ROSEGARDEN III

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Titelthema: Pop Up ROSEGARDEN on Tour – in Tel Aviv Mathe, Messer und Manieren – Als Lehrerin in London Magische Orte – Alpaka madness

Ausgabe III

D A S

M A G A Z I N

F Ü R

D I E

U R B A N E

B O H È M E


I

nhalt

APÉRO

Kurze Tipps zum Lesen, Trinken und Essen. Dinge, die uns begeistern 10

IN DER STADT

Bilderserie: Tel Aviv und Jerusalem Unser Kreativdirektor Bertram Sturm war für eine Woche in Israel und erzählt uns eine kleine Bildergeschichte 24

In London Schirmkauf in London. Nicht-nass-werden war noch nie so teuer, musste unsere Stadtkolumnistin Christiane Weihe erfahren 20

Wien Berlin Wiener und Berliner unterscheiden sich vor allem durch eines – ihren Umgang mit dem Herbst. Sagt Manuela Czapka. Aber das ist nicht alles 32

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NACHDENKEN über Pop Up

Gekommen, um ... wieder zu gehen Pop Up ist in aller Munde. Wir wollen wissen warum und widmen dem Thema den Schwerpunkt dieser Ausgabe 38

„Wir waren dabei, die anderen nicht!“

Krümelmonster Flashmob Gourmandise Berlin ist die erste Pop UpBakery Berlins 42

The Paris Pop Up Laura Vidal und Harry Cummins mischen die Pariser Food-Szene auf. Schon wieder. Und dann erobern sie die Welt 46

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Ashtanga-Yoga und Tattoos Es gibt kaum etwas Beständigeres als Tattoos. Aber was haben Tattoos und Yoga gemeinsam? Annina Schmid geht dem auf den Grund 50

Pop Up – Heute hier und morgen weg. Tipps zum eigenen Pop Up Eigentlich sehen Pop Ups immer so spontan aus. Dahinter steckt aber ganz schön viel Vorbereitung. Nicole Rohde von Pop up Berlin gibt 10 Tipps für das eigene Pop Up 58

1 LittlePop Up: Pop Up-Erlebnisevents für Kinder und Familien 56

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Messer, Mathe und Manieren. Als Lehrerin im Londoner Osten Wenig Perspektiven, viel Gewalt und trotzdem Hoffnung. Vom Schulalltag in der Großstadt 62


KREATIVE

Kleinere Briefe David Hermann schreibt. Unter anderem Gedichte. Und da diese meist viel zu kurz kommen, veröffentlichen wir in jeder Augabe eines davon 70

Pop Up in Bildern Die Berliner Fotografin Tabea Mathern hat für ROSEGARDEN eine Fotoserie zum Thema Pop Up gemacht. Ganz schön bunt. Und ganz schön lustig 74

Songs wie ein weiches Kissen Interview mit der Band Take Berlin über ihre Musik, Talente und Wettbewerb in Brooklyn und den „call for slow down“ 80

Sendungsbewusstsein In Berlin haben die zwei Freundinnen Sarah Miles und Anastazja Moser Berlin Community Radio gegründet. Der Sender zum Lebensgefühl 84

Das Glück im Moos „Im Grunde genommen war Anton jahrelang nichts weiter als Füllmaterial für irgendwelche seltsamen Arbeitsstellen gewesen, für die er nicht gerade nichts, aber auch nicht viel mehr erfüllen musste.“ Karina Roth schreibt eine Geschichte über das Herummoosen oder eigentlich über das Glück? 86

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ZERSTREUUNG

„Ein Abend mit... ehrlichen Freunden.“ Raphael Neuner vom Blog Besseressen war mit seinem Freund Schorsch im Cookies Cream in Berlin. Und plötzlich fiel das Wort „stinkendfad“ 94

Alpaca Love – Alpaca Magic Unser Magischer Ort ist dieses Mal ganz schön knuffig. Maren Heltsche war zu Besuch auf einer Alpaka-Farm und ist jetzt ganz schön Alpaka-verrückt 106

Die kulinarische Welle reiten Kitchensurfing ist ein super Trend. Großartige Köche kommen zu dir nach Hause und machen sogar den Abwasch 98

Ist das noch Punk oder kann das weg? Sven Hätscher mag Wahlkämpfe. Sein Ich als Musikliebhaber muss in dieser Zeit allerdings ganz schön leiden 102

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Alle Jahre wieder ... Ein Hoch auf den Weihnachtsmarkt! Weihnachtsmärkte sind quasi Pop Up mit Wiederkehr. Aber auch so herrlich beständig. Mandy Schoßig ist bekennender Weihnachtsmarktfan und empfiehlt die Märkte, auf die sie am liebsten geht. 110


Dolce Vita aus der Dose Sonja Theile-Ochel alias die „Küchenzicke“ ist leidenschaftliche Köchin und leidet unter zu viel Convenience-Food. Denn wo hausgemacht draufsteht, ist noch lange nicht hausgemacht drin. Deshalb teilt sie mit uns ihr Rezept für selbstgemachte Kräutergnocchi 114

Weintipp Passend zum Fest: Einer der besten Weine Italiens 118

I adore you Es gibt Menschen, denen kann man nicht genug danken. Wir tun dies den ehrenamtlichen Helfern von Kälthilfe, Rotem Kreuz und Co. 120

NERDS

Die krasse Grafik – kollaboratives Arbeiten Teamarbeit funktioniert ja oft nach dem Motto „Toll ein anderer macht‘s“. Beteiligung und Nicht-Beteiligung können über schicke Grafiken aber gut transparent gemacht werden. Dann klappt das auch mit der Motivation 124

TyPorn: Das Aldusblatt Unser Kreativdirektor Bertram Sturm sinniert über die Herkunft unserer Hausschrift und des Aldusblattes. Das <3, das wir ganz gerne verwenden 126

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Der Garten Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, „Sind wir ein Pop Up-Magazin?“ haben wir Ende September im Rahmen einer Diskussion auf der Social Media Week Berlin gefragt. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gab es nicht. Aber spannend war es allemal. Wesentlich eindeutiger ist dafür die Tatsache, dass der Rosengarten neue Ableger hervorbringt. Mit ROSEGARDEN #TALK haben wir nun ein Format, in dem wir, wie auf der Social Media Week oder anlässlich der Veröffentlichung dieser Ausgabe, Themen und Trends diskutieren können. Und seit Oktober gibt es mit ROSEGARDEN #ON AIR

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eine Radioshow passend zum Magazin. Für uns waren diese Schritte eine wichtige Erkenntnis: Wir verstehen uns nicht in erster Linie als Magazin-Macher. Wir wollen Geschichten unserer Zeit erzählen. Wenn man so will sind wir eher „Informations-DJs“. Einfach mal mit unterschiedlichen Formaten experimentieren. Nicht zwingend festgelegt auf einzelne Kanäle, sondern auf spannende Personen, Orte und Geschichten. Diesen Anspruch wollen wir auch im kommenden Jahr weiterentwickeln. All das könnte es ohne spannende Inhalte nicht geben. Von daher gilt natürlich unser riesengroßer Dank allen Kontributorinnen


n wächst

Und in dieser Ausgabe gibt es wirklich wieder viel zu erzählen: Pop Up heißt unser Titelthema und es ist ein herrlich buntes, das perfekt in unsere Zeit passt, wie unser Leitartikel deutlich macht. Was eine junge Lehrerin an einer Schule im Londoner Osten erlebt, hat weniger mit Pop Up zu tun, ist aber dennoch bewegend. Da wir alle gerne essen, haben wir ab dieser Ausgabe auch eine neue Rubrik, die sich diesem Thema widmet: „Ein Abend mit ...“ verspricht Geschichten mit gutem Geschmack.

Und natürlich gibt es auch diesmal Fotos, Stadterlebnisse und sogar Tiere! In diesem Sinne wollen wir euch nicht länger aufhalten, wünschen Euch schöne Feiertage und viel Spaß beim Lesen! Maren Heltsche, Mario Münster, Bertram Sturm

Foto: Vera Hofmann

und Kontributoren und allen, die ihre Ideen und Geschichten mit uns teilen, damit wir davon erzählen können.

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Foto: CREW Republic GmbH

Apéro Ich brau‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt! Endlich schwappt die Welle der Mikro-Brauer auch nach Deutschland! Ab in die Ecke mit der Massenplörre! Angesagt sind bei den neuen Brauern vor allem Biere mit Charakter. Allen voran: Pale Ale. Der hohe Hopfen- und Alkoholgehalt vor allem der Indian Pale Ales macht die Biere ausgesprochen interessant. Die Ursache für diese Besonderheit ist praktischer Natur: In England und Schottland wurde das Bier ur-

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sprünglich für die indischen Kronkolonien gebraut. Hopfen und Alkohol machten den Stoff haltbar für den weiten Seeweg. Eines der leckersten Pale Ales aus Mikro-Brauer-Hand kommst aus München. Na so eine Überraschung. Mario Hanel und Timm Schnigula haben dort die CREW Republic gegründet. Im Angebot: Crew Pale Ale und ein Indian Pale Ale. Beide verdammt lecker und online bestellbar unter www.crewrepublic.de Prost!


Foto: Ailine Liefeld

Pastrammmmmmi Sandwich Das Sandwich der Stunde scheint offenbar das Pastrami-Sandwich zu sein. Es ist aber auch einfach zu lecker. Zartes, sanft geräuchertes und gewürztes Fleisch – in der Regel aus Rinderschulter oder Rinderbrust gemacht. Und dann beginnt der Glaubenskrieg... oder eher die Geschmacksache: Helles oder dunkles Brot? Senf oder Auberginen-Kaviar? Gurke? Puh. Jeder soll seinen Favoriten haben. Zwei Adressen die wir wärmstens empfehlen:

In Paris: La Boutique Jaune de Sacha Finkelsztajn. 24 Rue de Rosiers, 75004 Paris. www.laboutiquejaune.com Extrem lecker – Pastrami mit verschiedenen Pasten, in einem leicht süßlichen Brotfladen samt Gurke. In Berlin: Mogg & Melzer in der Jüdischen Mädchenschule. Auguststraße 11-13, 10117 Berlin. www.moggandmelzer.com Die eher klassisch amerikanische Variante ohne Experimente. Graubrot, Senf. Dazu Gurke. Nicht weniger großartig (siehe Foto)!

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Foto: www.kinfolk.com

Apéro

Lesebefehl 1: The Kinfolk Table Das Kinfolk Magazine ist eine Referenzgröße für Magazinmacher. Auch wir blicken neidisch auf dieses in jeder Hinsicht stilsichere Blatt. Jetzt hat Nathan Williams, Herausgeber von Kinflolk, ein wundervolles Buch veröffentlicht: „The Kinfolk Table – Recepies for small Gatherings“. Williams besuchte 45 Menschen, denen Essen mit Freunden auf eine unkomplizierte und

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nicht affektierte Art wichtig ist. Seine Reise führte ihn von Brooklyn nach Kopenhagen und Portland. Die typische Kinfolk-Ästhetik in Bild und Sprache machen das Buch zu einem wahren Schatz unter den vielen Büchern über Menschen und Essen. Liebevolle, entschleunigte und schöne Geschichten. Ein perfektes Weihnachtsgeschenk für Freunde mit Herz, Seele und guten Geschmack.


Foto: Les Petits Gestes Opale

Lesebefehl 2: Dominique Manotti Mag sein, dass Dominique Manotti vordergründig Krimis schreibt. Tatsächlich sind ihre Bücher ein hellwacher, entlarvender Blick in das politische und wirtschaftliche Frankreich. Ein wunderbarer Einstieg in diese Welt ist der Roman „Zügellos“, der im Herbst 1989 in Paris spielt. Manotti spinnt eine Story, mit der sie wunderbar die Stimmung dieser Zeit einfängt: Wachsende Großkonzerne, Werbung als immer noch großes Heilsversprechen, AIDS und Kokain, der Zusammenbruch des Ostblocks. Ein wenig erinnert Manotti an Fred Vargas. Doch wo Vargas manchem zu ver-

spielt und metaphysisch wird, begnügt sich Manotti mit einem grellen Schnappschuss. Ihre Charaktere sind jedoch ähnlich verschroben-sympathisch und ihr Blick auf Paris nicht weniger klug verliebt. Gesellschaftskritische Romane von einer Wirtschaftshistorikerin, die lange Jahre die Pariser Sektion der größten französischen Gewerkschaft leitete, – das mag anstrengend klingen. Das Gegenteil ist der Fall: Man kehrt sehnsüchtig in Manottis Welt zurück und lässt sich auf höchstem Niveau unterhalten. Die Bücher von Dominique Manotti erscheinen im Ariadne Verlag.

Wer jetzt Lust auf Paris bekommen hat, der sollte den Beitrag über The Paris Pop Up lesen!


Apéro Geschenkideen Weihnachten steht vor der Tür. Neben Liebe, Harmonie und gutem Essen stehen natürlich unzählige Geschenke auf der Wunschliste. Dieses Jahr werden die Deutschen etwa 18,5 Milliarden Euro für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Das ist etwas mehr als das gesamte Brutto-Inlandsprodukt von Estland. Und damit nicht nur eine Menge Geld, sondern auch eine ungeheu-

re Wirtschaftsmacht. Eine Macht, die man ausnutzen kann, um Wirtschaftsstrukturen zu unterstützen, die man gut findet. Beispielsweise kleine lokale Händler, Menschen, die Dinge selber machen oder Unikate herstellen und diese z.B. auf dawanda oder etsy anbieten. Hier haben wir Euch ein paar Inspirationen zusammengestellt.

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Und wenn ihr jetzt in Weihnachtsstimmung seid oder kommen wollt, schaut doch mal in unseren Beitrag über Weihnachtsmärkte


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Apéro Unter 50 € 1. Hängeornament Buch, 22,00 € 2. Smartphonetasche aus Rindsleder, 24,50 € 3. Strick-Mütze, 26,00 € 4. Druck „What happened at the beach“, 26,00 € 5. Wickelarmband Leder, 33,00 € 6. Schlüsselanhänger, 34,90 € 7. Portemonnaie, 47,80 € 8. Taschenmesser, 49,95 € 2

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Stadtkolumne 1 – In London ROSEGARDEN #ON TOUR – Bilder aus Tel Aviv Stadtkolumne 2 – Wien-Berlin und die Frage nach dem Winter

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n London Manche haben unauffällig die Wohnung verlassen, manche über Umwege. Manche versprachen zurückzukommen. Einem hab ich hinterhergewunken. Text: Christiane Weihe

Fünf Regenschirme zierten mal den Wohnungsflur. Klein und groß. Billig und edel. Geschenkt und gekauft. Doch irgendwann war‘s mit der Zierde dann vorbei. Regelmäßig wurden wir nun nass. Auf dem kurzen Weg zu Freunden, dem längeren zur Arbeit, der Mittelstrecke ins Zentrum. Im Sommer freuten wir uns mitunter noch über einen kurzen Guss. Doch mit den ersten bunten Blättern kam die Erkenntnis: Ein neues, treues Stück muss her. Der Ausflug nach London schien die perfekte Gelegenheit. Hier ward der Regen-

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schirm wahrscheinlich erfunden und die gute Tradition bewahrt. Der Schirmmacher keine aussterbende Gattung, sondern gut im Geschäft. Wir landen in strahlendem Sonnenschein. Die Temperaturen schon in Heathrow wärmer als gedacht. Und nichts scheint sich für das Inselvolk daran zu ändern. Das Bier im Pub genießen wir im Freien, den größten Teil der Feier am nächsten Abend auch. Wir liegen im Park, verharren bei Straßenkünstlern, blinzeln staunend in den Himmel.


Wird man hier nicht mehr nass? Kurz gerät die Schirmmission ins Stocken. Kein Regen in London? Vielleicht wird das Stück nicht mehr gebraucht. Doch der Wetterblick über den Ärmelkanal beruhigt: It‘s raining again. Die Mission kann weitergehen. Am ersten Tag wird das Schirmgeschäft nur kurz gestreift. Modelle geprüft, die Preise auch. Am nächsten dann bleiben nur zehn Minuten für die Wahl. Doch kein Problem, das Zielobjekt steht zügig fest. Rot. Zart. Nicht-nass-werden sah noch nie so schick aus. Der Gatte ist verwirrt vom Shoppingrausch. Den leih ich mir nie, wirft er ein. Stell dir vor, ich lass ihn stehen. Doch seine Einwände verhallen unbehört. Der Geist ist benebelt vom schmalen blauen Ledergriff. Kriegst du den denn in den Koffer, versucht es sich hindurchzuboxen. Ach,

wofür gibt es Handgepäck. Doch plötzlich frag ich mich dann doch: Mein Schirm, eine Gefährdung der Flugsicherheit? Das Internet verwirrt mehr als es verrät. Der Gatte muss zum dritten Mal mit mir ins Schirmgeschäft: Wer hier Expertise hat, weiß über Flugzeugregeln doch bestimmt Bescheid. Den Heimversand zum halben Schirmpreis will ich zwar nicht. Die Verpackung aber umso lieber. So einfach aufgeben, no problem, versichert der Schirmexperte durch enge Brille und wirres Haar, nachdem er zum Zehntel des Einkaufspreises den Regenschutz kunstvoll verschnürt hat. Zum Glück scheint immer noch die Sonne. In ihrem Schein fahren wir zum Flughafen. Der Mann in der


Subway will zurück nach Arizona. Luxustüten stapeln sich um ihn herum. Zwei Tage hat er gebraucht, sie einzusammeln. Nun will er wissen, was in meinem Paket steckt. Viel Regen in Germany, isn‘t it? In Phoenix aber wird er nicht nass. Sein Rasen ist aus Plastik, die mannhohe Kaktee aber eine Augenweide. Ein Schirm nutzt hier nur gegen Sonne, sagt er. Kurz kommt Neid auf. Die Geschichte von der Eule jedoch verscheucht ihn schnell. Wenn die kommt, verschwindet der Pinscher so zuverlässig wie ein Schirm aus meinem Flur. Vielleicht doch lieber nass werden. Bei der Gepäckaufgabe beschleunigt sich dann kurz mein Puls. Wird das Schirmversprechen halten? Schon sucht eine Auge nach der DHL. Doch Aufgeben ist möglich, stell‘ ich mit Erleichtern fest. Lange hält das leider nicht. Ein drittes Gepäckstück angemeldet? Kurz ein Sicherheitsrisiko erwartet, doch die Kosten sind‘s. 58 Pfund will der Kranich für die zwei zusätzlichen Kilos haben.

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Nicht-nass-werden war noch nie so teuer. Warum nicht mit ins Flugzeug, fragt die Eincheckfrau mit Zweifelblick. Passt prima rein ins Handgepäck. Sicherheitsbedenken zerstreut sie schnell. Ein Schirm sei kein Problem, wiederholt sie auf Nachfrage. Don‘t worry. Dasselbe spricht der Röntgenmann, bevor er sich erneut dem Kinderwagen vor uns widmet. Zwischen Windeln und Brei geht es weit verdächtiger zu als in meinem gut verschnürten Stück. Ein ruhiger Flug, doch plötz-


lich ist die Sonne weg. Der Pilot bestätigt, was wir schon längst gesehen haben. Das schöne Inselwetter ist vorbei. Die Heimatstadt versinkt im Regen. Am Gepäckband zerre ich am Schirmpaket. Doch der Engländer verstand sein Werk.

Wi llst du nicht den Schirm endlich auspacken, fragt der Gatte kurz darauf durch den Niesel. Der ist viel zu fest verschnürt, sage ich. Dann werden wir halt nass.

San Sebastián war für Christiane Weihe die schönste Stadt dieses Jahres. Sie erzählt gerne, wie wunderschön und einzigartig es dort war. Und wie langweilig Texte über Perfektion oft sind.

Wer jetzt gerne in London bleiben mag, sollte unser Interview mit einer Londoner Lehrerin auf Seite 62 lesen.


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el Aviv – Jerusalem Unser Kreativdirektor Bertram Sturm war für eine Woche in Israel und erzählt uns eine kleine Bildergeschichte. Den noch viel umfangreicheren und exklusiven ROSEGARDEN-Tumblr dazu gibt es hier.

Strandleben mit Bademeister

Dach-Terasse vom Beach-Front Hotel – einen schöneren Blick gibt es selten. Und dabei ist die Unterkunft vergleichsweise günstig.

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Die Bushaltestelle befindet sich in der WĂźste zwischen dem Toten Meer und der alten Festung Masada, die letzte Festung der Juden, bevor sie von den RĂśmern zerstĂśrt wurde. Im Grunde ist das hier aber nur eine Bushaltestelle.

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Das Baden im Toten Meer f端hlt sich wirklich so merkw端rdig an, wie es aussieht. Im Wasser stehen kann man wegen des Auftriebs nicht. Auch wenn man sich noch so sehr anstrengt.

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Diese Graffiti befinden sich an der Mauer zwischen Israel und Pal채stina bzw. ganz konkret zwischen Jerusalem und Bethlehem. Diese hochpolitische Mauer wurde schon ab und zu von Banksy als Leinwand genutzt und daher gibt es mittlerweile wirklich einen Banksy-Souvenir-Shop in unmittelbarer N채he eines Grenz체bergangs. Auf pal채stinensischer Seite.

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Wir haben noch eine Bilderstrecke. Und zwar hier.


Blick vom テ僕berg auf Jerusalem und die Klagemauer

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ien Berlin Kolumne von Manuela Czapka, freie Journalistin und Verlegerin

Na warte, bis es Winter wird. Wieso? Im Winter ist Berlin schon seeehr grau. Ahja. Welche Stadt hierzulande ist das nicht, frage ich mich. Aber Berlin dürfte grauer sein als andere Städte, wird mir vehement versichert. Na gut. Meiner Euphorie tat diese Aussicht noch nie einen Abbruch, im Gegenteil. Der Himmel über Berlin, der schon Wim Wenders als Vorlage diente, dieser Himmel alleine ist Faszination genug. Irgendwie gibt es in Berlin mehr davon. Mehr Himmel, mehr Weite, mehr Farben (darunter ganz wunderbare Grautöne) und Wolkenformationen. Es macht den Anschein,

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als wäre der Himmel Spiegel des Berliner Befindens. Manchmal traurig trotzig über die fehlende Beständigkeit, manchmal froh über all die Veränderungen und den Wandel. Himmel? Reden wir etwa übers Wetter? Das tut man hier nämlich gerne. Bereits im Oktober sehnt man den nächsten Sommer herbei, Klagegesänge werden angestimmt, weil der Sommer auch dieses Jahr viel zu kurz war und werden abgelöst, wenn der Chor einsetzt, wo man über die kommenden Monate des Grau herzieht


und so seine latente Unzufriedenheit zu rechtfertigen versucht. Dieser Herbst, der mit all dem Sing-Sang natürlich für den Berliner ungenießbar ist, den begrüßt der Österreicher sehr. Er erkennt ihn an den sich verfärbenden Blättern, die irgendwann vom Baum fallen und zunächst als bunter Teppich in einem Retro-Look auf der Straße landen und später als Laubhau-

fen enden, der auch noch seinen Zweck haben wird. Dieser Herbst bringt ein interessantes Phänomen zutage, das man den Deutschen gerne zuspricht: Nennen wir es liebevoll „besondere Genauigkeit“. Warum das? In Berlin, wo neben vielen Zugezogenen – mich eingeschlossen – auch die guten echten Berliner wohnen, da ist kein Blatt zu sehen. Die Straße ist laubgepustet

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und akkurat leergefegt worden. Penible Arbeit, wie man es vielleicht unterstellt, aber niemals ernsthaft für möglich gehalten hätte. Der weiße Schimmel, der verlässliche Deutsche, ... Setzen Sie die Reihe der Tautologien beliebig fort. Ein Glück, auf den Deutschen ist Verlass. Meine eigene Existenz in Berlin war eher Zufall, denn Masterplan. Auswandern aus Österreich? Nie im Leben! Nach Deutschland? Gott bewahre! (Sie müssen wissen, der Durchschnittsösterreicher ist römisch katholisch.) In die Großstadt Berlin, zu Christiane F.? Kind, gib acht! Sechseinhalb Jahre nach diesen absurden Gedanken erinnere ich mich gern an den ersten Fehler, dem ich erlegen bin, nämlich anzunehmen, dass man dort oben auch Deutsch spreche, und dass die Sprache sicher kein Problem

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darstellen würde. Ha! Welch Trugschluss! Denn ich spreche ja Österreichisch, nicht Deutsch! Erstmalig in Tegel angekommen habe ich prompt mein ganz persönliches 24/7 Kabarett erlebt, mit permanenten Parodien der Protagonisten auf sich selbst. Ich war mittendrin: In den Wühlmäusen live. Im Stegreif-Simpl. Und das Witzigste daran ist immer wieder: Die meinen das ernst! Seien Sie mir nicht böse, aber diese Verbissenheit ist für den „Das geht sich schon aus“-Wiener etwas sehr Komisches. Sie werden es in der letzten Ausgabe bestimmt gemerkt haben, derlei Unterschiede in der Mentalität sind unabstreitbar vorhanden, führen manchmal zu Missverständnissen, sind aber meistens eine wundervolle Ergänzung der Wiener und Berliner Attribute. Als jemand, der aus Wien kommt,


erlebe ich Berlin vom ersten Moment an als inspirierend, bunt, kreativ und mit einem guten Tempo, das vermutlich aus besagter Unzufriedenheit herrührt und wohl Basis für die deutsche Effizienz und Produktivität ist. Im Vergleich zwischen Wien und Berlin – den ich niemals wertend anstellen

stellung zum ersten Mal die wechselvollen Beziehungen der beiden Städte. Während sich Berlin sachlich und gerade dem Tempo verschrieben hat, ist Wien viel sanfter, gemütlicher und zurückgenommener, wie es Agnes Husslein-Arco, die Direktorin des Wiener Belvedere im O-Ton mit Thomas

möchte – ist Wien sagen wir traditionell, konservativ, recht adrett und auch etwas … langsam. Wien steht für Kunst und Kultur, für Musik und die gute alte Schule. Leben wie zu Kaisers Zeiten, das hat was! Und Berlin? Berlin ist sozusagen der Totalkontrast. Dennoch sind die beiden Städte auf eine merkwürdige, mir scheint immer stärker werdende Art und Weise miteinander verbunden, so auch im Moment, wo Berlin eine ganz besondere Attraktivität ausstrahlen dürfte. Wohl aus diesem Grund zeigt die Berlinische Galerie mit der aktuellen Aus-

Köhler, dem Direktor der Berlinischen Galerie formulierte. Die Frage ist: Ist es jetzt passiert? Hat Berlin Wien als kreatives Zentrum abgelöst? Oder muss gar der Begriff der Kreativität neu definiert und modernisiert werden? Wenn dem so ist, sind die Antworten aus Berlin mit Sicherheit zuerst zu erwarten …

WIEN BERLIN – KUNST ZWEIER METROPOLEN, noch bis 27.1.2014.

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Leitartikel – „Pop Up. Gekommen um wieder zu gehen“ Krümelmonster Flashmob – Berlins erste Pop Up Bakery The Paris Pop Up Beständig – Ashtanga Yoga und Tattoos Little Pop Up – Das Pop Up für die Kleinen 10 Tipps zum eigenen Pop Up Messer, Mathe und Manieren – Als Lehrerin in London

POP UP Kult 36


tur

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G

ekommen, um ... wieder zu gehen Pop Up ist in aller Munde. Wir wollen wissen warum und widmen dem Thema den Schwerpunkt dieser Ausgabe. Text: Maren Heltsche und Mario Münster

„Die kleine Kneipe in unserer Straße...“ sang Peter

Pop Up ist ein Trend und ein Produkt unserer Zeit.

Alexander im Jahr 1976 und schuf damit einer Institution des Zusammenkommens ein Denkmal. Ein Ort der Beständigkeit, jeder Gast an seinem Platz, der Wirt ein vertrauter Freund, ein Hort der Verlässlichkeit nach ein paar üblen Jahrzehnten.

die Sache irgendwie in unsere Zeit zu passen. Die kleine Kneipe in unserer Straße langweilt uns. Sie fordert weder unseren Entdeckergeist, noch unseren Drang nach Distinktion, Individualität und Exklusivität. Gut, es ist vielleicht irgendwie schön zu wissen, das sie da ist. Aber hingehen tun wir nicht.

Und heute? Beständigkeit hat einen neuen Gegenspieler: Pop Up. Und wieder scheint

Stattdessen schleichen wir im Halbdunkel in irgendwelche Hinterhöfe, klopfen zag-

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haft an eine Stahltür und betreten dann mit beinahe weihnachtlicher Aufgeregtheit ein Pop Up Restaurant, in dessen Inneren wir andere Eingeweihte treffen. Und wenn wir nach wenigen Minuten abgecheckt haben, ob sie cool genug sind, um diesen Ort zu einer echten Entdeckung zu machen, werden wir für einen Abend zu einer verschworenen Gemeinschaft – wir waren dabei. Die anderen nicht. Once in a lifetime. Und alle so: Yeah!

wieder weg. Pop Up ist ein Trend und ein Produkt unserer Zeit: Alles schnelllebig, ausprobieren, nichts hält für immer, ja nicht festlegen. Pop Ups sind die temporären physischen Orte eines Lebensgefühls. Sie sind die kleine glühende Lichtquelle unse-

Wir waren dabei, die anderen nicht!

Bloß, wie funktioniert das immer mit diesen Trends? Plötzlich ist da ein Begriff und man begegnet ihm immer wieder: „Pop Up“. Pop Up-Restaurants, Pop Up-Galerien, Pop Up-Stores. Sie tauchen plötzlich auf – an vormals leeren Flecken, in Fabriketagen, meistens an Orten, die eigentlich eine ganz andere Bestimmung haben. Sie sind mal hier mal da und bald auch schon

rer nebligen Winter und der Quell unserer Entdeckerfreude. Wir sind Pop Up-Kapitäne auf großer Fahrt durch die neue Welt. Und weil sich das gut anfühlt, funktioniert das Modell.

Uns fasziniert dieser Trend. Und wir wollten wissen was und wer genau dahinter steckt. Also haben wir mit Pop Up-Machern gesprochen. Die haben gleich eine ganze Batterie an vernünftigen Gründen, es einmal mit diesem Modell zu versuchen. Das ist in den Gesprächen und Interviews, die wir für diese Ausgabe geführt haben, sehr deutlich geworden. Es scheint

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im wesentlichen drei unterschiedliche Ansätze für den Weg Pop Up zu geben: Gezielt Exklusivität und neue Räume schaffen, wie es Dimitra Zavakou von Littlepopup macht. Einen Ort zum gezielten kreativen Ausleben kreieren, wie es die Gang von The Paris Pop Up zelebriert.

So wird deutlich: Das Modell Pop Up befriedigt die Bedürfnisse von Machern ebenso wie die der Nutzer. Eine Liebesheirat. Und das in diesen Zeiten! Und wo ein Modell funktioniert, da ist auch oft die Professionalisierung eines Trends nicht weit. Das haben wir gelernt als wir Nicole Rhode trafen, die gemeinsam mit anderen „Pop Up Berlin“ gegründet hat. Ein Angebot bei dem Pop Up-Macher geeignete Locations und Stadtentdecker geeignete Pop Up Events finden können.

Eine Sache, die das krasse Gegenteil von Pop Up ist?

Oder eben Pop Up als einzig vertretbare Möglichkeit für die Realisierung der eigenen Idee, wie bei Coralie und Inga von Gourmandise Berlin, denen ein eigenes Café zu gewagt schien und sie nun als Pop Up-Bäckerinnen unterwegs sind.

Tattoos!

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Und um dann doch wieder den Schwenk zur „Kleinen Kneipe“ zu schaffen: Kein Trend ohne Gegenpol. Eine Sache, die das


In diesem Sinne, frei nach Peter Alexander: Die kleine Pop Up-Galerie in unserer Straße, da wo das Leben noch lebenswert ist, dort in der Pop Up-Galerie in unserer Straße da fragt dich jeder was du hast oder bist.

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krasse Gegenteil von Pop Up ist? Tattoos! Annina Schmid erklärt uns, warum in die Haut gestochene Beständigkeit trotz allem Unsteten gut und richtig ist. Das hat uns geerdet nach dem ganzen Gepoppe.

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ROSEGARDEN Gewinnspiel! Die besten Pop Up-Wortspiele prämieren wir mit je einer von drei Tüten Popcorn. Schickt Eure Ideen an redaktion@rosegarden-mag.de mit dem Betreff: Pop Up. Oder postet sie auf unserer Facebook-Seite!

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Foto: Gourmandise Berlin

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rümelmonster Flashmob Gourmandise Berlin ist die erste Pop Up Bakery Berlins. Text: Mario Münster

Was bringt Großstädter dazu sich mit einer Tupper-Dose bewaffnet eine halbe Stunde lang gut gelaunt in

Und dann gibt es da noch ein Problem. Diese süßen Verführungen sind ein knappes Gut. Denn sie werden nur etwa

eine Schlange zustellen? Kekse! Die müssen dann ja ziemlich gut sein, werdet ihr jetzt denken. Ja, das sind sie auch. Es sind auch nicht bloß Kekse! Es geht um kunterbunte Macarons, Cup-Cakes, Cake-Pops, Tartlettes … also nicht weniger als um den Patisserie-Himmel auf Erden.

alle sechs Wochen verkauft. Pop Up-Bakery ist das Stichwort und Gourmandise Berlin sind die Erfinderinnen. Hinter Gourmandise Berlin stecken die Freundinnen Coralie und Inga, die schon immer gerne gemeinsam gebacken haben und dann irgendwann mehr daraus machen wollten.

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Tarte au chocolat mit Erdnüssen Aber gleich ein eigenes Café aufmachen? Mit all den Investitionen, Scherereien mit den Behörden, der jahrelangen Verhaftung mit einer Geschäftsidee? Nein, das sollte es nicht sein. Mitten in diese Überlegungen hinein lernten die beiden die Guerilla Bakery in Wien kennen. Und dann war es geschehen. Ein Pop Up-Konzept erschien als geeignete Lösung, um die süßen Kreationen unters Volk zu bringen. Mitte 2012 veranstalteten die Beiden dann die erste Pop Up-Bakery. Es war schwer eine Location zu finden, erinnern sie sich. Ganz zu schweigen von der Frage, wie viele Kilo Mehl, Butter, Nüsse und Eier denn verarbeitet werden müssten. Denn Pop Up heißt ist ja auch immer: Kommt jemand? Und wenn ja, wie viele? Und kaufen die auch oder wollen die nur gucken? Natürlich kamen sie. Und kauften. Die Premiere lief gut. Die Sache muss sich rumgesprochen haben. Beim zweiten Event wenige Wochen später waren die Vorräte nach eineinhalb Stunden ausverkauft. Irgendwann

Sandteig 1 Ei (Größe M) 1 Prise Salz 120g Zucker 1 Päckchen Vanillezucker (kein Vanillin) ➸➸ Alle Zutaten mit dem Handrührgerät mixen (Mixstäbe). 200g Mehl 50g Speisestärke ➸➸ Zutaten vermischen ➸➸ Mehlmischung mit Holzlöffel unter Ei-Zuckermasse heben (muss wie „Sand“ / Crumbles aussehen; Hände zur Hilfe nehmen). 125g weiche Butte (in Würfeln) 50g Schokoladentropfen (muss nicht unbedingt, sieht nur schöner aus) ➸➸ Beides mit den Händen in den Sandteig einkneten. ➸➸ Kugel aus Teig formen, mit Frischhaltefolie einwickeln und mind. 1 Stunde im Kühlschrank kühlen. ➸➸ Ofen auf 190 Grad (Umluft) vorheizen ➸➸ Tarteform (z.B. Quiche-Form, mit flachem Rand oder kleine Tarteförmchen) mit Butter einfetten ➸➸ Arbeitsfläche mit Mehl bestäuben und Teig ausrollen (ca. 0,5 cm dick) ➸➸ Form mit Teig auslegen (Teig großflächig über den Rand der Form legen, am Innenrand festdrücken. Danach mit Nudelholz über den Rand rollen und den überschüssigen Teig „abrollen“) ➸➸ Teig mehrmals mit Gabel einstechen; 1 Blatt Backpapier auf Teig legen und mit Backbohnen / Kirschkernen / Linsen / o.ä. beschweren. Dies hilft, damit der Teig keine Blasen beim backen wirft. ➸➸ 10 Minuten im Ofen backen, dann rausholen und auskühlen weiter gehts auf der nächsten Seite …

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versuchten sie mal zu zählen, wie viele da kommen. Nach 250 haben sie den Überblick verloren. Am 8. Dezember erklimmen Coralie und Inga nun den Olymp der Berliner Locations: Die Pop Up-Bakery findet im Cookies statt – einem der angesagtesten und legendärsten Läden der Stadt. Wenn man mit Coralie und Inga über Gourmandise Berlin spricht, schwanken sie immer zwischen einer gewissen Ungläubigkeit über den eigenen Erfolg und einer ausgesprochen sympathischen Passion für ihre Sache. Stellt man eine Frage, reden sie beide gleichzeitig los. Da sind einfach zu viele Ideen und zu viel Begeisterung. So soll das sein. Natürlich gibt es auch ein paar Regeln, wobei sie das Philo-

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sophie nennen: Es gibt bei den Pop Up-Events keine Verpackungen. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt. Wer Kekse will, muss seine eigene Dose mitbringen. Gebacken wird gerne saisonal und weil alles von Hand gemacht wird, gleicht auch kein Teil dem anderen. Für Coralie und Inga ist Gourmandise Berlin noch eine Nebenbeschäftigung. Beide arbeiten in Berufen, die wenig mit Pop Up und Backen zu tun haben. Das Backen und das kreative Drumherum sind ihnen ein willkommener Ausgleich. Gleichwohl ist die regelmäßige Betreuung ihrer Nebenbeschäftigung zeitintensiv. Trotz Pop Up gibt es eigentlich jeden Tag etwas zu tun: Social Media-Kanäle pflegen, Kontakte und Koopera-


350g Zartbitterschokolade (70%) ➸➸ In Stücke brechen. In der Mikrowelle bei 400 Grad 30 Sekunden schmelzen. Dann mit dem Teigschaber umrühren. Vorgang so oft wiederholen, bis die Schokolade komplett geschmolzen ist. (Achtung: Mikrowelle nicht zu heiß und lange einstellen, da die Schokolade sonst verbrennt.)

tionen managen, Locations recherchieren und buchen, Abrechnungen machen. Bleibt am Ende die Frage, wie die Zukunft aussieht. Pop Up forever? Wer weiß!? Es gibt mittlerweile viele Fans. Ein eigenes Café würde wohl vom ersten Tag an bes-

35g Zucker ➸➸ Unter die flüssige Schokolade rühren. Zucker muss in Schokolade schmelzen

tens laufen. Am Ende war das Modell Pop Up hier vielleicht nur ein Sprungbrett für Größeres.

350ml Sahne (Raumtemperatur) ➸➸ unter die Schoko-Zucker Masse rühren bis sich Masse mit Sahne verbindet 2 Eier ➸➸ NACHEINANDER in die Schokomasse rühren ➸➸ Die fertige Schokoladenganache auf den Teig in Form gießen und 30 Minuten bei 180 Grad (Umluft) backen ➸➸ Sobald die Tarte aus dem Ofen geholt wurde, nach Belieben Erdnüsse drauf verteilen. Tarte in Form auskühlen lassen.

Gourmandise Berlin im Netz: www.gourmandise-berlin.com www.facebook.com/GourmandiseBerlin Die nächste Pop Up-Bakery findet am 8. Dezember ab 15 Uhr im Cookies Club Friedrichstraße 158, Berlin-Mitte statt. Fotos: Gourmandise Berlin

Gourmandise Berlin wünscht bon appétit!

À propos Cookies: Raphael Neuner hat dort einen Abend mit einem ehrlichen Freund verbracht. Er berichtet davon auf Seite 94. 45


Foto: Mickael Bandassak

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he Paris Pop Up Laura Vidal und Harry Cummins mischen die Pariser Food-Szene auf. Schon wieder. Und dann erobern sie die Welt. Text: Mario Münster

Laura Vidal ist, wenn man so will, das It-Girl der Pariser Food-Szene. Drei Jahre lang war sie für Aufbau und Pflege der Weinkarte im Restaurant Frenchie verantwortlich – mittlerweile hilft sie dem Restaurant Le Perchoir (dem nächsten ganz großen Ding mit Rooftop über Paris) in Weinfragen.

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Und Harry Cummins, Chefkoch im Frenchie ist, ja, bleiben wir bei dem Bild, er ist der It-Boy der Szene. Das Frenchie ist momentan vermutlich der angesagteste Laden in der Foodie-Szene von Paris. Wer einen Tisch reservieren will, braucht Geduld – wochenlang.


Obwohl es mit der „Frenchie Bar à Vins“ und dem „Frenchie to go“ mittlerweile bereits drei Läden gibt, war Laura und Harry aber irgendwie doch langweilig, Also haben sie The Paris Pop Up gegründet. Das erste Pop Up-Restaurant in Paris – einer Stadt, in der der Pop Up-Trend noch nicht ganz so weit ist wie in London, New York oder Berlin. Gut, die Stadt hat andere Vorzüge … Nachdem ich zaghaft per Mail nachfragte, ob wir uns mal über das Thema Pop Up unterhalten wollen, dauerte es exakt drei Minuten bis zur Zusage. Wow. Ich meine, ein Skype-Date mit Laura Vidal, da schlagen mein Weinhändler-Herz und mein Magazin-Macher-Herz um die Wette. Da war es auch nicht schlimm, dass sie mich dann, als es soweit war, eine Stunde warten lies. Nicht ohne während dieser Stunde mit charmanten Mails und Chat-Nachrichten zu erklären, das ihr Telefonat gleich vorbei sei.

Angesichts der etwas gespaltenen Interessenlage meinerseits an dem Gespräch, spielten meine vorbereiteten Interviewfragen schnell nur noch eine rudimentäre Rolle. Es gab zu viele andere spannende Themen. Aber schon klar, hier geht es um Pop Up und nicht (!) um Wein und Essen. Also, warum haben die zwei The Paris Pop up gegründet? Wenn man so will „by accident...“. Harry war in London und hatte dort einen Pop Up-Abend erlebt mit vielen Kreativen und guter Musik. Zurück in Paris beschlossen er und Laura: Das wollen wir auch, darauf haben wir Lust. Also wurde ein Konzept entwickelt, eine Location gesucht, Essen und Wein ausgewählt und eine befreundete Band eingeladen. Als es im Dezember 2012 soweit war, kam die Band nicht, aber der Abend hat beide inspiriert, ein Feuer entfacht. Sie wollten mehr davon. Soweit der Gründungsmythos. Binnen kurzer Zeit haben Laura und Harry eine Gruppe Food-begeisteter Kreativer

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Mittagessen“ oder zuletzt im Oktober ein „Food Festival“ bei dem sieben Sous-Chefs jeweils einen Snack anboten. Pop Up hat hier sehr eindeutig die Funktion einer gezielten Inspiration und einem gesteuerten

sie sich unter der Überschrift eines bestimmten Themas alle mal so richtig ausleben können. Vergangene Themen waren „Seafood & Cocktails“, „Ein italienisches

Freidrehen für die Macher. Ausbrechen aus dem Alltag, Neues probieren, sich von der Leidenschaft und den Ideen Gleichgesinnter anstecken lassen und mit einem

Foto: Diane Yoon

versammelt: Köche, Künstler, Netzwerker, Mikro-Brauer, Personal aus anderen Restaurants. Gemeinsam mit ihnen schaffen sie nun in regelmäßigen Abständen für ein oder zwei Tage lang Orte, an denen

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Foto: Diane Yoon

Rucksack voller neuer Ideen in den Alltag zurückkehren.

angesagt und man hat so richtig Lust auf den Job.

Eine Besonderheit von Paris Pop Up liegt in einer Besonderheit

Für Laura und Harry ist all das noch nicht genug. Im Dezember

dieser schönen altmodischen Stadt begründet: Viele Restaurants sind Samstag und Sonntag geschlossen. Und genau dieses toten Slots nutzt Paris Pop Up. Man geht in Restaurants an deren Ruhetagen und haucht ihnen nie gesehene Energie und Leben ein. Die exakte Location wird immer erst am Tag vor dem Event verraten – via Social Media. Wenig überraschend ist dabei, dass sich die Liste der Locations wie ein who is who der Pariser Food-Szene liest. Man kennt sich, man schätzt sich, man ist jung, man hat der verstaubten Hauptstadt-Haute Cuisine mit ihren Sternen und Tellerchen den Kampf

starten sie mit Paris Pop Up eine WeltTournee mit Stationen in Montreal, London, Los Angeles, Hawaii, San Francisco, New York und Südost-Asien. Natürlich habe ich nachdrücklich für einen Stop in Berlin geworben. Und da das noch nicht genug ist, wird Laura ab Mai 2014 für zwei Monate im Restaurant „El Celler de Can Roca“ in Girona arbeiten. Nie gehört? Ach, es ist bloß der Laden, der 2013 zum besten Restaurant der Welt gekürt wurde. Chapeau vor so viel Energie! www.theparispopup.com

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al etwas Beständiges: Yoga und Tattoos Text: Annina Schmid Fotos: EK Park, Pasada Media

shtanga Yoga ist ein A unbequemer Yoga-Stil: Man schwitzt viel, weil man sich so anstrengt, und man soll täglich üben. Es wird einzeln, aber in der Gruppe unterrichtet, und die Leute haben nicht viel an und stöhnen. Man fühlt sich ein bisschen, als wäre man

Grundsätzlich ist zu sagen, dass Ashtangis ein bisschen verrückt sind. Wer sich einer regelmäßigen Praxis verschreibt, kann viele Dinge, die andere ganz normal finden, nicht mehr machen. Man muss früh ins Bett, damit man früh aufstehen und üben kann – ansonsten hat der Tag nicht genug Stunden –, kann nicht viel

mit lauter Fremden im Bett. Das gibt aber natürlich keiner zu. Zu den Dingen, die man neben Schweißpfützen so mitbekommt, gehören Tätowierungen an allen möglichen und unmöglichen Stellen: Jugendsünden, Kunstwerke, Souvenirs. Von Ganesh bis Gothic und von billig bis teuer ist alles dabei.

trinken – sonst kommt man nicht aus dem Bett – und das mit dem Fleisch ist auch so ein Thema. Während Berliner Ashtangis mit diesen Vorgaben eher lax umgehen, sieht es mit der Folgsamkeit in Skandinavien, den USA oder auch Kanada oftmals anders aus: Es herrscht Disziplin, auch wenn

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es auf der Matte gern mal unbequem wird. Leichtes Unbehagen wird zu einem Teil der täglichen Routine. „No big deal“, denn schließlich sind wir gekommen, um an unsere Grenzen zu gehen. Ganz im Sinne der Idee, dass Ashtanga Yoga eine Form der Meditation ist. Indem sich der Ashtangi auf die Koordination von Atmung und Bewegung konzentriert, lernt er, Schmerzen zu ertragen. Und dann, immer mal wieder, über sich hinauszuwachsen. Zwei Eigenschaften, die auf einem Tätowierstuhl sicherlich von Nutzen sind. Seit sie erstmals aufkamen, haben Tätowierungen nicht nur eine körperliche, sondern auch eine soziale Bedeutung. Ursprünglich als Instrument des Staates missbraucht, um Herrschaft über bestimmte Teile der Bevölkerung zu demonstrieren, werden Tätowierungen seit Ende des 19. Jahrhunderts

zunehmend anerkannt. Mit der Entwicklung der modernen Gesellschaft zu einem Haifischbecken des Körperkults im 20. Jahrhundert bedeuteten Tätowierungen zunehmend eine Rückeroberung des eigenen Körpers. Wer sich im Strom der schnelllebigen Schönheitstrends Tinte in die Haut jagen lässt, setzt seinen Kopf durch. Wer heute mit großen Motiven auffällt, kennzeichnet sich als anders als der Rest – sicherlich ein Label, mit dem sich Ashtangis gern schmücken. In Kombination mit einer hart erarbeiteten körperlichen Flexibilität wären wir in der Vergangenheit wohl absonderlich genug gewesen, um in Zirkussen und Freak Shows aufzutreten. Man denke an berühmte tätowierte Profisportler. Wer mit großen Tattoos auf den Muskeln in den Ring steigt, zeigt, dass er eine harte Sau ist: Unabhängig, direkt und stolz. Denn

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der Kampf findet nicht nur zwischen dem Held und dem Gegner, sondern auch zwischen dem Held und sich selbst statt. Wenn man nicht vom Chef aufs Maul bekommt, rutscht man auf dem Heimweg aus. Zu den wichtigsten Merkmalen eines Yogis gehören die Akzeptanz des Laufs der Dinge, die Hingabe an das Dauerhafte und Offenheit im Geiste. „Body not stiff, mind stiff“, ist eines der bekanntesten Zitate der Szene. Im Prinzip verkörpern wir durch unsere Tätowierungen das Paradoxon aus Festhalten und Loslassen, mit dem wir je-

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den Tag kämpfen: Erinnerungen und Erkenntnisse werden verewigt, das eigene Profil in der Gemeinschaft geschärft. Wer an einer lebendigen Tradition wie Ashtanga Yoga teilnimmt, hat dafür nicht nur körperliche, sondern auch soziale Gründe: Die Welt wird nicht mehr nur mit dem, sondern durch den eigenen Körper erlebt. Wir spielen mit der Dauerhaftigkeit, solange sie keine Bindungsangst auslöst. Wer den eigenen Sleeve seinen Yoga-Freunden zeigt, riskiert heute höchstens noch ein Kompliment.


An bestimmten Orten sind Menschen mit großflächigen Tätowierungen häufiger anzutreffen als anderswo: Im Gefängnis, auf Motorrädern und in Yoga Studios. Annina Luzie Schmid, selbst deutlich betintet, fragt sich und ihren

ebenfalls tätowierten Ashtanga Yoga Lehrer David Robson, warum. Gibt es einen Zusammenhang zwischen unserem physischen und unserem sozialen Körper?

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„Ashtangis sind sehr körperbewusst. Eine präzise Wahrnehmung ist in unserer täglichen Yogapraxis sehr wichtig. Wir achten darauf, was wir essen, auf unsere Haltung, auch im Verhältnis zu den Anderen im Raum. Das beeinflusst auch, wie wir uns draußen im Alltag geben.“ Wie hängen Deine eigene Yoga-Praxis und Deine Tattoos und Piercings zusammen? „Ich hatte früher viele Piercings. Jedes von ihnen erinnerte mich daran, dass unsere Normen nur kurzlebige gesellschaftliche Übereinkünfte sind. Diesen Gedanken erlebte ich als sehr befreiend. Yoga gibt mir dasselbe Gefühl. Es zeigt mir, wo ich jetzt stehe, in genau diesem Moment auf der Welt. Das ist alles, was zählt. Der Rest ist Glasur.“ Sind tätowierte Ashtangis „postmoderne Primitive“?

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„Je länger ich übe und unterrichte, desto mehr begreife ich, dass unsere Körper und Gedanken Produkte unserer Erfahrungen sind. Was wir tun, wird Spuren hinterlassen. Freiheit in einem Körper, einer Gesellschaft, oder der Welt, ist immer nur Freiheit in einer Zelle.“ Muss man ein wenig devot und nostalgisch sein, um Tätowierungen und traditionelles Yoga zu mögen? „Eine gewisses Maß an Unterwerfung zeigt uns, wie das Leben jenseits unserer eigenen Vorstellungskraft und Kontrolle aussieht. Ich denke, dass uns sowohl eine regelmäßige Yogapraxis als auch das Tätowiertwerden dabei helfen können, über den eigenen Tellerrand zu blicken.“ Tattoos und Yoga sind nichts für Leute mit Bindungsangst, oder? „In der Theorie sind sowohl Tätowierungen als auch Ashtanga Yoga für das gan-


ze Leben gedacht. Anfangs wollen wir beides für immer. Ich kenne aber viele

Leute, die es sich dann doch noch anders überlegen.“

Annina Luzie Schmid ist Social Media Strategin und Autorin. Nach verschiedenen Stationen in Frankfurt am Main, Auckland, Kuala Lumpur, London und Berlin ist sie derzeit wohnhaft in Toronto, wo sie bei ihrem Lehrer David Robson Ashtanga Yoga übt. www.anninaluzieschmid.net

David Robson ist Gründer und Direktor des Ashtanga Yoga Centre of Toronto. Er ist einer der wenigen offiziell zertifizierten Ashtanga Yoga Lehrer weltweit und reist jährlich nach Indien, um mit seinem Lehrer Sharath Jois zu üben. David praktiziert täglich seit über zehn Jahren täglich und unterrichtet jeden Tag mehr als 100 Schülerinnen und Schüler. www.learntofloat.com

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Dimitra, was ist die Idee von „little pop up“? Der Ansatz ist, temporäre Räume für Familien und Kinder und eine kreative, interessante Umgebung zu schaffen. Mit Kunst, Workshops, Essen und eben Fashion für Kinder. Deshalb heißt es „little pop up“. Das Pop Up für die Kleinen.

Foto: Dimitra Zavaku

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op Up für die Kleinen! Dimitra Zavakou hat sich in Berlin auf Pop Ups für Kinder und Familien spezialisiert. Sie schafft temporäre Erlebniswelten, in denen sich Marken und Produkte präsentieren können. Text: Mario Münster

fen. Nachdem ich ich aber mit „PlayLOVEPop“ ein erstes Pop Up-Projekt gemacht hatte und mich intensiv mit der Pop Up-Szene weltweit beschäftigt habe, wurde mir schnell klar: das ist etwas, auf das ich mich spezialisieren möchte, etwas, für das ich eine Leidenschaft habe. Also bin ich dem gefolgt. Was ist das Beste an „Pop Up“?

Warum hast du dich für das Modell „Pop Up“ entschieden und nicht für einen Laden oder eine Galerie? In der Tat war mein Grundgedanke, einen festen Ort für mein Projekt zu schaf-

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Alles! Ich liebe es, wie man dabei mit Räumen, Themen, Geschichten und Produkten spielen und experimentieren kann, wie Shops interaktiver und lebendiger werden. Und es ist sehr spannend zu se-


Was macht das Modell „Pop Up“ schwierig? Momentan ist das Modell noch relativ neu. Vieles muss man erstmalig denken. Und man hat in der Tat durchaus auch hohe Kosten für relativ kurzzeitige Projekte. Wer sind denn deine Kunden? Bisher habe ich hauptsächlich mit Fashion für Kinder und für Frauen gearbeitet. Aber ich möchte künftig offener für andere Produkte und Label sein. Ist „Pop Up“ für dich eine Strategie gewesen, um et-

Foto: Dimitra Zavaku

hen, wie die Menschen darauf reagieren.

was Exklusives zu schaffen oder war es einfach der einzige Weg deine Ideen in ein Projekt umzusetzen? Ich glaube einfach fest an die Idee „Pop Up“. Es gibt mittlerweile Pop Up-Malls, Bars, Hotels, Restaurants, Galerien, einfach alles. Der Markt wandelt sich und Pop Up ist ein wunderbarer Kanal für Werbung, Verkauf, Kommunikation und natürlich das ausprobieren von Ideen und Produkten. Im Hinblick auf diese spannenden Trends und Möglichkeiten, war es ein inneres Gefühl, das mir sagte: Pop Up ist die richtige Sache für mich. Alles weitere und aktuelle Termine unter: www.littlepopup.com

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op Up! Heute hier und Morgen weg! Pop Up’s sind temporäre Veranstaltungen, die oft an unkonventionellen Orten stattfinden. Das können Pop Up-Shops, Restaurants, Galerien, Bars, Cafés und vieles mehr sein. Text: Nicole Rohde

In Großbritannien ist die Pop Up-Szene am weitesten entwickelt, mit London als Epizentrum. In den letzten zwei Jahren wurden mehrere Agenturen gegründet, die die Organisation und Durchführung von Pop Up’s unterstützen. Das hat dazu geführt, dass insbesondere die Zahl der Pop Up-Shop’s um ein Vielfaches gestie-

politischen Agenda ganz oben. Pop UpShops gelten hierfür als ein nützliches Instrument und werden deshalb von Seiten der Politik und Immobilienfirmen unterstützt.

gen ist. Das Wachstum steht aber auch im Zusammenhang mit der hohen Zahl leerstehender Läden, eine Folge der globalen Finanzkrise. Die hat den englischen Einzelhandel stark getroffen. Die Regenerierung des Einzelhandels und Nutzung der leerstehenden Lädenflächen steht auf der

die passende Location, was benötige ich und wie finanziere ich es? Mit der passenden Unterstützung kannst du viele Wege abkürzen und dich so aufs wesentliche konzentrieren. Hier ist eine Checkliste mit wichtigen Fragen, die ihr eurer Pop Up-Planung zugrunde legen solltet:

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Auch einem Pop Up gehen wichtige organisatorische Schritte voraus. Wo finde ich


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Idee ➸➸ Was ist das Alleinstellungsmerkmal Deines Pop Up’s?

Gesetz ➸➸ Welche rechtlichen Aspekte musst Du beachten?

➸➸ Wie schaffst und wahrst Du die Authentizität Deines Pop Up’s? ➸➸ Welche Geschichte erzählt Dein Pop Up?

➸➸ Welche Unterlagen benötigst Du zur Anmietung? ➸➸ Wie hoch ist die Gewerbesteuer? Fällt sie ggf. höher aus aufgrund temporärer Anmietung?

2 Budget ➸➸ Wie wird Dein Pop Up finanziert? (eigenes Kapital, Drittmittel, Ausschreibungen) ➸➸ Hast Du einen Finanzierungsplan erstellt? ➸➸ Wie kontrollierst Du die Einnahmen und Ausgaben?

4 Location ➸➸ Wo ist der perfekte Ort für Dein Pop Up? ➸➸ Passt Dein Pop Up in den gewählten Kiez? ➸➸ Welche Infrastruktur braucht Dein Pop Up und kann die gewählte Location diese bieten?

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5 Promotion ➸➸ Über welche Kanäle vermarktest Du Dein Pop Up (Soziale Netzwerke, Pop Up Berlin App)? ➸➸ Hast Du geeignete Promomaterialien (Flyer, Poster, Giveaways) angefertigt? ➸➸ Hast Du ein schlüssiges Corporate Design entwickelt inklusive Inszenierungen?

6 Zielgruppe ➸➸ Kennst Du Deine Adressaten (Gespräche, Evaluationen)? ➸➸ Spricht Dein Konzept die gewählte Zielgruppe an? ➸➸ Wie schaffst Du Nähe und erhältst das Vertrauen der gewählten Zielgruppe?

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7 Ausstattung & Ressourcen ➸➸ Was benötigst Du, um Dein Pop Up zu realisieren? ➸➸ Wo erhältst Du das nötige Equipment? ➸➸ Hast Du ausreichend Ressourcen und Equipment, sodass sich die Mühe lohnt?

8 Kollaboration ➸➸ Wäre eine Zusammenarbeit hilfreich, weil günstig oder ergänzend? ➸➸ Mit wem könntest Du zusammenarbeiten? ➸➸ Wie würde die Zusammenarbeit aussehen?


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Controlling ➸➸ Welche Methoden nutzt Du um Erfolg oder Mißerfolg zu messen?

Management ➸➸ Hast Du ein Konzept entwickelt?

➸➸ Wie kannst Du dein Pop Up dokumentieren? ➸➸ Welche Monitoring-Maßnahmen nutzt Du, um den Verlauf Deines Pop Up’s festzuhalten und einzuschätzen?

➸➸ Wie sind die Verantwortlichkeiten verteilt? Wer macht was? ➸➸ Welche Tools benutzt Du, um den Überblick über die organisatorischen Abläufe Deines Pop Up‘s zu behalten?

Nicole Rohde, Mitgründerin von Pop Up Berlin, hat in England die Plattform popupevents.com mitgegründet. In den letzten zwei Jahren hat sie Pop Up-Veranstalter in ihren Projekten beraten und promoted. Durch ihre Arbeit bei popupevents.com hat sie umfangreiches Wissen über die weltweite Pop Up-Szene gesammelt. Für Anregungen und Fragen schreibt an nicole-rohde@popup-berlin.de. Pop Up Berlin hat sich zum Ziel gesetzt Strukturen aufzubauen, die bei der Organisation und Durchführung von Pop Ups helfen. Der Pop Up Berlin Marketplace bietet beispielsweise auf unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnittene Pop Up-Locations. Das Team steht außerdem beratend zur Verfügung.

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esser, Mathe und Maniere – Alltag einer Lehrerin im Nord-Osten Londons Louise Vanderbilt war auf dem Weg Unternehmensberaterin zu werden. Sie entschied sich dann anders und arbeitet mittlerweile als Lehrerin an einer Schule im Nord-Osten Londons. Ein Gespräch über einen Alltag mit Gewalt, Hoffnungslosigkeit und ja, doch: Hoffnung. Text: Mario Münster

Louise, wir kennen die Szenen aus der

Es gibt Probleme und Kämpfe mit Gangs

vierten Staffel der TV-Serie The Wire, die einen intensiven Blick in den Alltag eines Schulsystems werfen, in dem Kriminalität und Hoffnungslosigkeit bestimmend sind. Du arbeitest als Lehrerin an einer Schule im Nord-Osten Londons. Ist dein Alltag wir der von Prez Peluski?

– vor allem außerhalb der Schule, aber sie machen vor den Schultüren natürlich nicht Halt. Es gibt unzufriedene Kinder und solche, die es sich nicht leisten können regelmäßig zu essen. Und es gibt Familien, die sich nicht um ihren Nachwuchs kümmern. Also, die sozio-ökonomischen und

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Illustration: shutterstock

demographischen Begebenheiten sind wohl ähnlichen denen, die wir aus The Wire kennen. Gleichwohl haben wir hier keine Ghettos, wie es sie in den USA gibt. Und wir haben eine stärkere Vermischung mit Kindern aus der Mittelschicht.

schen den Unterrichtsstunden reichte oft ein dummer Kommentar und es eskalierte. In den vergangenen fünf Jahren habe ich viele Schlägereien beenden müssen.

Gab es einem Moment am Anfang deiner Laufbahn als Lehrerin, in dem du dachtest „willkommen im Leben“?

Ist Gewalt ein Bestandteil deiner täglichen Arbeit?

Für gewöhnlich sah ich jeden Tag eine Schlägerei. Es war normal, dass sich die Schüler aus Wut mit Gegenständen bewarfen und es Verletzte gab. Ich selbst wurde über einen Tisch geworfen bei dem Versuch zwei streitende Mädchen zu trennen und hatte einige blaue Flecken im Anschluss. Und es gab Schüler, die wir vom Unterricht ausschließen mussten, weil sie Waffen bei sich trugen. Dennoch: Mit der neuen Schulleitung gibt es nun eine „Null Toleranz“ Strategie wodurch sich die Gewalt in der Tat signifikant reduziert hat.

Seitdem wir eine neue Schulleitung haben, hat sich die Lage dramatisch verbessert. Es gab immer viel Gewalt hier. Zwi-

Was war dein schönster Moment als Lehrerin bisher? Ein Moment, in dem du dachtest „am Ende macht das doch alles Sinn“?

Klar. Gleich am Anfang. Zu Beginn meines ersten Schuljahres stand ich vor der Klasse und bat um Ruhe und wurde bloß ignoriert, während sich alle gegenseitig anschrien, Stifte warfen und einfach alles taten, um die Stunde zu stören. Kondome flogen durch die Gegend und es wurde sich geprügelt.

Jeden Tag eine Schlägerei

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Ich hatte einen Schüler, der immer aus dem Unterricht flog wegen seiner gewaltsamen Ausbrüche. In Mathe hatte er eine fünf. Ich habe ihm Aufgaben nach Hause geschickt und einem Freund von ihm jeden Tag gesagt, er soll sich mit ihm um diese Aufgaben kümmern. Als er zurück in der Schule war, hab ich ihn besonders in den Blick genommen und ihn zum Nachsitzen gezwungen. Er war verdammt wütend auf mich. Aber als er dann plötzlich die Note zwei bekam war er so happy und dankte mir dafür, ihn nicht aufgegeben zu haben. Mit einer fünf in Mathe hätte er keinen Job bekommen, jetzt hat er die Chance darauf. Jedes mal wenn meine Schüler gute Noten bekommen, weiß ich, dass es die Sache wert ist, weil es bedeutet, dass sie wenigstens die Chance für ein besseres Leben bekommen. Gute Noten bedeuten nicht automatisch, dass sie super Abschlüsse machen. Aber es bedeutet, dass es vielleicht reicht, um auf das College oder die Uni zu gehen.

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Bildung ist auch immer ein Aufstiegsversprechen. Gerade in schwierigen sozialen Verhältnissen. Haben deine Schüler die Chance, mal ein besseres Leben zu haben als ihre Eltern? Lass mich das anhand einer Geschichte erzählen. Ich bin einmal einem ehemaligen Schüler von mir auf der Straße begegnet. Als er mich sah, lachte er und entschuldigte sich dafür so ein schlimmer Junge gewesen zu sein. Aber er freute sich wirklich, mich zu sehen. Dann sagte er, dass er bald ins Gefängnis muss, weil er mit Kokain gedealt hat. Ich fragte ihn nach seinen Klassenkameraden und wie sich herausstellte, waren die meisten von ihnen im Gefängnis oder kamen gerade erst wieder raus – wegen Drogen, Messern, Schusswaffen. Dann erklärte er, wie schwierig es sei, einen anderen Weg als den der Kriminalität einzuschlagen, wenn man in diesem Milieu geboren wird. Du gehörst Kraft Wohnort zu einer Gang und alles scheint vorbe-


Illustration: shutterstock

stimmt – Musik und Fernsehen verklären den Blick auf dieses Leben.

das, aber in jungen Jahren hört man nicht zu und Gangs sind cooler als Lehrer.

Noch ein Teenager und schon ohne Perspektive Ich wollte wissen, ob einer seiner Freunde

Als Frau die Autorität einer Lehrerin zu haben, ist besonders für Jungs aus Macho-Kulturen oft schwer zu akzeptieren. Wie verschaffst du dir Respekt?

es geschafft hat, nicht diesen vorbestimmten Weg zu gehen. Seine Antwort: Alle, die jetzt noch zur Schule gehen, weil sie nach etwas Besseren suchen und ein Ziel haben. Er erzählte weiter... dass es besonders hart sei, wenn du aus einer Familie mit nur einem Elternteil kommst, weil du eine Mutter ebenso brauchst wie einen Vater, der dir den Weg weist. Ich meine, er war ein Teenager und bedauerte bereits so sehr, dass sein Leben in vielen Aspekten schon vorbei war, weil seine Zukunftschancen beschränkt waren nach allem, was er bisher getan hatte. Es war wahnsinnig traurig, jemanden in diesem Alter so reden zu hören. Ich sagte ihm, wie viel Anstrengungen wir investieren, um Menschen wie ihn vor diesem Weg zu bewahren. Er wusste

Es stimmt, dass sie Frauen nicht so sehr respektieren wie Männer. Eine junge Frau wird es immer schwer haben, sich Respekt zu erarbeiten bei einer solchen Klientel. Du bekommst ihren Respekt, wenn du stark bist, hart bleibst und dich weigerst nachzugeben. Wenn du ihnen zeigst, dass sie dich nicht unterkriegen, dass du nicht zulässt, anders behandelt zu werden als alle anderen Kollegen, dann respektieren sie irgendwann eine Linie. Es ist hart zu sehen, dass männliche Kollegen auch die Chance haben, über Scherze und Wortgeplänkel Aufmerksamkeit und einen Zugang zu den Schülern zu bekommen, wohingegen wir Frauen immer die harte Fassade aufrecht halten müssen, weil die Kids ansonsten

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Illustration: shutterstock

denken, dass du schwach bist und das ausnutzen werden. Ich denke, es kommt daher, dass sie eine Frau eher mit Mütterlichkeit als mit Autorität verbinden. Respekt kommt mit der Zeit und mit deiner Position. Wenn sie denken, dass du wichtig bist, werden sie sich benehmen. Träumst du manchmal heimlich davon, Lehrerin in einem kleinen Dorf zu sein, in dem alle Kinder nett und respektvoll sind, sich umeinander kümmern und Bildung schätzen? Überhaupt nicht! Ich liebe meinen Job und ich sorge mich um soziale Mobilität. Unsere Schüler brauchen mehr Führung und Unterstützung als viele andere Kinder. Aber wenn wir ihnen das geben, haben

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sie die Chance, etwas zu erreichen. Einige von ihnen werden vielleicht in Machtpositionen kommen und die Politik wird dadurch vielleicht verstehen, dass sie sich stärker um unsere Gesellschaft kümmern muss als heute, weil man eben doch etwas ändern kann. Unser Schüler sind nett, respektvoll und kümmern sich umeinander – wenn man ihnen zeigt wie das geht. Kinder in reichen Schulen sind nicht zwingend nett. Sie haben bloß gelernt, wie man sich angemessen in verschiedenen Situationen verhält. Wie Politiker. In der Schule geht es nicht nur um Schulfächer. Es geht darum zu erlernen, wie man sich in verschiedenen sozialen Situationen verhält. Ich unterrichte Manieren ebenso stark wie Mathe, weil Manieren und soziale Etikette lebenswichtig für unser Welt sind.


THX Wir danken allen Text- und Bild-Kontributoren dieser Ausgabe, allen Interview- und Gesprächspartnern, sowie allen, die uns spannende Ideen und Hinweise für interessante Themen geliefert haben. Ohne euch würde der Rosengarten nicht blühen.

Wir suchen Kontributorinnen und Kontributoren! Wir sind ständig auf der Suche nach Kontributorinnen und Kontributoren, die sich mit ROSEGARDEN identifizieren: Texte, Fotos, Bilder, Ideen – es gibt so viele tolle Themen. Unsere nächsten Schwerpunktthemen sind z.B. Stadtentwicklung und Altern in der Stadt. Schreibt uns, wenn ihr dabei sein wollt: redaktion@rosegarden-mag.de

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Kleinere Briefe – Das Gedicht dieser Ausgabe Fotoserie – „Pop Up“ von Tabea Mathern Take Berlin aus Brooklyn machen entschleunigte Musik Berlin Community Radio – Berlins neues Online-Radio Kurzgeschichte – Das Glück im Moos

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leinere Briefe

I Ich will den Nebel am Rockzipfel nehmen und ihn über die Felder ziehen über Ackerfrost Die weichen Hänge hoch und unter das Kinn und ihn mir um die Schultern legen Er soll den Atlas fressen Flussadern Bergbrüste Baumhaare soll meine deutschen Schenkel wärmen in denen der Blödsinn gerinnt

David Hermann, 1979 im hessischen Bärstadt geboren, lebt seit 1996 in London, wo er am University College London in Vergleichender Literaturwissenschaft über Auflösung und Ende in der zeitgenössischen Kurzgeschichte promoviert. David schreibt morgens Lyrik, nachmittags akademische Arbeiten, abends Drehbuch. www.hermannist.com Von David Hermann veröffentlichen wir regelmäßig Gedichte. 70


II Jeder Besucher träte dann aus der Milch wie neugeboren mit frischem Haar und fettem Appetit und an das Nebelbett Ich wiese mit dem Zepter Narrenzepter! auf den Kessel scheppernd in der Glut unserer großen saublöden Geschichte In dieser Suppe sollen sich unsere komplizierten Hüte auflösen das blonde Huhn das blaue Augenfett Die Großmütter wissen wer umrühren muss

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III Dann kann jeder sich auftun Ein Schälchen Schafskopf schwarzes Lungenkraut meine Exilstiefel tragen und barfuß wieder gehen zwei Schritte vor meinem Tor fröhlich zu Nichts werden Tannen wie Rosmarin Meine Exilhand bleichgeregnet fängt die Nadeln in der Hornhaut Aus unserem heiligen Baum das fette Grün die aufgeschwemmte Jägerseele Streichholz Baumkerze Der stumpfe Blick Zu seiner Erleuchtung sollte die Welt brennen Tschuldigung Welt Den Barbaren waren Bücher gewachsen

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IV Ich will nur lesen mit flackernden Augen die die nie hier waren Die nicht mehr hier sind die wir uns ausgeschlachtet haben schieben mir ihre Angst in den Bauch Ich kann sie nicht lesen weil ich vor Angst kotzen muss weil die Gesichter unter dem Nebel nicht mehr ihre Züge tragen Zug um Zug ich leere Figur setze mich matt jetzt Zug um Zug ich transportiere mich ab Zunder unter der Brust will ich schreiben Kleinere Briefe Ich will schreiben dass die Züge in Deutschland nicht mehr pünktlich sind dass man warten kann dass niemand mehr die Zeit weiß oder wie das Kraut heißt das damals hinter den Gleisen auf jedem weissen Acker jedem Bauern um die Stiefel wuchs und das im Nebel aussah wie eine Blume

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op Up in Bildern Die Berliner Fotografin Tabea Mathern hat für ROSEGARDEN eine Fotoserie zum Thema Pop Up gemacht. Ganz schön bunt. Und ganz schön lustig. Finden wir und sagen danke.

Tabea Mathern lebt und arbeitet als Fotografin in Berlin. Ihr Motto lautet schlicht „I observe“. Sie sammelt Wörter, Szenen, Gedanken und Objekte. Gerne auch, um sie gelegentlich in einem anderen Kontext neu zusammenzusetzen. Immer jedoch mit dem Ziel, Diskussion und Dialog über das Gezeigte zu entfachen. „Creating something is just the begining“, sagt sie. Und damit passt sie hervorragend zu ROSEGARDEN, sagen wir. www.tabeamathern.de

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www.tabeamathern.de

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ongs wie ein weiches Kissen Interview mir der Band Take Berlin aus Brooklyn Text: Mario Münster

Prolog Meine Urgroßmutter lebte 1943 in der Eberswalderstraße in Berlin. Sie verbrachte mit ihren vier Kindern viele Nächte im Luftschutzkeller des Hauses. Bis eines Tages das Haus von einer Bombe getroffen wurde. Sie floh mit den Kindern nach Ostpreußen. Im September 2013 veranstaltete ich in dem Haus nebenan ein Bordeaux Guerilla Dinner. Mit Weinen französischer Winzer, die ich in Frankreich traf. Unter den Gästen war eine Amerikanerin, ein Duo aus Brooklyn spielte ein paar Songs. Mit im Gepäck hatte ich meinen 14-jährigen Cousin. Wie ich ein Großenkel der Frau, die vor 70 Jahren zehn Meter weiter im Luftschutzkeller wachte. So kann sich Geschichte drehen. Die Musik von Take Berlin, die uns an dem Abend ein paar Songs spielten, pass-

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te wunderbar in diese Stimmung und es war klar, dass die zwei in den Rosengarten müssen. Here we go … „Take Berlin“… ist euer Bandname eine Hommage an den Song „First we take Manhattan“? Jesse: Vielleicht war es eine unterbewusste Referenz. Der eigentliche Grund war jedoch, dass wir für unsere ersten Songs Geschichten aus Ost-Berlin verwendeten und um sie herum die Musik komponierten. Ihr lebt in Brooklyn. Hat das irgendeinen Einfluss auf eure Musik? Yvonne: Ja, definitiv. Es gibt dort Vielfalt und Talent an jeder Ecke. Jeder kann so sein, wie er sein möchte, und es gibt immer Überraschungen und dadurch etwas zu erzählen und zu sehen. Das gibt es natürlich


Foto: Fabrizio del Rincon

auch beispielsweise in Berlin – der Stadt, aus der ich ursprünglich komme – , aber dort fällt es mir schwerer, diese Besonderheiten, die diese Stadt ausmachen, einfach zu sehen – mit dem Auge eines Fremden. Jesse: Ich würde sagen, es gibt eine gewisse Wettbewerbsatmosphäre in Brooklyn. Das zwingt dich, deine Stärken und Schwächen zu kennen. Irgendwie führt dich das dazu, dich in eine sehr persönliche musikalische Richtung zu bewegen. Und ganz praktisch gesprochen: Wäre ich nicht nach Brooklyn gezogen, wäre ich nicht mit Eli Reed auf Tour gegangen, der mich nach Deutschland brachte, wo ich dann Yvonne traf.

Unser Magazin trägt den Untertitel „Magazin für die urbane Bohème“. Fühlt ihr euch als urbane Bohemians? Jesse: Irgendwie schon, wenn das bedeutet, einen nicht-konformen oder nicht-traditionellen Lifestyle zu haben. Allerdings sind große Teile Brooklyns genau mit solchen Menschen gefüllt. Hier ist das also fast die Norm und ich fühle mich eher als Bohemian in dem beschriebenen Sinne wenn ich in anderen Städten bin. Eure Musik zu hören fühlt sich an wie in ein weiches Kissen zu fallen. Das Herz schlägt langsamer, es ist, wie ein warmes Bad zu

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nehmen. Ist das eine Stimmung, die ihr absichtlich schaffen wollt? Ein Ruf nach Entschleunigung in dieser schnellen Welt? Jesse: Yeah, ich mag das Bild von dem Kissen und dem Bad, obwohl ich in unserer Musik auch einen Hinweis auf Ungewissheit sehe. Wenn wir in Übersee auf Tour sind, lasse ich mein Auto in einer Garage um die Ecke meiner Wohnung stehen. Der Typ, der die Garage betreibt, ist ein großer Fan unserer Musik. Er sagte mir mal, dass unsere EP die perfekte Medizin für New Yorker sei... das Leben hier ist so durchgeknallt und wenn er die Musik anstellt, entschleunigt sich alles. Ich glaube, Musik ist therapeutisch. Yvonne: Wenn unsere Musik dieses Gefühl des „a call for slow down“ ausstrahlt, dann macht mich das sehr glücklich. Wir

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haben beim Schreiben nicht offensichtlich daran gedacht, aber wir wollten, dass unsere Songs zeitlos klingen. Es geht uns um die Geschichten, die wir erzählen. Wir haben das Album auch ohne jegliche moderne Technik und Computer aufgenommen. Vielleicht wirkt es dadurch wie in „Zeitlupe – slow motion“ verglichen mit den heutigen Pop-Produktionen. Viele Menschen reden über die Generation Y – also Menschen, geboren zwischen den späten Siebzigern und Mitte der Neunzigerjahre. Die Generation Y hat so viele Möglichkeiten und Ambitionen, dass sie sich kaum entscheiden kann, und wird darüber unglücklich. Glaubt ihr, dass der Stil eurer Musik ein Teil des Soundtracks dieser Generation ist – für die ratlosen urbanen Seelen mit ihren Ambitionen? Jesse: Ich kann mich mit dem Gedanken identifizieren, dass wir mit den ganzen Entscheidungen und Optionen oft unglücklich und nie ganz zufrieden zurückbleiben.


Mein Vater, der in den Projects aufwuchs und mit 18 Jahren in Vietnam kämpfte, sagt immer, er würde nicht mit unserer Generation tauschen wollen, weil sie die Last so vieler Optionen, so viel Navigieren zwischen Möglichkeiten in einem komplizierten Zeitalter aushalten muss. Damit trifft er den Punkt genau. Nun, ich bin nicht sicher, ob unsere Musik ein Teil des Soundtracks dieser Generation ist. Vielleicht ist sie sogar eher eine Alternative zu diesem Soundtrack. Ich fühle keine große Verbindung zu der Musik meiner Generation. Ich bin wie Owen Wilson in Midnight in Paris, obwohl meine Epoche eher das Brasilien der 1960er wäre...

Da wir ein urbanes Magazin sind: Was sind eure Lieblingsstädte und was sind die perfekten Songs für diese Städte? Jesse: Die Stadt ist Rio und der Song: Cartola – Minha. Yvonne: Schwierig, das auf eine Stadt zu beschränken. Aber OK: Edinburgh! Und der Song: Waterfront von Jamie Woon.

Take Berlin im Netz: Hier der wunderschöne Song Vermona: http://youtu.be/WESZhOFL8kI takeberlinmusic.com www.facebook.com/takeberlin

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endungsbewusstsein In Berlin haben zwei Freundinnen Berlin Community Radio gegründet. Der Sender zum Lebensgefühl. Text: Mario Münster

Das Headquarter von Berlin Community Radio (www.berlincommunityradio.com) in der Pflügerstraße in Berlin-Neukölln gleicht einem Taubenschlag. Andauernd kommen und gehen Leute. Wobei, was heißt hier Headquarter. Eine Erdgeschosswohnung im Vorderhaus. Zwei Räume. Einer davon dient als Studio. Draußen auf der Straße stehen Freunde, DJs, Moderatoren und warten auf ihren Einsatz. Die Shows werden live gesendet und sind als Onlinestream verfügbar. Ist eine Sendung zu Ende, übernimmt der nächste. Radio als Staffelkonzept.

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Hinter Berlin Community Radio stehen Sarah Miles und Anastazja Moser. Sie wollen mit dem Sender dem kreativen Berlin eine Plattform schaffen. Platz hat alles, was die Szene beeinflusst oder hervorbringt: Essen, Musik, Kunst, Ideen. Vierzig verschiedene Formate gibt es mittlerweile, die in unterschiedlichen Abständen laufen – mal wöchentlich, mal monatlich. Jedes Format hat eigene Verantwortliche und Moderatoren. Das Programm ist bunt. „We are not Gemüsed“ ist eine open stage Live-Comedy-Show. In der Show „We just met“ spielen sich Mike


Wir finden die Idee und die Leidenschaft so gut, dass wir natürlich dabei sein wollten. Deshalb gibt es seit Oktober monatlich die Show „ROSEGARDEN #ON AIR“ auf Berlin Community Radio. Nächster Sendetermin ist der 17. Dezember um 14 Uhr.

Foto: Ansatazja Moser

und Phil gegenseitig Jazzplatten vor. Die Hosts von „Creamcake“ beschreiben ihren Ansatz wiederum so: „a female perspective on Berlin’s answer to the post-internet generation.“

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as Glück im Moos Text: Karina Roth

Alles fing damit an, dass sein Projektleiter ihm einen verzweifelten Blick zuwarf, den Presseordner langsam auf den Tisch sinken ließ und einen Moment lang vergeblich nach den richtigen Worten suchte. Was er schließlich aussprach, war die reine, wenn auch nicht gerade schonende Wahrheit: „Anton, du bist langsamer als das Wachstum von Moos!“ Anton starrte trübselig auf den grauen Büroteppich und ahnte bereits, dass dies der letzte Presseordner war, den er in achteinhalb Stunden nicht einmal bis zur Hälfte bearbeitet hatte. Viel mehr aber als die Tatsache, dass er wieder einmal versagt hatte, beschäftigten Anton seltsamerweise in den folgenden Tagen Gedanken über das Moos. Im

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Grunde genommen war er weder beleidigt noch traurig, sondern hauptsächlich erleichtert, denn es hatte sich schon seit längerer Zeit ein Ausdruck in seinem Gehirn festgesetzt, der am treffendsten seine Lieblingstätigkeit umschrieb: Herummoosen. Natürlich ist das Herummoosen eine Tätigkeit, die von den meisten Menschen nicht als solche anerkannt wird. Aber da Anton mittlerweile recht entspannt war, was die Anerkennung seiner Mitmenschen betraf, konnte er auch darüber großmütig hinwegsehen. Denn Großmut, fand Anton, war eine der schönsten menschlichen Eigenschaften überhaupt. Wochenlang lief er verträumt durch die Gegend, mit Moos in den Taschen, Moos unter den Füßen, Moos im


Kopf. Ganz weich war er, und doch robust. Er war empfindlich wie noch nie, nahm die feinsten Schwingungen seiner Umgebung seismographisch wahr und fühlte dennoch eine zähe Stärke in ihm, die ihn gegen alles wappnete. Kurzum, er fühlte sich herrlich. Es war, als hätte sein Ex-Projektleiter ihm mit der Bestätigung seiner mooshaften Existenz die Tür zu einer ganz neuen Welt, ja zu einer völlig neuen Bewusstseinsebene geöffnet. Man konnte nicht wirklich behaupten, dass Anton sich gut mit Pflanzen auskannte. Der Biologieunterricht war längst in den Nebeln des Vergessens versunken und das harte Leben in einer Umgebung aus Beton hatte ein Übriges getan. Draußen erkannte er Eichen, Birken und Kastanienbäume, außerdem noch Schneeglöcken und natürlich Rosen. Auf seinem Fensterbrett stand ein Kaktus. Über Moos wusste Anton nur, was er auch über sich selbst wusste: Sie beide gab es schon eine ganze Weile und zum Leben brauchten sie nicht viel. Viel

schlauer wird man bis zum Schluss nicht, auch wenn es einem zwischendurch immer wieder mal so vorkommt. Früher hatten Anton manchmal düstere Gedanken geplagt und er war der Meinung gewesen, dass er wohl besser nicht allzu lange leben sollte, weil es einfach nichts für ihn zu tun zu geben schien. So vieles hatte er schon ausprobiert, hatte sich hier und dort immer wieder angepasst, ohne große Mühe, aber auch ohne große Freude. Er war eben einfach da und tat irgendwelche Dinge, weil diese Welt nun mal so beschaffen ist und weil die meisten anderen Leute das schließlich auch tun. Im Grunde genommen war Anton jahrelang nichts weiter als Füllmaterial für irgendwelche seltsamen Arbeitsstellen gewesen, für die er nicht gerade nichts, aber auch nicht viel mehr erfüllen musste. Als dann aber diese Sache mit dem Moos passierte und er seine neue Bewusstseinsebene erreicht hatte, war ihm nach und nach aufgefallen, dass es so viel zu tun gab, dass keine

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zehn Leben dafür ausreichen würden, alles zu erledigen. Vor allem nicht, wenn man es in Ruhe anging. Wenn man hartnäckig blieb und nicht locker ließ und alles immer wieder mühsam von vorne probierte, bis es eben endlich genau so war, wie es sein sollte. Seit er denken konnte war Anton unzufrieden mit sich gewesen, weil er zu langsam und zu verträumt war, weil es ihm an Ehrgeiz und Durchsetzungskraft mangelte, weil er Gehaltsvorstellungen höchstens in Bezug auf Alkohol hatte. Dabei hatte er sich aber nie gefragt, für wen er denn zu langsam und zu verträumt war, sondern sich einfach damit abgefunden, dass er offenbar ein sonderbarer Zeitgenosse war. Und doch hatte er sein Habitat und seinesgleichen schließlich gefunden und sich dort, wie es den Moosen eben gebührt, recht zurückhaltend und unauffällig verhalten. Die einzig beunruhigende Information, die über Moose zu vernehmen war, bestand in der „erhebli-

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chen Einschränkung ihrer sexuellen Fortpflanzung“. Dass es sie dennoch seit über 400 Millionen Jahren gab, warf natürlich einige Fragen auf. Aber schließlich, dachte sich Anton beschwichtigend, ging es ja hier nur um die reine Fortpflanzung, an der ihm sowieso nicht viel gelegen war. Bäume pflanzen, Kinder zeugen, all diese archaischen Errungenschaften ließen ihn völlig kalt. Er war ja schon froh, wenn er es ab und zu mal schaffte, sein Bad zu putzen. Ein großer Stein, von Moos bewachsen, wird zu einem bequemen Sessel, ja sogar zum komfortablen Bett mitten in der Wildnis. Und hat man sich in selbiger verlaufen, kann man anhand des Mooswuchses an den Bäumen zumindest einmal die Himmelsrichtung bestimmen. Gemütlichkeit und Orientierung – warum sollte man dem Leben mehr abverlangen? Anton war so einer, der ganz allmählich und fast unmerklich Dinge auf die Reihe kriegte. Viele kleine und gute Dinge ohne


men und duftenden Gartenkräutern. Einer der Männer, ein schnurrbärtiger Siebzigjähriger in Unterhemd und Goldkettchen, hatte sich auf seine Harke gelehnt und stolz in die Kamera gegrinst, während sich hinter ihm wildes Grün aus dem Beton rankte. Anton war seltsam gerührt gewe-

nen auf die Idee gekommen war, die seit Jahren brachliegenden Flächen mitten in der Stadt in blühende Gärten zu verwandeln. Daraus war eine ganze Bewegung geworden, eine Revolution aus bunten Blu-

sen und hatte gedacht, dass dieser Typ sein Vater sein könnte oder einer von diesen Seelenverwandten, die über den ganzen Erdball verstreut leben, ohne dass man die meisten von ihnen je zu Gesicht bekommt.

Foto: Mario Storch

den geringsten wirtschaftlichen Nutzen. Es war ein bisschen wie in dem Film, den er einmal spät nachts gesehen hatte, über diese Typen in Spanien. Alles ältere Männer, Rentner, die den ganzen Tag nur herumhingen, Karten spielten und Tee tranken, bis eines Tages mal einer von ih-

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Foto: Mario Storch

„Gärtner sein, das wär’s ja überhaupt“, dachte Anton wehmütig und erinnerte sich plötzlich wieder an ein schmerzliches Ereignis aus seiner Kindheit. Friedhofsgärtner hatte er damals in der fünften Klasse

riesiges Insekt. Da hatte er zum ersten Mal gemerkt, dass er besser aufpassen musste, wenn er nicht zum Außenseiter werden wollte. Nach und nach hatte er seine eigenen verschrobenen Wünsche durch

unter Was willst du später einmal werden ins Poesiealbum von Luise geschrieben. Die hatte ihm nur einen komischen Blick zugeworfen und ihrer Freundin Annika etwas ins Ohr geflüstert. Dann hatten die beiden Mädchen laut gekichert und Anton von dem Tag an angeschaut als sei er ein

salonfähigere ausgeliehene Wünsche ersetzt und schließlich vergessen, dass es gar nicht seine eigenen waren.

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„Sei wie das Veilchen im Moose“, war es ihm durch den Kopf gegangen, als er einmal im Sommer im Gras lag und geduldig


probierte, eine Melodie auf einem Grashalm zu pfeifen. Immer war das Moos nur Füllmaterial. Wenn das Veilchen schon Symbol für Bescheidenheit und Zurückhaltung sein soll, im Gegensatz zur geltungssüchtigen Rose, was bitte ist dann das Moos? Das Moos ist nichts. Das Moos ist einfach nur da. Genau wie Anton. Und natürlich kommt kein Nachrichtensprecher je auf die Idee zu verkünden, dass all das Moos da draußen seit Jahren die Ero-

sion der Wälder verhindert oder zumindest sehr verlangsamt, dass es also einen verdammt guten Job macht und man ohne es ganz schön blöd dastehen würde. Es hatte erst der Sache mit dem Presseordner bedurft, um sich darüber klar zu werden, dass er ganz am Anfang eines wundervoll wunderlichen und erfüllten Lebens im Zeichen des Mooses stand, und er wusste, dass er sich auf diesem Weg nicht mehr beirren lassen würde.

Karina Roth wurde 1976 in Brasov/Rumänien geboren und ist in Süddeutschland aufgewachsen. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft und Amerikanistik in Mainz und Melbourne lebt und arbeitet sie seit 2004 in Berlin.

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Ein Abend mit … ehrlichen Freunden Ist das noch Punk? – Sven Hätscher über Wahlkampfsongs Alpaka Madness – Kuschel dich glücklich Ein Hoch auf den Weihnachtsmarkt Dolce Vita aus der Dose Der aktuelle Weintipp Fanpost 2.0 – Ein Brief an ehrenamtliche Engel

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in Abend mit … ehrlichen Freunden Text: Raphael Neuner

„Ein Abend mit ...“ heißt unsere neue Rubrik. Denn jeder Abend ist anders. Ein Abend mit Freunden, der Nachbarin, der neuen Folge „House of Cards“, dem Kollegen, der Freundin oder dem neuen Album von Arcade Fire. Doch zu jedem Abend gehört irgendwie: Gutes Essen. Auswärts oder zuhause. Über den Autor: Raphael Neuner mag gutes Essen. Mehr auf besseressen.wordpress.com.

Wie beschreibt man eigentlich ein Essen? So wie der Gault Millau, der wenig stilistische Fortschritte im etablierten Baukastensystem des besuchten Restaurants entdeckt oder eher wortkarg wie der fränkische Besucher am Nachbartisch: „Bast!“? Mein Freund Schorsch stellt sich diese Fra-

kendfad. Auch wenn das Rechtschreibprogramm behauptet, dass es das Wort nicht gibt, Schorsch ist Ehrenösterreicher und als solcher wird er das schon wissen.

gen nicht. Oder aber er hat sie sich bereits eindeutig beantwortet.

cken“, der von einer Seitenwand herab konstant dunkel in den Raum schreit, flackert kurz und geht dann aus. In der Küche lassen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alle Kochgehilfen und Köche ihre Löffel oder was auch immer fallen und an unserem Tisch halten wir inne.

Und so lautet seine Antwort auf die Frage der Kellnerin, wie es geschmeckt habe, ebenfalls recht eindeutig: „Stinkendfad“. Nicht nur fad, das sei bemerkt, nein, stin-

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Stinkendfad, sagt er, und im Cookies Cream wird es ruhig. Selbst der Schriftzug „Fi-


Foto: Cookies Cream

Stimmt das denn? Die Vorspeise war großartig. Wachtelei im Brioche, dazu Portweinschalotten, Kartoffelschaum und Trüffel-Jus. Ein Klassiker des Cookies, immer wieder auf der Karte und zwar: mit Recht. Eine weiche Brioche; der Trüffeljus ist dunkel, intensiv, und man sehnt sich nach mehr. Ausschließlich vegetarische Gerichte gibt es im Cookies Cream und Küchenchef Stephan Hentschel hat eine gute Entscheidung getroffen: Er verzichtet auf Surro-

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gatprodukte. Hier wird also keinem Tofustück vorgemacht, es hätte Geschmack oder es wäre gar ein Stück Fleisch. Im Cookies Cream gibt es eine gute Kombination von eigenständigen Produkten und Mut zu Gewürzen. Da braucht es keinen Ersatz für irgendetwas. Das gilt zumindest bei der Vorspeise. Schwieriger wird es danach: Sellerie-Canelloni mit Kartoffelpüree-Füllung und Pfifferlingen. Abgesehen von den Pilzen hat das alles den gleichen Farbton und auch nur einen Geschmack. Es fehlen nicht

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96 Foto: Cookies Cream


nur Nuancen, leider hat Schorsch recht: Es ist ganz schön fad. Und was macht die Kellnerin, als sie das hört? Geht erst mal. Und kommt kurz darauf mit einem empörten Kollegen wieder, der sich Schorsch schnappt, parallel dazu neues Besteck und neue Teller bringt – und kurz darauf so etwas wie das „signature dish“ des Hauses auftischt: Gebackene Aubergine mit Teriyaki-Jus. „Und jetzt sag mir mal, dass das hier fad schmeckt!“ Absolut nicht fad, fanden wir: Die Aubergine im Ganzen zubereitet, ein schwerer, dunkler, aromatischer Teriyaki-Jus, dazu gibt es frische grüne Bohnen, ein etwas süßliches Maispüree zum Ausgleich und zum Beißen knackiges Popcorn.

Was bleibt? Wenn man sich die Karte häufiger anschaut, mag am Baukastensystemvorwurf etwas dran sein. Über den nicht ganz leicht zu findenden Eingang, die solide Weinauswahl, die Geschichte des Cookies als Club brauchen wir hier nicht weiter zu sprechen. Das ist nicht das Entscheidende. Vielmehr doch, dass hier Leute arbeiten, die das mit Leidenschaft machen. Und sich an ihrer Ehre gekratzt fühlen, wenn sie das Wort „stinkendfad“ hören. Und deshalb ist das Cookies Cream perfekt für einen Abend mit ehrlichen Freunden. Vielleicht auch mit der Freundin, mit den Eltern oder Kollegen – wirklich szenig ist es nicht mehr und das ist gar nicht schlimm so. Ein Abend mit ehrlichen Freunden im Cookies Cream, Behrenstraße 55. Sonntags und montags ist zu. Drei Gänge kosten 36 Euro. // cookiescream.com

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Foto: Kitchensurfing

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ie kulinarische Welle reiten Kitchensurfing kam aus New York nach Berlin. Ein wunderbares Modell für alle, die Essen lieben und gerne Zuhause Gäste empfangen. Text: Mario Münster

Dass Kochen und das Interesse an gutem Essen Hochkonjunktur haben, ist keine Neuigkeit. Auf diesem Nährboden entstand in den vergangenen Jahren eine ganze Szene, deren Mitglieder wir meinetwegen Foodies nennen können – kulinarische Enthusiasten auf der Suche nach Geschichten hinter Köchen, Restaurants, Schweinerassen, Mi-

Kitchensurfing-Koch werden. Damit ist die Plattform auch zu einer Fundgrube für erstklassige Hobbyköche geworden, die nicht selten kreativer und enthusiastischer sind als viele Restaurantköche.

kro-Brauereien. Ein Modell, das dieser Szene im Jahr 2012 in New York entsprang, ist Kitchensurfing. Die Idee ist einfach: Man bucht sich einen Koch für zu Hause. Dabei ist es egal ob man einen entspannten Abend zu viert möchte oder eine kleine Party mit zwanzig Gästen. Und: Jeder kann

ohne sein Zuhause zu verlassen. Und im Preis einer Buchung sind der Koch, die Zutaten und das Aufräumen enthalten. Insofern nimmt Kitchensurfing gleich zwei Trends auf: Cocooning – also der Rückzug in die eigenen vier Wände – und die neue Lust auf spannende kulinarische

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Kitchensurfing bedeutet, dass man sich ganz auf seine Gäste konzentrieren kann


Foto: Kitchensurfing

Entdeckungen. Vor allem das zunehmende Interesse daran, welche Personen und Geschichten hinter einem Essen stehen, bedient das Modell bestens. Mit Kitchensurfing holt man sich beispielsweise mit Fräulein Kimchi eine Halb-Koreanerin nach Hause, die die Lieblingsrezepte ihrer Tante mitbringt. Oder einen im besten Sinne des Wortes Koch-Verrückten wie Kristof Mulack der mit regionalen Zutaten ein kulinarisches Feuerwerk veranstaltet, dass einem Hören und Sehen vergeht.

Wer es persönlich, kreativ und entspannt mag, der sollte Kitchensurfing einmal ausprobieren. In Berlin gibt es mittlerweile 90 verschiedene Chefs – da findet jeder was! Andere Städte folgen (s. Interview auf der nächsten Seite) Kitchensurfing-Gutscheine sind übrigens auch wunderbare Weihnachtsgeschenke! Kitchensurfing im Netz: www.kitchensurfing.com

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Welche drei Begriffe beschreiben am besten, was Kitchensurfing so besonders macht? Kreative Köche. Aus der ganzen Welt. Für jeden Anlass. Wie wählt ihr die Chefs aus und stellt damit sicher, dass eure Kunden immer richtig gutes Essen bekommen? Jeder kann ein Profil bei Kitchensurfing erstellen. Wir beurteilen die Köche, lernen sie und ihre Kochkünste beispielsweise bei einem Köche-Casting persönlich kennen und stellen somit sicher, dass die Kunden auch richtig gutes Essen bekommen.

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Gibt es so etwas wie einen typischen Kitchensurfing Kunden oder ist das ganz verschieden? Da man einen Koch für jede Gelegenheit – sei es seine private Geburtstagsparty, einen Business Lunch im Unternehmen oder ein nettes Essen mit Freunden – buchen kann, ist jeder Kunde unterschiedlich. Foto: Kitchensurfing

Interview mit Maria Siedlazcek von Kitchensurfing Berlin

Wird es Kitchensurfing bald auch in anderen deutschen Städten geben? Kitchensurfing plant weitere Städte in der ganzen Welt, und auch in Deutschland. Mehr kann ich allerdings noch nicht verraten. Einfach bei Kitchensurfing anmelden, damit man auch erfährt, wenn neue Städte hinzukommen.


Foto: Kitchensurfing

Was fasziniert dich persönlich an der Idee Kitchensurfing? Jeder kann ein Koch bei Kitchensurfing werden, auch tolle Hobbyköche. Damit hat jeder eine Möglichkeit seine Leidenschaft

teilweise oder sogar ganz zum Beruf zu machen. Auch die Vielfalt und Verschiedenheit der Köche auf Kitchensurfing und deren Authentizität ist etwas ganz besonderes. Und man findet wirklich für jeden Anlass den perfekten Koch!

50 Euro Gutschein bei Kitchensurfing exklusiv für die Leser von ROSEGARDEN! Für eure erste Buchung eines Kochs bei Kitchensurfing erhaltet ihr einen Preisnachlass von 50,00 Euro, wenn ihr den folgenden Link für eure Buchung benutzt: www.kitchensurfing.com/referrals/rosegardenberlin Die Aktion läuft bis zum 31. Januar 2014.

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st das noch Punk oder kann das weg? Text: Sven Hätscher

An einem Wahlkampf teilzunehmen ist mir immer eine große Freude gewesen. Aus der Warte des Musikliebhabers aber ist Wahlkampf die Hölle auf Erden. Abgesehen von der Tatsache, dass man schlicht keine Zeit und Muse findet, sich guter Musik hinzugeben und abzuschalten, ist das, was in dieser Zeit an musikalischen Verbrechen begangen wird, eine echte Zumutung. Dabei ist doch gerade das Politische ein wesentlicher Bestandteil guter Musik. Aber womöglich liegt genau dort der Hase im Pfeffer begraben. Denn was ist schon noch politisch in der Politik? Da gibt es beispielsweise diese sogenannten Wahlkampfsongs, ohne die es offenbar nicht mehr geht. Das ist sowohl musikalisch als auch inhaltlich dermaßen belangloser Quatsch, dass meine Ohren vor Langeweile nicht mal bluten wollen.

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Junge Union trifft auf Kirchenchorband Zumal der Musikstil dieser Lieder der Musikentwicklung, was gerade zeitgemäß wäre, um mindestens 20 Jahre hinterher hinkt. Ganz schlimm und weit vorne dabei ist die CDU, die nun wirklich ein gnadenloses Machwerk auf uns losgelassen hat.

Mal abgesehen von der Performance der blankpolierten Band – womöglich irgendeine christliche Jugendkirchencombo aus dem JU-Genpool – und dem von der Zeit vergessenen Produzenten alter Eurovisi-


onstage ist der Song musikalisch wie inhaltlich kaum zu unterbieten. Das macht mich echt sprachlos und tut jetzt noch richtig weh, wenn ich versuche ihn ernsthaft anzuhören. By the way: Wie heißt die Band eigentlich? Auch egal.

Vielleicht muss das so sein, um in der Mitte mehrheitsfähig zu sein. Bloß niemandem auf die Füsse treten. Deutschland, einig ZDF-Hitparaden-Land. Man wartet geradezu schaudernd auf den Moment, an dem Dieter Thomas Heck um die Ecke kommt und sagt: “Das war der Hit für den

Und das mag ich nicht allein den Konservativen ankreiden. Nehmen wir den Wahlkampfhit der SPD von den Red Carpet-wasauch-immer. Durch die Selbstbeschreibung weht schon der öde Odem weichgespülter

Steinbrück, den Peer. Ihre Nummer zwei: Zuhaus.”

Agentursprech: “Hey, yo, wir sind alle total kreativ und hip.” Ja, mag sein. Und dann das Ganze anreichern mit Reden der Altkanzler. Wie wär’s mal mit der Zukunft zugewandt und so? Zumindest hatte ich den Bandnamen fast zusammen.

Politisch ist anders Politisch sind diese Lieder aber nicht. Zumindest nicht im Sinne einer kritischen Sicht auf das Politische. Wenn man dagegen Tom Morello mit seinen Songs als Nightwatchman betrachtet oder Bruce Springsteen, dann kann man bisweilen meinen: Amerika, du hast es besser. Hey, sogar François Hollande hat es geschafft, mit coolen Hip Hop Tunes durch die Banlieus zu tingeln. Dass Tom Morello im Rahmen des von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierten Woody Guthrie 100 Konzerts auftrat, ist al-

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lerdings kein Indiz dafür, dass es die Linke besser macht. Man sah alte, weißhaarige Männer mit Karl-Marx-Mähnen, die in den bestuhlten ersten Reihen des Prenzlberger Kesselhauses saßen und entsprechend für Irritation beim Straßenkämpfer Morello sorgten: “Hey, ich bin nicht tausende Meilen geflogen, damit ihr hier vor mir sitzt. Steht auf!” Hat leider auch nur für einen mitgeklatschten Song gelangt.

veranstaltungen laufen lässt. Kommt mal runter, Jungs! Ihr seid Establishment. Und – sofern ich das vorher konnte – spätestens seit dem Wahlabend kann ich Tote Hosen eh nicht mehr schmerzfrei hören.

Ich für meinen Teil habe mir meinen Wahlkampfsong 2013 bereits frühzeitig gewählt und muss sagen, er passte leider wie die Faust aufs Auge. Politik und ihre Entourage versuchen verzweifelt cool zu sein und man meint die Worte Tocotronics in ihrem Bemühen wispern zu hören: “Ich will Teil einer Jugendbewegung sein…” Tja. Da half auch der Protest der Toten Hosen nicht, die sich verbaten, dass man ihre Lieder auf Partei-

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Sven Hätscher ist ganz echt Berliner und ganz echt Musikfreak. Er widmet sich mit viel Leidenschaft seinem Blog gutemukke.tumblr.com.

Den Eintritt für die Konzerte seiner Wahl verdient er sich als Referent für Online und Social Media beim Parteivorstand der SPD. Für Rosegarden schreibt er über Musik.

Twitter: @haetscher

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lpaca Love – Alpaca Magic Magische Orte Text: Maren Heltsche

Tiere gehen ja immer. Knuffige mit Fell sowieso. Und wenn sie dann auch noch lustig aussehen, ist der Tag gerettet. Ich wusste ja nicht, dass Alpakas so beliebt sind. Katzen- und Hundebilder gibt es überall im Netz, aber als ich zum wiederholten Mal unterschiedlichen Menschen in meinem Umkreis die Alpaka-Fotos einer Freundin auf Facebook zeigte, war klar, dass ich diese Tiere unbedingt in natura sehen muss und zwar bald. Jeder ist von diesen Tieren begeistert. Jeder. Ich weiß auch nicht, ob es an den Augen liegt, an der Frisur oder am Gesichts-

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ausdruck allgemein. Das weiche Fell kann es ja zunächst nicht sein. Mitreisende für einen Ausflug zur Alpaka-Farm zu finden war einfach. Einfach ein paar Bilder aufs Smartphone zaubern, Ahs und Ohs abholen und einen Termin ausmachen. Wir fahren an einem Sonntagnachmittag mit dem Auto aus der Stadt ins Brandenburgische Zülichendorf. Die Dorfstraßen empfangen uns mit gähnender Leere. Aber an einer Ecke stehen doch ein paar Menschen – unser Gastgeber Bernd Lindemann klönt mit seinen Nachbarn. Sympathisch. Er führt uns ins Innere seines Vierseitenhofs, der neben drei Menschen, vier


Foto: Maren Heltsche

Hühner, zwei Pfauen, drei Laufenten, vier Hunde, acht Welpen und 60 Alpakas beherbergt. Landluft mischt sich mit beißendem Stallduft, der Boden ist angemessen matschig und schmutzig. Wir sind froh, robuste Schuhe zu tragen. Die Alpakas finden wir an diesem Tag nicht im Stall, sondern auf den Wiesen dahinter. Manche grasen, manche hoppeln, einige kommen angelaufen und wittern bei den Besuchern außerplanmäßige Leckereien. Karotten und

Trockenfutter kratzen sie uns mit ihren Zähnen gerne von der Hand. Alpakas stammen aus Südamerika und sind eine Form von Kamelen, die vor allem wegen ihrer Wolle gezüchtet wird. Aber sie werden auch als Begleiter in Therapien eingesetzt. Es wird schnell klar, warum: Nicht nur, dass man unweigerlich lächeln muss, wenn man die freundlichen Tiere anschaut oder ihnen beim Kauen und Hoppeln zu-

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sieht, auch ihr weiches Fell zu streicheln ist extrem beruhigend. Wir entschließen uns zu einem Spaziergang mit Nepomuk. Ein schwarzes Alpaka, das Bernd mit der Flasche aufzog, weil seine Mutter bei der Geburt starb. Nepomuk hat deshalb ein besonders gutes Verhältnis zu Menschen, aber auch die anderen Alpakas sind nett zu uns. Vor allem, wenn wir etwas zu fressen in der Hand halten oder sie am langen Hals kraulen. Alpakas sind Herdentiere und Nepomuk erkennt uns beim Spaziergang schnell als

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seine Herde an und trabt der Gruppe hinterher, wenn sie schon weitergegangen ist, während er noch am Wegesrand grast. Was er eigentlich die ganze Zeit über tut. Ein Alpaka-Spaziergang ist die beste Entschleunigungstherapie, wenn man sich darauf einlässt. Wir sind ein bisschen aufgeregt, machen viele Fotos und versuchen immer wieder Nepomuk zu streicheln, während er ständig seinen Kopf in das nächste Grasbüschel steckt. Für die totale Entspannung sind sechs Erwachsene, zwei Kinder und ein Alpaka wohl doch nicht die richtige Kombination. Für viel Spaß schon. Und das mit der Entspannung probieren


Foto: Maren Heltsche

wir dann ein nächstes Mal. Bis dahin helfen Bilder wie diese für ein Lächeln zwischendurch.

Berlin und Umgebung: Alpakas vom Nieplitzhof in Zülichendorf, Autofahrt etwa 1h von Berlin, mit den Öffentlichen: mit dem Zug bis Luckenwalde und von dort mit dem Taxi.

Weitere Adressen von Alpaka-Höfen mit Möglichkeiten zu Spaziergängen:

Mühlbach Alpakas 84524 Neuötting www.muehlbach-alpakas.de

Waldmühle Erlebnispädagogik und tiergestützte Arbeit 71332 Waiblingen www.waldmuehle-waiblingen.de

Binatal Alpakas 84155 Bodenkirchen-Hilling www.binatal-alpakas.de

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lle Jahre wieder … Ein Hoch auf den Weihnachtsmarkt! Text: Mandy Schoßig

Beständigkeit vs. Pop Up? Nein, das wird keine Kolumne wider die Schnelllebigkeit und pro „die guten alten Dinge“. Doch was sich wie ein Gegensatz anhört, vereint sich einmal jährlich gut 10.000-mal in Deutschland. Im Weihnachtsmarkt. Seit dem Mit-

Dresden, Nürnberg, Köln – Millionen Menschen wandeln oder schieben sich durch enge Budengässchen, in denen es nach gebrannten Mandeln, Glühwein und Gebrutzeltem duftet.

telalter – so viel zur Beständigkeit – wachsen Ende November leuchtende Buden mit Kerzen, Naschwerk, Schnitzkunst und allem, was das Weihnachtsherz begehrt, aus dem Boden der Märkte und Straßen. Was als vorweihnachtlicher Markt begann, auf dem sich Bürger und Bauern mit winterlichen Gebrauchsgegenständen versorgten, ist mittlerweile ein Verkaufsschlager für Busreisen aller Art geworden.

Und trotz allem Kommerz, der vor allem auf den großen Märkten herrscht, ist es schwer, sich dem Zauber und der Besinnlichkeit der Weihnachtsbasare zu entziehen. Hat erst einmal die Dunkelheit die Lichter der Verkaufsstände angezündet und ist der erste Becher Glühwein oder Früchtepunsch erstanden, kann man sich in einer ruhigeren Ecke darauf einlassen. Auf die Kinderaugen, die schneller von

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Foto: Gerd Schoßig

Stand zu Stand wandern als die Beine hinterherkommen; auf die alltime-favorite-Weihnachtslieder, an denen man sich zu Beginn der Adventszeit noch nicht satt gehört hat; auf die Kälte, die in die Wangen beißt und der man mit heißen Getränken und wolliger Kleidung beikommt. Weihnachtsmarkt – das ist nichts für einen gehetzten Gang, um die letzten Geschenke zu kaufen. Weihnachtsmarkt – das ist bummeln, schauen, riechen, alles Mögliche anfassen und wieder zurückstellen. Das ist Augen zumachen und sich an Oma erinnern, von der man früher immer-immer-immer erst gebrannte Mandeln und

danach noch eine Zuckerwatte spendiert bekommen hat. Weihnachtsmarkt ist echte Tradition in einer Zeit, die sich alle zwei Jahre technisch neu erfindet und gleichzeitig „die guten alten Dinge“ zelebriert. Weihnachtsmarkt ist zugleich einer der letzten Orte, wo die Professorin neben dem Friseur und der Mechaniker neben der Grafikerin an der Würstchenbude ansteht. Der Weihnachtsmarkt als demokratisierender Schmelztiegel? So weit muss man wohl nicht gehen – vielleicht feiern wir ihn einfach als einen Ort, an dem man einmal im Jahr weiß, dass etwas immer schon so war und voraussichtlich auch immer so sein wird.

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Weihnachtsmarkterlebnisse mit Empfehlungscharakter

Erfurter Weihnachtsmarkt (26.11. - 22.12.2013)

Hier nun einige Weihnachtsmärkte, die ich selbst oder Freundinnen und Freunde empfehlen können.

Das Schönste am Erfurter Weihnachtsmarkt ist wohl die Kulisse der tausend-und-einen Buden direkt unterhalb des Erfurter Doms und der Severikirche. Wer Kinder dabei hat freut sich außerdem über den traditionellen Märchenwald und zahlreiche Fahrgeschäfte, die – etwas unüblich, aber mit ebenfalls mit langer Tradition – das weihnachtliche Treiben ergänzen.

Rixdorfer Weihnachtsmarkt (6.-8.12.2013) Die Perle unter den Weihnachtsmärkten – zumindest den Berlinern. Eigentlich sollte man den Markt, der immer nur am zweiten Adventswochenende von Freitag bis Sonntag stattfindet, gar nicht empfehlen. Im Herzen Neuköllns, auf dem Rixdorfer Richardplatz gelegen, wird er nämlich bereits seit Jahren voller und voller. Aber wer Gaslaternenlicht, selbstgebackenen Kuchen und handgemachte Geschenke mag, nebenbei Vereine und gemeinnützige Einrichtungen Neuköllns und Berlins kennenlernen will, ist hier genau richtig. Über allem liegt ein ganz besonderer Zauber, den man spätestens bei Chorgesang und Tombola so richtig spürt.

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Weihnachtsmarkt in Münster (25.11. - 23.12.2013) Auch in Münster windet sich der Weihnachtsmarkt durch die Innenstadt – eigentlich sind es fünf Märkte, die die verschiedenen Plätze der Altstadt erstrahlen lassen. Direkt an der Lambertikirche steht man für Glühwein und Naschwerk am besten – vorausgesetzt man meidet Stoßzeiten wie das Wochenende. Die blau be-


Foto: Gerd Schoßig

dachten Buden verströmen einen Hauch des historischen Münsters – der Lichtermarkt schließt allerdings bereits am 22.12. Leipziger Weihnachtsmarkt (26.11.2013 - 23.12.2013) In Leipzig sollte man auf keinen Fall den mittelalterlichen Weihnachtsflecken direkt neben dem alten Rathaus versäumen. Während der restliche Weihnachtsmarkt sehr seinen großen Brüdern in Dresden und Nürnberg ähnelt, ist der historische Teil auf dem Platz mit dem programmatischen Namen Naschmarkt bemerkenswert still und beschaulich. Hier bekommt man eine Feuerzangenbowle nach altem Rezept und kann Künstlern und Handwerkern über die Schulter schauen.

Extratipp: Weihnachtsmärkte in Südtirol So richtig in Weihnachtsstimmung kommt man natürlich im Urlaub. Wer im Dezember in Südtirol sein kann, dem seien die kleinen Märkte in kleinen Orten wie in Klausen oder Brixen empfohlen. Hier – aber auch anderswo – geht es besonders beschaulich und traditionell zu. Mit mittelalterlichen Musik, gedämpftem Licht und lokalen Spezialitäten gerät man in entspannte Weihnachtsstimmung.

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olce Vita aus der Dose Ernüchternd: Besuche im italienischen Supermarkt und auf der Lebensmittelmesse Anuga zeigen, wie eine ganze Küchenkultur zum Convenience-Geschäft wird. Text und Fotos: Sonja Theile-Ochel

Im italienischen Supermarkt: Gutbetuchte Bildungsbürger schieben neben sizilianischen Großmütterchen ihre Einkaufswagen durch die Gänge. Ein zehn Meter langer Gang ist allein Hartweizenspezialitäten vorbehalten, deren Form- und Farbvielfalt schier unglaublich ist. Von kurz gekringelt bis meterlang und dünn reihen sich hier die Nudelpakete aneinander. Klein-Tomy wird davon nichts probieren dürfen – er bekommt die Standard-Trockenpasta vom Discounter. Der Geldbeutel schiebt hier dem guten Geschmack einen Riegel vor. Sich selbst leisten die Eltern frische Teigwaren aus dem Kühlregal. Ein Blick in den Einkaufswagen verrät: Heute gibt es „Pan-

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zerotti zola e noci“, Teigware mit Gorgonzola-Walnuss-Füllung also, dazu Safransoße aus dem Glas. Wozu beim Italiener um die Ecke das Geld ausgeben, wenn man sich im gut sortierten Supermarkt ein wenig Dolce Vita nach Hause holen kann? Eben. Die Auswahl im Kühlregal ist riesig: Frische Teigwaren mit Füllungen in allen Variationen und Formen, Sahnesoßen – pur, mit Pilz- oder Lachsgeschmack, Thunfischcreme aus der Tube, Walnusspasten, Mare & Monti in der Tiefkühlschale, vorgegrilltes Gemüse, Frutti di Mare-Cocktails, tiefgekühltes Carpaccio. Wer sich je gefragt


hat, wie es selbst kleine Restaurants schaffen, die Wünsche ihrer Gäste mit einer umfangreichen Speisekarte zu erfüllen, erhält hier Antwort. Auf zur nächsten Runde Desillusionierung – ein Besuch auf der Anuga, bei der 2013 das Top-Thema „Italien“ war. Quadratmeterweise bieten auf Convenience Food spezialisierte Pasta-Fabriken schockgefrostete Teiglinge an. Die passende Soßengrundlage lagert im Regal nebenan. Darf es zur herbstlichen Jahreszeit etwas hausgemachte Pasta mit Steinpilzfüllung an Trüffelbutter sein oder als leichtere Variante die „Gamberi con Zuccine“? Kein

kulinarischer Wunsch der Toskanafraktion bleibt unerfüllt. Die Sehnsucht nach hausgemachter Pasta, die frisch aus den Töpfen dampfend auf dem Teller landet, wird von der Lebensmittelindustrie vortrefflich befriedigt, solange einem der Blick auf die Zutatenliste nicht den Appetit verdirbt. Der kulinarische Trip nach Italien scheint so bequem: vorgefertigte, gefüllte Gnocchi ins sprudelnd kochende Salzwasser in den einen Topf, fertige Sahnesoße aus dem Glas in den anderen – und nach zehn Minuten steht das Urlaubsessen auf dem Tisch. Noch dazu für einen Bruchteil dessen, was das Gericht in der Pizzeria nebenan kosten würde. Vorab gibt es noch leuchtend, ro-

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tes Carpaccio vom Rind aus dem Tiefkühler, das die findige Hausfrau von Welt mit etwas Zitronensaft, Olivenölspritzern und Raukeblättern garniert auf den Tisch zaubert. Doch die Familie verweigert den Ausflug in die bunte Welt der Industrieernährung: Das hauchdünne Carpaccio schmeckt zwar wie im Restaurant – nach nichts. Dem pubertierenden Töchterlein fehlt aber der charmante Hüftschwung von Kellner Gigi. Und auch die Gnocchi könne man essen, eine Wiederholung wird aber energisch abgelehnt und der Ruf nach den handgemachten Kräuter-Gnocchi aus dem Alto Badia laut. Kühnen Zeitschätzungen zufolge erfordert die Zubereitung selbiger nur unwesentlich mehr Zeit und erspart die Entsorgung der sperrigen Verpackungen. Also, es geht auch ohne die Convenience-Industrie. Deshalb hier nun das Rezept für wunderbare Kräuter-Gnocchi. Dafür plant ihr bitte 45 Minuten Zeit ein.

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Ricotta-Gnocchi mit Gemüsesauce 500 g Ricotta 300 g Weizenmehl 3 Eier 110 g weiche Butter Salz Muskatnuss Frische Kräuter: Schnittlauch, Basilikum, Petersilie, Thymian (je ein Bund oder auch etwas weniger) ➸➸ Die Kräuter fein kleinhacken. Die weiche Butter schaumig schlagen, dann mit den Kräutern verquirlen. Mit den übrigen Zutaten zu einem Teig zusammenkneten und ca. eine halbe Stunde im Kühlschrank rasten lassen. In der Zwischenzeit die Gemüsesoße vorbereiten. ➸➸ Aus dem Teig eine fingerdicke Rolle drehen und in kleine Stücke schneiden, über eine Gabel rollen damit die typische Gnocchiform entsteht (diesen Arbeitsgang kann man sich auch sparen, es schmeckt trotzdem). Die Gnocchi in kochendes Salzwasser geben, warten bis sie an die Wasseroberfläche kommen, kurz ziehen lassen und dann mit einer Schaumkelle herausnehmen.


Zutaten Gemüsesauce 1/2 Zwiebel 1 Paprika 2 Karotten 1 Zucchini Parmesan eventuell Speck 1 Knoblauchzehe Salz Pfeffer ➸➸ Die Zwiebel und den Speck etwas anrösten, das kleingeschnittene Gemüse und die zerhackte Knoblauchzehe dazu geben und dünsten lassen. Dann mit Salz, Pfeffer und Gewürze nach Belieben verfeinern. Zum Schluss noch mit Parmesan garnieren.

Als Dreizehnjährige vermerkte die Autorin (Jahrgang 1969) in ihrem Tagebuch, Köchin werden zu wollen. Daraus ist nachweislich nichts geworden. Als Journalistin und Social Media Managerin entwickelt sie nun mit der Agentur Rheinda für Unternehmen Strategien für die Umsetzung eines digitalen Auftritts. Ihrer Leidenschaft für gutes Essen und nachhaltigen Genuss frönt sie in Köln als Guerilla Köchin und bloggt darüber unter küchenzicke.de.

Variation: ➸➸ Sehr lecker schmecken die lockeren Gnocchi auch mit einer Basilikum-Tomatensauce oder im Sommer mit frischen Tomaten.

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o Opa Apfelbäume pflanzte Sauvignon Blanc „Ronco delle Mele“ – Venica & Venica

Ja, der Wein hat eindeutig Aromen nach Salbei und Minze. Kein Wunder. Denn zwischen den Rebstöcken wurden Salbei und Minze gepflanzt, um genau diesen Eindruck zu verstärken. Die Rebstöcke selbst stehen auf einem Hügel, auf dem Opa Daniele Venica in den 1940ern Apfelbäume pflanzte, was dort für eine sehr besondere Bodenbeschaffenheit sorgt. Und deshalb heißt der Wein „Ronco delle Mele“ – Apfelhügel, wenn man so will.

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Sauvignon Blanc gedeiht im Friaul (Norditalien) auf einzigartige Weise. Der Ronco delle Mele ist die Spitze dessen, was das bedeuten kann. Explosiver Geruch nach Holunder und Pfirsich mit extrem langem Finale. Und dazu das typische Friaul-Aroma: Mineralisch, frisch, grasig. Nicht mehr oder weniger als ein Traum für Weißweinfreunde. Zugegeben nicht ganz billig. Aber wer sich was aus Weißwein macht, sollte einmal im Jahr so eine Flasche öffnen!


Foto: Mario Münster

Bleibt die Frage, wozu man diesen Wein trinken sollte. Da 20 Prozent der Trauben für sechs Monate in französischen Eichenfässern reiften, kann man den Tropfen durchaus auch zu etwas kräftigeren Speisen mit hellem Fleisch und Fisch genießen. Perfekt ist er jedoch als Begleiter für Meeresfrüchte – vielleicht eine Pasta mit Venusmuscheln oder gegrillte Garnelen. Und wer ganz verwegen ist, der nimmt ihn einfach als Aperitif und lässt ihn für sich sprechen!

Der Ronco delle Mele wird seit Jahren regelmäßig als einer der besten Weißweine Italiens ausgezeichnet. Man kann ihn für ca. 30 Euro im Fachhandel erwerben. Oder eben direkt bei Venica & Venica, wo es übrigens auch wunderschöne Gästezimmer gibt – und am Swimmingpool steht ein Weinkühlschrank immer gut gefüllt mit einigen Flaschen des Hauses.. www.venica.it

Autor: Mario Münster ist nicht nur Mitherausgeber dieses Magazins. Unter dem Namen ‚The Wine‘ betreibt er einen Online-Shop für Wein samt Showroom in Berlin-Treptow. Er lässt es sich nicht nehmen, in jeder Ausgabe einen Wein vorzustellen, den man nicht bei ihm kaufen kann.

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anpost 2.0: I adore you. An die ehrenamtlichen Engel bei Kältehilfen, dem Roten Kreuz, den Johannitern, den Feuerwehren und anderen Organisationen.

Liebe ehrenamtliche Engel, jetzt, wo es draußen kalt wird und Weihnachten vor der Tür steht, rücken die Menschen zusammen. Im Freundeskreis, in den Familien, sogar am Arbeitsplatz. Kinderaugen leuchten, der erste Schnee fasziniert uns immer noch so wie beim ersten Mal. Wir schmücken unser Zuhause, verlassen es seltener als sonst und halten inne. Auch Euch wird es so gehen. Aber es gibt tausende Menschen, denen es nicht so geht. Die kein Zuhause mit einem

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Tannenbaum haben, die Schnee nicht als kleines Wunder sehen, sondern als Boten der Kälte, der obdachlos sein unerträglich macht. Es gibt Kinder, denen kein Wunsch von den Augen abgelesen werden kann, weil es keine Eltern gibt oder nur solche, die sich ein Wünsche-Erfüllen nicht leisten können. Ihr stiftet einen Großteil Eurer Freizeit um diesen Menschen zu helfen. Ihr leistet erste Hilfe, löscht Feuer und rettet damit Leben. Ihr verpackt Geschenke für Bedürftige. Ihr helft dabei, armen oder obdachlosen


Menschen am Weihnachtstag eine warme Mahlzeit zu servieren. Ihr macht das schwer erträgliche Leben vieler Menschen für einige Augenblicke lebenswerter.

Danke!

Vielleicht seid ihr keine urbanen Bohèmes. urbane Engel seid ihr allemal. Ihr erinnert uns daran, selbst etwas zu unternehmen. Was wir meistens nicht tun. Ihr seid ein leuchtendes Beispiel für Menschlichkeit. Dafür bewundern wir euch und sagen:

und grüßen Euch herzlich,

Das klingt alles zwar furchtbar kitschig, aber wir meinen es ernst

Maren & Mario

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Die Krasse Grafik TyPorn – Voll am Puls der Zeit

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ie krasse Grafik – kollaboratives Arbeiten Grafiken, die Teamarbeit sichtbar machen Text: Maren Heltsche

TEAM-Arbeit – da gibt es ja das alte Sprichwort Team sei die Abkürzung für Toll Ein Anderer Macht‘s. Tatsächlich war jeder schon mal in einer Situation gewesen, in der sie oder er mehr oder weniger zum Gesamterfolg des Ganzen beigetragen hat.

es Dienste im Netz, die die Zusammenarbeit unterstützen. Einer dieser Dienste ist beispielsweise Github. Hier speichern Programmierer ihren Code und laden andere ein, ihre Software mit aufzubauen, zu benutzen oder zu verändern.

Die Feinde sind bekannt und heißen Prokrastination, Faulheit, andere Prioritäten oder Zeitmangel. In der Open Source-Community ist Teamarbeit und persönliches Engagement im Kern

Auf Github findet man zum Beispiel das Betriebssystem Linux oder das Framework Ruby on Rails. An Open Source-Projekten arbeiten oft hunderte oder tausende Menschen. Dazu braucht es Austauschmöglichkeiten, die Kontrolle über Arbeitsschrit-

der Idee verankert. Deshalb sollten alle, die freiwillig oder unfreiwillig in Teamarbeiten verwickelt sind, dort genauer hinschauen. Die Zusammenarbeit an Open Source-Projekten erfolgt meistens virtuell. Und da die Arbeitsteilung beim Programmieren von Software sehr komplex sein kann, gibt

te und die unterschiedlichen Versionen des Projektes im Zeitverlauf. All das stellt Github zur Verfügung. Es ist ein Ort der Transparenz und Ordnung in tendenziell chaotischen Arbeitszusammenhängen. Ein schönes Instrument sind die Grafiken, die wichtige Daten der Zusammenarbeit

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github.com/zaziemo github.com/svenfuchs

visualisieren. Wir haben uns diejenigen herausgepickt, die die eigene Aktivität über den Zeitverlauf mit grünen Kästchen dokumentieren. Das Raster unterteilt Monate in Wochen und Tage. Je dunkler das Kästchen, desto mehr hat man an diesem Tag zu öffentlichen Projekten beigetragen. Das Gesamtbild ist ein schöner Indikator für sich selbst, wann es Zeit wird, sich zu loben oder in den Arsch zu treten.

Und übrigens: auf Github befinden sich nicht nur Software-Projekte. Schön ist auch das Bundesgit – eine Sammlung von Gesetzen und Gesetzentwürfen von ihrer Entstehung bis zur Verabschiedung. Wenn man jetzt noch genau sehen könnte, welcher Lobbyverband für welche Änderungen verantwortlich ist, wäre die Transparenz perfekt.

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OSEGARDEN – immer am Puls der Zeit Was sind schon hundert Jahre in unsrer schnellebigen Zeit! … Überlegungen von Bertram Sturm

1994

1874

Unsere Hausschrift The Serif, angewendet für den riesen Haufen Fließtext, der hier seitenweise Geschichten erzählt, wird kommendes Jahr 20 Jahre alt. Nicht gerade so richtig frisch.

Die Initialen und die schicke Headline „Rosegarden“ auf unserem Titelblatt wurden 1874 von William Hamilton Page entworfen und später von Adobe zur Rosewood Std digitalisiert. Auch nicht gerade der heißeste Scheisz.

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Ach egal, wenn ich schon mal dabei bin: 16. Jahrhundert Das Aldusblatt erblickte in der Frührenaissance das Licht der Welt. Heute ist es benannt nach dem italienischen Buchdrucker und Verleger Aldus Manutius, der mit diesem Herzchen ähnlich inflationär umging wie wir es tun. In seinem Ursprung schmückte es jedoch weit vor Aldus Manutius den Beginn oder den Abschluss eines Textes. Damals hieß es noch Alineazeichen oder auch Hedera-

zeichen (lat. Efeu). Offensichtlich gehört es zu den sogenannten Fleurons, floralen Verzierungen bzw. Ornamenten, die im Buchwesen, aber auch im Bauwesen oder, in der Heraldik vorkommen. Eigentlich ganz schön und nun wirklich sehr passend zu unserem floral assoziierten Namen. Kann man hier noch von einem modernen Layout sprechen? Mit gutem Willen wohl eher von einem zeitlosen. Ganz ehrlich: die Rosen-Icons sind neu! 2013, versprochen!

um 1220 16. Jh., französisch

Hochgotisches Das Aldusblatt

Fialen- Fleuron

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mpressum

Kontaktdaten redaktion@rosegarden-mag.de www.rosegarden-mag.de Postanschrift: Bouchéstraße 12, 12435 Berlin Telefon: +49 (0) 151 240 30 742

Tabea Mathern, Anastazja Moser, Mario Münster, EK Park, Fabrizio del Rincon, Gerd Schoßig, Mario Storch, Bertram Sturm, Sonja Theile-Ochel, Diane Yoon, Dimitra Zavakou Titelfoto: Shutterstock

Herausgeber: Maren Heltsche, Mario Münster Chefredakteur: Mario Münster stellv. Chefredakteurin: Maren Heltsche Anzeigen und Werbung: werbung@rosegarden-mag.de Redakteurinnen und Redakteure (Text): Manuela Czapka, Sven Hätscher, Maren Heltsche, David Hermann, Mario Münster, Raphael Neuner, Nicole Rohde, Karina Roth, Annina Schmid, Mandy Schoßig, Bertram Sturm, Sonja Theile-Ochel, Christiane Weihe Redakteurinnen und Redakteure (Foto/Bild): Mickael Bandassak, Maren Heltsche, Vera Hofmann, Ailine Liefeld,

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Design/Illlustration: Bertram Sturm Lektorat: Mandy Schoßig, Christiane Weihe Rosegarden erscheint in unregelmäßigen Abständen etwa drei Mal im Jahr. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial und externe Links wird keine Haftung übernommen (siehe hierzu: www.rosegarden-mag.de/impressum/) USt-IdNr.: DE269118250


I What you Do 129


Bis zum n채chsten Mal.


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