Darum ist es am Rhein so schön

Juni 2011

Garten+

Landschaft Zeitschrift f端r Landschaftsarchitektur

Gartenschauen 2011

Darum ist es am Rhein so schön stalteten Uferpromenade, einem autobefreiten Deutschen Eck und dem wiederentdeckten Umfeld des Kurfürstlichen Schlosses haben die Koblenzer durch die Bundesgartenschau zudem ihre wichtigsten Freiräume zurückerhalten, die in der Vergangenheit stark verwahrlost waren.

RMP Landschaftsarchitekten entrümpelten die Rheinuferpromenade und verpassten ihr einen komplett neuen Belag. Ob die Seilbahn über das Jahr 2012 hinaus betrieben wird steht noch nicht fest.

Thomas Jakob Koblenz hat ein Problem mit den Touristen.

Nicht, dass sie nicht an die Stadt am Zusammenfluss von Mosel und Rhein kämen. Das Problem der 106 000-Einwohner-Stadt ist, dass sie nur selten über Nacht bleiben. Koblenz, das war und ist für die meisten Besucher das Deutsche Eck, jene aufgeschüttete Landzunge an der Mündung der Mosel in den Rhein, auf der ein monumentales Reiterstandbild des Deutschen Kaisers Wilhelm I. steht. Das Deutsche Eck gehört zum Standard-Besuchsrepertoire aller Rheintouristen, gleichgültig ob sie mit dem Bus, dem Auto oder dem Schiff kommen. Länger als eine Stunde weilen sie dort aber nicht, dann geht es weiter zur Loreley oder auf den Drachenfels nach Königswinter. Da werten es die ört­ lichen Tourismusmanager schon als Erfolg, wenn aus Stundenbesuchern Tagestouristen werden.

Die Bundesgartenschau soll nun dabei helfen, die Touristen lzu einem längeren Aufenthalt zu bewegen. Die Buga ist die erste in Rheinland-Pfalz, wie überall stolz angemerkt wird. Eigentlich hatte sich die Stadt 2001/ 2002 für die Gartenschau in den Jahren 2013 oder 2015 beworben. Nachdem dafür aber Hamburg und Heilbronn ausgewählt wurden und Duisburg seine Zusage für das Jahr 2011 zurückgezogen hatte, erhielt Koblenz im Januar 2004 den Zuschlag vom Zen­tralverband Gartenbau für die Ausrichtung 2011. Im Frühjahr 2004 sprach sich die Stadt grundsätzlich für die Ausrichtung aus und nachdem das Land Zuschüsse in Aussicht gestellt 16

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Der Rhein, ein Schloss, eine Festung und eine Seilbahn – Besucherherz, was willst du mehr. Mit einer komplett neu ge-

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hatte, beschloss der Stadtrat Ende Januar 2005 die endgültige Zusage.

Den Ideen- und Realisierungswettbewerb für das Gesamtkonzept gewannen RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten aus Bonn mit dem Koblenzer Architekten Alexander von Canal und dem Tragwerksplaner Mike Schlaich von Schlaich Bergermann und Partner aus Berlin. Die Flächen der Buga verteilen sich auf Orte des historischen Erbes der Stadt: das Kurfürstliche Schloss, der Blumenhof zwischen Kastorkirche und Deutschem Eck und die Festung Ehrenbreitstein auf der rechten Rheinseite. Dort befinden sich die Ausstellungen und die gärtnerischen Leistungsschauen. Am wichtigsten für die Stadt ist das komplett neu gestaltete Rheinufer, der zentrale Freiraum der Stadt; dort legen die Rheinschiffe an, dort zieht es die Menschen ans Wasser.

Zeitreise aus den Schlaglöchern Allerdings war diese Visitenkarte ziemlich in die Jahre gekommen: ein löchriger Belag mit Waschbetonplatten aus den 1970er-Jahren, der Verhau an Imbissbuden, Ticketschalter und Mobiliar und nur wenige Verbindungen in die Innenstadt. Ein Zustand, der übrigens nicht nur für Koblenz gilt. Wer einmal mit dem Fahrrad den Rhein entlang von Bad Kreuznach nach Bonn fährt, der kommt durch zahlreiche Orte, die mehr schlecht als recht von ihrem Ruf als Urlaubsdestination der 60er- und 70er-Jahre zehren. Verändert hat sich dort kaum etwas: die sensationelle Land-

schaft nicht, aber auch nicht die Qualität der touristischen Infrastruktur und der Freiräume.

Insofern hat Koblenz einen Sprung um 40 Jahre nach vorne gemacht, zumindest was die Freiräume angeht.

Zunächst verbannte Stephan Lenzen Autos und Busse aus den Uferbereichen. Statt Parkplätzen gibt es nun eine Grünanlage am Deutschen Eck. Dann gliederte er den Rheinboulevard in drei Promenadenabschnitte. Die obere, der Stadt zugewandte Promenade, ist Teil des Fernradwegs. Da sich die Stadt vorbehält, dort künftig eventuell Linienbusse fahren zu lassen, ist dieser Teil auf hohe Belastungen ausgelegt. Im mittleren Promenadenbereich wachsen die alten Platanen; dort befinden sich auch die Kassen- und Warte­zonen der Schiffsanleger. Kioske und Kassenhäuschen erhielten ein einheitliches Erscheinungsbild und wurden nach Möglichkeit zusammengefasst. Sowohl dieser Bereich, als auch die untere Promenade sind den Fußgängern vorbehalten. Fahrradfahrer müssen dort absteigen. Die untere Promenade haben die Besucher noch nicht entdeckt. Sie verläuft direkt am Rhein. „Wenn es im Sommer richtig heiß wird, werden die Menschen den unteren Teil schätzen lernen“, sagt Stephan Lenzen.

Auch die historische Ufermauer wurde saniert und die Ver- und Entsorgung der Schiffsanleger neu geplant. Damit ist die Rheinprome­ nade nun auch aus technischer Sicht zukunftsfähig aufgestellt. Was dem Besucher kaum auffallen wird, dem Fachmann aber schon: Die Details der Promenade sind herausragend Garten + Landschaft

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Polizeipräsidium Koblenz Buga Koblenz 2011 GmbH

Die Ausstellungsflächen der Gartenschau verteilen sich auf drei Orte: das Kurfürstliche Schloss, den Blumenhof am Deutschen Eck und das Plateau Ehrenbreitstein.

ausgearbeitet. Allen voran das Geländer zum Rhein und auch der Belag der Promenade aus Grauwacke. Eigentlich sollten die 20 Zentimeter breiten und 45 bis 80 Zentimeter langen Steine in rötlich-braunen Farben changieren. Durch die lange Trockenheit tragen die Besucher den hellen Staub der wassergebundenen Beläge auf das Pflaster, so dass nun ein heller Schleier über der Promenade liegt.

Einfassungen als Gestaltungselement Ein zentrales Element des Entwurfs sind die Einfassungen. Sie sollen als wiederkehrendes Merkmal die unterschiedlichen Bereiche gestalterisch zusammenhalten. Im Schlossgarten bestehen die Einfassungen aus Bandstahl oder Natursteinplatten, überall sonst aus Betonfertigteilen mit einer Standardabmessung von 240 x 40 x 15 Zentimeter. Winkel­ elemente, Radiensteine, Rampensteine und die Aussparungen für die Mastleuchten ließen RMP passgenau anfertigen. Für die Platanen am Konrad-Adenauer-Ufer wurden Felder in der Promenade ausgespart und mit wassergebundener Decke befestigt – ein Kompromiss zwischen Baum­standort und Nutzung. Den ruhigen Rhythmus der Promenade unterbricht lediglich die Talstation der Buga-Seilbahn. Sie führt über den Rhein zum Festungspark Ehrenbreitstein hinauf, dem größten Ausstellungsbereich der Gartenschau. Für die Talstation mussten fünf große Platanen auf der Rheinpromenade gefällt werden, was naturgemäß erhebliche Proteste hervorrief. Die Seilbahn, gebaut und betrie18

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Von Lenné geplant, nach dem Krieg mit Schutt aufgefüllt und nun neu interpretiert: das Rosenparterre hinter dem Kurfürstlichen Schloss. Das Luftbild rechts zeigt das Schloss mit Vorplatz und den beiden Zirkularbauten.

Die mit Millionenaufwand sanierte Festung Ehrenbreitstein ist der ruhigste Ort der Gartenschau. Dort ist unter anderem die Ausstellung „Peter Joseph Lenné – Eine Gartenreise im Rheinland“ zu sehen.

ben vom österreichischen Weltmarktführer im Seilbahnbau, der Firma Doppelmayr, hat zunächst bis Ende 2012 eine Betriebserlaubnis.

Dann soll sie wieder abgebaut werden. Doch gibt es Überlegungen, die Seilbahn zur Dauereinrichtung zu machen. „Mit der Seilbahn ist es für Koblenzbesucher deutlich bequemer, auf die Festung zu gelangen“, sagt Stephan Lenzen. „Und nur mit der Seilbahn im Dauerbetrieb machen die millionenschweren Sanierungs­arbeiten für die Festung auch Sinn.“ Deshalb geht er davon aus, dass die Seilbahn bleiben wird. Doppelmayr hingegen will im Nach­-Bugajahr die Rentabilität testen.

Sollten die Österreicher zu einem negativen Ergebnis kommen, müsste die Stadt oder das Land die Seilbahn kaufen und betreiben. Das aber wäre ein finanzielles Abenteuer. Sollte die Seilbahn tatsächlich bleiben, galt bislang der Unesco-Welterbetitel für das Obere Mittelrheintal als gefährdet. Nun heißt es, die zuständige Kommission werde einen Dauerbetrieb wohlwollend prüfen.

Der 27 Hektar große Festungspark Ehrenbreitstein über dem Rhein ist ein offener Wiesenraum, in dem sich Wegeachsen wie Schusslinien kreuzen. Nur wenige Materialien und Ausstattungselemente sollen einen offenen Charakter ermöglichen. Blumenhallen sowie Schau- und Themengärten sind am Rand der Wiese verteilt. Das Ausstellungskonzept stammt von plancontext landschaftsarchitektur aus Berlin. Den Eingangsbereich der Festung gestaltete das Berliner Landschaftsarchitekturbüro Topotek1. Sie hatten 2004 einen

Masterplan für das gesamte Festungs­plateau erstellt und im Zuge der Buga den südlichen Teil realisiert, während RMP den nördlichen Teil nach den Vorgaben des Masterplans bauten. Die Festung selbst wurde für 45 Millionen Euro saniert. Ein großer Teil der Sanierung ist für die Besucher gar nicht sichtbar.

So mussten allein auf dem Vorgelände rund 100 Tonnen Bauschutt entfernt werden. Beeindruckend ist jedoch der neue Anstrich der Festung in Ockergelb. Er orientiert sich am historischen Vorbild. Putz und Mörtel wurden sogar nach den überlieferten preußischen Rezepturen angesetzt.

Ein ruhiger Ort hoch über dem Rhein Schön, dass die Buga der Versuchung widerstanden hat, auch die Höfe der Festung mit dem unvermeidlichen Blumen- und Gartenkrimskrams zuzustellen. Vom Trubel der Gartenschau bekommt man dort kaum etwas mit, man hat vielmehr das Gefühl, sich in einem mediterranen Klosterhof aufzuhalten.

Lediglich die 13 Themengärten im Haupt­ graben und die Bühne im Retirierten Graben stören die beeindruckende Raumwirkung der Anlage.

Die meisten Besucher gelangen über den Schlossplatz auf das Gartenschaugelände.

Auf den Flächen rund um das nach dem Zweiten Weltkrieg komplett wiederaufgebaute Kurfürstliche Stadtschloss mit dem Schlossvorplatz, den Innenhöfen der Zirkularbauten sowie den ehemaligen Garten­ anlagen der Kaiserin Augusta wird der Garten + Landschaft

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strukturelle Wandel der Innenstadt am deutlichsten. Vor der Buga parkten auf dem Schlossvorplatz Autos, die historische Anlage war nur noch in Grund­zügen zu erkennen. Nach dem Bau einer Tiefgarage unter dem Schlossplatz und einem Parkplatz südlich davon ist der Vorplatz nur noch für Fußgänger zugänglich. Auch aus den Innen­ höfen der Zirkularbauten am Rand des Schlossvorplatzes wurden die Autos verbannt.

Wer im historischen Umfeld arbeitet, der muss sich immer mit der Frage der Rekon­­s­truktion und Interpretation auseinander­ setzen. RMP Landschaftsarchitekten entschieden sich dafür, die historischen Grundstrukturen herauszuarbeiten. So prägen weiterhin historische Wegeachsen den Schlossvorplatz.

Die ursprüngliche kreisförmige Platzmitte ist nicht mehr vorhanden. Statt die Mitte zu betonen und zu rekonstruieren, setzten RMP auf den gestalterischen Bezug zwischen Vorplatz und Gebäude. Nun prägen großzügige Rasenkarrees den Vorplatz, die sich durch ein 40 Zentimeter breites Betonbord als Stufe gegenüber umgebenden Flächen absetzen. Vier Rasenflächen akzentuieren das zentrale Wegekreuz. Interessanterweise gibt es im Schlossvorfeld einen Kleinkinderspielplatz und eine Skateanlage. Die Botschaft von Stephan Len-

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zen: Dieser Stadtraum steht allen offen.

Auch der rückseitige Schlossgarten folgt diesem Ansatz. Die Grundfläche des Gartens bildet die Gebäudefläche ab. Der Grundriss ist konsequent aus der Schlossarchitektur abgeleitet. Aus diesem Konstruktionsprinzip resultiert auch der Halbkreis als wiederkehrendes Gestaltungselement. Lenzen stellte den Garten in seinen Grundstrukturen wieder her. Zudem rekonstruierte er die historische Pergola, so dass der Garten seine historische Raumkante zurück erhielt. Die Pergola selbst ist als neues Element ablesbar. Anstelle der ursprünglich schweren Steinpfeiler besteht sie nun aus einer leichten Stahlkonstruktion.

Der Entwurf des Schmuckparterres hebt sich ebenfalls von seinem historischen Vorbild ab. Hätte Koblenz das Schlossumfeld, die Uferpromenade und Ehrenbreitstein nicht auch ohne Bundesgartenschau neu gestalten können, ja müssen? „Ja, das hätte sie“, sagt Stephan Lenzen. „Nur dann wäre der Zeitdruck nicht dagewesen und auch das Land hätte nicht soviel Geld in die Festung Ehrenbreitstein reingesteckt.“ Und die Koblenzer hätten vermutlich noch Jahre auf die Fertigstellung warten müssen. Und auf Besucher, die länger bleiben.

Bundesgartenschau Koblenz 2011 Bauherr: Bundesgartenschau Koblenz 2011 GmbH Planer: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn Von Canal Architekten, Koblenz (Daueranlage und LPH 1 bis 3 Ausstellung) Topotek 1, Berlin (Festungspark) Die 3 Landschaftsarchitektur, Bonn (Blumenhof) Plancontext, Berlin (Ausstellung Festungspark) Atelier Dreiseitl, Überlingen (Wasserspielplatz Deutsches Eck) Dirk Schelhorn Landschaftsarchitektur, Frankfurt (SpielwerkBleidenberg) RMP Landschafts­architekten, Bonn (Spielplatz Schmuckkästchen, Spielplatz rechte Rheinseite) Pflanzplanung: Orel + Heidrich Landschaftsarchitekten, Herzogenaurach (Schlossvorplatz und Festungspark) Adam und Adam, Hannover (Schlossgarten, Deutsches Eck), Petra Pelz, Magdeburg (Festungspark) Aussichtsbauwerk: Daniel Dethier, Lüttich, Belgien Fläche: 48 Hektar Bauzeit: 2008 bis 2012 (Endausbau) Baukosten: 34 Millionen Euro

„Freies Schussfeld“ heißt die freigeräumte Fläche auf dem Plateau vor der Festung. Eine Dominante setzt die Bergstation der Gondelbahn (im Bild rechts).