies Christoph Willibald Gluck und Richard Wagner. Der eine feiert 2014 seinen 300. Geburtstag, der andere 2013 seinen 200. Geburtstag. Der eine wurde für seine Verdienste als Komponist mit dem päpstlichen Adelsprädikat eines Ritters des goldenen Sporns ausgezeichnet, der andere war ein Querdenker und Anhänger der Revolution, der sich, wenn es sein musste, auch mit den Mächtigen anlegte. Der eine erfährt gerade in den letzten Jahren wieder eine Renaissance auf der Opernbühne, der andere ist einer der bedeutendsten Söhne der Stadt Leipzig und seit jeher ein, wenn auch nicht vollkommen unumstrittener, Monolith des Musiktheaters. Beiden gemeinsam ist ihr massives Eintreten für eine Reform der gängigen Opernpraxis. Beide stellten das Drama, also die Handlung, wieder in den Mittelpunkt ihrer kompositorischen Arbeit. Die Oper dürfe nicht zum dekadenten Augenund Ohrenschmaus verkommen, so Gluck, oder, um es mit Richard Wagners Worten zu sagen, die Musik dürfe nicht der Zweck des Dramas sein, sondern das Mittel. Beide orientierten sich dabei am Vorbild der griechischen Tragödie, in der sie idealtypisch ein harmonisches Miteinander von Gesang und Text, von Musik und Szene sahen. Es ist durchaus kein Zufall, dass Richard Wagner sowohl in seinen theoretischen Überlegungen zu einer Reform der Oper als auch in seiner praktischen Arbeit als Kapellmeister und Komponist immer wieder auf Christoph Willibald Gluck Bezug nahm. Der junge Richard Wagner lernte viel, als er Glucks Armida dirigierte, und noch mehr, als er Iphigenie in Aulis für größeres Orchester instrumentierte.

Szene aus Peter Konwitschnys Inszenierung von Aida mit Sylvie Valayre und Natascha Petrinsky, wieder zu sehen ab 1. Mai 2010.

Armida ähnlich wie Richard Wagners Ring des Nibelungen als Zyklus erzählen lassen, der sich mit den Urkonflikten der menschlichen Zivilisation auseinandersetzt. In Leipzig wird daher bis zum Jahr 2013 an einem doppelten Ring

Szene aus Luigi Nonos Al gran sole

geschmiedet. Das bedeutet, dass parallel zum „Gluck-Ring“ jedes Jahr eine konzertante Aufführung eines Teiles der Wagnerschen Tetralogie mit erstklassigen Wagner-Spezialisten erklingt. 2013 wird dann der komplette Ring in bedeutenden Inszenierungen als Gastspiele verschiedener Opernhäuser Deutschlands und Europas zur Aufführung kommen. Dass die Wagnerstadt Leipzig zuversichtlich in das Jahr 2013 schauen kann, dafür sorgt nicht zuletzt der Generalmusikdirektor der Oper Leipzig, Ulf Schirmer, zusammen mit dem Gewandhausorchester. Der ausgewiesene Wagnerdirigent hat bereits mit seiner musikalischen Einstudierung von Wagners Parsifal die Musikerherzen des weltberühmten Gewandhausorchesters ebenso wie die des Publikums im Sturm für sich erobert. Im Dezember gibt er seinen Einstand in Leipzig mit der Neueinstudierung von Peter Konwitschnys berühmter Hamburger Inszenierung von Wagners Lohengrin.

Konwitschnys Gluck-Tetralogie Dass die Oper nicht zum dekadenten Augen- und Ohrenschmaus verkommt, ist knapp 250 Jahre nach Gluck auch ein zentrales Anliegen Peter Konwitschnys. Nach Luigi Nonos Unter der großen Sonne von Liebe beladen und Wagners Lohengrin bis Dezember 2009 widmet Peter Konwitschny sich ab April 2010 mit der Neuinszenierung von Glucks Alkestis einem lange schon gehegten Wunschprojekt. Denn die Idee, die vier Opern mit antiken weiblichen Hauptfiguren von Christoph Willibald Gluck zu einer Tetralogie zusammenzufassen, hatte Peter Konwitschny bereits zu Beginn der 90er Jahre. Nach seiner Erfahrung mit bahnbrechenden Händel-Inszenierungen

Peter Konwitschny

in Halle lag die Beschäftigung mit Gluck, der als Opernreformer entscheidenden Einfluss auf die Musiktheatertradition hatte, nahe. In intensiven Arbeitsphasen zeigte es sich für Peter Konwitschny bei der Erarbeitung der Gluck-Opern, dass die vier Werke — ähnlich wie bei Wagners Ring — in ihrer jeweiligen Form als Ein-

die oper leipzig Die Oper Leipzig – bestehend aus Oper, Musikalischer Komödie und Leipziger B ­ allett – ist die drittälteste bürgerliche Musiktheaterbühne Europas nach Venedig und Hamburg. Seit 1781 als „Gewandhausorchester“ firmierend und seit 1840 in städtischer Hand, spielt das Gewandhausorchester seitdem in allen Vorstellungen der Oper. Neben dem in Leipzig geborenen Richard Wagner ist die Leipziger Operngeschichte untrennbar verknüpft mit Uraufführungen wie Kurt Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Das heutige Opernhaus mit 1265 Plätzen wurde 1960 als einziger OpernhausNeubau der DDR eröffnet. Zur 50-Jahr-Feier des Hauses im Oktober 2010 werden wie zur damaligen Eröffnung Wagners Meistersinger in einer Neuinszenierung aufgeführt. Seit der Spielzeit 2008/09 wird der Spielplan der Oper durch Chefregisseur Peter Konwitschny und Generalmusikdirektor Ulf Schirmer (seit der Spielzeit 2009/10) geprägt. Das Leipziger Ballett führt die choreographische Arbeit von Uwe Scholz derzeit unter Paul Chalmer, ab 2010/11 unter Mario Schröder Zukunft weisend weiter. Der Spielplan von Oper und Leipziger Ballett reicht vom Barock bis zur Gegenwart.

zelabend aufführbar sind und trotzdem eine gemeinsame übergeordnete Idee verfolgen. Die (Opfer-) Rolle der Frau wird nicht losgelöst von der gesellschaftlichen Entwicklung unserer Zivilisation untersucht, der Geschichtsprozess und die persönlichen Tragödien gehören zusammen.

Vom Anfang der Menschheit bis zu ihrem Untergang Die zyklische Idee dokumentiert sich in einer zeitlichen Abfolge der vier Opern: Ausgehend von einer frühen Zivilisationsstufe in Alkestis wird die Historie in Riesenschritten durchmessen, um bei Armida in einer (von heutigen Erfahrungen ausgehenden) Zukunftsvision zu landen. Alkestis spielt so in einer ganz frühen Kulturstufe, wo das menschliche Opfer für den Aufbau eines funktionierenden Staatswesen notwendig ist, Iphigenie in Aulis in einer griechischrömischen antiken Staatsform, Iphigenie auf Tauris in einer modernen Diktatur des zwanzigsten Jahrhunderts und Armida in einer hochtechnisierten Zukunft, in der heutige Tendenzen zu ihrer erschreckenden Endform entwickelt wurden. Alle Aufführungen haben verbindende Elemente, einzelne theatralische Zeichen wie zum Beispiel den Opferaltar, aber auch der Deus (oder die Dea) ex machina kehren wieder. Bereits in Alkestis bekommt der Schluss auch szenisch ein antizipatorisches Moment, indem hier der Zeitsprung in die Gegenwart frech vorweggenommen wird. So wird Peter Konwitschny den Bogen zu den drei folgenden Opern schlagen, in denen er sich dann ästhetisch mehrfach auf die jeweils vorangegangenen Abende beziehen wird. Ähnlich wie bei Händel soll der Versuch gemacht werden, die barocken Opern aus ihrer unverbindlich-weltfernen Aufführungstradition zu lösen und das philosophische Potential der erzählten Geschichten herauszuarbeiten, um die Genauigkeit und Meisterschaft von Glucks musikalischer Dramatik hörbar zu machen. Denn wenn Alkestis freiwillig in die Unterwelt geht, um für ihren Mann Admeto, den König von Thessalien, zu sterben, muss sie erkennen, dass sie als Sterbliche den Totengöttern nicht gewachsen ist — eine Begegnung, die Gluck ergreifend schildert. Die Arie „Divinités du Styx“ ist — wie viele Werke Glucks — erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhun-

derts durch Maria Callas wieder berühmt geworden. Noch tragischer aber wird die Begegnung von Alkestis mit den Menschen, wenn sie, vom Tod gekennzeichnet, zurückkehrt, um Abschied zu nehmen. Bei der musikalischen Erarbeitung wird Peter Konwitschny in Alkestis erstmals den ehemaligen GMD der Oper Frankfurt, Paolo Carignani, an seiner Seite haben. Dr. Christian Geltinger, Bettina Bartz

Premieren Oper

8. Oktober 2009, Opernhaus Luigi Nono Unter der großen Sonne von Liebe beladen Musikalische Leitung: Johannes Harneit Inszenierung: Peter Konwitschny Letzte Vorstellungen: 18.11., 1.12. und 19.12.2009

7. November 2009, Opernhaus Gioacchino Rossini Der Türke in Italien Musikalische Leitung: Andreas Schüller Inszenierung: Michiel Dijkema

18. Dezember 2009, Opernhaus Richard Wagner Lohengrin Musikalische Leitung: Ulf Schirmer Inszenierung: Peter Konwitschny Originalkoproduktion mit der Hamburgischen Staatsoper und dem Gran Theatre del Liceu Barcelona

12. Februar 2010, Opernhaus Sergej Prokofjew Die Liebe zu drei Orangen Musikalische Leitung: Roland Kluttig Inszenierung: Wolfgang Engel

19. März 2010, Opernhaus Georg Friedrich Händel Admeto, König von Thessalien Musikalische Leitung: Federico Maria Sardelli Inszenierung: Tobias Kratzer (Team ATEF)

17. April 2010, Opernhaus Christoph Willibald Gluck Alkestis Musikalische Leitung: Paolo Carignani Inszenierung: Peter Konwitschny

24. April und 2. Mai 2010, Opernhaus Richard Wagner Das Rheingold Konzertante Aufführung Musikalische Leitung: Ulf Schirmer Mit: S. Maclean, M. Uhl u.a. I A. Hörl, Th. J. Mayer, J. Moellenhoff, Th. Mohr, E.W. Schulte u.a.

P r e m i e r e n L e i p z i g e r Ba l l e t t

28. November 2009, Opernhaus Strawinsky-Projekt III The Cage – Duo Concertant – Le Chant du Rossignol (UA) – Le Sacre du Printemps Musikalische Leitung: Vello Pähn / James Tuggle (3.12.2009) Choreographien: Robbins | Balanchine | Goecke | Tetley

23. Januar 2010, Opernhaus Sergej Prokofjew Romeo und Julia Musikalische Leitung: Andreas Schüller Choreographie: Youri Vàmos


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Komische Oper Berlin Foto: Iko Freese/ drama-berlin.de

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Szenen aus Barrie Koskys Rigoletto-Inszenierung mit Bruno Caproni (Rigoletto), Christiane Oertel (Maddalena), Dimitry Ivashenko (Sparafucile) und Chorsolisten der Komischen Oper Berlin.

rung aus dem Serail. Der Dekonstruktivist Sebastian Baumgarten hat hier gearbeitet und Händels Orest nach Guantanamo verlegt, der Musikanalytiker Peter Konwitschny ließ hier Don Giovanni kastrieren. Dieser Sprung in die Zukunft ging natürlich nicht ohne Reibungsverluste ab, beim Stammpublikum wie auch im Ensemble — doch die Komische Oper

Qualität und Avantgarde Die ästhetische Linie der Komischen Oper Berlin lässt sich an der Premieren­folge ablesen, die beim „Komische Oper ’Festival“ in geballter Form zu erleben ist

Karten unter Telefon (030) 4 79 97 400, Fax (030) 4 79 97 490 karten@komische-oper-berlin.de www.komische-oper-berlin.de

Foto: Rafael Neff

Komische Oper Berlin Behrenstraße 55-57 · 10117 Berlin

form Oper zu begegnen. Felsenstein konnte seine Vision tatsächlich verwirklichen. Bis in die tiefste deutsche Provinz hinein gelten seine Maximen heute als selbstverständlich — und die Komische Oper Berlin ist nach wie vor ein Referenzpunkt für die Lebendigkeit des Genres. Nach Felsensteins Tod haben die Chefregisseure Joachim Herz und Harry Kupfer das „realistische Musiktheater“ mit seiner verschlüsselten Kritik an den DDRVerhältnissen zur Vollendung geführt. Es waren also große Fußstapfen, in die Andreas Homoki springen musste, als er 2002 an das Haus kam. Er tat das einzig Richtige: Der Regie führende Intendant brach mit allzu gut eingespielten Traditionen und setzte konsequent auf Qualität und Avantgarde. Calixto Bieito konnte hier seine grausamen Spektakel realisieren, die überregional für Furore sorgten, wie beispielsweise Die Entfüh-

Berlin trägt ihren Ruf als innovativstes Musiktheater der Republik wieder mit Recht, wurde 2007 zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt und ist in der Saison 2009/10 mit sieben Neuproduktionen zudem nicht nur quantitativ im Berliner Vergleich Spitze. Eine schöne Tradition ist es mittlerweile, dass alle Neuproduktionen zur Krönung der Saison noch einmal en bloc gezeigt werden. Nur eine Premiere fehlt im „Komische Oper ’Fes­tival“: Die Kinderoper Die rote Zora. Schließlich haben die Berliner Schüler, wenn die Festwoche am 13. Juli 2010 beginnt, bereits Sommerferien. An der Premierenfolge lässt sich prototypisch die ästhetische Linie der Komischen Oper Berlin ablesen: Den Anfang machte Rigoletto, inszeniert von Barrie Kosky, dem virtuosen Spielmacher aus Australien. Kosky ist nicht nur der aktuelle Publikumsliebling unter den in

Berlin regelmäßig tätigen Regisseuren, sondern auch der designierte Nachfolger Homokis, wenn dieser zum Herbst 2012 ans Züricher Opernhaus wechseln wird. Dass Jugendarbeit an der Komischen Oper Berlin eine echte Herzensangelegenheit ist, kann man schon daran ersehen, dass die jährliche Neuinszenierung einer Kinderoper nicht im Foyer oder auf einer anderen Nebenspielstätte versteckt wird: Sie findet stets auf der Hauptbühne statt. Im vergangenen Jahr inszenierte sogar der Hausherr selber — und landete mit der Uraufführung von Frank Schwemmers Robin Hood einen Riesenerfolg. Protagonistin des neuen Kinderstücks von Elisabeth Naske (Premiere: 1. November 2009) ist die Rote Zora. Der Name von Hans Neuenfels war lange Zeit mit der Deutschen Oper Berlin verbunden, wo ihm seit den achtziger Jahren eindrückliche Deutungen vor allem von Verdi-Opern gelangen. 2006 aber wechselte er an das Haus in der Behrenstraße und bringt hier mit Aribert Reimanns Lear am 22. November 2009 nun schon seine vierte Neuinszenierung heraus. Dass — wie bei der Uraufführung des Hamlet von Christian Jost im Juni 2009 — wiederum Carl St. Clair die musikalische Leitung übernehmen wird, zeigt, wie wichtig dem Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin die Auseinandersetzung mit der Moderne ist. Nach drei Operninszenierungen für Kinder und ihre Familien an der Komischen Oper Berlin widmet sich die Holländerin Jetske Mijnssen mit Gaetano Donizettis Don Pasquale einem abendfüllenden Werk, bei dem es allerdings auch um einen Kindskopf geht — und einen heiratswilligen Alten, der von einem jungen Mädchen mächtig an der Nase herumgeführt wird. Premiere ist am 31. Januar 2010. Schon seit Harry Kupfers Zeiten werden in der Behrenstraße regelmäßig Werke von Georg Friedrich Händel auf ihre Musiktheater-Tauglichkeit überprüft, mit Instrumenten und Regietricks von heute.

Komische Oper Berlin Die Komische Oper Berlin steht für zeitgemäßes, lebendiges Musiktheater, das ein Ensemble virtuoser Sänger-Darsteller in einem breit gefächerten Repertoire von Händel bis ins 21. Jahrhundert präsentiert. Regisseure wie Hans Neuenfels, Calixto Bieito, Sebastian Baumgarten und Barrie Kosky sowie Chefregisseur Andreas Homoki prägen das Profil der Komischen Oper Berlin, die 2007 zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt wurde. Um dem Publikum die unmittelbare Teilnahme am dramatischen Geschehen zu ermöglichen, werden seit der Gründung des Hauses 1947 die Vorstellungen in deutscher Sprache dargeboten. Zudem erlauben individuelle Displays, die in die Bestuhlung integriert sind, die Mitverfolgung des gesungenen Textes in Deutsch oder Englisch und erleichtern so insbesondere Opern­neulingen und Touristen aus dem Ausland das Verständnis.

In dieser Saison hebt sich am 26. Februar 2010 der Vorhang für Orlando. Dirigent Alessandro de Marchi hat hier bereits Theseus betreut, der norwegische Regisseur Alexander Mørk-Eidem ist dagegen eine Neuentdeckung von Andreas Homoki. Und es bleibt spannend in der Premierenfolge: Zunächst zeigt Benedikt von Peter, der in der Komischen Oper Berlin Händels Theseus in eine vielbeachtete Schlammschlacht verwandelt hat,

Seit Beginn dieser Saison bekommen die ausländischen Gäste — aber auch deutschsprachige Zuschauer — in der Komischen Oper Berlin nicht nur mehr Service geboten, sondern sitzen in den roten Sesseln auch gemütlicher. Das war’s dann aber auch mit der Bequemlichkeit. Auf der Bühne, verspricht Intendant Andreas Homoki, „werden wir weiterhin Frederik Hanssen unbequem bleiben!“ Der Autor ist Kulturredakteur beim Tagesspiegel, Berlin

Foto: Iko Freese/ drama-berlin.de

anchmal geht’s an der Komischen Oper Berlin tatsächlich lustig zu: Wenn beispielsweise Barrie Kosky Kiss me, Kate! inszeniert und aus dem Musical-Klassiker von Cole Porter eine superschrille Revue macht, in der Cowboys Paillettenanzüge tragen und Ganoven im Tütü über die Szene staksen. An den meisten Abenden aber wird auf der Berliner Bühne genauso gelitten und gestorben wie in jedem anderen Musiktheater auch. Das Adjektiv „komisch“ im Namen des Hauses leitet sich nämlich nicht etwa von der schenkelklopfenden Boulevard-Unterhaltung ab, sondern aus dem Französischen: In der opéra comique gibt es statt der immer etwas künstlich wirkenden Rezitative Dialoge wie im Sprechtheater, die Hauptdarsteller sind keine Götter oder Könige, sondern einfache Menschen. Und es wird, ganz wichtig, in der Landessprache gesungen, damit jeder im Saal der Handlung folgen kann. Als Walter Felsenstein 1947 die Komische Oper Berlin gründete, ging es ihm genau darum: Ein Musiktheater zu formen, bei dem Schauspiel und Gesang gleichberechtigt sind, das sich darum nicht nur an die Kenner richtet, sondern an alle, die Lust haben, der ungeheuerlichen, alle Sinne ansprechenden Kunst­

seinen Zugriff auf Beethovens Fidelio (Premiere: 25. April 2010). Darauf macht sich Nicolas Stemann daran, Offenbachs albern-sentimentaler Dreiecksgeschichte von La Périchole in seiner Inszenierung die nötige Leichtigkeit zu verleihen (Premiere: 6. Juni 2010). Dass in der Komischen Oper Berlin keine artifiziellen Figuren die Szene bevölkern, sondern echte Menschen, liegt natürlich auch am rückhaltlosen Einsatz, den das Ensemble jeden Abend in den Vorstellungen zeigt. Es findet sich wohl kaum ein anderer Chor, der es virtuoser versteht, in den Massenszenen wirklich als Gruppe von Individuen aufzutreten. Die zweite Säule des künstlerischen Konzepts ist das Ensemble, das ganz auf den Geist des Hauses eingeschworen ist — und natürlich, den Grundsätzen der Komischen Oper Berlin verpflichtet, die Vorstellungen auf Deutsch singt. Was jedoch in einer sich stetig globalisierenden Klassikszene nicht nur Operndirektor Philip Bröking auf der Suche nach geeigneten Sängern, die in der Lage und bereit sind, auch Puccini, Verdi und Tschaikow­ski auf Deutsch einzustudieren, vor eine stetige Herausforderung stellt — sondern in einer internationalen Metropole wie Berlin auch Geschäftsführerin Susanne Moser. Als jetzt eine neue Bestuhlung des 1190-Plätze-Saales anstand, entschloss man sich unter anderem auch wegen der zahlreichen Touristen, in die Sitzlehnen kleine LCD-Bildschirme zu integrieren, auf denen jeder Besucher den Librettotext mitlesen kann, individuell einstellbar in verschiedenen Sprachen.

Premieren der Spielzeit

20. September 2009 Giuseppe Verdi Rigoletto Musikalische Leitung Patrick Lange Inszenierung Barrie Kosky

1. November 2009 Elisabeth Naske Die rote Zora Musikalische Leitung Catherine Larsen-Maguire Inszenierung Jasmina Hadziahmetovic

22. November 2009 Aribert Reimann Lear Musikalische Leitung Carl St. Clair Inszenierung Hans Neuenfels

31. Januar 2010 Gaetano Donizetti Don Pasquale Musikalische Leitung Maurizio Barbacini Inszenierung Jetske Mijnssen

26. Februar 2010 Georg Friedrich Händel Orlando Musikalische Leitung Alessandro de Marchi Inszenierung Alexander Mørk-Eidem

25. April 2010 Ludwig van Beethoven Fidelio Musikalische Leitung Carl St. Clair Inszenierung Benedikt von Peter

6. Juni 2010 Jacques Offenbach La Périchole Musikalische Leitung Markus Poschner Inszenierung Nicolas Stemann

13. Juli bis 18. Juli 2010 Komische Oper ’Festival Die Premieren der Saison in einer Festwoche mit musikalischem Rahmenprogramm, Expertenvorträgen vor und Podiumsdiskussionen nach den Vorstellungen 13. Juli Rigoletto · 14. Juli Lear · 15. Juli Don Pasquale · 16. Juli Orlando · 17. Juli Fidelio · 18. Juli La Périchole


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Deutsche Oper Berlin

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Wenn Sänger krank werden

Regisseurin Katharina Thalbach, ihre Inszenierung im Bühnenbild von Momme Röhrbein hat am 29. November Premiere. Kostüme: Guido Maria Kretschmer. Musikalische Leitung: Enrique Mazzola — Mit Lawrence Brownlee ­ (Graf ­Almaviva), Jana Kurucová (Rosina), ­Markus Brück (Figaro) u. a. — Weitere Vorstellungen am 2., 6., 10., 16., 25., 31. Dezember 2009; 11., 14. Mai; 18. Juni 2010

Aber entgegen der landläufigen Meinung glaube ich, es ist schwieriger, Leute zum Lachen zu bringen als zum Weinen. Was Opern betrifft, hat man das Gefühl, sie eignen sich mehr für die große Dramatik. Was toll ist, weil da Musik natürlich den ganzen psychologischen Aspekt abdeckt und man sich einfach reinfallen lassen kann, dass es nur so kracht. Das ist mit dem Lachen etwas schwieriger. Ich achte beides gleichermaßen und weiß, wie beglückend es ist, Leute glücklich zu machen. Wenn das die Aufgabe ist, die Sie sich für den Barbier von Sevilla gestellt haben: Wie ist denn Ihr Blick auf diese, wenn man so will, „komische Oper schlechthin“?

Deutsche Oper Berlin Bismarckstraße 35 10627 Berlin-Charlottenburg Karten unter Telefon (030) 343 84 343 www.deutscheoperberlin.de

Von der Anlage seiner Geschichte her ist der Barbier kammerspielartig. Für so eine Bühne wie die Deutsche Oper, die eher für Strauss oder für Wagner ausgelegt ist, allein schon wegen des Orchestergrabens, ist das eine echte Herausforderung. Mich fasziniert der Gedanke der Commedia dell’arte, wir machen daraus ein Spiel im Spiel. Die Bühne stellt einen wunderschönen Ferienort im Süden dar, in Sevilla oder vielleicht Vanilla oder Marilla. Wo sich Vieles durch ein reichhaltiges Trinkgeld regeln lässt. Im Barbier wird bestochen, dass einem schwindlig wird. Das ist eine Tatsache, die zunehmend aus der Kunst verschwindet. Es geht immer um Tod und Sexualität. Aber das was unsere Welt zwischen diesen beiden Aspekten aufrechterhält, ist die wahnwitzige Menschheitserfindung Geld. Zu Rossinis Zeiten wurde darüber noch offen geredet, etwa von Balzac. Bevor der zu einer Psychologie kommt, beschreibt er die Leute dadurch, was ihre Einkünfte sind oder nicht sind — und dann fängt er an, über psychologische Aspekte zu reden, die daraus resultieren. Der Glauben an das Geld als grundlegende Tauschbasis zwischen den Menschen ist nachhaltig erschüttert. Was bedeutet das für Sie? Im Barbier ist der Glaube ans Geld noch unerschüttert. Die ganze Geschichte fängt ja mit Geldgeben an: Erst kriegen es diese verrotteten Musiker, dann kriegt wieder der Friseur was und immer so weiter. Ich freue mich sehr darauf, das auf den Proben auszutesten. Allzu viel will ich vorher gar nicht wissen. Ist es an der Oper im Vergleich zum Schauspiel nicht eher üblich, mit fertigen Vorstellungen in die Proben zu gehen? Allein, weil so viel mehr Menschen am Gesamtkunstwerk Oper mitwirken? Ich muss sagen, zu 85 Prozent sind meine Erfahrungen mit der Oper sehr schön. Gerade mit den Sängern war es ganz, ganz toll. Ich habe da eine enorme Bereitschaft gefunden, geradezu ein Fordern, zu spielen. Und während der Proben blieb es immer ein Spiel — ein sehr naives, oft und dann wieder ein forschendes, nachfragendes. Das Problem mit Sängern ist, dass sie wahnsinnig schnell fixieren, wenn man Vorschläge macht. Schwierig wird es dann, wenn man Änderungen hat, weil die sich das ganz genau zurechtlegen mit dem Atem und wann sie einen Blick direkt aufs Pult oder auf den Monitor werfen können. Das ist eine sehr ausgefeilte Technik, von der ich auch viel gelernt habe. Es gibt Sängerstars, die die Probenzeiten in Deutschland für geradezu lächerlich lang halten. Rolando Villazón zum Beispiel sagt, die ganze Zeit sei hauptsächlich für die Technik und den Regisseur da. Die Sänger würden bei zu langen Proben eher krank …

Foto: Bernd Uhlig

Foto: André Rival

Rossini komponierte seine komischen Opern mit dem Blick des großen Dramatikers. Auch Sie sind in der ernsten wie der unterhaltenden Bühnenkunst zu Hause. Sind Sie eine Geistesverwandte von Rossini? Meine geistigen Lehrer waren Leute wie Brecht oder Shakespeare, die haben mich gelehrt, dass in jeder großen Tragödie auch durchaus komische Aspekte liegen und umgekehrt — also jede Komödie auch eine Tragödie in sich birgt. Ich hatte das Glück, mit beidem groß zu werden.

Foto: André Rival

Die Regisseurin Katharina Thalbach im Gespräch über ihre Inszenierung von Der Barbier von Sevilla, Gioacchino Rossinis meistgespielte und schnellste Oper

Barbier mit Abgrund: Barbara Schöneberger folgt auf Nadja Auermann als Spielzeit-Gesicht der jährlichen Premieren-Kampagne – wieder fotografiert von André R ­ ival. Für die vier Neuproduktionen der Saison 2009/10 verwandelt sich der TV-Star in vier Opernfiguren und schreckt auch nicht vor Hosenrollen zurück.

Im Schnitt haben wir in der Oper sieben, wenn es hochkommt acht Wochen, vom Probenbeginn bis zur Premiere. Davon können sie die letzte Woche knicken, weil da nicht mehr probiert werden kann. Die Woche davor ist eigentlich auch weg durch die Bühnenorchesterproben. Bleiben noch vier Wochen. Dazu kommen Ausfälle durch Krankheit oder Unwohlsein und aktuelle Umbesetzungen am Abend, da haben die laufenden Vorstel-

lungen immer Vorrang. Also, wenn sie Glück haben, kommen sie sowieso nur auf dreieinhalb Wochen echte Probenzeit. Ich weiß nicht, wie Villazón das macht, aber ich finde diese Zeit nicht übertrieben. Und ich bin kein Freund von ewigen Probenzeiten, auch im Theater nicht, weil ich glaube, dass man sowieso niemals fertig ist. Wenn er es natürlich so meint, dass im Grunde genommen am besten vorher die ganze Inszenierung

deutsche Oper Berlin Das Berliner Haus für grossformatige Werke: Seit fünf Jahren steht Intendantin Kirsten Harms für eine behutsame Erneuerung, bewährtes und innovatives ­Regietheater, eine Reihe von Wiederentdeckungen sowie herausragende Sängerbesetzungen. Als neuer Generalmusikdirektor feierte der Wagner- und StraussSpezialist Donald Runnicles im September diesen Jahres seinen Einstand. Große Oper, große Namen: Am 24. September 1961 wurde das 1912 als „WinterBayreuth“ gegründete und im Krieg zerstörte Opernhaus als Deutsche Oper Berlin wiedereröffnet. Es ist, mit 1.865 Plätzen, Berlins größtes sowie Deutschlands zweitgrößtes Musiktheater. Neben Wien und München verfügt die Deutsche Oper Berlin über ein in Europa einmaliges, sorgfältig gepflegtes Repertoire von ca. 70 Operninszenierungen in vielfältigsten Regiehandschriften. Wesentlich prägten die Regiearbeiten von Hans Neuenfels und des langjährigen Intendanten und Felsenstein-Schülers Götz Friedrich die Charlottenburger Bühne.

mit irgendwelchen Puppen durchgestellt wird, kann ich nur sagen: Die geben leider keine Antworten, und mit lebendigen Menschen macht es einfach mehr Spaß. Zwischen Regisseuren und Dirigenten herrscht in der Oper mitunter ein spannungsreiches Verhältnis. Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Orchesterchefs? Ich bin durch Dirigenten überhaupt zur Oper gekommen. Christoph Hagel hat sich bei meiner ersten Oper, Don Giovanni im E-Werk, die Mühe gemacht, mir jeden Fussel der Partitur erklärt: Woher kommt was, wie könnte man das deuten, was ist üblich? Ich höre mir eine dem Dirigenten genehme CD des Stücks an, frage, worauf ich achten muss — und kläre, was ich auf gar keinen Fall machen darf, weil es mir der Dirigent auf den Bühnenorchesterproben sowieso wieder umstürzen würde. Wann darf ein Sänger nicht ganz hinten stehen oder auf dem Bauch liegen? Ich habe dabei auch immer versucht, musikdramaturgische Abgründe aufzuspüren, für mich kaum hörbare Themen zu entdecken. Das Gespräch führte Ulrich Amling

Premieren 2009|2010

27.09.2009 Richard Strauss Die Frau ohne Schatten Ulf Schirmer | Kirsten Harms

29.11.2009 Gioacchino Rossini Der Barbier von Sevilla Enrique Mazzola | Katharina Thalbach

Im Rahmen der Wagner-Wochen 24.01.2010 Richard Wagner Rienzi, der letzte der Tribunen Michail Jurowski | Philipp Stölzl

26.03.2010 Hermann Wolfgang von Waltershausen Oberst Chabert [Konzertant] Jacques Lacombe

30.05.2010 Giuseppe Verdi Otello Paolo Carignani | Andreas Kriegenburg

Wag n e r-Wo c h e n

22. November 2009 — 21. Februar 2010 Tristan und Isolde, Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg, Premiere: Rienzi, der letzte der Tribunen, Lohengrin, Der Fliegende Holländer, Die Meistersinger von Nürnberg


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Hamburgische Staatsoper Foto: Klaus Lefebvre

Im breiten Opern- und Ballett­repertoire der Hamburgischen Staatsoper gibt es immer wieder Raum für Experimente. Gleich zwei Werke erleben in dieser Saison ihre Uraufführung: die Oper Le Bal von Oscar Strasnoy und das Ballett Orpheus von John ­Neumeier. Vor dem Theaterereignis steht ein intensiver Kreationsprozess. Komponist Oscar Strasnoy, Dirigentin Simone Young und Choreograf John Neumeier geben Einblick in die schöpferische Werkstatt und die spannungsvolle Stoffsuche.

www.staatsoper-hamburg.de www.hamburgballett.de

Premiere A: 7.3.2010; Premiere B: 10.3.2010; Vorstellungen: 14., 18., 23., 26.3.2010

Erste Probeneindrücke einer neuen Kreation

Trine W. Lund (Antoinette in Le Bal)

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chtzehn Monate — das ist nicht viel Zeit für die Komposition einer Oper. Doch Oscar Strasnoys Arbeitstempo entspricht dem seines Sujets: ein rasantes, bitterböses Konversationsstück soll es werden, eine „leichte Tragödie“ mit französischer Delikatesse. Ein junges Mädchen probt den Aufstand und sinnt auf subtile Rache bei der mütterlichen

Némirovsky in Auschwitz. Das Feuilleton feierte ihr wiederentdecktes Fragment Suite française als literarische Sensation.

Rivalin: Die Einladungen zum großen Ball der Eltern, von dem die Tochter ausgesperrt bleibt, landen nicht im Briefkasten, sondern werden von ihr aus Pubertätskummer in der Seine entsorgt. Nichtsahnend erwartet die Mutter ihre Gäste. Doch niemand kommt ... Die familiäre Katastrophe hat einen tiefschwarzen Hintergrund: Irène Némirovsky, Autorin des kleinen Romans Der Ball, gilt in den zwanziger Jahren als Star der Pariser Literaturszene — und heute als Chronistin einer untergegangenen Welt. Ihre Geschichten spielen im jüdisch-großbürgerlichen Milieu der Zwischenkriegszeit. Von den Nazis deportiert, starb Irène

zigen Figur — einer Frau. Ein drittes Stück soll die wuchtigen Monologe zu einer Trilogie der Frauen ergänzen. Simone Young sucht gleichzeitig nach variierender Vertiefung und kontrapunktischem Kontrast. Sie kontaktiert den jungen Komponisten Oscar Strasnoy. Als gebürtiger Argentinier mit Wohnsitz in Frankreich besitzt er erfrischenden Exotenstatus im bedeutungsschweren musiktheatralischen Diskurs. Strasnoy sieht sich eher auf den Spuren seines Landsmanns Mauricio Kagel, dem Meister des absurden instrumentalen Theaters. „Kagels allumfassender Vision von Kunst und seiner Theatralität fühle ich mich nahe“, so Strasnoy. „Dennoch

Foto: Kurt-Michael Westermann

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engagiert sind — das macht die spezielle Magie dieser Uraufführung aus.“ Und so lernt Strasnoy die vorgesehenen Stimmen kennen, feilt an handschuhpassenden Vokalpartien. Im September 2009 übergibt er der Dirigentin den Klavierauszug. Letzte Korrekturen — dann geht Le Bal in Druck und die Arbeit der musikalischen Einstudierung beginnt. „Die Hamburgische Staatsoper hat viele Anstöße zur Moderne gegeben, Opern von Rihm, Henze, Schnittke, Kagel oder Lachenmann sind hier uraufgeführt worden“, betont Simone Young als Intendantin. In diese Phalanx reiht sich nun Strasnoys Stück ein. Von einer genormten, überraschungsfreien Avantgarde wird es sich bewusst absetzen. Das Mittelstück der Trilogie der Frauen spiegelt die beiden schwergewichtigen Flügelwerke in einem geschliffenen Glas. Ein irisierend-irritierender Blick auf eine explizit deutsche Thematik — Némirovskys Name ist Verpflichtung. Kerstin Schüssler-Bach

Orpheus

Theatralisches Theater Intendantin und Generalmusikdirektorin Simone Young flankiert den hintergründigen Stoff durch zwei Kolosse des deutschen Musiktheaters: Arnold Schönbergs Erwartung und Wolfgang Rihms Gehege nach einem Text von Botho Strauß. Beide Stücke sind direkt aufeinander bezogen: Sie zeigen radikale Psychogramme jeweils aus der Perspektive einer ein-

setzt meine Musik ganz andere Akzente. Mich interessiert etwa die Metamorphose der europäischen Operette. Witold Gombrowicz hat ja die Operette als ‘vollkommen theatralisches Theater’ bezeichnet. Ich habe selbst osteuropäische Wurzeln, vielleicht bin ich dieser Traditionslinie daher intuitiv verbunden. Für mich ist Komponieren ein anderer Weg, Theaterstücke zu schreiben.“ Auf dem renommierten Eclat Festival in Stuttgart sorgte Strasnoy bereits 2008 für Furore, zur Zeit arbeitet er an einer Oper für das Festival Aix-en-Provence sowie gemeinsam mit Hans Magnus Enzensberger an einem Stück für die Fassbinder-Muse Ingrid Caven. Simone Young hat sein Werk in London kennengelernt: „Ich habe seinen wunderbaren Liederzyklus für Ann Murray gehört. Strasnoy hat zwei unabdingbare Voraussetzungen für einen Opernkomponisten: perfektes Timing und Liebe zur menschlichen Stimme“, erzählt die australische Dirigentin.

Magie der Uraufführung Hamurgische Staatsoper Große Theaterstrase 25 20354 Hamburg

werden. „Bevor ich an die Komposition einer Oper gehe, arbeite ich sehr intensiv am Text mit“, bestätigt Oscar Strasnoy. „In meiner Musik liegt, glaube ich, eine besondere Vokalität. Beim Komponieren singe ich die Worte. Der erste Impuls ist immer Gesang, erst danach baue ich das instrumentale Gerüst.“ Simone Young bringt ihn mit dem kanadischen Regisseur Matthew Jocelyn zusammen, auch er ein Wahlfranzose. Jocelyn steigt rasch in das Projekt ein und schreibt das Libretto — mit den gewünschten vier Frauenpartien. Ganz ohne Männer geht es allerdings nicht: auch zwei Herren werden mit von der Partie sein. „Nur bei einer Uraufführung hat man als Intendant und Dirigent die Chance, auf das musikalische Material produktiven Einfluss zu nehmen“, unterstreicht Simone Young. „Ich kann den Komponisten dabei begleiten, eine Partie auf den stimmlichen und persönlichen Charakter eines Sängers maßzuschneidern. Le Bal soll eine echte Ensembleoper werden, geschrieben für ganz bestimmte Sängerinnen und Sänger, die bei uns

Eine Ensembleoper Im März 2008 vergibt die Hamburgische Staatsoper den Kompositionsauftrag an Strasnoy. Vorgabe: mindestens vier Frauenpartien. Gewünscht wird ein temporeiches Ensemblestück als Gegengewicht zu den beiden Monolithen. Strasnoy denkt sofort an Le Bal, die Entscheidung fällt schnell. Doch aus dem Roman muss zuerst ein Libretto geformt

Staatsoper Hamburg Hamburg Ballett — John Neumeier Mehr als 300 Jahre Operngeschichte: Am 2. Januar 1678 gründeten kunstliebende Hamburger Kaufleute das erste öffentliche Opernhaus Deutschlands. Noch heute ist es diesem Geist der „Bürgeroper“ verpflichtet. Werke von Händel wurden hier uraufgeführt, Gustav Mahler leitete das Haus mehrere Jahre, Weltkarrieren großer Stars wie Plácido Domingo begannen an der Staatsoper. Ein vielseitiger Opernspielplan vom Barock über die großen Klassiker bis zur Moderne, seit 2005 verantwortet von Generalmusikdirektorin und Opernintendantin Simone Young, prägt das Haus ebenso wie das weltberühmte Hamburg Ballett — John Neumeier, dessen künstlerische Heimat die Staatsoper seit 1973 ist. Rund um den Globus begeistert das Hamburger Ensemble sein Publikum mit einer Kreativität und Ästhetik, die ihre Wurzeln im klassischen Ballett hat und doch modern ist.

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rpheus, der Zivilisationsstifter und Grenzgänger, der Mittler zwischen Jenseits und Diesseits, der Dichter und Sänger, der Göttersohn und Christusvorgänger, der bedingungslos Liebende — kaum eine andere Figur der antiken Mythologie vereint so unterschiedliche wie sich ergänzende Facetten eines Urbildes menschlicher Sehnsucht. Ein schier unübersichtliches Labyrinth, dem man nur entkommt, wenn man Pflöcke einschlägt. „Mich interessiert“, so John Neumeier im Vorfeld der Premiere am 6. Dezember, „seine Leidensfähigkeit in der Liebe. Wie drückt sich Orpheus aus und welche Wirkung hat seine Kunst auf die Umwelt?“. In den Kreationsproben lässt er sich von dem eigens engagierten italienischen Tänzer Roberto Bolle inspirieren, der sich zunehmend in dieser Rolle ‘findet’. Bald ist es nicht mehr auszumachen, wer die Figur eigentlich er-findet. Sind es Neumeiers Visionen, die in Bewegungen übergehen oder ist es Roberto Bolle, der die Partie mit der Vitalität und Expressivität seiner Person belebt? Verwandlungen, wohin man blickt: Vater und Sohn im Profil, in einem Mantel verhüllt. Man sieht Apollon und Orpheus, wie sie Rücken an Rücken gleichzeitig einen auf dem Boden liegenden Geigen­ kasten ergreifen, vorsichtig tastend. Langsam löst sich der Sohn von seinem Vater. Apollon, getanzt von dem Solisten des HAMBURG BALLETT Edvin ­Revazov, überträgt Orpheus schließlich seine Mission. „He gives him his power“, so John Neumeier zu seinen Tänzern. Erste Gehversuche folgen, unsichere Schritte des jungen, verstört in die Zukunft blickenden Orpheus. Mit ihm passiert etwas, und er fühlt, dass es mit der ihm anvertrauten Geige zu tun hat. Die Geige — als Lyra einst das Instrument des Musenführers — wird zum Zaubermittel, zum sichtbaren Zeichen einer den Göttern entspringenden Macht. Und sie erwächst in der Apollo-Musik von Igor Strawinsky zum tönenden Sakrament. Ihre Übergabe an den noch nicht wissenden Sohn gleicht einem heiligen Akt. Eine religiöse Zuspitzung, in der die Präfiguration Christi mitschwingt. Nur wird die Geige als klingender Gral später durch Eurydike abgelöst, getanzt durch die souverän-mysteriöse ­Hélène Bouchet, der man die Leichtigkeit einer Fluss- und Baumnymphe sofort abnimmt. Roberto Bolle hebt die Erste Solistin des HAMBURG BALLETT in gleicher Weise in die Höhe, wie er vorher die Geige emporgehoben hatte. Das

Sakrament der Bestimmung verschmilzt mit dem Geheimnis der Liebe. Neumeiers Rückgriff auf die Musik Igor Strawinskys ist bemerkenswert, denn sie ist untrennbar verknüpft mit George Balanchines 1928 uraufgeführtem Ballett Apollo. Man könnte meinen, John Neumeier erzähle die Familiengeschichte Apollons mit Strawinskys Musik weiter — eine Geschichte, die davon handelt, wie Kunst in den Mythos kam und wie die Macht der Musik, als Teil der Künste, in die André Podschun Choreografie einfließt. Premiere A: 6.12.2009; Premiere B: 8.12.2009; Vorstellungen: 9., 10.12.2009 sowie 7., 15., 16., 21.1. und 25.6.2010

Foto: Holger Badekow

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John Neumeier, Hélène Bouchet, Roberto Bolle Premieren der Spielzeit

6. Dezember 2009 Orpheus Ballett von John Neumeier Ch u. K: John Neumeier, B: Ferdinand Wögerbauer, ML: Simon Hewett mit Roberto Bolle als Gasttänzer

17. Januar 2010 Gaetano Donizetti Lucia di Lammermoor ML: Simone Young, I: Sandra Leupold, B: Stefan Heinrichs, K: Esther Bialas

7. Februar 2010 Umberto Giordano Andrea Chénier konzertante Aufführung ML: Simone Young

7. März 2010 Trilogie der Frauen Arnold Schönberg: Erwartung Oscar Strasnoy: Le Bal (Uraufführung) Wolfgang Rihm: Das Gehege ML: Simone Young, I: Matthew Jocelyn, B u. K: Alain Lagarde

16. Mai 2010 Giuseppe Verdi Aida ML: Carlo Montanaro, I: Guy Joosten, B: Johannes Leiacker, K: Jorge Jara

13. Juni 2010 Fließende Welten Drei japanisch inspirierte Ballette von John Neumeier

Seven Haiku of the Moon Seasons — The Colors of Time und eine neue Kreation Ch, B u. K: John Neumeier


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Foto: Hans Jörg Michel

Deutsche Oper am Rhein

Eine Ballettkunst für das 21. Jahrhundert

Neubeginn am Rhein

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st es ein gestrandeter Schiffsleib, auf dem die Figuren wie auf glitschigem Untergrund balancieren? Oder wachsen hier hölzerne Fassaden und hohläugige Fenster eines Fischerdorfs immer höher vor dem Protagonisten Peter Grimes auf, um diesen Fremdkörper in der „braven“ Gesellschaft langsam und qualvoll zu ersticken? Kaspar Zwimpfers Bühne für Benjamin Brittens Oper ist eine geniale, nachtschwarze Installation voller Assoziationen – das Ideal eines „mitspielenden“ Bühnenraums. Auf diesen Brettern, die den Untergang des AntiHelden Grimes bedeuten, lässt der Regisseur Immo Karaman einen Totentanz von maskenhaften Gestalten aufführen, die das Geschehen ins Zeitlose versetzen: Demagogie und Verkrustungen geben sich ein mörderisches Stelldichein.

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg Heinrich-Heine-Allee 16a, 40213 Düsseldorf Opernplatz 1, 47051 Duisburg Karten unter Telefon (0211) 89 25 211 ticket@operamrhein.de

Die Neuproduktion von Peter Grimes an der Deutschen Oper am Rhein trifft im wahrsten Bühnen-Sinne ins Schwarze – und ist damit eine feine Visitenkarte für den neuen Hausherrn Christoph Meyer, auf der sich gleich mehrere Grundlinien seiner zukünftigen Intendanz kraftvoll abzeichnen. Einerseits hat sich der Regisseur und Theatermanager Meyer, der am Rhein die Nachfolge von Grischa Barfuss, Kurt Horres und zuletzt Tobias Richter antritt, eine Erweiterung des Repertoire-Horizonts vorgenommen. Und so überraschend es klingt: Brittens bekanntestes Werk ist in Düsseldorf und Duisburg, den beiden Partnerstädten der Deutschen Oper am Rhein, nie ge­ spielt worden – zweifellos ein reizvoller Zugewinn für die stilistisch versierten Düsseldorfer Symphoniker. Neu ist aber auch Jean-Philippe Rameaus Comédie lyrique Les Paladins, die von Arila Siegert (Regie) und dem Barockexperten Konrad Junghänel in deutscher szenischer Erstaufführung vorgelegt wird – und ein zeitgenössisches Musiktheater wie Jörg Widmanns Oper Das Gesicht im Spiegel nach einem Libretto des viel gespielten Dramatikers Roland Schimmelpfennig. 2003 hatte das Werk um die Reproduktion von „humanem Material“ im Zeitalter der Gentechnik in München Premiere; am Rhein wird Gregor Horres eine überarbeitete Fassung inszenieren. Und es versteht sich für den neuen Generalmusikdirektor Axel Kober von selbst, dass er nicht bei Wagner Halt macht, sondern auch die Moderne des 21. Jahrhunderts im Graben vertritt.

Daneben kündigt sich mit Peter Grimes ein deutlicher Generationswechsel im Regiebereich an. Immo Karaman hat die 40 noch nicht erreicht – ebenso wie die Berlinerin Tatjana Gürbaca, die zur Spielzeit-Eröffnung eine sehr zornige, sehr streitbare Salome von Richard Strauss auf die Duisburger Bühne brachte. Beide Regisseure definieren das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft noch einmal neu und entziehen es, bei allem politischen Bewusstsein, alten ideologischen Verklammerungen. Im Mittelpunkt steht nicht das erdrückende System, sondern der verletzte Mensch: eine bürgerliche Salome, die mit eigenen Händen ihre Umgebung niedermetzelt oder ein schuldig-schuldloser Peter Grimes, der als Blitzableiter für die Ängs­ te einer Gesellschaft fungiert, die ihn schließlich in den Tod treibt.

Eines der größten ­Ensembles der Welt Ein gut arbeitendes Besetzungs- und Dispositionsbüro ist für Christoph Meyer essentiell. Denn kein Haus an Rhein und Ruhr bekennt sich so offensiv zum Ensembletheater wie die Deutsche Oper am Rhein mit ihren 56 festen Solisten. Viele Stücke lassen sich aus den eigenen Reihen besetzen, die nicht nur die aktuelle Sucht nach jungen Stimmen und ihren schnellen Verbrauch spiegeln, sondern auch künstlerische Erfahrung und menschliche Reife. Das steigert auch beim Publikum den Wiedererkennungseffekt und die Glaubwürdigkeit; man kennt sich wie eine alte Familie, auch wenn die Rollen allabendlich wechseln. Und wenn doch einmal Gäste

eingeladen werden wie der Mezzosopran Jane Henschel in der herrlich skurrilen Rolle der Bordell­chefin Auntie aus Peter Grimes, dann dürfen sie auch gleich ihre Erfahrungen an die Jugend weitergeben. Das Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein, das von Christoph Stöcker musikalisch und von Mechthild Hoersch szenisch-künstlerisch betreut wird, will jetzt regelmäßig Stars wie Henschel, Franz Grundheber oder Deborah Polaski einladen, um dem erstaunlichen sängerischen Potenzial im Nachwuchs einen Meisterkurs-Feinschliff zu verleihen. Für solche Maßnahmen, aber auch für die Installation des neuen Tanzchefs Martin Schläpfer und seiner Compagnie hat die Stadt Düsseldorf das Budget der Deutschen Oper am Rhein für die beiden kommenden Spielzeiten um drei Millionen Euro erhöht. Die Politiker der Landeshauptstadt von NRW haben den Mehrwert von Kultur offenbar auch in ökonomisch und steuerlich heiklen Zeiten erkannt. Dass das Theater im wirtschaftlich schwächeren, weniger glamourösen Duisburg davon profitiert, gehört zum sozialen Auftrag dieser seit 1956 bestehenden Theaterehe. Denn an der Deutschen Oper am Rhein versteht man Kunst nicht nur als Repräsentation, sondern auch als kulturelle Grundversorgung, die sich neben der Kulinarik auch verstärkt aufs Kinder- und Jugendtheater stützt. Und wenn sich in der „Abenteuer­ oper“ Robin Hood der junge Daniel und seine Freunde durch einen fatalen Mausklick am Computer in die Vergangenheit beamen – dann ahnen vielleicht auch die Jüngeren, dass die virtuelle Wirklichkeit von wahrer Poesie und Fantasie durchMichael Struck-Schloen drungen wird.

P r e m i e r e n Op e r

18.09.2009 (DÜS) / 08.11.2009 (DU) Benjamin Britten Peter Grimes ML: Axel Kober, I: Immo Karaman

19.09.2009 (DU) / 08.11.2009 (DÜS) Richard Strauss Salome ML: Michael Boder/Christian Badea I: Tatjana Gürbaca

Martin Schläpfers 3. Sinfonie mit Jörg Weinöhl und Marlúcia do Amaral

05.03.2010 (DÜS) Giuseppe Verdi Rigoletto ML: Johannes Debus, I: David Hermann

dem Niederländer Hans van Manen sowie der amerikanischen Ballettikone Twyla Tharp pflegt. Arbeiten jüngerer Künstler wie des britisch-spanischen Duos Paul Lightfoot und Sol León oder der Argentinierin Teresa Rotemberg stehen neben Schläpfers eigenen Kreationen, darunter seine längst zum Klassiker avancierte Vertanzung von Bachs Kunst der Fuge (b.02) oder seine eindringliche Frage nach dem Tanzen an sich, nach der Bewegung und mehr: nach dem, was hinter dieser liegt, in Reformationssymphonie (b.03). Hart wie Stahl sind die Körper gespannt, mit gefährlicher Aggressivität rammen die Tänzerinnen ihre schwarzen Spitzenschuhe in den Boden oder treten diesen mit wildem, erdigem Stampfen. Doch auch die luftigen Höhen kennt die Welt dieses Tanzstückes auf Mendels-

Deutsche Oper am Rhein düsseldorf duisburg Zwei Städte, zwei Sparten: Die Deutsche Oper am Rhein und das Ballett bespielen seit 1956 gemeinsam das Opernhaus Düsseldorf (1.342 Plätze) und das Theater Duisburg (1.079 Plätze). Zu Beginn der Spielzeit 2009/10 hat Christoph Meyer die Leitung der Theatergemeinschaft übernommen. Neuer General­ musikdirektor ist Axel Kober. Mit einem der größten Sängerensembles der Welt, einem Opernchor und zwei Orchestern – den Düsseldorfer Symphonikern und den Duisburger Philharmonikern – präsentiert die Deutsche Oper am Rhein mehr als 300 Vorstellungen pro Spielzeit. Das neu formierte Ballett am Rhein, die größte Tanzcompagnie in NRW, leitet seit Sommer 2009 der renommierte Choreograph Martin Schläpfer.

Opernhaus Düsseldorf

sohns Sinfonie Nr. 5: in den hohen Beinen der Frauen auf Spitze, den extremen, von aller Erdenschwere befreiten Sprüngen der Männer, der verletzlichen Sehnsucht, äußersten Fragilität oder berückendschönen Schwerelosigkeit vieler Passagen. „Unter den zeitgenössischen Choreographen ist Martin Schläpfer etwas sehr Seltenes“, schrieb Jochen Schmidt in der WELT, „ein klassischer Choreograph, der gleichzeitig ein Neuerer ist: Jemand, der nicht einfach die alten Muster variiert, sondern versucht, mit jedem neuen Stück eine neue Sicht auf jene alte Kunstform zu eröffnen, die nicht ‚Tanztheater‘, sondern ‚Ballett‘ heißt, sich also nicht in totaler Freiheit, sondern nach festen Regeln vollzieht.“ Es ist die Suche nach einer Ballettkunst für das 21. Jahrhundert, die Martin Schläpfer antreibt. Eine Ballettkunst, die zeitgenössisch ist und immer neue Bewegungsterrains erschließt und doch ihre Wurzeln im klassisch-akademischen Tanz nie verleugnet; eine Ballettkunst, die sich als ein „Musizieren mit dem Körper“ versteht – „immer in dem Gedankenversuch, dass der Körper ALLES ist: Gesicht, Seele, Geist vereinend“; eine Ballettkunst aber auch, die geradezu seismographisch auf die Themen und Befindlichkeiten unserer Zeit reagiert und doch weit über diese hinausweist, um unsere Phantasie auch nach dem Theaterabend noch lange zu beschäftiAnne do Paço gen.

04.12.2009 (DÜS) / 12.02.2010 (DU) Franz Lehár Die lustige Witwe ML: Axel Kober I: Christian Brey & Harald Schmidt

05.12.2009 (DU) / 21.12.2009 (DÜS) Frank Schwemmer Robin Hood ML: Rainer Mühlbach/Wen-Pin Chien I: Svenja Tiedt

28.01.2010 (DÜS) / 29.04.2010 (DU) Jean-Phillipe Rameau Les Paladins ML: Konrad Junghänel, I: Arila Siegert

17.02.2010 (DÜS) Gustave Charpentier Louise ML: Jonathan Darlington, I: Christof Loy

27.03.2010 (DÜS) Jörg Widmann Das Gesicht im Spiegel ML: Axel Kober, I: Gregor Horres

29.05.2010 (DÜS) Richard Wagner Tristan und Isolde In Kooperation mit dem Opernhaus Zürich ML: Axel Kober, I: Claus Guth

Fotos: Hans Jörg Michel

www.operamrhein.de

Repertoire-Horizont von Rameau bis Widmann

Foto: Gert Weigelt

Neubeginn am Rhein mit der Düsseldorf-Duisburger Erstaufführung von Peter Grimes

„Was für ein Ensemble! Das Ballett der Rheinoper ist wieder da“ – urteilte Bettina Trouwborst nach der Spielzeiteröffnung in der Westdeutschen Zeitung über Martin Schläpfers neu formiertes Ballett am Rhein. Mit dem Schweizer Choreographen hat eine der größten Compagnien Deutschlands seit dieser Spielzeit nicht nur einen neuen Direktor, sondern auch ein neues Gesicht: Die hierarchische Struktur ist aufgegeben – alle 47 Tänzerinnen und Tänzer sind Solisten –, und fünf mit b.01 bis b.05 betitelte Premieren laden zu einer ebenso faszinierenden wie facettenreichen Reise in die Welt der Ballettkunst ein. In meist mehrteiligen Programmen lässt Martin Schläpfer mit Choreographien von George Balanchine und Kurt Jooss die Vergangenheit ebenso zu Wort kommen wie er die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Meisterchoreographen wie

Theater Duisburg

Premieren Ballett

16.10.2009 (DÜS) | 13.03.2010 (DU) Hans van Manen | Martin Schläpfer Ballett am Rhein – b.01 05.12.2009 (DU) | 19.12.2009 (DÜS) Martin Schläpfer Ballett am Rhein – b.02 Kunst der Fuge 23.01.2010 (DÜS) | 21.02.2010 (DU) George Balanchine | Paul Lightfoot & Sol León | Martin Schläpfer Ballett am Rhein – b.03 30.04.2010 (DÜS) Twyla Tharp | Kurt Jooss | Martin Schläpfer Ballett am Rhein – b.04 12.06.2010 (DÜS) Teresa Rotemberg | Martin Schläpfer Ballett am Rhein – b.05


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Staatsoper Unter den Linden Foto: Monika Rittershaus

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Rolando Villazón zeigt in ­Tschaikowskys Eugen Onegin sein bewegendes, auch darstellerisch kompromissloses Lenski-Porträt. Die Musikalische Leitung liegt bei Generalmusikdirektor Daniel Barenboim.

Festtage für Opernfans in Berlin Vom 26. März bis 5. April 2010 feiern Anna Netrebko, Waltraud Meier, Plácido Domingo, Rolando Villazón, Pierre Boulez und viele andere Künstler mit Daniel Barenboim zum letzten Mal vor der Sanierung der Staatsoper die Festtage

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Karten unter Telefon (030) 20 35 45 55 Fax (030) 20 35 44 83 tickets@staatsoper-berlin.de www.staatsoper-berlin.de

Foto: Max Lautenschläger

Staatsoper Unter den Linden Unter den Linden 7, 10117 Berlin

s war durchaus eine kühne Idee, mit der Daniel Barenboim die Berliner konfrontierte, als er im Frühjahr 1996 die ersten Staatsopern-Festtage veranstaltete: Wozu Festtage in einer Stadt, die ohnehin schon mehr Hochkultur pflegte, als sie sich eigentlich leisten konnte? In einer Stadt noch dazu, deren Bewohner sowieso jeden Abend Weltniveau in ihren Opernhäusern und Konzertsälen erwarteten und es gar nicht einsahen, einen Plácido Domingo oder eine Cecilia Bartoli nur gegen Aufpreis erleben zu können? Und dann auch noch auf dem Boden des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaats, der die gesamte Bevölkerung quasi zum Nulltarif mit Oper versorgt hatte? Nicht wenige Berliner schüttelten da die Köpfe und sagten diesen Festtagen ein baldiges Ende voraus.

Von der anfänglichen Skepsis, die seinem Projekt — wie allen großen Ideen — anfangs entgegenschlug, ließ sich Daniel Barenboim freilich nicht beirren: Neben der erfreulichen Tatsache, dass die Einnahmen der Festtage auch dem laufenden Betrieb seines Hauses zugute kamen, wusste der Generalmusikdirektor der Staatskapelle, dass der neuen Hauptstadt letztlich genau das fehlte: Ein jährliches Festival, das für einige Vorstellungen den Traum jedes Opernliebhabers wahr werden ließ, die besten und berühmtesten Sänger und Dirigenten einmal zusammen auf der Bühne oder im Konzertsaal zu erleben. Ein Traum, für den sonst höchstens Namen wie Salzburg, Bayreuth oder Glyndebourne, kaum aber die herkömmlichen Opernhäuser mit ihrem Ganzjahresbetrieb standen. Dass hier ein Traum Wirklichkeit geworden war, merkten die Berliner allerdings schnell — schon allein, weil die Festtage von Anfang an ein internationales Publikum gewinnen konnten, das da weniger ideologische Skrupel zu haben schien und vor allem durch die Wagner-Premieren, die Herzstücke jedes Festtags-Programms, angezogen wurde. Mit Barenboim und der Staatskapelle im Graben, Sängern wie Plácido Domingo, Waltraud Meier oder René Pape auf der Bühne und den modernen, aber nicht provokativen Inszenierungen Harry Kupfers gewannen die Festtage schnell ein Stammpublikum. Und zwar eines, das nicht nur für

eine Opernvorstellung anreiste, sondern das begleitende Angebot an Sinfoniekonzerten, Klavier- und Liederabenden gerne nutzte, um den Aufenthalt in der Hauptstadt noch ein paar Tage auszudehnen. Die strategisch günstige Platzierung um die Ostertage und die Werbung, die die Staatskapelle auf ihren Auslandstourneen mit Barenboim für das neue Hauptstadt-Highlight machte, taten ein Übriges. Wie fest sich die Festtage auf der internationalen Festival-Landkarte etabliert hatten, zeigte sich, nachdem der Wagner-Zyklus von Kupfer und Barenboim vollendet und 2002 in einem gewaltigen Kraftakt noch einmal alle zehn großen Wagner-Opern in einem Zyklus je zwei Mal innerhalb von 36 Tagen gestemmt worden waren. Die Festival-Gemeinde kam auch zu Verdi und Massenet wieder und sorgte auch für volle Säle, als 2007 gar keine Opernproduktion, sondern eine zyklische Aufführung aller Sinfonien Gustav Mahlers unter Barenboim und Pierre Boulez auf dem Programm stand. Boulez ist neben Barenboim eine Leitfigur der Festtage und quasi von Anfang an dabei. Schon 1997, zum ersten Geburtstag, dirigierte er in der Staatsoper Unter den Linden Strawinskys Rossignol und Schönbergs Pierrot Lunaire, und auch wenn die Oper, zu der sein Freund Barenboim Boulez lange hartnäckig zu überreden versuchte, wohl nie geschrieben wird, standen immer

staatsoper unter den linden Im Jahre 1742 von Friedrich dem Großen gegründet und von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erbaut, ist das Opernhaus Unter den Linden seit über 260 Jahren eine der traditionsreichsten und künstlerisch führenden Bühnen – und für viele eines der schönsten Opernhäuser der Welt. Persönlichkeiten wie Gaspare Spontini, Giacomo Meyerbeer, Richard Strauss, Erich Kleiber, Otto Klemperer, Wilhelm Furtwängler und seit über siebzehn Jahren Daniel Barenboim haben das Haus geprägt. Im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit an der Staatsoper Unter den Linden steht der Anspruch, das traditionelle Opernrepertoire auf herausragendem musikalischen Niveau zu präsentieren und gleichzeitig den Diskurs über die Gattung Oper mit Uraufführungen und innovativ-experimentellen Produktionen voranzutreiben. Die Spielzeit 2009/2010 ist die letzte vor der großen Sanierung des Hauses Unter den Linden. Im Sommer 2010 zieht das gesamte Ensemble gemeinsam mit dem neuen Intendanten Jürgen Flimm für drei Jahre ins Schiller Theater an der Bismarckstraße. Eröffnet wird die erste Saison dort mit einer Uraufführung am 3. Oktober 2010.

Sichtweisen. Von Quereinsteigern wie Bernd Eichinger oder Doris Dörrie, aber auch von Regisseuren wie dem Norweger Stefan Herheim und dem ehemaligen Intendanten Peter Mussbach. Einfach hat es sich die Staatsoper in dieser Hinsicht jedenfalls nicht gemacht — der historische Ort mitten im Herzen der Republik bedeutete immer auch die Pflicht zur intellektuellen Auseinandersetzung. Das Publikum hat das in all den Jahren, wenn auch manchmal mit Murren, bislang akzeptiert, sicher auch weil es intuitiv spürt, dass sich Musiktheater in einer Metropole wie Berlin anders zur Gegenwart bekennen muss als in den ländlichen Idyllen sommerlicher Festspielorte. Und kein Zweifel, dass es Barenboim und der Staatsoper auch die Treue halten wird, wenn das Stammhaus Unter den Linden ab Sommer 2010 für eine Grundrenovierung geschlossen wird und die Musik für dreieinhalb Jahre erst einmal im Westberliner Schiller Theater spielt. Und auch wenn Politik und Denkmalschutz hoch und heilig versichert haben, dass der Zuschauerraum bei der Wiedereröffnung keinen Deut anders aussehen soll als heute, sind die Festtage in diesem Jahr doch auch ein Stückweit ein Abschiedsfest — gemeinsam gefeiert vom Publikum und den Künstlern, deren Entwicklung es in diesen 15 Jahren verfolgt hat. Und die notorischen Nörgler unter den Berlinern hat Barenboim übrigens auch längst bekehrt — spätestens seit sie bei den Live-Übertragungen auf dem angrenzenden Bebelplatz Oper für ganz umsonst bekommen. So billig war’s nicht Jörg Königsdorf mal in der DDR. FESTTAGE 2 0 1 0

wieder Boulez-Kompositionen auf den Programmen der Sinfonie- und Kammerkonzerte. Die Hommage, die ihm nun zu seinem 85. Geburtstag gewidmet ist, setzt insofern eine kontinuierliche Beschäftigung mit Boulez’ Musik fort, die in dieser Konsequenz vermutlich weltweit einmalig ist. Vielleicht gehört es ohnehin zum Erfolgsgeheimnis der Festtage, auf einen festen Künstlerkreis zu setzen und mit den Jahren so eine Atmosphäre der Vertrautheit zwischen Musikern und ihrem Publikum zu schaffen. Statt mit immer neuen Stars Aufsehen zu erregen, leben die Konzerte und Opernvorstellungen von solch langfristigen Beziehungen: Zu Rolando Villazón, dem die Staatsoper durch alle Krisen hindurch die Treue gehalten hat und der in Achim Freyers Inszenierung von Tschaikowsky Eugen Onegin sein bewegendes, auch darstellerisch kompromissloses LenskiPorträt zeigen wird. Zu Waltraud Meier, der großen Isolde der letzten zwanzig Jahre, ebenso wie zu Plácido Domingo, der in dieser Atmosphäre gegenseitiger Vertrautheit sein Wagnis wiederholen wird, sich als Bariton in der Titelpartie von Verdis Simon Boccanegra zu präsentieren. Oder auch zu Anna Netrebko, die hier kein durchreisender Star ist, sondern mit Barenboim zusammen ein russisches Liedprogramm präsentieren wird. So schafft man nachhaltige Beziehungen. Freilich sind die Festtage nicht nur exklusives Ereignis, sondern ebenso auch ein Schaufenster, in dem sich die Staatsoper mit ihrem künstlerischen Profil zeigt: Die Inszenierungen, die es hier zu sehen gibt, laufen auch im „normalen“ Repertoire. Freyers aus der spukhaften Romantik eines E.T.A. Hoffmann heraus empfundener Eugen Onegin ebenso wie Kupfers schlicht-konzentrierter Tristan, der inzwischen zu einem Klassiker des Hauses geworden ist. Zwei Produktionen, die für die Bandbreite der Regiehandschriften stehen, die an der Staatsoper Unter den Linden gepflegt wird. Denn in der Ära Barenboim wurde immer modernes Musiktheater gemacht. Vielleicht auch um zu dem Rahmen des Prachtbaus Unter den Linden mit seinen Kristalllüstern und seinen goldbemalten Balkonen eine konstruktive Spannung herzustellen, gab es auf der Bühne keinen Plüsch, sondern neue, oft durchaus kontroverse

26., 31. März; 2. April 2010 Peter Iljitsch Tschaikowsky Eugen Onegin Daniel Barenboim | Achim Freyer mit Rolando Villazón, René Pape, Artur Rucinski, Anna Samuil, Katharina Kammerloher, Maria Gortsevskaya, Margarita Nekrasova, Stephan Rügamer

27. und 30. März 2010 Giuseppe Verdi Simon Boccanegra Daniel Barenboim | Federico Tiezzi mit Plácido Domingo, Ferruccio Furlanetto, Fabio Sartori, Hanno Müller-Brachmann

28. März und 5. April 2010 Richard Wagner Tristan und Isolde Daniel Barenboim | Harry Kupfer mit Waltraud Meier, Peter Seiffert, René Pape, Roman Trekel, Ekaterina Gubanova, Reiner Goldberg

29. März 2010 | Philharmonie Liederabend Anna Netrebko | Daniel Barenboim Werke von Nikolai Rimski-Korsakow und Peter I. Tschaikowsky

1. April 2010 | Philharmonie Klavierabend Maurizio Pollini Frédéric Chopin: Préludes op. 28 Claude Debussy: Etudes, Buch II Pierre Boulez: Deuxième Sonate

3. April 2010 | Philharmonie Festtagekonzert Staatskapelle Berlin Pierre Boulez | Christine Schäfer | Daniel Barenboim Pierre Boulez: Improvisations sur Mallarmé Nr. 1-3 | Arnold Schönberg: Konzert für Klavier und Orchester op. 42 | Alban Berg: Drei Stücke für Orchester op. 6

4. April 2010 | Staatsoper Zum 85. Geburtstag Hommage a Pierre Boulez Pierre Boulez | Daniel Barenboim | West-Eastern Divan Orchestra Pierre Boulez: Messagesquisse für Violoncello solo und sechs Violoncelli, Anthèmes 2 für Violine solo und Live-Elektronik, Le Marteau sans maître für Alt und sechs Instrumente opernPremieren 2009/2010

24. Oktober 2009 Giuseppe Verdi Simon Boccanegra Daniel Barenboim | Federico Tiezzi

21. November 2009 Johann Strauss Die Fledermaus Zubin Mehta | Christian Pade

4. Februar 2010 Georg Friedrich Händel Agrippina René Jacobs | Vincent Boussard

16. Mai 2010 Emmanuel Charbier L’Etoile Sir Simon Rattle | Dale Duesing


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Opernhaus Zürich

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s zeugt wohl für die besondere Verbundenheit eines Opernhauses mit einem Komponisten, wenn der Intendant sich höchstselbst auf die Bühne begibt, um an einer Aufführung mitzuwirken: so in Zürich bei der aktuellen Produktion von Richard Strauss’ Ariadne. Alexander Pereira, seit 1991 Chef des Hauses zwischen Bellevue und Seepromenade, tritt hier in der Sprechrolle des Haushofmeisters mit distinguiert-genüsslichem Wiener Schmäh auf. Den katastrophalen Wunsch seines Herrn, Oper und Komödie gleichzeitig aufzuführen, verkündet er stilgerecht von seiner Intendanten-Loge aus. Ihm gegenüber, auf der Bühne, öffnet sich dann ein Nachbau der „Kronenhalle“, eines nachgerade mythischen Restaurants der gehobenen Preisklasse in Zürich, wo vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts alles speiste, was international Rang und Namen hatte. Illiquide Künstler wie Marc Chagall ließen auch schon einmal ein eigenes Bild als Bezahlung zurück. Was wie ein bloß auf Ortswitz berechneter Regieeinfall anmutet, trägt viel bei zu dem Libretto und Partitur bestimmenden, in der Regie von Claus Guth auf ebenso subtile wie überraschende Weise in die Szene überführten Spiel mit dem Theater — und seiner Reflexion über sich selbst — auf dem Theater. Wer will, kann das ab Februar 2010 überprüfen, wenn die Wiederaufnahme der von der Kritik einhellig gepriesenen Inszenierung auf dem Spielplan steht. Emily Magee und Roberto Saccà in Rollendebüts

zurück, wo er seinerseits nicht wenig zur Fortsetzung der Strauss-Pflege beigetragen hatte. Die Inszenierung des szenisch wie musikalisch ausgesprochen herausfordernden Stücks wird David Pountney übernehmen und dabei sowohl auf die Entstehungszeit als auch auf die symbolkräftig-märchenhafte Fasson Rücksicht nehmen. Emily Magee und Roberto Saccà werden ihre in der Ariadne begonnene künstlerische Partnerschaft als Kaiserin und Kaiser fortsetzen, Janice Baird und Michael Volle als Färberpaar agieren. Birgit Remmert gibt die Amme. Am Ende der Saison wird im Rahmen der Zürcher Festspiele — die alljährlich im Juni und Juli stattfinden — Salome folgen. Das in Zürich seinerzeit noch Widerwillen erregende „Musikdrama in einem Aufzuge“ verantworten Bechtolf und von Dohnányi. Schon 1950 schrieb Willi Schuh, ein enger Freund von Strauss und intimer Kenner seines Werks, über Zürich: „Es dürfte unter den mittleren Opernbühnen keine geben, an der das Strausssche Opernschaffen auf die gleiche systematische Weise gepflegt wurde und wird.“ Zürich ist längst keine „mittlere Opernbühne“ mehr, sondern ein Haus mit internationaler Ausstrahlung; doch diese besondere Beziehung zeigt sich nach wie vor in einer ungebrochenen Reihe von Neuproduktionen. Und so bietet die Spielzeit 2009/2010 gleichsam eine kleine Enzyklopädie der zwischen 1905 und 1919 entstandenen Musiktheaterwerke, darunter die Zentralgestirne aus der Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal. Es sind diese Werke, jedes für sich eine eigene Welt, in denen Strauss seine Vision einer musikalischen Moderne entwarf. Zürich stellt sie, genau einhundert Jahre nach der ersten Gemeinschaftsarbeit von Strauss und Hofmannsthal, gemeinsam auf die Bühne und ermöglicht so überaus anregende Vergleiche. PD Dr. Melanie Wald

Die Werke von Richard Strauss bilden einen festen Punkt in den Spielplänen des Zürcher Opernhauses. Und das seit einhundert Jahren. Auch in der aktuellen Spielzeit stehen wieder fünf Bühnenwerke dieses auf herausgehobene Weise modernen Komponisten auf dem Programm. als Ari­adne und Bacchus, Elena Mos�uc und Michelle Breedt als Zerbinetta und Komponist führten sängerisch ein herausragendes Ensemble an, das ein­mal mehr die Vorteile der klug betriebenen, auf langfristige Bindungen basierenden Besetzungspolitik des Hauses hörbar macht. Und Christoph von Dohnányi

Die Autorin ist Assistentin am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich

Emily Magee als Ariadne.

(das übrigens vor genau 175 Jahren eröffnet wurde, so dass das Zürcher Opernhaus dieses Jahr ein Jubiläum feiert). Strauss suchte nach dem Kriegsende von 1945 bis 1949 in der Schweiz Ruhe und Erholung, u.a. in dem nahe bei Zürich gelegenen Kurort Baden. Wiederholt besuchte er von dort aus die Zürcher Oper

umgehend auch in Zürich gegeben. Statt sich länger über „grauenhafte Kakophonie“ zu entrüsten, schwärmten die örtlichen Zeitungskritiker nun von „Wunderpartitur“ und „genialer Vertonung“. 1917 kann dann als der Höhepunkt in der Liebesgeschichte zwischen Strauss und den Zürchern gelten: Zum ersten Mal

Zürich“ umgewandelt wurde). Bis 1939 war Strauss ein immer wieder gern gesehener Gast in Zürich, wo er eigene ebenso wie fremde Werke dirigierte. Bis heute ist das meist gespielte Strauss-Stück in Zürich der Rosenkavalier, den man auch in der aktuellen Spielzeit wieder zu sehen bekommt. Renée Fleming, die vor kurzem Wunderbares in einer Zürcher Arabella leistete, singt neben Michelle Breedt, Eva Liebau und Alfred Muff. In der Regie von SvenEric Bechtolf entfaltet sich das Spiel ebenso werknah wie einfallsreich. Die Charaktere werden sorgfältig modelliert, während die Ausstattung auf die MariaTheresianische Epoche anspielt, ohne sie einfach nachzubilden. Und der Winter, der alle Spielorte umfängt, fungiert als beständiger Verweis auf die das Stück durchziehende Melancholie der Vergänglichkeit. Die dritte Wiederaufnahme der Saison ist zugleich mit einer musikalischen Neueinstudierung verbunden: Der neue Chef am Pult des Zürcher Opernhauses, Daniele Gatti, frischt die 2003 von Martin Kušej und von Dohnányi verantwortete Produktion der Elektra in teils neuer Besetzung auf: Die Titelpartie gestaltet weiterhin Eva Johansson. Ihr zur Seite stehen nun Agnes Baltsa und Emily Magee. Martin Gantner ist der neue Orest. Dazu zeigt die Inszenierung genau die „gigantische Lawine aus Emotion, Grauen, Dissonanz, Finsternis und Einsamkeit“, als die Kušej das Werk versteht. Gespannt sein darf man aber vor allem auch auf die beiden Strauss-Premieren der Spielzeit: Die Frau ohne Schatten und Salome, jeweils mit einer ganzen Reihe Zürcher Strauss-Spezialisten. Für die Frau ohne Schatten kehrt der mittlerweile an die Wiener Staatsoper gewechselte ehemalige Zürcher Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst an seine langjährige Wirkungsstätte

Eine Liebe ohne Ende Zürich und Richard Strauss Opernhaus Zürich 8008 Zürich, Falkenstrasse 1 Karten unter Telefon +41 44 268 66 66 www.opernhaus.ch

als Dirigent der Premiere nutzte die vergleichsweise kleine Dimension des Zürcher Hauses für einen farbenreichen, berückenden doch leichten Orchesterklang, der den Stimmen eine Entfaltung ohne zu viel Krafteinsatz ermöglichte. Seit mittlerweile gut einhundert Jahren schon können sich die Zürcher mit Strauss identifizieren und sein Werk wird mit einer ähnlichen Anhänglichkeit gepflegt wie das Richard Wagners, wie auch umgekehrt beide Komponisten Teile ihres Lebens in der Schweiz verbrachten: Wagner genoss immerhin für zehn Jahre (von 1849 bis 1858) als steckbrieflich gesuchter Barrikadenkämpfer Exil an der Limmatstadt und dirigierte dabei manche Oper im damals noch bürgerschaftlich getragenen „Actien­theater“

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(und fühlte sich auch in der Kronenhalle nicht unwohl). Und es war Zürich, wo er im Juni 1948 zum letzten Mal überhaupt eine seiner Opern hörte (Elektra unter der Leitung von Hans Knappertsbusch). Doch reicht seine künstlerische Beziehung zur Schweizer Kulturhauptstadt noch weiter zurück: Bereits 1907 hatte Zürichs bedeutender Intendant Alfred Reucker den Zürchern die Salome zugemutet, gegen das Votum städtischer Politiker im Verwaltungsrat und mit nur geringem Erfolg beim Publikum. Vier Jahre später übernahm man kurz nach der Dresdner Uraufführung den Rosenkavalier und konnte damit überzeugen: Von da an wurde fast jede neue Strauss-Oper

stand er selbst am Pult und führte die zweite Fassung seiner Ariadne auf. Wenig später folgten Don Giovanni, Elektra und Die Zauberflöte. Alle Aufführungen wurden vom Publikum enthusiastisch bejubelt und in der Presse gerühmt. Im Folgejahr ging es weiter mit dem Rosenkavalier und der Salome, außerdem Wagners Fliegendem Holländer. Strauss hatte sich sogar — allerdings vergeblich — auf die Suche nach Wagners originaler Dirigierpartitur aus dem Jahr 1852 im Archiv des Opernhauses gemacht. Aber die ist wohl am Silvesterabend 1889 mit dem alten „Actientheater“ verbrannt, das 1891 durch das neue „Stadttheater“ ersetzt wurde (dessen Name 1964 in „Opernhaus

opernhaus zürich Mit 15 Premieren und 27 Wiederaufnahmen entfaltet das Opernhaus Zürich für ein führendes Musiktheater eine ungewöhnlich hohe Produktivität. Das vor 175 Jahren als „Actientheater“ von theaterbegeisterten Bürgern gegründete und seit 1991 von Alexander Pereira geleitete Haus am Zürichsee mit internationaler Ausstrahlung hat eine große Strauss- und Wagnertradition und bietet ein vielseitiges Repertoire von Händel (mit eigenem Barockensemble) bis in die Gegenwart. Immer wieder stehen auch selten gespielte Werke auf dem Spielplan. Eine Vielzahl weltberühmter Sänger, von Cecilia Bartoli über Jonas Kaufmann bis Thomas Hampson, gehört zum Ensemble. Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt und Nello Santi sind dem Haus seit Jahrzehnten verbunden. Auf Franz Welser-Möst ist in dieser Spielzeit Daniele Gatti als neuer Chefdirigent gefolgt. Das Zürcher Ballett unter Heinz Spoerli, auch auf zahlreichen Auslandsgastspielen bejubelt, vereint klassische Tradition mit der Moderne. Ein Höhepunkt sind die Zürcher Festspiele im Juni/Juli.

P r e m i e r e n ( a b n ov e m b e r )

22. November 2009 G. Verdi Il Corsaro D Eivind Gullberg Jensen | R Damiano Michieletto | B Paolo Fantin | K Carla Teti

13. Dezember 2009 R. Strauss Die Frau ohne Schatten D Franz Welser-Möst | R David Pountney | B Robert Israel | K Marie-Jeanne Lecca

27. Dezember 2009 G. Rossini Il Barbiere di Siviglia D Nello Santi | R Cesare Lievi | B Mario Botta | K Marina Luxardo

23. Januar 2010 R. Strauss Elektra D Daniele Gatti | R Martin Kušej | B Rolf Glittenberg | K Heidi Hackl

20. Februar 2010 W. A. Mozart Idomeneo D Nikolaus Harnoncourt | R Nikolaus und Philipp Harnoncourt | B Rolf Glittenberg | K Renate Martin, Andreas Donhauser

13. März 2010 J. Offenbach Les Contes d’Hoffmann D David Zinman | R Thomas Langhoff | B Bernhard Kleber | K Florence von Gerkan

27. März 2010 B. Britten Frank Bridge Variations I. Strawinsky Der Feuervogel (Ballett) D Zsolt Hamar | C Hans van Manen | C Heinz Spoerli | K Keso Dekker

18. April 2010 G. Verdi Luisa Miller D Massimo Zanetti | R Damiano Michieletto | B Paolo Fantin

9. Mai 2010 F. Schreker Der ferne Klang D Ingo Metzmacher | R Jens-Daniel Herzog | A Mathis Neidhardt

30. Mai 2010 A. Dvorák Rusalka D Vladimir Fedoseyev | R Matthias Hartmann | A Karl-Ernst Hermann

19. Juni 2010 R. Strauss Salome D Christoph von Dohnányi | R Sven-Eric Bechtolf | B Rolf Glittenberg | K Marianne Glittenberg

Für Ihre Opernreise in die schöne Schweiz bietet das Opernhaus Zürich einen Reiseservice an. Bitte fordern Sie Informationen über unsere Reise­angebote unter ­reisen@opernhaus.ch an. Sie nehmen dann auch an der Verlosung eines exklusiven Opern­wochenendes in Zürich teil.


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