5 minute read

RATGEBER » Die Redaktion zeigt unterschätzte Gefahren bei der Verwendung von Hubarbeitsbühnen auf und gibt Tipps

Ratgeber

Der Katapulteffekt –

eine unterschätzte Gefahr bei Hubarbeitsbühnen

[ BAUSICHERHEIT] Sie gelten als sicherste Form der Höhenzugangstechnik, sind einfach in der Handhabung und vielseitig einsetzbar: Hubarbeitsbühnen. Und obwohl sie auf Baustellen gern gesehene Helfer sind, erweisen sie sich bei falscher Bedienung als ernstzunehmende Gefahrenquelle – auch und gerade dann, wenn Bauprofis die Gefahr aufgrund jahrelanger Erfahrung achtlos unterschätzen. Ein großes Problem stellt in diesem Zusammenhang der sogenannte Katapulteffekt (auch Peitscheneffekt) dar: Wird die Hubarbeitsbühne umpositioniert, kann sich das Geländer beispielsweise an einer Gebäudekonstruktion verklemmen. Betätigt der Anwender daraufhin wiederholt den Joystick der Bühne, um befreiende Korbbewegungen zu erzeugen, kann er durch den so entstehenden Peitscheneffekt aus der Arbeitsbühne katapultiert werden. Im Regelfall, so die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), ist der Anwender bei einem solchen Sturz zusätzlich durch seine PSAgA gesichert. Nicht selten sei in solchen Fällen die dafür notwendige Sicherung am Anschlagpunkt jedoch nicht erfolgt, weshalb der Arbeiter ungebremst zu Boden stürzt. Abhängig von Arbeitshöhe und -untergrund können schwere oder gar tödliche Verletzungen die Folge sein. Die Redaktion der bauSICHERHEIT hat sich das Ganze deshalb genauer angeschaut und nützliche Tipps parat, um die Gefahr mittels einfacher Schutzmaßnahmen zu verringern.

Von Dan Windhorst und Jessy von Berg

Grundsätzlich fordert die DGUV-Vorschrift 1 »Grundsätze der Prävention« eine Gefährdungsbeurteilung beim Einsatz von Hubarbeitsbühnen. Bereits vor dem Tätigkeitsbeginn müssen daher entsprechende Maßnahmen festgelegt werden, um das Risiko zu verringern, dass Beschäftigte aus der Arbeitsbühne herausgeschleudert werden können. Dazu zählt beispielsweise die Pflicht zum Tragen einer PSAgA als Rückhaltesystem, wenn ein Peitscheneffekt auftreten kann. Zur Festlegung dieser Maßnahmen ist

der Arbeitgeber nach der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 2111 Teil 1 »Mechanische Gefährdungen – Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen beim Verwenden von mobilen Arbeitsmitteln« sogar verpflichtet.

Die richtige PSA nutzen

Kathrin Stocker, Präventionsexpertin und Aufsichtsperson der BGHM, sagt dazu: »Für die Gefährdung, dass Personen herausgeschleudert werden, reichen die gängigen technischen Einrichtungen wie Geländer nicht aus. Diese Gefährdung ist ausschließlich durch personenbezogene Schutzmaßnahmen und ein umsichtiges Verhalten zu verhindern.« Entscheidend sei hierbei unter anderem die richtige Auswahl und Benutzung der persönlichen Schutzausrüstung. Doch auch darüber hinaus gibt es Aspekte, die zur Prävention von Unfällen berücksichtigt werden sollten.

Zusätzliche Sicherung

Gemäß der Pressemitteilung der BGHM müssen an der Hubarbeitsbühne je nach Personenanzahl geeignete Anschlageinrichtungen (mindestens 3 kN; künftig werden 6 kN angestrebt) vorhanden sein. »Beim Einsatz von Hubarbeitsbühnen sollte grundsätzlich ein geeignetes Auffangsystem getragen werden, das aus einem Auffanggurt in Verbindung mit einem längenverstellbaren Verbindungsmittel mit Falldämpfer besteht. Damit können sich Beschäftigte an dem in der Bühne vorhandenen Anschlagpunkt sichern«, so Kathrin Stocker. Zusätzliche Sicherheit biete ein mitlaufendes Auffanggerät mit beweglicher Führung oder ein Höhensicherungsgerät, das speziell für den Einsatz in Hubarbeitsbühnen geprüft und zugelassen ist. Zu beachten ist dabei die auf 1,80 m begrenzte Systemlänge. Wird das Fahrwerk bewegt oder die Arbeitsbühne in der Höhe verfahren, sollte laut BGHM grundsätzlich die kürzeste mögliche Verbindung zwischen dem Anschlagpunkt und der vorderen oder hinteren Auffangöse des Auffanggurtes gewählt werden. Wichtig sei auch, unnötige Schwingbewegungen zu verhindern, größere Montagekräfte zu vermeiden und entsprechende Sicherheitsabstände zu Gruben und Gräben sowie zu elektrischen Freileitungen einzuhalten.

Kennzeichnung von Hubarbeitsbühnen

Fahrbare Hubarbeitsbühnen sind in der Regel mit allen vorgeschriebenen und zudem notwendigen Angaben gekennzeichnet, um eine bestimmungsmäßige Verwendung aufzuzeigen. Ein gutes Beispiel ist die Angabe des Eigengewichts: Für spezielle Einsatzbereiche kann das Gewicht entscheidend zur sicheren Handhabung sein, etwa beim Einsatz auf Decken oder über Schächte hinweg. Zu beachten gilt hierbei die jeweils angegebenen Radlasten/ Stützlasten. Ebenso wichtig ist, gerade für den Bediener selbst, die Tragfähigkeit der Arbeitsbühne: Diese Nennlast (maximale Belastung im Arbeitskorb) sollte vor Inbetriebnahme überprüft werden, um Überbelastungen durch die Überschreitung der Personenzahl oder der Zuladung zu vermeiden. Wer im Außenbereich tätig ist, sollte sich überdies die höchstzulässige Windgeschwindigkeit genauer anschauen. Im Regelfall beträgt diese 12,5 m/s, oder auch Windstärke 6. Wird diese Grenze überschritten, muss der Betrieb zur Sicherheit aller sofort eingestellt werden.

Kurz und knapp

Beim Einsatz von Hubarbeitsbühnen sollte immer ein geeignetes Auffangsystem aus einem Auffanggurt und einem längenverstellbaren Verbindungsmittel mit Falldämpfer getragen werden. Außerdem wird vor und nach jedem Einsatz eine Sicht- und Funktionsprüfung der Hubarbeitsbühne empfohlen.

Unterweisung der Beschäftigten

Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass die Wetterverhältnisse beim Einsatz der Hubarbeitsbühne beachtet werden müssen: Bei Gewitter oder Windgeschwindigkeiten über zwölf m/s sei es nötig, den Betrieb einzustellen. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen empfiehlt die BGHM eine mindestens einmal im Jahr stattfindende theoretische und praktische Unterweisung der Beschäftigten in der Benutzung der PSAgA sowie zu den besonderen Gefährdungen, die es zu berücksichtigen gilt.

Auch legt sie jedem Nutzer eine arbeitstägliche Sicht- und Funktionsprüfung der Hubarbeitsbühne vor und nach jedem Einsatz nahe. Darüber hinaus rät die BGHM zu einer geringstenfalls jährlich erfolgenden, umfassenden Prüfung durch eine befähigte Person und, zum Beispiel im Falle eines Unfalls oder nach Veränderungen an der Konstruktion, zu einer außerordentlichen Überprüfung der Anlage, um die generelle Sicherheit gewährleisten zu können und Gefahren im Vorfeld zu beseitigen. J

Gesetzliche Vorgaben und Regeln

Generell zählen Hubarbeitsbühnen zu Maschinen gemäß Anhang IV der Europäischen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Dort sind die technischen Baubestimmungen und Sicherheitsausrüstung geregelt. Auf Basis eben dieser Richtlinie wurde gleichzeitig die europäische Norm DIN EN 280 auf den Weg gebracht, die Themen wie Berechnung, Standsicherheit, Bau oder auch Prüfungen für fahrbare Hubarbeitsbühnen behandelt. Damit besteht ein Werkzeug, welches die Norm für generelle Sicherheitsanforderungen hinsichtlich der Konstruktion und der Bauart definiert, gleichzeitig aber auch die Prüfung von fahrbaren Hubarbeitsbühnen.

Betriebssicherheitsverordnung

Den Umgang mit derartigen Maschinen regelt hingegen die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), welche durch die Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) untermauert werden. In der Betriebssicherheitsverordnung werden, kurz gesagt, die Arbeitsschutzanforderungen aus verschiedenen staatlichen Vorschriften in nur einer Verordnung zusammengefasst. Das beinhaltet unter anderem Anforderungen an die Bereitstellung von Arbeitsmitteln durch den jeweiligen Arbeitgeber, die Verwendung von Arbeitsmitteln durch die Beschäftigten selbst sowie die notwendigen Prüfungen. Gerade die TRBS 2111 Teil 1 mit Namen »Mechanische Gefährdungen« erläutert Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen beim Verwenden von mobilen Arbeitsmitteln. Dort wird die BetrSichV. hinsichtlich der Ermittlung und Bewertung von Gefahren sowie die Ableitung von technischen, organisatorischen und persönlichen Maßnahmen klar konkretisiert. Ein Beispiel dafür ist, dass die TRBS 2111 Teil 1 etwa die Qualifikation der Bedienperson als personenbezogene Maßnahme erwähnt.