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KuhSIGNALE

Krankheiten und Störungen früher erkennen

Jan Hulsen

protected

Autor

Jan Hulsen, Vetvice®

Übersetzung aus dem Niederländischen

Giuanna Egger-Maissen, Linguartis

Deutsche Redaktion

Carola Fischer-Tenhagen

Uli Bartsch

Fotografie

Titelfoto: Marcel Bekken

Alle übrigen Fotos: Jan Hulsen, wenn nicht anders angegeben

Zeichnungen

Marleen Felius

Layout

Erik de Bruin, Varwig Design

Mit Beiträgen von:

• Dirk Zaaijer

(Future Fertility Systems, Delden)

• Joost de Veer (Interact bv)

• Otlis Sampimon (Gezondheidsdienst voor Dieren)

• Menno Holzhauer (Gezondheidsdienst voor Dieren)

• Jan Rietjens (PTC+, Horst)

• Joep Driessen (Vetvice)

• Nico Vreeburg (Vetvice)

• Bertjan Westerlaan (Vetvice/DAC Oosterwolde, Oosterwolde (F))

Unser Dank gilt:

Neil Chesterton, Gerrit Hooijer, Paul Hulsen, Aart de Kruif, Dietrich C.J. Landmann (LVA, Echem), Dick de Lange, Jos Noordhuizen, Kees Peeters, Thomas Schonewille, Karl Senne, Zwier van der Vegte, Bert Veldhuizen, hunderten Milchviehhaltern, vielen Tierärzten, Betriebs- und Futterberatern.

Roodbont Publishers B.V.

Postbus 4103

7200 BC Zutphen

Die Niederlande

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© Jan Hulsen, 2019

Kuhsignale gehört zu der erfolgreichen Reihe Cow Signals® , Cow Signals® ist ein eingetragenes Warenzeichen der CowSignals®

Training Company. Kuhsignale-Schulungen und E-Learning werden angeboten von: CowSignals® Training Company. Die Inhalte von CowSignals werden von Jan Hulsen/Roodbont Publishers bereitgestellt.

ISBN 978-3-7843-3342-7

Nichts aus dieser Ausgabe darf ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages durch Druck, Fotokopie oder eine andere Methode vervielfältigt und/oder publiziert werden.

Autor und Verleger haben den Inhalt dieser Ausgabe mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt.

Autor und Verleger haften nicht für eventuellen Schaden, der als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen auf Grund der gegebenen Informationen ensteht.

Vetvice® Group

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4614 PC Bergen op Zoom

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Impressum protected
Inhalt Einleitung 4 1 Bewusst beobachten 6 Vom Großen zum Kleinen 8 Beurteilung der Kuhsignale 9 Sehen und vergleichen 10 Risikogruppen 12 Indikatortiere 12 Risikoorte 14 Risikomomente oder Risikoperioden 15 Absichtsbewegungen 16 Unverstandene Angelegenheiten 17 Anatomie einer Kuh 18 Risikomanagement 20 Erfolgsfaktoren 21 2 Auf der Weide 22 Gesundheit, Normalwerte und Risiken 22 Ein echter Grasfresser 23 Naturwiesen und Ammenkuhhaltung 24 Die Sinnesorgane 25 Sozialverhalten 26 Hinlegen und Aufstehen 28 Brunst 29 Aufmerksamkeit für Wohlbefinden 30 Klauen auf der Weide 31 Bewegungsscore 32 3 Im Stall 34 Mit anderen Augen betrachtet 35 Unterschiede zwischen Tieren 35 Rangordnung und Platz 36 Risikoorte 37 Licht und Klima 38 Spalten und andere Böden 39 Klauenbeurteilung 40 Klauenprobleme 41 Folgen von Klauenproblemen 42 Liegebedürfnis 43 Liegeboxen, Fress- und Liegeplätze 43 Sehen und verstehen 47 Im Stroh 48 4 Fütterung und Verdauung 50 Pansenbeurteilung 52 Kot 54 Kotbewertung A 55 Kotbewertung B 56 Rationsgestaltung 57 Futteraufnahme 58 Anordnung von Fressgitter und Futtertisch 59 Wasser 60 Körperkonditionsbeurteilung 61 Körperkonditionskarte 62 Was sagt die Konditionsbeurteilung aus 63 Risikogruppen 64 5 Im Melkstand 66 Lernen mehr zu sehen 67 Verhalten beim Hereinkommen 68 Verhalten beim Verlassen 68 Ruhe beim Melken 69 Verhalten während und nach dem Melken 70 Sauberkeit und Hygiene 71 Sprunggelenke 72 Klauen 73 Milch prüfen 74 Zitzengesundheit 75 Zitzenbeurteilung 76 Pansenfüllung 77 6 Automatisches Melken und Gesundheit 78 Erfolgsfaktoren für automatisches Melken 78 Kuhverkehr 80 Klauengesundheit 80 Aktive Kühe mit Fresslust 82 Selbsteinschätzung 83 Gesundheit 84 Krankheit und Beschwerden 85 7 Jungtiere und Trockensteher 86 Allgemein oder betriebsspezifisch 86 Wachstum und Entwicklung 87 Die ersten Lebenstage 88 Veränderungen 89 Lernende Kühe 90 Jungtieraufzucht 91 Trockenstellen 92 Rund um die Geburt 95 Inhalt protected

Bewusst beobachten

Alles wahrzunehmen, heißt alles an einer Kuh, einem Kalb oder einem Bullen und an Rinderherden zu beobachten. Die Signale zu erkennen, die eine Kuh ständig sendet: das ist die Herausforderung von kuhgerechtem Management. Diese Informationen können Sie verwenden um das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Produktion Ihrer Tiere zu erhalten und zu optimieren. Und das zahlt sich aus!

Um genau zu verstehen, warum eine Kuh ein bestimmtes Verhalten zeigt, müssten Sie in die Haut des Tieres schlüpfen. Das ist unmöglich. So müssen Sie versuchen, möglichst alle Signale der Kuh wahrzunehmen. Kuhsignale liefern wichtige Informationen für Ihre Betriebsführung. Wahrnehmen unterscheidet sich vom bloßen Sehen. Man kann etwas betrachten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Bewusstes Beobachten liefert Informationen, mit deren Hilfe die Betriebsführung unmittelbar verbessert werden kann.

Sie können auf zwei Arten bewusst beobachten:

1. Zielgerichtet Beobachten. Sie suchen nach bestimmten Dingen. Sie kontrollieren den Betriebsablauf und achten besonders auf risikoreiche Situationen.

2. Unbefangen Beobachten.

Vergessen Sie alle Entschuldigungen und Erklärungen, warum etwas nicht so läuft, wie es Ihnen vorschwebt. Tun Sie so, als seien Sie zu Besuch.

6 KAPITEL 1
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Nehmen Sie sich täglich Zeit, Ihre Tiere gut zu beobachten.

Fragen stellen:

Stellen Sie sich die folgenden Fragen.

Was sehe ich?

Beschreiben Sie die Situation sachlich.

Warum ist das so?

Suchen Sie nach der Ursache.

Was bedeutet das?

a. Handelt es sich um das Signal eines Einzeltieres oder von mehreren Tieren (Herdensignal)?

b. Ist es eine positive Information oder muss ich eingreifen?

Indem Sie abwägen: „Ist diese Information positiv oder muss ich eingreifen?” vergleichen Sie die erhaltene Information mit einem „Normwert”. In diesem Buch sind die Kühe der Mittelpunkt. Sie sind der Messwert unseres Ziels: zufriedene, gesunde und leistungsfähige Kühe. Normen werden in messbaren Einheiten angegeben, wie z.B. Zentimeter für Liegeboxenabmessungen, Kilogramm für Einstreu und strukturiertes Futter. Dies sind abgeleitete Werte, die nur Informationen über den Weg und nicht über das Ziel beinhalten. Zehn Zentimeter Einstreu ist z.B. eine Norm, um einen guten Liegekomfort zu erzielen. Der kann aber auch mit einer weichen Matte oder einem guten Sandbett erreicht werden. Normen müssen also immer wieder diskutiert werden.

Dadurch können sich Messpunkte unterscheiden oder auch im Laufe der Zeit ändern. Bewusst beobachten

Was sehe ich?

Ein Kalb besaugt ein anderes Kalb.

Wie kommt das?

Das Tier hat ein Saugbedürfnis und befriedigt dieses. Meist saugt es immer beim selben Artgenossen.

Was bedeutet das?

Die Zitzen des besaugten Kalbes können gequetscht und dadurch infektionsanfällig werden. Es können Verwachsungen entstehen.

Beste Lösung:

Das saugende Tier von den anderen Tieren trennen, denn es wird dieses Verhalten sein Leben lang zeigen.

Was sehe ich?

Viele der Färsen haben Verletzungen an den Sprunggelenken.

Wie kommt das?

Solche Verletzungen entstehen durch Liegen auf rauer, harter Oberfläche. Das Problem wird durch zu kleine Liegeboxen verstärkt.

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Was bedeutet das?

Die Tiere haben Schmerzen beim Laufen und Hinlegen. Es können Entzündungen entstehen. Die Tiere werden sich ungern hinlegen.

Lösung:

Vergrößern Sie die Boxen und sorgen Sie für weiche Liegeflächen.

Die Messpunkte für Normen sind betriebsspezifisch. Sie wählen die Messpunkte, die Sie am wichtigsten finden und die Sie beeinflussen können. 7

Auf der Weide

Eine Kuh auf der Weide fühlt sich wohl. Die Weide entspricht ungefähr dem natürlichen

Lebensraum des Rindes. Hier kann man viele Verhaltensweisen der Kühe beobachten, insbesondere Sozialverhalten wie Spiel und Rangordnungskämpfe. Auch die Bewegungsabläufe der Kuh sind auf der Weide am wenigsten eingeschränkt. Sie kann ungehindert stehen, fressen, gehen und sich hinlegen.

Auf der Weide kann der Landwirt ungehindert von Boxen, schmalen Laufgängen usw. sehen, wie es um das Wohlbefinden einer Kuh steht. Welche

Kuhsignale sehen Sie, wenn Sie sich die Zeit nehmen, Ihre Kühe vom Weidezaun aus oder auf der Weide zu beobachten?

Gesundheit, Normalwerte und Risiken

Tiere auf der Weide geben uns viele Informationen über ihr natürliches Verhalten und ihre Bedürfnisse. Die Weide dient oft als ‘Goldstandard’ für

Stalleinrichtung und kuhgerechtes Management.

Aber auf der Weide drohen auch Gefahren, vor denen der Stall schützt, z.B. Magen-Darm- oder Lungenwürmer und Ansteckung mit Krankheiten von Nachbarherden. Trächtige Färsen und trockenstehende Kühe sind auf der Weide besonders gefährdet, da diese Gruppen kaum oder nicht zugefüttert werden. Besonderheiten in der Bewegung, der Pansenfüllung und im Sozialverhalten sind Signale, einzelne Tiere oder Gruppen intensiv zu beobachten.

22 KAPITEL 2
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Sind die Kühe auf der Weide, sehen Sie die Tiere seltener. Kontrollgänge sind jetzt sehr wichtig.

Ein echter Grasfresser

Den Kopf schwenkend frisst die Kuh alles Gras in ihrer Reichweite. Dann läuft sie ein paar Schritte und frisst weiter. So frisst eine Kuh ungefähr ein Kilogramm Trockenmasse schmackhaftes Gras pro Stunde. Sie grast ca. 11 Stunden täglich und käut 4 - 5 Stunden wieder.

Im Stall muss der Futtertrog zehn bis fünfzehn Zentimeter hoch sein, um das natürliche Fressverhalten auch im Fressgitter zu ermöglichen.

Bei Überempfindlichkeit der weißbehaarten Haut, kann Sonnenbrand entstehen. Ursache: Leberfunktionsstörungen oder bestimmte Pflanzen (Johanniskraut, Buchweizen). Die Patienten sind sehr krank und müssen möglichst schnell aus der prallen Sonne in den Stall.

Kontrollen während des Weidegangs

Während des Weidegangs sind Kontrollgänge unentbehrlich. Auf bestimmte Zeichen sollten Sie besonders achten.

Haarfarbe, Glanz, ungewöhnliches Verhalten und Durchfall. Krankheit und Schmerz zeigen sich zuerst durch ungewöhnliches Verhalten. Das Tier ist träge, kann der Herde nur mühsam folgen, es frisst und trinkt weniger oder zu anderen Zeiten und sondert sich ab. Pansenfüllung, Darmfüllung und Körperkondition. Diese geben Informationen über die heutige Futteraufnahme bzw. die der letzten Tage und Wochen.

Homogenität der Herde. Gibt es Unterschiede zwischen den Tieren?

Welche sind das? Warum ist das so? Was bedeutet das?

Fressverhalten. Wo und was fressen die Tiere? Das Fressverhalten liefert Signale über Futteraufnahme, Risiken durch Giftpflanzen und Parasiteninfektionen.

Spezifische Kontrollen. Im Frühjahr fordern Geburten besondere Aufmerksamkeit, danach Fruchtbarkeit und Trächtigkeit. Achten Sie bei vermindertem Pflanzenwuchs auf die Futteraufnahme. Die Mineralstoffversorgung erfordert regelmäßige Aufmerksamkeit. Besonderheiten. Achten Sie auf Verletzungen, Zecken, Fliegenbefall, Juckreiz, Lahmheiten, Augen- und Euterentzündung.

Bei heißem, sonnigem Wetter suchen Kühe Abkühlung im Schatten. Bei extremen Wetterverhältnissen nimmt die Futteraufnahme stark ab. Die Pansenfüllung ist dann ein wichtiger Kontrollpunkt.

Diesen Bullen juckt es. Er hat Läuse. Mit seinen Hörnern kratzt er sich am Brustkorb kahl, das Fell im Rückenbereich ist nassgeleckt.

23 Auf der Weide
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Infektionsdruck während des Weidegangs

Die Risiken einer Fläche werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Grasen die Tiere nur auf einem kleinen Weidestück, steigt der Infektionsdruck von Magen-Darm- und Lungenwürmern stark an. Das kann passieren, wenn an bestimmten Stellen zugefüttert wird oder es wenig Tränken gibt.

Eicheln

Kühe fressen selten giftige Pflanzen. Sie tun dies nur, wenn diese im Futter vermischt sind oder bei Futtermangel. Eicheln sind eine Ausnahme. Kühe fressen Eicheln gern. Reife Eicheln enthalten kaum Giftstoffe. Unreife Eicheln aber sind giftig und verursachen Magen-Darmbeschwerden, Durchfall und Todesfälle.

Naturwiesen und Ammenkuhhaltung

Landschaftspflege mit Rindern hat ihre Besonderheiten. Die Grasqualität ist sehr unterschiedlich, es gibt Kräuter, Gräser, Sträucher und Bäume. Auch das Gelände kann sehr abwechslungsreich sein. Der Landwirt muss sich und seine Tiere erst an ein Gebiet gewöhnen. Dies bedeutet anfangs intensive Betreuung. Zusatzuntersuchungen wie Blut- und Kotproben oder evtl. Sektionen können wichtige Informationen liefern.

Die Tiere müssen die Gebietsgrenzen kennen lernen, Wasser finden und eine Herdenrangordnung herstellen. In der Extensivhaltung ist es schwierig, Tiere aus dem Herdenverband zu isolieren. Lösung: Gattern Sie die gesamte Herde ein und nehmen Sie dann das gewünschte Tier aus der Gruppe.

Suchbild

Was ist hier passiert ?

dem Maul des Kalbes, das gesaugt hat.

ist zerquetscht, er ist zerkaut worden. Er kommt aus

glänzt vom Speichel. Der daran klebende Grashalm

In trockenen Jahren grasen die Tiere an Stellen, wo es feucht ist und noch Gras wächst. Dort besteht neben dem hohen Infektionsdruck von Magen-Darm- und Lungenwürmern ein erhöhtes Risiko für Leberegel. Dieser gefährliche Parasit vermehrt sich in Wasserschnecken, die am Ufer leben.

Dieses Euter ist

vollständig ausgesaugt. Die Zitzenhaut

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Die Sinnesorgane der Kühe

Will man die Wahrnehmungen einer Kuh verstehen, muss man sich in das Tier hinein versetzen. Aber Vorsicht: Kühe sind anders als Menschen.

Kühe hören anders als Menschen Menschen hören am besten Töne zwischen 1 000 und 4 000 Hertz, eine Kuh dagegen bei 8000 Hertz. Sie hört also höhere Töne besser und hört Geräusche, die wir nicht wahrnehmen. Warn- und andere Kuhlaute liegen im Bereich des besten Hörens der Kuh. Menschen können dafür die Herkunft von Geräuschen besser lokalisieren.

Kein Futter das stinkt

Kühe können ausgezeichnet riechen. Gerüche spielen eine wichtige Rolle in ihrem Verhalten. Die Futterauswahl geschieht über den Geruch. Kotgeruch finden sie abstoßend. Rinder grasen nicht in der Nähe ihrer eigenen Kuhfladen, nur wenn dies unvermeidlich ist (bei Futtermangel). So entstehen auch Grasbüschel auf der Weide. Fehlende Grasbüschel kann auf Futtermangel weisen. Speichelgeruch finden sie ekelhaft. Im Stall müssen Futter und Futtertrog herrlich frisch riechen, ohne Mist-, oder Speichelgeruch anderer Kühe.

Augenstellung

Die Kuh ist ein Fluchttier. Ihre Augen befinden sich seitlich am Kopf. So hat die Kuh ein Sichtfeld von fast 360°. Aber sie kann nur in einem kleine Feld direkt vor ihr räumlich sehen, dass heißt Abstände abschätzen. Darum ist es besser, sich einer scheuen Kuh von der Seite oder schräg von hinten zu nähern, weil sie dann nicht erkennt, dass man näher kommt. Einer zahmen Kuh nähern Sie sich von vorne, gerade damit sie Sie gut sehen kann. Kühe sind kurzsichtig. Auch Licht und Dunkelheit empfinden Kühe anders als Menschen (siehe Kapitel 3).

Kuh und Hund lernen sich kennen, wobei die Kuh ihre wichtigsten Sinnesorgane einsetzt: Augen, Ohren und Nase.

Der Geruch von Kuhfladen stört die Kühe beim Grasen. So entstehen die bekannten Grasbüschel.

Das Sehfeld einer Kuh. Nur im grünen Feld vor der Nase sehen Kühe dreidimensional und können sie Abstände gut einschätzen.

Auf der Weide
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Bewegungsscore

Die Beurteilungsmethode ist für einzelne Kühe sinnvoll, um ein Bild der Herdengesundheit zu bekommen. Die Kühe sollten dazu über eine ebene, harte und griffige Oberfläche laufen. Treffen Sie Maßnahmen zur Verbesserung der Klauengesundheit, wenn die Anzahl der Tiere mit Score 2 und 3 zunimmt. Schwerpunkte: Infektionsdruck, Klauenpflege und Fütterung.

Rücken im Stehen: flach und waagrecht

Rücken im Stehen: flach und waagrecht Rücken im Stehen: gekrümmt

Rücken beim Laufen: flach und waagrecht Rücken beim Laufen: aufgewölbt Rücken beim Laufen: gekrümmt

Bewegungsscore 1

Der Gang einer gesunden Kuh

Das Tier steht und läuft normal. Es setzt alle Klauen trittsicher auf, die Hinterklauen in den Spuren der Vorderklaue.

Schlussfolgerung: Das ist gut.*

Bewegungsscore 2

Der leicht abweichende Gang

Die Kuh steht normal, aber krümmt den Rücken beim Laufen auf. Sie hält den Kopf tiefer und nach vorn gestreckt. Der Gang ist leicht abweichend.

Schlussfolgerung: Aufmerksamkeit ist geboten.*

Bewegungsscore 3

Die geringe Lahmheit Sowohl im Stehen als auch beim Laufen krümmt die Kuh den Rücken. Sie macht mit einem oder mehreren Beinen verkürzte Schritte.

Schlussfolgerung: Die Kuh muss sofort wirksam behandelt werden.*

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Quelle: Steven L. Berry, DVM, MPVM, Univ. Of Davis, CA en Zinpro Corporation. (1997)
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Rücken im Stehen: gekrümmt

Gleichgewichts. Diese Kuh ist vorne rechts lahm.

Rücken beim Laufen: gekrümmt

Bewegungsscore 4

Die lahme Kuh

Das Tier schont eine oder mehrere Klauen. Sie hält ihren Rücken krumm, sowohl im Stehen als auch beim Laufen.

Schlussfolgerung: Dies ist eine kranke Kuh, die möglichst schnell behandelt und gepflegt werden muss.*

Rücken beim Laufen: gekrümmt / nicht zu beurteilen

Bewegungsscore 5

Die schwer lahme Kuh

Das Tier hat einen krummen Rücken. Sie belastet ein Bein gar nicht oder hinkt. Sie bleibt liegen oder hat große Schwierigkeiten aufzustehen.

Schlussfolgerung: Diese schwer

kranke Kuh benötigt intensive Pflege und ärztliche Hilfe.*

* Schlussfolgerungen stammen vom Autor .

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steht. Die Vorderbeine

auf dem gesunden Bein

hebt den Kopf, wenn sie

des kranken Beines. Sie

Kopf bei der Belastung

gesunden Bein steht.

wenn sie wieder auf dem

lässt den Kopf herunterfallen,

das kranke Bein belastet und

Typ Lahmheit und Ursache

Kopf nach oben, wenn sie

• Bei Lahmheit eines Vorderbeines wirft sie den

Bein zu entlasten.

dienen zur Erhaltung des Auf der Weide

Gegengewicht, um das kranke

benutzt dabei ihren Kopf als

Vorderoder Hinterbein. Sie

Die Kuh „fällt” auf das gesunde

Stützbeinlahmheit: Schmerzen in Knochen und Gelenken, oft unten an den Klauen. Bewegung schmerzt nicht, Belastung schon. Die Kuh führt ihren Fuß gut vor, die Stützphase ist verkürzt.

Hangbeinlahmheit: Schmerzen in Sehnen oder Muskeln, die Bewegung schmerzt. Das Tier versucht, das Bein möglichst wenig zu bewegen, hat aber keine Schwierigkeiten beim Auftreten. Auch Mischformen kommen vor.

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Suchbild
Welches Bein ist lahm?
• Bei Lahmheit eines Hinterbeines senkt sie den
Rücken im Stehen: gekrümmt

Im Stall

Eine nachhaltige Milchviehhaltung stützt sich auf eine optimale Gesundheit, auf ein optimales Wohlbefinden und eine optimale Leistung der Kühe. In den meisten Gegenden verbringen Kühe mindestens sechs Monate des Jahres im Stall. In einem guten Stall fühlen sich die Kühe wohl, bleiben gesund oder können sich erholen, zeigen ein natürliches Verhalten und bewegen sich ohne Stress und Risiken. Die Aufstallung sollte an die Eigenschaften der Kühe und ihre Bedürfnisse angepasst sein und nicht umgekehrt.

Der Stall ist ein sehr komplexes System. Es setzt sich aus vielen Bereichen zusammen: die Stalleinrichtungen (Fressgitter, Abkalbebox, offene Front), das Platzangebot (Laufgangbreite, Dachhöhe), die Ausstattung (Beton- oder Gummiböden, Tiefstreustall), das Management (Hygiene, Fütterung, Auslastung) und die Kühe als Bewohner. Zum Beispiel stellen lahme Kühe höhere Anforderungen an den Boden, die Laufgänge und die Liegeboxen als gesunde Kühe. Der Zugang zu Rau- und Kraftfutter hat entscheidenden Einfluss auf Rangord-

nungskämpfe und beeinflusst so die Ansprüche an die Laufflächen. Was ist ein guter Stall? Es gibt nur einen Faktor, der das bestimmt: die Kuh. Der Mensch muss die Bedürfnisse der Kuh in Baupläne umsetzen.

Kühe, Futter und Menschen ändern sich ständig. Darum müssen wir die Richtlinien für einen guten Stall immer neu definieren. Der Landwirt muss versuchen mit seinem gesunden Bauernverstand eine optimale Lösung zu finden. In der Praxis heißt das abwägen. Zu viel oder zu wenig des Guten kostet oft Leistung.

34 KAPITEL 3
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Ein heller Stall und ruhende Tieren. Aber sehr voll.

Die fünf Freiheiten des Tieres

1. Freiheit von Durst, Hunger, Unterernährung.

2. Freiheit von körperlichen Unannehmlichkeiten.

3. Freiheit von Schmerz, Verletzung und Krankheit.

4. Freiheit zu normaler Verhaltensäußerung.

5. Freiheit von Angst und chronischem Stress. Brambell (1965)

Die europäischen Tierschutzbestimmungen basieren auf den fünf oben genannten Freiheiten. Man kann sie mit Kuhsignalen messen.

Mit anderen Augen betrachtet Beurteilen Sie vom Großen zum Kleinen. Beginnen Sie mit der Beobachtung von Tiergruppen. Wo halten sie sich auf? Es gibt viele Gründe, warum Kühe und Kälber bestimmte Orte im Stall meiden. Denken Sie an Wärme, Kälte und schlechte Luft, an Liegeboxenkomfort, glatte Spaltenböden, Brunst oder Rangordnungskonflikte.

Unterschiede zwischen Tieren

Vergleichen Sie, ob die Herde einheitlich erscheint oder ob große Unterschiede zwischen Tieren bestehen. Achten Sie auf:

Entwicklung der Tiere. Sind die Färsen viel kleiner als die Kühe?

Kontrollpunkt: Jungtieraufzucht Körperkondition. Sind mehr als zehn Prozent der Tiere zu dick oder zu dünn? Das deutet auf ungleiche Futteraufnahme oder Futterverwertung hin.

Genuss pur. Die Kuh speichelt vor Vergnügen, sie geht gerne zur Bürste. „Striegeln ist füttern“ sagen die alten Bauern. Die Bürste dreht sich, wenn eine Kuh sie berührt.

Dreckige Kühe können auf mangelhafte Stallhygiene hinweisen oder darauf, dass die Kühe vor kurzem Durchfall hatten. Gute Stallhygiene heißt geringes Infektionsrisiko. Durchfall tritt bei Fütterungsfehlern oder Krankheit auf.

Kontrollpunkte: Futterplatz, Verfügbarkeit von Futter, Klauengesundheit, Futterqualität und Strukturgehalt.

Farbe, Glanz und Sauberkeit des Fells. Fellglanz ist ein Zeichen von Gesundheit, Verschmutzung immer ein negatives Signal.

Bauch- und Pansenfüllung. Unterschiede entstehen durch ungleiche Futteraufnahme in den letzten Tagen.

Warum haben die Kühe weniger gefressen? Sind es Risikotiere? Hochleistungskühe und hochträchtige Kühe müssen möglichst schnell wieder genügend fressen.

Besonderheiten, z. B. Hautverletzungen.

Suchbild

Ein Drittel der Kühe in dieser Herde haben eine Beule am Buggelenk. Was bedeutet das?

so etwas.

35 Im Stall
Das Fressgitter ist falsch konstruiert oder die Kühe müssen sich zum Fressen zu sehr strecken. Besserer Zugang zum Futter verhindert
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Im Melkstand

Die Milchkühe kommen einzeln in den Melkstall. Sie bleiben etwa fünf Minuten auf einer Stelle stehen; Euter, Bauch und Beine sind gut sichtbar.

Beim Anrüsten betasten Sie das Euter und die Zitzen und kontrollieren das Vorgemelk. Dann

wird die Kuh gemolken. Wie viel Milch ist es?

Melken ist eine tägliche Routine mit vielen Gelegenheiten, Kuhsignale wahrzunehmen.

Für viele Landwirte ist das Melken die schönste Zeit des Tages. Sie genießen die Ruhe und den engen Kontakt zu den Kühen. Ruhe im Melkstand ist ein gutes Zeichen. Die Tiere fühlen sich wohl und zeigen, ob sie gesund oder krank sind. Unruhe entsteht durch Angst, Schmerzen oder Irritation.

Ausgeglichene Melker wirken beruhigend auf die Kühe. Diese Menschen haben meist ein ausgezeichnetes Gefühl für die Tiere und wissen alles über jede einzelne

Kuh. Leider besitzen nicht alle Tierhalter diese Fähigkeiten. Sie müssen sich mit viel Mühe alle Informationen über ihre Tiere erarbeiten und aufzeichnen. Arbeiten mehrere Leute im Melkstand müssen wichtige Informationen, wie Milchsperre durch Antibiotika, zuverlässig weitergegeben werden. Notieren Sie diese Informationen und hängen Sie eine Informationstafel an einem gut sichtbaren Ort auf.

66 KAPITEL 5
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Im Melkstand kann man die Kühe hervorragend aus der Nähe beobachten.

Lernen, mehr zu sehen

Nur wenn man sich viel Zeit zum Beobachten nimmt, sieht man auch etwas. Auch für den Melkstand gilt, man kann lernen, mehr zu sehen. Dafür sollte man sich eine sichere Routine angewöhnen z.B. immer Vorgemelk, Pansen füllung, Sprunggelenke und Klauen kontrollieren.

Wenn sich der Melker am Arbeitsplatz wohl fühlt, kommt dies seiner Arbeit zugute. Achten Sie auf ausreichend Licht, damit das wichtigste Objekt im Melkstand gut beleuchtet ist: das Euter. Ein guter Melkstand ist im Winter warm und im Sommer kühl. Zugluft und Fliegen sind unerwünscht.

Lernen Sie Ihre Kühe kennen. Dieser Betrieb arbeitet mit automatischer Kuherkennung. Die Kuh hinter der markierten Kuh hat die Registriernummer 103. Viele Landwirte erkennen ihre Kühe schneller am Euter, als am Kopf oder an der Fellzeichnung.

Genug Licht am Arbeitsplatz (mindestens 250 Lux) sorgt für ein gutes Arbeitsklima und dafür, dass man sieht, was man sehen muss. Bringen Sie Lampen an, wo es nötig ist. Ein Ventilator bringt frische Luft, verjagt Fliegen und vertreibt den Dampf eines Fußbades aus dem Melkstand.

Je besser Sie die Kühe sehen können, desto mehr Informationen können Sie erhalten. Können Sie ihre Kühe im Melkstand nicht gut sehen, müssen Sie mehr Zeit für Beobachtungen im Stall aufbringen.

67 Im Melkstand
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TopAgrar-Archiv

In Ställen mit einem Melkroboter entscheiden

die Kühe selbst, wann sie zum Melken gehen. Sie werden mit schmackhaftem Kraftfutter angelockt. Gehen die Kühe nicht freiwillig, hapert es am System. Es gibt nur wenige Unterschiede

zwischen Betrieben mit einem Melkstand und Betrieben mit Roboter. Nur rächen sich Mängel

in der Betriebsführung härter als bei anderen Melksystemen.

Für kuhgerechtes Management mit einem Melkroboter ist eine sehr kurze Reaktionszeit äußerst wichtig. Der Tierhalter muss schnell und richtig auf Kuhsignale reagieren. Eine leicht lahme Kuh kann zwar noch mit gewissem Zwang in den Melkstand gebracht werden, wird den Roboter jedoch nicht mehr freiwillig aufsuchen.

Automatisches Melken bedeutet nicht, dass die Kühe weniger Aufmerksamkeit benötigen. Im Gegenteil: Es erfordert ein viel kuhgerechteres Management.

Erfolgsfaktoren des automatischen Melkens

Für einen erfolgreichen Roboterbetrieb muss das Folgende gegeben sein:

1. Alle Kühe müssen absolut gesund und stressfrei sein.

2. Jede Kuh muss problemlos zum Roboter gehen können: gute Klauengesundheit und keine Hindernisse im Stall.

3. Die Kuh muss im Roboter eine Belohnung finden: einen schmackhaften Happen.

Automatisches Melken und Gesundheit protected

78 KAPITEL 6

Menge an Informationen

Der Melkroboter sammelt viele Informationen, die Sie in der täglichen Arbeit gut gebrauchen können. Zum Beispiel:

Anzahl der Besuche pro Tag, Anzahl Zusatzbesuche/Verweigerungen (zu früh zurückgekehrte Kühe)

meldet Kühe, die länger als zwölf Stunden nicht gemolken wurden

Betriebe mit einem Melkroboter streben mehr als zwei Melkzeiten pro Tag an. Das erhöht die Milchleistung und entlastet das Euter. In der Praxis gehen die Kühe 2,5 bis 2,7 Mal zum Melken. Hochleistungskühe sollten unbedingt

Milchleistung pro Kuh

Leitfähigkeit der Milch

Temperatur der Milch

Farbe der Milch

Flocken im Milchfilter

Melkzeiten und Melkgeschwindigkeit

Suchbild

Was sieht man hier?

eingeschränkt.

Hinweis auf Mastitis

3 bis 4 Mal gemolken werden, weniger produktive Tiere können den Roboter seltener besuchen. Wenn eine Kuh zu früh zurückkommt, weigert sich der Roboter, sie zu melken.

als eine Kuhlänge, darum ist der Bewegungsraum

ist. Die Laufgangbreite beträgt etwas mehr

Pansen der roten Kuh im Vordergrund wenig gefüllt

viele Kühe in den Liegeboxen stehen und dass der

bar sein. In diesem schön hellen Stall fällt auf, dass

Wie hier muss der Roboter für die Kühe gut sicht-

Informations- und Bedienungsbildschirm eines Melkroboters. Es wird die Leistung jedes Viertels angezeigt. Zwischen dem Viertel links vorne und links hinten gibt es mehr als 2,5 Liter (kg) Unterschied.

Durch die Vernetzung des Melkroboters mit einem Managementprogramm kann der Tierhalter sich sofort einen Überblick über die Lage verschaffen.

Eine Dreistrich-Kuh, bei der das linke Vorderviertel bereits ausgemolken und der Melkbecher abgenommen wurde. Ein Roboter nimmt die Melkbecher von jedem Viertel ab, sobald es ausgemolken ist. Dadurch gibt es kein „Blindmelken“ und die Belastung der Zitzen ist gering.

79 Automatisches Melken und Gesundheit
Sagt etwas über die Aktivität der Kühe aus.
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Kühe geben ständig Signale ab, aus denen sich zahlreiche Informationen über Gesundheit, Wohlbefinden, Ernährung und Leistungsfähigkeit ableiten lassen. Die Kunst eines guten Tierhalters besteht darin, diese Signale zu empfangen und darauf zu reagieren

Tierarzt und Kuhliebhaber Jan Hulsen hat in dem Buch Kuhsignale seine umfassenden Kenntnisse und Erfahrungen mit Landwirten und ihren Kühen aufgeschrieben.

So wurde dieses reich illustrierte Buch zu einem idealen Leitfaden für die Praxis. Sie können lernen Verhalten, Haltung und körperliche Merkmale von Einzeltieren oder der Kuh in der Herde zu beobachten und zu beurteilen. Dabei kommt es besonders darauf an, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, sondern sich immer wieder die drei Grundfragen zu stellen: Was sehe ich? Woher kommt das? Was bedeutet das?

So kann eine Beule an der Schulter einer Kuh Aufschluss über das Fressgitter bieten, und es kann ein Anzeichen für unkomfortable Liegeboxen sein, wenn die Kühe darin stehen bleiben. Mit solchen Erkenntnissen können Sie dann gezielt Maßnahmen zur Verbesserung der Leistung der Herde ergreifen.

Überall und jederzeit können Signale empfangen werden, wenn man eine ,Antenne‘ dafür hat. Mit dem Buch Kuhsignale können Sie Ihre Sinne dafür schärfen.

Krankheiten und Störungen früher erkennen

KuhSIGNALE
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Informationen ab, wenn man dafür die richtige ‚Antenne’ besitzt.’
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