Nicht die üblichen Verdächtigen: 5 Schwachpunkte im Umweltmonitoring

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Ausgabe 15

Eine Veröffentlichung von Romer Labs®

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Selbst die bestgeplanten Reinigungs- und Desinfektionsüberwachungsprogramme haben ihre Schwachstellen. Stefan Widmann wirft einen genaueren Blick auf fünf der wahrscheinlichsten und gefährlichsten Schwachpunkte Ihres Umweltmonitorings. Von Stefan Widmann, R&D Team Lead, Romer Labs

Spot On ist eine kostenlose Veröffentlichung der Romer Labs Division Holding GmbH. ISSN: 2414-2042 Editor: Joshua Davis

Mitwirkende: Cristian Ilea, Florin Soptica, Stefan Widmann

10-13 Revolution oder nur Evolution? Durchflusszytometrie und Reinigungs-/Desinfektionsüberprüfung in Lebensmittelproduktionen Lebensmittelhersteller müssen sorgfältig darauf achten, ihre Produktionsumgebung sauber und frei von pathogenen Mikroorganismen zu halten. Wie wird das bewerkstelligt und welches Potenzial hat die Durchflusszytometrie bei der Überprüfung von Reinigungs- und Desinfektionsprogrammen? Von Cristian Ilea, Head of Marketing and Product Management, Romer Labs

Grafik: GraphX DSM Austria Forschung: Kurt Brunner

Herausgeber: Romer Labs Division Holding GmbH Erber Campus 1 3131 Getzersdorf, Austria Tel: +43 2782 803 0 www.romerlabs.com ©Copyright 2023, Romer Labs® Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Publikation darf ohne schriftliche Genehmigung des Urhebers in irgendeiner Form für kommerzielle Zwecke vervielfältigt werden. Alle hierin enthaltenen Fotos sind Eigentum von Romer Labs oder werden mit Lizenz verwendet.

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Impedanz-Durchflusszytometrie und ihre Verwendung bei der Produktionsüberwachung von Lebensmitteln

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Was ist die Durchflusszytometrie, wie funktioniert sie, und welche Anwendung könnte sie bei der Überwachung von Lebensmittelproduktionen haben? Florin Soptica und Stefan Widmann beantworten diese Fragen und viele mehr. Von Florin Soptica, Product Manager, Romer Labs, und Stefan Widmann, R&D Team Lead, Romer Labs

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Editorial Erkennen Sie die Schwachstellen Ihres Umgebungsmonitoringprogrammes mittels Durchflusszytometrie Das Vorhandensein von Bakterien in Lebensmittel- und Getränkeherstellungsanlagen kann die Haltbarkeit und Qualität von Produkten beeinträchtigen. Krankheitserreger können sogar zu Lebensmittelvergiftungen führen. Aus diesem Grund ist die Reinigung und Desinfektion Ihrer Anlagen sowohl für die Lebensmittelsicherheit als auch für den Schutz Ihres Rufs und Ihres Unternehmens von größter Bedeutung. Aber es ist nicht immer einfach, gegen etwas vorzugehen, das man nicht sehen kann. Eine visuelle Inspektion kann zwar hilfreich sein, aber sie allein reicht nicht aus. Herkömmliche mikrobiologische Methoden ermöglichen oft keine vorbeugende Kontrolle und keine präoperativen Maßnahmen, da es Tage dauert, bis die Laborergebnisse vorliegen. ATP-Tests sind zwar einfach und schnell, quantifizieren aber biologische Rückstände, die kein aussagekräftiger Indikator für die Desinfektionswirksamkeit sind. Doch trotz dieser Einschränkungen wird von Ihnen erwartet, dass Sie schnell fundierte Entscheidungen treffen. In dieser Ausgabe von Spot On befassen wir uns mit der ImpedanzDurchflusszytometrie und damit, wie sie Lebensmittelherstellern eine sofortige Vor-Ort-Überprüfung ihres Umweltmonitorings ermöglichen kann. Ich beginne mit den fünf hartnäckigsten Schwachstellen in jedem Umweltmonitoring und gehe im Detail darauf ein, warum herkömmliche Testmethoden beispielsweise lebensfähige, aber nicht kultivierbare oder psychrotrophe Bakterien übersehen können – und warum das ein Problem darstellt. Mein Kollege Cristian Ilea fährt mit einer Diskussion über die ImpedanzDurchflusszytometrie und das neue CytoQuant®-Durchflusszytometer fort. Mit CytoQuant® können Lebensmittelhersteller einen sofortigen Überblick über die Konzentration von Bakterien und Partikelrückständen in ihrer Produktionsumgebung erhalten. Ein kurzer Blick auf das Innenleben von CytoQuant® und wie es in der Lage ist, Bakterien und Rückstände sofort zu quantifizieren, rundet dieses Thema ab. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel – die Sicherheit der Verbraucher und der Ruf des Unternehmens – als dass Lebensmittelproduzenten tagelang auf wichtige Informationen zu ihrem Reinigungs- und Desinfektionsprogramm warten könnten. Das hat uns dazu bewogen, uns mit der Durchflusszytometrie zu beschäftigen und schließlich CytoQuant® zu entwickeln. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe von Spot On.

Stefan Widmann R&D Team Lead, Romer Labs

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Selbst die bestgeplanten Reinigungs- und Desinfektionsüberwachungsprogramme haben ihre Schwachstellen. Stefan Widmann wirft einen genaueren Blick auf fünf der wahrscheinlichsten und gefährlichsten Schwachstellen Ihres Umweltüberwachungsprogramms und erklärt, worum es sich handelt, warum Sie das interessieren sollte und was Sie dagegen tun können. Von Stefan Widmann, R&D Team Lead, Romer Labs

3.5 µm 3.0 µm 2.5 µm 2.0 µm E i n e Ve rö f fe n t l i c h u n g vo n Ro m e r L a b s ®

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Wir kennen zwar noch nicht alle Bakterienarten, die zu lebensfähigen, aber nicht kultivier­ baren Bakterien („viable but non­ culturable” VBNC) werden können, aber immerhin kennen wir einige – dazu zählen Indikator­ organismen, Verfälscher und Krankheitserreger.

#1 Lebensfähige, aber nicht kultivierbare (VBNC) Mikroorganismen Lange Zeit gingen Mikrobiologen davon aus, dass alle Bakterien, die nicht auf normalen Kulturmedien wachsen konnten, tot seien. Weiterführende Studien ergaben jedoch, dass es jenseits von kultivierbar und tot einen dritten Zustand gibt: lebensfähig, aber nicht kultivierbar (VBNC- „vialbel but non-culturable”). Im Allgemeinen vermehren sich Bakterien im VBNC-Zustand nicht, sind aber noch am Leben, was sich anhand ihrer Stoff wechselaktivität nachweisen lässt. Am wichtigsten ist für uns die Tatsache, dass sie nach der Reanimation kultivierbar werden und sich somit in Lebensmitteln vermehren können. Darüber hinaus wachsen einige pathogene Bakterien nicht in Abwesenheit eines Wirts und müssen nur in der Nahrung überleben, bis sie aufgenommen werden, um Krankheiten zu verursachen. Es gibt viele Gründe, warum Bakterien in den VBNC-Zustand übergehen können: zum Beispiel Hunger, Inkubation außerhalb des für das Wachstum optimalen Temperaturbereichs, erhöhte osmotische Konzentration, der Grad der Sauerstoffkonzentration oder die Exposition gegenüber weißem Licht. Die spezifischen Eigenschaften des betreffenden Bakterienstammes bestimmen, was genau die Bakterien dazu veranlasst, in diesen Zustand überzugehen.

Warum sollte Sie das interessieren?

Bestimmte Bakterien, die in den VBNC-Zustand übergehen können, sind für Lebensmittelhersteller besorgniserregend. Wir kennen zwar noch nicht alle Bakterienarten, die in den VBNC-Zustand übergehen können, aber einige schon. Sie zählen zu den Indikatororganismen (zum Beispiel Klebsiella aerogenes und Klebsiella pneumoniae), Verfälschern (zum Beispiel Lactobacillus plantarum und Lactococcus lactis) und

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Pathogenen (zum Beispiel Salmonella Typhimurium, Campylobacter coli oder Listeria monocytogenes). Nachdem wir sie identifiziert haben, müssen wir uns nun fragen, ob diese Bakterien in einen vollständig kultivierbaren und potenziell pathogenen Zustand zurückkehren könnten. Mikrobiologen tappten bei dieser Frage lange im Dunkeln, da es schwierig ist, VBNC-Bakterien vollständig von kultivierbaren Bakterien zu trennen. Die Forscher haben dieses Problem zum Teil durch einen statistischen Ansatz gelöst: Sie verdünnten eine hohe Anzahl von VBNC-Bakterien so weit, dass es für kultivierbare Bakterien nahezu unmöglich ist, zu überleben. Die Bakterien wurden dann nach einem definierten Zeitraum gezählt. Bei einem starken Wachstum ist die einzig mögliche Schlussfolgerung, dass die Bakterien den VBNC-Zustand verlassen haben und kultivierbar geworden sind. Eine weitere Begleiterscheinung ist, dass sie, wenn sie in einen kultivierbaren Zustand zurückkehren können, auch wieder pathogen werden können. Es gibt Beispiele dafür, dass genau dieses Phänomen zu Ausbrüchen führt. Beispielsweise wurde das VBNC-Bakterium E. coli O157 bei einem Ausbruch in Japan im Jahr 1997 vermutet, da die Gesamtzahl der E. coli zu gering war und shigatoxigene Stämme wie O157 bereits in sehr geringer Zahl Krankheiten verursachen können.

#2 Anaerobe und mikroaerophile Bakterien Anaerobe Bakterien oder allgemeiner anaerobe Mikroorganismen lassen sich in drei Gruppen einteilen: obligat, aero-tolarant und fakultativ. Wie der Name schon sagt, haben sie jeweils besondere Anforderungen an die Luft, genauer gesagt an den Sauerstoff, der sie umgibt. Obligate Anaerobier wie Clostridioides difficile werden durch Sauerstoff geschädigt und sterben kurz nach der Exposition ab. Spot On Ausgabe 15


Plattenverfahren sind sehr zeitaufwendig und erfordern je nach Protokoll eine Inkubationszeit von

#3 Aero-tolerante Bakterien wie Clostridium botulinum können Sauerstoff nicht verwerten und sterben bzw. wachsen in seiner Gegenwart nicht. Fakultative Anaerobier können Sauerstoff nutzen, brauchen ihn aber nicht zum Wachstum, wie zum Beispiel E. coli. Es gibt auch die Gruppe der mikroaerophilen Bakterien wie Campylobacter, die Sauerstoff zum Wachstum benötigen, wenn auch in viel geringeren Mengen (1-2%) als in normaler Luft, die aber unter aeroben Bedingungen gehemmt werden können.

Warum sollte Sie das interessieren?

Es gibt mehrere pathogene Bakterien, die diese speziellen Wachstumsanforderungen haben. Derzeit bereiten thermotolerante Campylobacter-Arten den Fachleuten im öffentlichen Gesundheitswesen Sorgen. Im Durchschnitt ist jedes zweite Huhn mit Campylobacter infiziert, was Geflügelfleisch zu einer der häufigsten Ursachen für Lebensmittelvergiftungen macht. In der EU treten Krankheiten, die durch Campylobacter-Arten verursacht werden, doppelt so häufig auf wie Krankheiten durch Salmonella. Aus der Gruppe der anaeroben Bakterien ist eine Clostridienart wie C. botulinum für die Lebensmittelvergiftung Botulismus verantwortlich, die häufig durch (sauerstoffarme) Konserven übertragen wird, in denen C. botulinum gedeihen und den für den Menschen giftigen Stoff Botulinum produzieren kann. Eine weitere Clostridienart, C. perfringens, ist in den USA und Kanada die häufigste Quelle für Lebensmittelvergiftungen und verursacht Symptome wie Bauchkrämpfe und Durchfall. Das Risiko einer Infektion mit C. perfringens korreliert besonders stark mit Lebensmitteln, die über längere Zeiträume warm gehalten oder gelagert werden, was das Anwachsen der Bakterien auf eine infektiöse Zahl begünstigt (104 cfu/g). E i n e Ve rö f fe n t l i c h u n g vo n Ro m e r L a b s ®

bis zu zehn Tagen.

Die große Keimzahlanomalie Es wird geschätzt, dass mit den uns derzeit zur Verfügung stehenden Kenntnissen und Techniken nur 1% der Bakterien kultiviert werden kann. Mit der „Keimzahlanomalie“ bezeichnen wir die Beobachtung, dass die mikroskopischen Zellzahlen signifikant höher sind als die entsprechenden Zahlen der „koloniebildenden Einheiten“ auf Agarplatten. Ein Beispiel kann dieses Phänomen am besten veranschaulichen: Während 50% der Mikroorganismen der Mundflora mit Agarplatten kultiviert werden können, kann der größte Teil der Darmflora überhaupt nicht kultiviert werden. Die Gründe dafür sind zahlreich, aber eine wichtige Rolle könnte die das betreffende Bakterium umgebende Organismengemeinschaft, einschließlich anderer Bakterien, Pflanzen und Tiere, spielen. Aerobe Keimzahlmethoden beruhen auf sehr allgemeinen Medien, die das Wachstum der meisten Bakteriengruppen nicht unterstützen. Technisch gesehen gehört dieses Problem nicht wirklich zur großen Keimzahlanomalie, da einige Bakterien unter besonderen Bedingungen (wie anaeroben oder mikroaerophilen Bedingungen) auf speziellen Agarplatten wachsen können.

Warum sollte Sie das interessieren?

Die große Keimzahlanomalie stellt im täglichen Testbetrieb kein wesentliches Problem dar, da die aerobe Keimzahl spezifisch für Indikator-Mikroorganismen einer bestimmten Produktionsumgebung ist und daher immer im Verhältnis zu den für diese Produktionsumgebung geltenden Ausgwangswerte sowie der festgelegten Baseline steht. Plattenverfahren sind jedoch sehr zeitaufwendig und erfordern je nach Protokoll eine Inkubationszeit von bis zu drei Tagen. Es gibt auch direkte Methoden

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Psychrotrophe Pseudomonas­ Arten sind die Mikroorganismen, die am häufigsten für den Verderb von aerob gelagertem Kühlfleisch verantwortlich sind.

ohne Kultivierungsschritt zur Zählung der Bakterien: Mikroskope bieten einen umfassenden Überblick über die Bakterien, sind aber sehr zeitaufwändig. Direkte Methoden wie die Durchflusszytometrie sind zwar in Wasseraufbereitungsanlagen üblich, jedoch in der Lebensmittelindustrie noch nicht verbreitet.

#4 Psychrotrophe Bakterien Psychrotrophe Bakterien sind Bakterien, die bereits bei Temperaturen um die 0 °C wachsen können, aber deren optimale und maximale Wachstumstemperatur über 15 °C liegt. Diese Eigenschaft macht derartige Mikroben besonders problematisch für Lebensmittel und Getränke wie rohes Fleisch und Milch, die längere Zeit bei niedrigen Temperaturen gelagert werden. Die am häufigsten in Lebensmitteln vorkommenden psychrotrophen Bakteriengruppen sind die gramnegativen Gattungen Pseudomonas, Aeromonas, Achromobacter, Serratia, Alcaligenes, Chromobacterium und Flavobacterium sowie grampositive Gattungen wie Bacillus, Clostridium, Corynebacterium, Streptococcus, Lactobacillus und Mikrobakterien. Es ist auch bekannt, dass sich Listeria monocytogenes und einige Stämme von Clostridium botulinum bei Kühltemperaturen vermehren können.

Warum sollte Sie das interessieren?

Psychrotrophe Bakterien sind Verderborganismen und können die Qualität und die Haltbarkeit von Lebensmitteln erheblich beeinträchtigen. Gekühlte Produktionsanlagen und Lagertanks bieten die perfekte Umgebung für die Vermehrung dieser Bakterienarten. In gekühlter Milch zum Beispiel können Pseudomonas fluorescens sowohl Proteasen

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als auch Lipasen produzieren. Daher sind Pseudomonas-Arten typischerweise für technologische Schwierigkeiten verantwortlich, da die von ihnen produzierten Proteasen und Lipasen den Abbau von Milchfett und Proteinen verursachen können, was der Milch eine gräuliche Farbe und einen bitteren Geschmack verleiht. Pseudomonas-Arten sind auch die Mikroorganismen, die am häufigsten für den Verderb von aerob gelagertem Kühlfleisch verantwortlich sind. Es ist bekannt, dass Pseudomonas-Arten sehr robust sind und belastenden Umweltbedingungen, die das Wachstum anderer verderbender Mikroorganismen hemmen würden, standhalten können. In vakuumverpacktem, gekühltem Rohfleisch wird die Mikroflora in den meisten Fällen von psychrophilen Milchsäurebakterien dominiert. Außerdem kann das Wachstum von Krankheitserregern während der Kühllagerung zu schweren Erkrankungen führen.

#5 Biofilme Mikroorganismen können Oberflächen besiedeln, indem sie eine polymere Matrix bilden, in der mehrere mikrobielle Spezies vorhanden sein können. Dies wird als Biofilm bezeichnet. Es ist erwiesen, dass die Fähigkeit, Biofilme zu bilden und darin zu überleben, nicht auf bestimmte Gruppen von Mikroorganismen beschränkt ist. Vielmehr ist die große Mehrheit der Bakterien in der Lage, Biofilme zu bilden. Biofilme können daher entweder aus Monokulturen oder aus mehreren verschiedenen Mikroorganismenarten bestehen. Einige Forscher vermuten, dass die komplexe Struktur gemischter Biofilme diese stabiler und widerstandsfähiger gegen Reinigungschemikalien macht. Die erste Population, die sich an die OberSpot On Ausgabe 15


ATP­Spuren von Lebensmittelresten oder Pilzen können das von Bakterien freigesetzte ATP leicht überschatten, da eukaryotische fläche bindet, kann die Eigenschaften dieser Oberfläche verändern, sodass die später hinzukommenden Mikroorganismen durch Zell-Zell-Assoziation anhaften können. In einigen Fällen kann das Anhaften einer zweiten Art die Stabilität der Biofilmpopulation sogar noch erhöhen. Studien zeigen beispielsweise, dass L. monocytogenes in Anwesenheit von Pseudomonas eher an Stahl anhaftet.

Warum sollte Sie das interessieren?

Biofilme in lebensmittelverarbeitenden Anlagen und auf anderen Oberflächen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, stellen eine dauerhafte Kontaminationsquelle dar, die die Gesamtqualität und Sicherheit von Lebensmitteln gefährdet und möglicherweise zu lebensmittelbedingten Krankheiten sowie zu wirtschaftlichen Verlusten führt. Verderbniserreger sind bekanntermaßen für fast ein Drittel der Verluste in der Lebensmittelversorgungskette verantwortlich, weshalb die Vermeidung und Kontrolle von Biofilmen in der Lebensmittelindustrie eine Priorität darstellt. Mikroorganismen, die Biofilme bilden oder darin gedeihen, sind widerstandsfähiger gegen Desinfektion, was sie in vielen Bereichen der Lebensmittelindustrie problematisch macht. Andere Auswirkungen von Biofilmen, wie die Korrosion von Metalloberflächen, sind ein weiteres kritisches Thema in der Lebensmittelindustrie. In jedem Fall stellt das Vorhandensein von Biofilmen in einer Lebensmittelfabrik ein Risiko für die menschliche Gesundheit dar. Das Ausmaß des Risikos hängt von den Bakterienarten ab, die diese dreidimensionale, lebende Struktur bilden.

Wie kann man diese Schwachstellen beseitigen? Das Potenzial der Durchflusszytometrie

Lebensmittelhersteller haben im Allgemeinen nicht viele Möglichkeiten. Verfahren, die ein gewisses Maß an Präzision bieten, wie z. B. die Vitalfärbung in Kombination mit Mikroskopen, können VBNC-BakE i n e Ve rö f fe n t l i c h u n g vo n Ro m e r L a b s ®

terien quantifizieren, sind jedoch zeitaufwändig und erfordern eine spezielle Ausrüstung. Alle Gruppen von anaeroben und mikroaerophilen Bakterien – mit der bemerkenswerten Ausnahme der fakultativen Anaerobier – können auf klassischen Agarplatten wachsen, allerdings nur unter sorgfältig kontrolliertem Sauerstoffgehalt. Agarplatten sind jedoch keine Patentlösung. Auf Agarplatten können nur etwa 1 % der bekannten Bakterienarten gezählt werden und es dauert Tage, bis die Ergebnisse vorliegen – im Falle psychrotropher Bakterien bis zu 10 Tage. ATP-Methoden sind zwar schnell, quantifizieren aber keine Bakterien und sind nur begrenzt geeignet, um Bakterien in Biofilmen nachzuweisen. Die kinetischen Daten von frei schwebenden planktonischen Zellen sollten nicht als Referenz verwendet werden, da die ATP-Freisetzung in Biofilmen viel geringer ist. Außerdem können ATP-Spuren von Lebensmittelresten oder Pilzen das von Bakterien freigesetzte ATP leicht überschatten, da eukaryotische Zellen 10 Millionen Mal mehr ATP enthalten als prokaryotische Zellen. Dementsprechend haben ATP-Geräte zum Nachweis von Biofilmen in der Regel eine viel höhere Nachweisgrenze, was bedeutet, dass sie nicht so empfindlich sind, wie sie es beim Nachweis frei schwimmender Bakterien wären. Diese fünf Aspekte zeigen, wie schwierig es sein kann, Bakterien und Rückstände auf Oberflächen in der Lebensmittelproduktion nachzuweisen. Außerdem sind die Unzulänglichkeiten der gebräuchlichsten Nachweismethoden, wie z. B. Kulturmethoden und ATP-Tests, ebenso konsistent wie gut dokumentiert. Was können Lebensmittelhersteller tun, um die Schwachstellen von Kulturmethoden und ATP-Tests zu umgehen? Im nächsten Artikel erörtert mein Kollege Cristian Ilea das Potenzial der Impedanz-Durchflusszytometrie und des CytoQuant®-Durchflusszytometers – einer neuen Lösung, die Bakterien und Partikel auf Oberflächen sofort quantifiziert.

Zellen 10 Millionen Mal mehr ATP enthalten als prokaryotische Zellen.

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Revolution oder nur Evolution?

Durchflusszytometrie und Reinigungs-/Desinfektionsüberprüfung in Lebensmittelproduktionen Die Lebensmittelsicherheit hängt zu einem großen Teil von den hygienischen Bedingungen in Lebensmittelproduktionen ab. Ein hoher Gehalt an Verderbnisbakterien kann die Haltbarkeit und Qualität von Lebensmitteln beeinträchtigen, während das Vorhandensein von Krankheitserregern (wie Salmonellen und Listerien) zu schweren Erkrankungen führen kann. Lebensmittelhersteller müssen darauf achten, dass ihre Produktionsumgebung sauber und frei von pathogenen Mikroorganismen ist, um eine Kreuzkontamination des Endprodukts zu verhindern. Doch wie wird das derzeit bewerkstelligt? Von Cristian Ilea, Head of Marketing and Product Management

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Lebensmittelher­ steller brauchen eine schnelle Methode, die sowohl Bakterien als auch Restpartikel direkt quantifiziert und durch Desinfek­ tionsmittel und Temperatur nicht beeinflusst wird.

Sichtprüfung Eine Sichtprüfung ist zwar eine Grundvoraussetzung, reicht aber allein nicht aus. Sie ist ein subjektives und ungenaues Mittel zum Überprüfen der ordnungsgemäßen Reinigung. Noch wichtiger ist jedoch folgender Fakt: Selbst wenn eine Oberfläche keine offensichtlichen Rückstände aufweist, bedeutet das nicht, dass sie wirklich rein ist. Eine visuelle Inspektion kann nicht gewährleisten, dass alle Lebensmittelrückstände entfernt wurden oder dass ein Desinfektionsmittel den Mikrobengehalt auf der Oberfläche wirksam reduziert hat.

Mikrobenauszählung mit agarbasierten Methoden Dies sind die traditionellen Methoden zur Überwachung der Hygiene in Produktionsumgebungen. Im Allgemeinen gibt es zwei Arten der Probenahme: kontakt- und abstrichbasiert. Bei kontaktbasierten Methoden werden Platten oder Dip-Slides auf die zu beprobende Oberfläche gedrückt und dann bebrütet. Die abstrichbasierte Probenahme erfolgt mit Tupfern oder Schwämmen, die in einer Pufferlösung getränkt sind und nach der Probenahme auf Platten ausgestrichen und bebrütet werden. Der größte Nachteil dieser traditionellen Methoden ist die zeitliche Verzögerung bis zum Erhalt der Ergebnisse. Darüber hinaus können die meisten Bakterienarten nicht auf Agar kultiviert werden. Dabei handelt es sich um ein Phänomen namens „Great Plate Count Anomaly“.

ATP-Nachweis Adenosintriphosphat (ATP) ist ein Nukleotid, das von den Zellen als Energieträger verwendet wird. Man kann es als molekulare „Währungseinheit“ für den Energietransfer in allen lebenden Zellen betrachten. Energie wird übertragen, wenn ATP in sein Nukleosid und freies Phosphat zerfällt. Durch Hydrolyse der kovalenten Verbindungen der Phosphate wird Energie freigesetzt, die für Reaktionen genutzt wird. Handelsübliche ATP-Testsysteme nutzen die aus Glühwürmchen bekannte Luciferin/Luciferase-Reaktion, um mit der von ATP bereitgestellten Energie Licht zu erzeugen. Je mehr Licht emittiert wird, desto mehr ATP ist vorhanden, was indirekt auf mehr Lebensmittelrückstände oder mehr Mikroorganismen hinweisen könnte. Es gibt jedoch einen wichtigen Vorbehalt: Da diese Systeme auf einer enzymatischen Reaktion beruhen, könnten potenzielle Hemmstoffe oder nicht optimale Umgebungsbedingungen zu fehlerhaften Ergebnissen führen. Die Umgebungstemperatur könnte die Reaktionszeit verlängern, während Licht es schwierig machen könnte, korrekte Messwerte zu erhalten. Darüber hinaus können Desinfektionsmittel die Reaktion stören, so dass es möglicherweise keine echte Korrelation zwischen den auf der Oberfläche vorhandenen lebenden Bakterien und den Ergebnissen der ATPMessung gibt. Daher werden ATP-basierte Methoden

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zur Prüfung von Oberflächen in der Regel vor der Anwendung von Desinfektionsmitteln verwendet. ATP-Methoden haben einen weiteren Nachteil: Sie sind in ihrer Anwendbarkeit von der Art der verarbeiteten Lebensmittel abhängig. Die meisten Lebensmittel hinterlassen Rückstände, die große Mengen an ATP enthalten und die in den Bakterienzellen enthaltenen Mengen um mehrere Größenordnungen übersteigen. In der Praxis bedeutet das, dass ATP-Systeme in den meisten Lebensmittelverarbeitungsbetrieben nicht zur Bewertung der mikrobiellen Kontamination von Oberflächen verwendet werden können. Obwohl mit ATP-Testsystemen keine Bakterien direkt gezählt werden können, werden sie häufig eingesetzt, da die Ergebnisse innerhalb von Sekunden vorliegen – eine Zeitspanne bis zum Ergebnis, die bisher bei keiner anderen weit verbreiteten Technologie möglich war.

Warum können wir denn nicht alles haben? – Den heiligen Gral der Reinigungs-/ Desinfektionsüberprüfung! Was Lebensmittelhersteller brauchen, ist eine schnelle Methode, die sowohl Bakterien als auch Restpartikel direkt quantifiziert und durch Desinfektionsmittel und die Temperatur nicht beeinflusst wird. Obwohl dies unerreichbar scheint, gibt es die grundlegende Technologie dafür bereits und wird auch angewandt. Einführung in die Durchflusszytometrie Der Begriff Durchflusszytometrie (flow cytometry = FCM) bezeichnet mehrere Methoden, die optische oder elektrische Signale verwenden, um bestimmte physikalische oder chemische Eigenschaften von Zellen und Partikeln, die in einer Flüssigkeit suspendiert sind, zu erkennen und zu messen. In fast 300 Studien, die zwischen 2000 und 2018 durchgeführt wurden, wurde die FCM als Instrument zur Charakterisierung der mikrobiellen Wasserqualität bewertet. Diese Studien konnten den Wert der FCM bei der Wasseraufbereitung, -verteilung und -wiederverwendung veranschaulichen. Es gibt nun Forschungsergebnisse, die erfolgreiche Anwendungen der FCM dokumentieren und darauf hindeuten, dass sie als Routinemethode zur Bewertung der Wasserqualität genutzt werden sollte. Was hat das alles mit der Bewertung der Reinigungsund Desinfektionsleistung in Lebensmittelverarbeitungsanlagen zu tun? Die bisher üblichen Methoden Spot On Ausgabe 15


zur Bestimmung der Wasserqualität waren oft durch geringe Empfindlichkeit, hohen Arbeits- und Zeitaufwand, Anfälligkeit für Störungen durch hemmende Verbindungen und Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen lebensfähigen und nicht lebensfähigen Zellen eingeschränkt. (Das kommt Ihnen alles bekannt vor, nicht wahr?) Aber Vorsicht: FluoreszenzDurchflusszytometer sind in der Regel unhandliche, teure Geräte, für deren Bedienung hochqualifiziertes Personal erforderlich ist.

Die Leistungsfähigkeit der Durchflusszytometrie in einem tragbaren Gerät Damit die Durchflusszytometrie zu einer praktikablen Lösung zur Reinigungs- und Desinfektionsüberprüfung in der Lebensmittelverarbeitung werden kann, muss sie in einem tragbaren Format verfügbar und einfach zu bedienen sein, aber dennoch so genau, dass sie zuverlässige Zählungen von Bakterien und Partikeln liefert. Dies wurde durch den Einsatz der Impedanz-Durchflusszytometrie möglich. Die Impedanz-Durchflusszytometrie ist eine besondere Art der Durchflusszytometrie: Anstelle optischer Systeme verwenden Impedanz-Durchflusszytometer einen Wechselstrom mit unterschiedlichen Frequenzen, der es dem Gerät ermöglicht, Zellen und Partikel getrennt zu erkennen und zu zählen. Während Durchflusszytometer auf optischer Basis nur mit Farbstoffen markierte Zellen zählen können, sind Impedanz-Durchflusszytometer in der Lage, den gleichen Vorgang ohne jegliche Markierung durchzuführen. Im Vergleich zu anderen durchflusszytometrischen Geräten sind sie kompakt, tragbar und batteriebetrieben, so dass sie überall dort eingesetzt werden können, wo die Probe entnommen wird.

Wie können Impedanz-Durchflusszytometer zwischen Zellen und Rückstandspartikeln unterscheiden? Impedanz-Durchf lusszytometer unterscheiden Bakterien von anderen Partikeln anhand ihrer elektromagnetischen Eigenschaften. Das Zytoplasma und die Zellmembran eines Bakteriums verändern das elektrische Feld auf einzigartige und identifizierbare Weise. Während sich der elektrische Strom durch leitfähige Partikel weitgehend ungehindert bewegen kann, behindern nichtleitende Partikel das Feld. Intakte Bakterien ähneln jedoch sowohl nichtleitenden als auch leitenden Objekten: Die Zellmembran verhindert, dass niedrige Frequenzen sie durchdringen, wodurch sie nichtleitenden Teilchen ähneln; bei hohen Frequenzen durchdringt der elektrische Strom jedoch die Membran. Die Mikroelektroden im ImpedanzDurchflusszytometer erzeugen diese elektrischen Felder und ermöglichen es dem Gerät, die Änderungen der Leitfähigkeit und des Widerstands in Form von getrennten Messungen intakter Zellen und Partikel zu quantifizieren. A Romer Labs® Publication

Anwendung der Impedanz-Durchflusszytometrie auf die Lebensmittelsicherheit: CytoQuant®

Impedanz-Durch­

Wie bereits erwähnt, liegt ein Vorteil von Impedanz-Durchflusszytometern gegenüber anderen Arten von zytometrischen Geräten in ihrer Tragbarkeit. Da sie leicht, klein und batteriebetrieben sind, können sie vor Ort und an kritischen Kontrollpunkten, an denen Hygiene besonders wichtig ist, eingesetzt werden. Das Impedanz-Durchflusszytometer CytoQuant® ist für den Einsatz in genau solchen Bereichen, einschließlich Lebensmittelproduktionsanlagen und Reinräumen, konzipiert. Die Impedanz-Durchfluss­ zytometrie bietet Lebensmittelherstellern, die ihre Programme zur Lebensmittelsicherheit und -reinigung überprüfen wollen, beträchtliche Vorteile: die schnelle und separate Quantifizierung von Bakterien und Partikeln (die als Indikator für die Reinigungsund Desinfektionseffizienz dienen können), die Empfindlichkeit der Methode und die Robustheit des Tupferkits und des Zytometers selbst. Das CytoQuant®-System ist einfach zu bedienen, da das Gerät alle Arbeiten außer der Probenahme übernimmt. Ein Testlauf beginnt mit dem Abstrich eines vordefinierten Bereichs (zum Beispiel 20 x 20 cm) der zu testenden Oberfläche. Der Tupfer wird in ein Röhrchen mit einer proprietären, leitfähigen Lösung gegeben. Anschließend wird das Röhrchen geschüttelt, um die Bakterien zu suspendieren, und in das CytoQuant®Gerät eingeführt. Für Zählungen in Flüssigkeiten (z. B. Spülwässer) wird die Probe in ein leeres Röhrchen überführt und mit einigen Tropfen der Elektrolytlösung gemischt bevor es in das CytoQuant(R)-Gerät eingeführt wird. Zwei Nadeln dringen in den Boden des Röhrchens ein und pumpen die Flüssigkeit in das Durchflusssystem des Geräts. Nach 30 Sekunden dokumentiert das Gerät getrennte Ergebnisse für Bakterien und Partikel und zeigt sie auf dem Bildschirm an.

verwenden einen

flusszytometer Wechselstrom mit unterschiedlichen Frequenzen, der es dem Gerät ermöglicht, Zellen und Partikel getrennt zu erkennen und zu zählen.

Revolution oder Evolution? Das mobile Durchflusszytometer CytoQuant® ermöglicht die sofortige Vor-Ort-Überprüfung von Reinigungs- und Desinfektionsverfahren in Lebensmittelproduktionsstätten oder anderen Bereichen, in denen es auf Hygiene ankommt. Durch die direkte Quantifizierung von Bakterien und Rückständen auf Oberflächen – ohne Beeinflussung von Desinfektionsmitteln oder der Temperatur – bietet es erhebliche Vorteile gegenüber ATP-Geräten. Außerdem macht es die Wartezeit von 30 Sekunden bis zum Ergebnis zu einer perfekten Ergänzung von Hygieneprogrammen mit Kulturmethoden. In Anbetracht des enormen Potenzials der Impedanz-Durchflusszytometrie könnte sie irgendwann als gleichwertig mit den Kulturmethoden angesehen werden oder sie sogar als Standard für die Reinigungs- und Desinfektionsüberprüfung ersetzen. Dies käme einer echten Revolution in diesem Bereich gleich.

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Impedanz-Durchflusszytometrie und ihre Verwendung bei der Produktionsüberwachung von Lebensmitteln Was ist die Durchflusszytometrie, wie funktioniert sie und welche Anwendung könnte sie bei der Überwachung in Lebensmittelproduktionsanlagen haben? Florin Soptica und Stefan Widmann beantworten diese Fragen und viele mehr. Die ImpedanzDurchflusszyto­metrie ist eine leistungs­ starke Variante der Durchfluss­ zytometrie, da sie sehr robust ist und zur Bewertung zellulärer Merkmale verwendet werden kann, die ohne die Verwendung mole­ kularer Marker nicht messbar sind, wie z. B. die Integrität der Zellmembran.

Von Florin Soptica, Product Manager, Romer Labs, und Stefan Widmann, R&D Team Lead, Romer Labs

Was ist die Durchflusszytometrie?

Der Begriff Durchflusszytometrie bezeichnet mehrere Methoden, bei denen ein Laser oder ein elektrisches Feld verwendet wird, um bestimmte physikalische oder chemische Eigenschaften von Zellen und Partikeln, die in einer Flüssigkeit suspendiert sind, zu erkennen und zu messen. Im Idealfall fließt jeweils nur eine Zelle durch die mikrofluidischen Durchflusszelle des Zytometers, die die Veränderungen der Wellenlänge des Lichts oder der elektrischen Ladung beim Durchgang jeder Zelle oder anderer Partikel erfasst. Da die Durchflusszytometrie in der Regel große und teure Geräte sowie anspruchsvolle Vorbereitungsschritte erfordert, war die Methode bisher auf den Einsatz im Labor für Anwendungsbereiche wie Forschung und Medizin beschränkt.

Einsatz der Impedanz-Durchflusszytometrie zur Zählung von Zellen und Partikeln Die Impedanz-Durchflusszytometrie ist abgeleitet von der Technologie der Coulter-Partikelzähler, die in Elektrolyten suspendierte Partikel anhand von Impedanzänderungen, die durch die Verdrängung der Elektrolyte durch die Partikel verursacht werden, messen

und zählen können. Durch die gleichzeitige Messung mehrerer Frequenzen für jeden vorbeiströmenden Partikel kann die Impedanz-Durchflusszytometrie die Partikel nicht nur anhand ihrer Größe, sondern auch anhand ihrer elektrischen Eigenschaften unterscheiden. Dies ist eine leistungsstarke Variante der Durchflusszytometrie, da sie sehr robust ist und zur Bewertung zellulärer Merkmale verwendet werden kann, die ohne die Verwendung molekularer Marker nicht messbar sind, wie z. B. die Integrität der Zellmembran. Anstelle eines Lasers verwenden Impedanz-Durchflusszytometer daher einen Wechselstrom mit unterschiedlichen Frequenzen, der es dem Gerät ermöglicht, Zellen mit intakter Membran und Partikel getrennt zu erkennen, ihre Größe zu messen und separat zu zählen. Im Vergleich zu anderen Durchflusszytometerarten sind Impedanz-Durchflusszytometer leicht, tragbar und batteriebetrieben, so dass sie überall dort eingesetzt werden können, wo die Probe entnommen wird. Wie können Impedanz-Durchflusszytometer zwischen Zellen und anderen Partikeln unterscheiden? Die Impedanz-Durchflusszytometrie macht sich die einzigartigen elektromagnetischen Eigenschaften der Zellmembran und des Zytoplasmas zunutze, um Bakterien von anderen Partikeln zu unterscheiden.

Wie Impedanz-Durchflusszytometer Bakterien identifizieren

Bakterien (in rot) und Partikel fließen durch die mikrofluidische Durchflusszelle des Zytometers.

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Mikroelektroden in der mikrofluidischen Durchflusszelle erzeugen elektrische Felder mit hohen und niedrigen Frequenzen.

Spot On Ausgabe 15


Die Zellmembran und das Zytoplasma einer Zelle beeinflussen das elektrische Feld auf eine Weise, die sich von der anderer Partikel in der Probe unterscheidet. Ein Beispiel mit leitenden Partikeln, nicht leitenden Partikeln und intakten Zellen kann dieses Prinzip am deutlichsten veranschaulichen: Unabhängig von der Frequenz des elektrischen Feldes lässt die Leitfähigkeit metallischer (leitend) Partikel das elektrische Feld ungehindert passieren. Im Gegensatz dazu behindern nicht leitende Partikel wie Polystyrol das elektrische Feld; der Strom bewegt sich nur im flüssigen Medium, was zu einer messbaren Feldverschiebung führt, die mit der Größe der Partikel in der Durchflusszelle korreliert. Intakte Zellen sind jedoch insofern einzigartig, als dass sie je nach Frequenz des elektrischen Feldes nichtleitenden und leitenden Partikeln ähneln. Bei niedrigen Frequenzen verhindert die isolierende Eigenschaft der Zellmembran, dass das elektrische Feld in die Zelle eindringt, was zu der gleichen Art von Verschiebung wie bei nichtleitenden Partikeln führt. Bei höheren Frequenzen kann die Membran jedoch teilweise durchdrungen werden, so dass die Zellen eine ähnliche Leitfähigkeit wie metallische Partikel aufweisen. Die Mikroelektroden in Impedanz-Durchflusszytometern erzeugen sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Frequenzen Felder, die es dem Gerät ermöglichen, diese Leitfähigkeits- und Widerstandsänderungen zu erkennen und sie in genauer Anzahl entweder Partikeln oder intakten Zellen zuzuordnen. Der Detektor identifiziert das Objekt auf der Grundlage des unterschiedlichen Grades der Impedanz oder Leitfähigkeit bei diesen Frequenzen als Bakterium. Der Benutzer erhält dann getrennte Zählungen von intakten Zellen und Partikeln.

Wie lässt sich die Impedanz-Durchflusszytometrie mit Kulturmethoden vergleichen? Kulturmethoden, insbesondere Agarplatten, sind der traditionelle Ansatz zur Überwachung der Hygiene in der Lebensmittelverarbeitung. Diese sind zwar gut etabliert, haben aber mehrere Nachteile in Bezug auf ihre Geschwindigkeit und ihren Umfang. Kulturmethoden sind langsam und benöti-

Bakterien und Partikel beeinflussen das elektrische Feld, wenn sie zwischen den Elektroden strömen.

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gen zwischen einem und zehn Tagen, bis sich Bakterien zu zählbaren Kolonien entwickelt haben. Mit diesen Methoden wird nur das gemessen, was unter den spezifischen Bedingungen eines bestimmten Testlaufs kultivierbar ist: Es kann also sein, dass eine bestimmte Bakterienart einen bestimmten Agar oder ein bestimmtes flüssiges Medium bei einer bestimmten Temperatur, einer bestimmten Lichtmenge oder einer bestimmten Luftfeuchtigkeit benötigt, um zu wachsen. Kulturmethoden können auch keinen Anspruch auf eine umfassende Messung aller Bakterien in einer Probe erheben. Die „Great Plate Count Anomaly“, ein in der Mikrobiologie bekanntes Phänomen, besagt, dass nur ein kleiner Teil der Bakterien in einem Habitat durch Kultivierung erfasst werden kann. Bakterien in einem lebensfähigen, aber nicht kultivierbaren Zustand (VBNC) sind lebendig, können aber aufgrund von Stress, Eigenheiten oder nicht optimalen Umweltfaktoren nicht auf Agar oder in flüssigen Medien wachsen. In einigen Fällen können sie nach der Wiederbelebung kultiviert werden, was wiederum zeitaufwendig ist. Von einigen pathogenen Bakterien wie E. coli O157 ist bekannt, dass sie in einen VBNC-Zustand übergehen, um sich dann in späteren Stadien der Nahrungskette oder im menschlichen Wirt nach der Aufnahme zu vermehren. Außerdem benötigen anaerobe und mikroaerophile Bakterien keinen Sauerstoff bzw. einen Sauerstoffgehalt, der unter dem der normalen atmosphärischen Bedingungen liegt. Die kultivierbaren Bakterien in diesen Gruppen erfordern besondere Inkubationsbedingungen, was die Kosten der Analysen erhöht. Impedanz-Durchflusszytometer zählen alle Bakterien, die die Durchflusszelle passieren, unabhängig von ihrem Zustand (kultivierbar, VBNC, nicht kultivierbar, ruhend) oder ihren Wachstumsanforderungen. Diese direkte, unmittelbare Quantifizierung erweitert den Anwendungsbereich eines Hygienekontrollprogramms, da auch Bakterien, die sich erst vermehren, wenn sie mit Lebensmitteln oder potenziellen Wirten in Kontakt kommen, mit der Impedanz-Durchflusszytometrie erfasst werden können. Außerdem können sofort Maßnahmen ergriffen werden, wenn die Reinigung und Desinfektion nicht nach Plan verläuft.

Impedanz-Durch­ flusszytometer zählen alle Bakterien, die die Durchflusszelle passie­ ren, unabhängig von ihrem Zustand (kul­ tivierbar, VBNC, nicht kultivierbar, ruhend) oder ihren Wachstum­ sanforderungen.

Der einzigartige Fingerabdruck der Bakterien: Nur bei hohen Frequenzen kann das elektrische Feld die Zellmembran der Bakterien durchdringen. Bei niedrigen Frequenzen wird dies durch die isolierende Eigenschaft der Membran verhindert.

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