MQ Management und Qualität

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20 RISIKEN MANAGEN

Privater Transport gefährlicher Güter

Quelle: © Depositphotos/ferrerivideo

MQ | 05/2020

Samstagmorgen, ein Baumarkt in der Schweiz: Stellen Sie sich vor, Sie kaufen nicht nur Dünger, sondern auch Pool-Chemikalien, Spraydosen und Farben, sowie Kühlerfrostschutz, Blei-Akkus und Lithiumbatterien. Ihr Kofferraum ist bereits mit Gas­ flaschen für den nächsten Tauchausflug mit der Familie gefüllt. Hat man es hier mit einem Gefahrguttransport zu tun? Muss man vor dem nächsten Einkauf die gut 1600 Seiten des Gefahrgutregelwerks ADR durchlesen? Eine aktuelle Analyse.

Von Dr. Christine Wenk und Dr.-Ing. Mathias Breimesser, Neosys AG

Privatpersonen geniessen eine besondere Freistellung (gemäss ADR 1.1.3.1). Die übrigen Vorschriften des ADR* gelten nicht, falls es sich um einzelhandelsgerecht verpackte Ge­ fahrgüter handelt, die für den persönlichen oder häuslichen Bereich sowie Freizeit und Sport bestimmt sind, und Massnahmen ge­ troffen werden, um ein Freiwerden des Inhal­ tes unter normalen Bedingungen zu verhin­ dern. Für entzündbare Flüssigkeiten in wie­ derbefüllbaren Behältern (z.B. Kraftstoff­ kanister) gilt zudem: max. 60 l pro Behälter und max. 240 l insgesamt. Grosspackmittel wie «Intermediate Bulk Containers» (IBC) gel­ ten genauso wenig als einzelhandelsgerecht wie Tanks. In der Schweiz ist zusätzlich die Verord­ nung über die Beförderung gefährlicher Gü­ ter auf der Strasse (SDR) zu beachten, welche vorherige Freistellung weiter eingrenzt. Die Gesamtmenge an Gefahrgut, welche privat in

Dr. Christine Wenk Gefahrgutbeauftragte Neosys AG

Dr.-Ing. Mathias Breimesser Gefahrgutbeauftragter Neosys AG

einer Beförderungseinheit (Fahrzeug plus Anhänger) befördert werden darf, ist auf ei­ nen Wert von 300 Punkten begrenzt, ähnlich wie die bekannte 1000-Punkte-Regel gemäss ADR 1.1.3.6 (siehe Link zur Tabelle im Kasten).

Gefahrgutrechtliche Einstufung Um diese Regel richtig anzuwenden, muss ei­ ne Privatperson den eigenen Einkauf gefahr­ gutrechtlich einstufen, also Gefahrgutklasse, UN-Nummer und Verpackungsgruppe (VG) der eingekauften Waren kennen. Zusätzlich muss bestimmt werden, auf welche Einheit (Kilogramm oder Liter) sich die höchstzuläs­ sige Gesamtmenge bezieht. Bei flüssigen Ge­ fahrgütern sind es Liter, bei festen Gefahr­ gütern bzw. Gegenständen sind es Kilo­ gramm. Und bei den Gasflaschen aus dem Eingangsbeispiel? Hier kommt es darauf an, ob das Gas verdichtet, verflüssigt oder gelöst ist. Gasflaschen für den nächsten Tauchgang enthalten verdichtetes Gas. Also muss man den mit Wasser ausgeliterten Fassungsraum des Gefässes in Litern kennen. Bei Gegenstän­ den mit Explosivstoffen (Klasse 1, z.B. Feuer­ werk oder auch Munition) zählt schliesslich die Nettoexplosivstoffmenge in Kilogramm.

«Privatpersonen müssen nicht das ganze ADR lesen, aber ...» Das heisst, Privatpersonen müssen nicht das ganze ADR lesen, die Teile 1 bis 3 (insgesamt knapp 1000 Seiten!) sollten aus­ reichen, um die Freistellung gemäss SDR richtig anzuwenden. Da sich das wohl kaum

Privatpersonen müssen zwar das ADR («Accord europée Dangereuses par Route») zum Einkaufen nicht mitnehm Produkten sind zwingend zu beachten.

einer antun wird, stellt sich die Frage, ob Pri­ vatpersonen denn überhaupt je in den Be­ reich kommen, wo die 300 Punkte gemäss SDR überschritten werden. Fallbeispiel 1 – Tauchausflug Flaschen mit Druckluft werden als UN 1002, Klassifizierungscode 1A, eingestuft. Gemäss Tabelle A dürfen maximal 300 l Flaschen­ volumen befördert werden. Dreissig 10-lTauchflaschen sollten für den Familientauch­ ausflug reichen. Das Mitführen der Tauch­ ausrüstung unterliegt demnach im Normal­ fall nicht dem ADR. Fallbeispiel 2 – Schiessstand Für diejenigen, die ihre Freizeit lieber auf dem Schiessstand anstatt beim Tauchen ver­ bringen, folgendes Fallbeispiel: Hier wird Munition Kaliber 7,5 × 55 mm Swiss (Gw Pat 11) transportiert. Es handelt sich dabei um Gegenstände der Klasse 1, Klassifizie­ rungscode 1.4S. Die höchstzulässige Gesamt­ menge beträgt 5 kg, bezogen auf die Netto­


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