#Sweetcamp 2018 ERGEBNIS-HANDOUT
WIE SÜß WIRD DIE ZUKUNFT?
2 Sweetcamp | Zukunft
So süß wird die Zukunft https://vimeo.com/305504487 Alle Videos auch auf sweetcamp.de
Wie süß wird die Zukunft? Um diese Frage zu beantworten, sammelten sich Vertreter aus Wissenschaft, Industrie und Verbraucherorganisationen in Bonn zum „Sweetcamp“.
Also meine Einschätzung: Die Zukunft wird weiterhin süß bleiben, ist nur die Frage, wie wir damit umgehen. Verbote helfen an der Stelle gar nicht.
Die Zukunft wird glaub ich erst mal noch süßer, weil es ganz viele Leute gibt, denen es wirklich egal ist.
Alexander Bernhardt, Soldan Holding + Bonbonspezialtäten
Verena Hädrich, Diabetikerbund Bayern e. V.
Ich denke, die Zukunft wird süß bleiben. Wir müssen jedoch die Übersättigung besser kontrollieren und mit weniger Zucker, weniger Salz und Fett auskommen. Christina Ostertag, Contraf-Nicotex-Tobacco GmbH
Sweetcamp | Editorial
3
Ob Zuckersteuer, die Reduzierung von Süße im und durch den Handel oder die geplante Reformulierung von Lebensmitteln durch das BMEL: Die Frage „Wie süß wird die Zukunft?“ ist in aller Munde und wurde auch auf dem Sweetcamp in Bonn heiß diskutiert.
Mit dem Sweetcamp konnten wir unseren Teil zur
Auffällig dabei: Egal welches Thema auf der Agenda
Debatte beitragen. Wir haben gemeinsam mit Ihnen –
stand, immer wieder griffen die Sachverhalte inei-
Fachleuten aus Verbänden, Industrie, Ernährungs-
nander. Wenn es um das Thema Süße und Ernährung
wissenschaft und Verbraucherorganisationen – Ant-
geht, das wurde auf dem Sweetcamp deutlich, ist
worten gesucht und dank Ihrer regen Beteiligung
es wichtig, keinen Blickwinkel außer Acht zu lassen.
auch an vielen Stellen gefunden. In der Deutschen
Deshalb haben wir uns dazu entschieden, die Er-
Welle in Bonn haben wir leidenschaftlich über die
gebnisse des Barcamps nicht anhand der Sessions
Wahrnehmung von Süße und Süßstoffen aus Ver-
aufzuführen, sondern thematisch gegliedert zu
brauchersicht diskutiert sowie Ideen, wie in Zukunft
besprechen.
die Konsumentenaufklärung aussehen kann, vorgestellt und ausgetauscht. Wir haben über Mythen
Ich bedanke mich bei allen Teilnehmern für
wie „Machen Süßstoffe dick?“ aufgeklärt und uns
ein bereicherndes Sweetcamp und wünsche
speziell dem Thema Kinderernährung gewidmet.
viel Spaß beim Lesen!
Alle Themen wurden, wie es bei einem Barcamp üblich ist, durch die Teilnehmer bestimmt. Sie haben die gut besuchten Sessions durch Impulsvorträge
Danny Gandert
bereichert und die Themen gemeinsam und offen
Vorsitzender Deutscher Süßstoff-Verband
diskutiert.
So war das Sweetcamp 2018 https://vimeo.com/305506319 Alle Videos auch auf sweetcamp.de
4 Sweetcamp | Mythen
Machen Süßstoffe
Mehrere Studien zeigen, dass beim Einsatz von Süßstoffen das Körpergewicht gesenkt werden kann. Nicht nur, weil die Kalorien fehlen, sondern auch, weil der Genuss bleibt. So konnten Probanden, die statt gezuckerter Softdrinks Light-Getränke konsumierten, ihr Körpergewicht sogar besser reduzieren als diejenigen, die Wasser trinken mussten – wahrscheinlich, weil sie durch den Süßgeschmack und den damit verbundenen Genuss eher auf kalorienreiche Getränke und Snacks verzichten konnten. „Trotzdem ist das keine Frage, auf die man einfach mit Ja oder Nein antworten kann“, wirft Heidrun Mund ein, ehemalige Vorsitzende des Süßstoff-Verbands. Süßstoffe alleine machen nicht schlank. Sie sind nur ein Teil des Ganzen und müssen insgesamt in ein ausgewogenes Ernährungs- und Bewegungsmuster integriert werden. „Essen an sich macht nun mal dick“, so Mund.
dick?
Verbraucher besser informieren – ohne wissenschaftliche Studien? „Die eigentliche Frage ist doch,
die „Artificial sweeteners induce
in zahlreichen Medien sind ihre
wie wir Verbraucher besser in-
glucose intolerance by altering
Ergebnisse trotzdem bis heute bei
formieren können, ohne immer
the gut microbiota“-Studie, in der
Verbrauchern und Ernährungs-
mit wissenschaftlichen Studien
Presse oft „Israel-Studie“ genannt.
experten präsent.
zu argumentieren“, betonte Ger-
Die Test-Mäuse zeigten eine ver-
hard Fuchs von der Beneo GmbH
änderte Glucosetoleranz. Die Wir-
Mannheim. Denn Studien, die
kung soll durch veränderte Darm-
keine Negativergebnisse liefern,
bakterien ausgelöst worden sein.
stoßen auf wenig Interesse in der
Die Studie, die 2014 Schlagzeilen
Gesellschaft. Ein Beispiel, das ver-
machte, hat keine Praxisrelevanz,
deutlicht, welchen Einfluss Stu-
weil mit unrealistisch hohen Sac-
dien – trotz harscher Kritik aus der
charinmengen gearbeitet wur-
Wissenschaft – haben können, ist
de. Durch die Veröffentlichung
Sweetcamp | Mythen
5
Studien ohne Praxisrelevanz bleiben oft lange in Erinnerung „Das Studiendesign der Isra-
des. Die von den israelischen Wis-
Im Gegenteil: Aus Untersuchun-
el-Studie kann allerhöchstens
senschaftlern vorgelegte Studie
gen an Mäusen beziehungsweise
den Stellenwert einer Hypothe-
basiert größtenteils auf Tierver-
sieben Probanden solche weitrei-
sengenerierung einnehmen“, so
suchen und auf einer sehr klei-
chenden Schlüsse zu ziehen, sei
Anja Krumbe, Oecotrophologin
nen Gruppe von Personen. Sie
aus wissenschaftlicher Sicht nicht
und zuständig für die Öffentlich-
lässt sich nicht ohne Weiteres
akzeptabel. „Ich habe schon oft
keitsarbeit des Süßstoff-Verban-
auf den Menschen übertragen.
die Erfahrung gemacht, dass Wissenschaftler richtig enttäuscht sind, wenn sie feststellen, dass ihre Untersuchungen kein negatives Licht auf Süßstoffe werfen“, betont Krumbe. Diese Einstellung beeinflusse das Studiendesign und so gegebenenfalls auch die Ergebnisse, vor allem aber die Art der Veröffentlichung.
Alkohol hat sieben Kilokalorien pro Gramm. Das sind deutlich mehr als bei Zucker. Da sind es nur vier pro Gramm.
Süßstoff-Verband – Standpunkt Süßstoffe sind kalorienf rei, das
Energieaufnahme langfristig hö-
zeichnet sie aus. Eine Ausnahme
her ist als der Energieverbrauch.
ist zum Beispiel Aspartam. Hier
Süßstoffe sind also kein Teil des
spricht man von „praktisch kalori-
Problems, sondern – neben bei-
enfrei“, das heißt, obwohl Kalorien
spielsweise einer ausgewogenen
enthalten sind, fallen diese – we-
Ernährung und mehr Bewegung –
gen der geringen Einsatzmenge
ein zumindest kleiner Teil der
– im praktischen Einsatz nicht ins
Lösung: Schließlich ermöglichen
Gewicht. Da Süßstoffe also keine
sie denjenigen, die nicht vollstän-
Energie liefern, ist auch eine Ge-
dig auf Süße verzichten möchten,
wichtszunahme durch Süßstoffe
süßen Genuss ohne zusätzliche
ausgeschlossen. Denn Gewicht
Kalorien.
zulegen kann man nur, wenn die
6 Sweetcamp | Kinderernährung
Süße
in der g n u r h ä n r e r Ki n d e
Seit den neunziger Jahren ist die Zahl der übergewichtigen Kinder in Deutschland um rund 50 Prozent gestiegen. Die Folgen: Immer mehr Kinder leiden unter zu hohem Blutdruck, Stoffwechselstörungen, Gicht und sogar Diabetes Typ 2, einer Krankheit, die früher fast ausschließlich ältere Menschen betraf. „Heute kann man zu jeder Zeit und an jeder Ecke Softdrinks und Industrienahrung bekommen“, sagt Dr. Burkhard Lawrenz, Sprecher des Verbandes Kinder- und Jugendärzte. Die Folgen seien verheerend, betont der Kinderarzt. „Eltern und Lehrer sollten öfter den Leitwolf spielen: Kinder essen und trinken, wenn sie Hunger und Durst haben, und dann auch gerne mal Wasser“, so Lawrenz. Die Absprache mit den Eltern erweist sich jedoch immer wieder als große Herausforderung. Insgesamt findet der Kinderarzt, es solle mehr auf natürliche Süße gesetzt werden.
Sweetcamp | Kinderernährung 7
Es gibt keine ungesunden Lebensmittel, nur einen schlechten Umgang damit Große Hersteller haben sich bereits
wertgrenzen zeigen noch nicht
2007 ein „verantwortungsvolles
ausreichend Wirkung. „Das ist
Marketing“ für Kinderlebensmit-
ein klares Anzeichen dafür, dass
tel auf die Fahnen geschrieben.
die Industrie diese Aufgabe nicht
Hersteller informieren über die
alleine bewältigen kann.“, ist auf
Inhaltsstoffe und klären auf. „Es
dem Sweetcamp in Bonn zu hö-
wurde viel seitens der Indus-
ren. Handeln müsse vor allem die
trie getan, zum Beispiel stellt
Politik. „Was wir brauchen ist Bil-
Coca-Cola keine Automaten
dung, Bewegung und Balance,
mit zuckerhaltigen Getränken
gerade für Kinder“, so Thomas
in Schulen auf“, erklärt Carolin
Fiege, Sprecher des Bundes für
Seitz, Nutrition Communications
Lebensmittelrecht und Lebens-
Manager bei Coca Cola. Doch die
mittelkunde (BLL).
in dieser f reiwilligen Selbstverpflichtung verankerten Nähr-
Wir brauchen Bildung, Bewegung und Balance, gerade für Kinder. Thomas Fiege, Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde
8 Sweetcamp | Kinderernährung
Adipositas bei 11–13-jährigen Kindern
12 %
Übergewicht ist auch ein soziales Problem. Bei Kindern aus wohlhabenden
4%
Familien
sind
bei den 11–13-Jährigen beispielsweise gut vier Prozent fettleibig. In derselben Altersgruppe gibt es in sozial schwachen Familien
hoher Sozialstatus
niedriger Sozialstatus
mehr als dreimal so viele dicke Kinder, ganze 12 Prozent. Ähnlich sieht es in den anderen Altersgruppen aus. Noch eindeutiger ist der Zusammenhang, wenn
Adipositas bei 11–13-jährigen Kindern
22 %
man den Anteil der fettleibigen Kinder mit dem Body-Mass-Index der Mutter vergleicht: Nur vier Prozent der Kinder sind fettleibig, wenn die Mutter Normal-
4%
gewicht hat. Doch 22 Prozent sind adipös, wenn auch die Mutter dick ist – das ist mehr als das Fünffache. Das Gewicht bezie-
BMI der Mutter
< 25
BMI der Mutter
> 30
hungsweise die Ernährung der Mutter scheint also eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von kindlichem Übergewicht zu spielen.
Fernsehkonsum und Übergewicht
12 %
7%
6% <1h
1-2h
>3h
Quelle: KiGGS-Studie, Robert-Koch-Institut
Sweetcamp | Kinderernährung
9
15 Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten als übergewichtig Handlungsbedarf gibt es in jedem
„Es ist auch immer noch eine
Fall: 15 Prozent der Kinder und
Preisfrage: Die Masse greift zum
Jugendlichen gelten laut aktuel-
zuckerhaltigen Riegel für unter
ler Studie des Robert-Koch-Insti-
einem Euro.“ Alternativen mit bes-
tuts als übergewichtig. Damit sind
seren Nährwerten für über zwei
2018 genauso viele Kinder und
Euro haben es da sehr schwer.
Jugendliche übergewichtig oder fettleibig wie vor zehn Jahren, als es im Zeitraum von 2003 bis 2006 erstmals eine solch groß angelegte Untersuchung zur Kinder- und Jugendgesundheit (Kiggs) gab. Die Ergebnisse lassen daran zweifeln, dass Kinder und auch ihre Eltern immer richtig einschätzen können, wie viel gesund ist. „Die Menschen schaffen das nicht“, ist das Fazit vieler Ernährungsberater. Danny Gandert, Vorsitzender des Süßstoffverbands, macht darauf auf meksam, dass Übergewicht auch ein soziales Problem ist. Gesunde Ernährung ist auch immer noch eine Frage des Preises: Nur wenige greifen zu Riegeln mit vergleichsweise guten Nährwerten.
Süßstoff-Verband – Standpunkt
Süße in der Kinderernährung https://vimeo.com/305506083 Alle Videos auch auf sweetcamp.de
Süßstoffe liefern keine Kalorien
lichst ausgewogen und nicht aus-
und wirken sich nicht negativ auf
schließlich süß ernähren sollten,
die Zahngesundheit oder den
versteht sich von selbst. Mit Süß-
Blutzuckerspiegel aus. Gerade aus
stoff gesüßte Produkte können
diesen Gründen sind Produkte,
hierzu einen wichtigen Beitrag
in denen Süßstoff zum Beispiel
leisten, um die Ernährung mög-
anstelle von Zucker verwendet
lichst vielfältig und voller Genuss
wird, eine mögliche Alternative,
zu gestalten.
die auch für Kinder geeignet ist. Dass Eltern nicht nur ihre Kinder, sondern auch sich selbst mög-
10 Sweetcamp | Verbraucher
„Süße“-Wahrnehmung Die Bundesregierung will Süße mit ihrer Reformulierungsstrategie reduzieren, die AOK kämpft mit dem Slogan „süß war gestern“ gegen Süßungsmittel und die Handelskette Rewe verringert in ihren Eigenmarken öffentlichkeitswirksam den Zuckeranteil. Das Ziel: weniger Übergewicht. Mit allen Mitteln wird um die Aufmerksamkeit des Verbrauchers gekämpft. Auf dem Sweetcamp in Bonn wurde diskutiert, welchen Einfluss diese Kampagnen auf den Verbraucher haben. Wie wird Süße heute wahrgenommen? Welche Argumente überzeugen und welche nicht?
Offen diskutiert: Akzeptiert der Verbraucher weniger Süße?
Sweetcamp | Verbraucher 11
Mögen’s Verbraucher immer noch süß? Die Lust nach Süßem ist jedem
Ausnahme mehr. Vom Verbrau-
wird sicherlich weiterhin seine
Menschen angeboren. Schon
cher werden sie unterschiedlich
zuckerhaltigen Süßwaren kon-
das Fruchtwasser und die Mut-
gut angenommen. Ein Grund: Mit
sumieren“, mutmaßt Bollinger.
termilch schmecken süß. Und so
Süßstoff gesüßte Produkte ha-
Es sei denn, er möchte Gewicht
kommt kaum ein Lebensmittel
ben nicht die gleiche sensorische
verlieren. Die Wahrnehmung des
im Supermarkt ohne Zucker aus:
Qualität wie gezuckerte Produkte.
Konsumenten ist also flexibel: „Es
Er steckt im Brot, in Fleischwaren,
„Ich gewöhne mich aber auch an
kommt immer darauf an, wie die
in Joghurt und anderen Milch-
das Süßeprofil eines Süßstoffes“,
Interessenlage ist“, so Bollinger.
produkten, im Müsli und natürlich
argumentiert Harmut Bollinger
in fast allen Fertigprodukten. Der
von Bollinger food consulting.
Pro-Kopf-Konsum an Weißzucker
Das sei bei Diabetikern, die fast
ist laut einer Erhebung von Statista
keine andere Wahl haben, als zu
seit 2011 um knapp 7 Prozent an-
Süßstoffen zu greifen, wenn sie
gestiegen.
nicht auf Süße verzichten wollen, immer wieder zu beobach-
Lebensmittel, die alternativ mit
ten. „Der gesunde Konsument
Süßstoffen wie beispielsweise Aspartam oder Stevia ihren süßen Geschmack erhalten, sind in Supermarktregalen längst keine
Verbrauchergruppe: Diabetiker Verena Hädrich, Vertreterin des
gefährlich. Einen Grund für die
Diabetikerbunds Bayern, lebt seit
sich hartnäckig haltenden Mythen
vielen Jahren mit Süßstoffen. „Und
sieht Hädrich in der Berichterstat-
natürlich geht es mir gut damit“,
tung der Medien: „Süßstoff ist
betont Hädrich. Die Diabetikerin
nicht schädlich. Da war ich mir
versorgt auch ihre Kinder und En-
eigentlich schon immer sicher,
kelkinder regelmäßig mit Süß-
aber man hört ja in der Presse
stoff-gesüßten Produkten. Und
immer nur Negatives.“
auch da: nichts. Trotzdem muss sich Hädrich viel Kritik gefallen lassen: „Es wird immer geredet: Du mit deinem blöden Süßstoff,“ so Hädrich. Die Leute sagen, Süßstoffe seien nicht sicher oder sogar
12 Sweetcamp | Verbraucher
Überernährung ist das Problem, nicht die Süße Nicht nur der Süßstoff wird sein
Das Gegenargument mancher
Die Wirkung von Zucker und Süß-
schlechtes Image nicht los: Zucker
Ernährungswissenschaftler lautet:
stoff im Körper lässt regelmäßig
und Süße ganz allgemein sind
„Es gibt keinen Bedarf, Zucker,
leidenschaftliche Debatten aus-
Handel, Krankenkassen und Me-
konkret Mono- und Disaccharide,
brechen, die vor allem eines aufzei-
dien aktuell ein Dorn im Auge. Die
als Lebensmittel entscheidend.“
gen: Interdisziplinärer Austausch
weißen Kristalle sollen verschie-
Das menschliche Gehirn benötige
ist wichtig und in jedem Fall rich-
dene Krankheiten wie Diabetes
zwar etwa 130 Gramm Glucose am
tig. Wenn selbst die Wissenschaft
und Übergewicht begünstigen.
Tag, der Körper sei jedoch in der
sich nicht einig ist, wie sollen es
Zucker ist eine Ursache für Karies
Lage, diese Glucose aus Polysac-
dann die Verbraucher sein?
und es steht außer Frage, dass er,
chariden, also Stärke selbst auf-
in Massen verzehrt, dick macht.
zuspalten. „Kohlenhydrate wie
Zwar gilt für Zucker wie für alles
Zucker sind grundsätzlich nicht
andere auch: Die Dosis ist ent-
schädlich“, bezieht Dr. Burkhard
scheidend. Die Medien scheint das
Lawrenz vom Berufsverband der
jedoch wenig zu interessieren, so
Kinder- und Jugendärzte Stellung.
zumindest der allgemeine Tenor
Studien belegen, dass sowohl sehr
bei den Sweetcamp-Teilnehmern.
wenige als auch sehr viele Kohlenhydrate ungesund sind. „Nur ein
„Wir haben nicht den Zucker,
moderater Genuss ist sinnvoll“,
der gewisse Krankheiten fördert,
resümiert der Arzt.
Ich denke, dass der Konsument weiter die Präferenz auf einen guten Geschmack legt. Hartmut Bollinger, Bollinger food consulting
sondern die Überernährung“, positioniert sich Meike Veit, Vertreterin von Pfeiffer & Langen.
63 % halten Süßstoffe für ungesund
vs.
71 %
verwenden bewusst Süßstoff
Quelle: Verbraucher-Umfrage des österreichischen Süßstoff-Verbandes, 2016
Sweetcamp | Verbraucher 13
Wie kann man den Verbraucher heute noch erreichen? Danny Gandert, Geschäftsfeldlei-
erstattungen aufzudecken.“ Die
ter bei Nutrisun und Vorsitzender
Posts und aufklärenden Videos
des Süßstoff-Verbands, setzt auf
des Spitzenverbands erfahren auf
einfache und plakative Aufklärung:
Twitter, Youtube und Facebook
„Ich glaube, die Verbraucher
große Aufmerksamkeit. Der Bei-
werden zugeschüttet mit Infor-
trag „Wie viel Zucker ist drin“
mationen und sind auch über-
wurde bisher zum Beispiel über
drüssig, irgendwie tiefgehende
5 000 Mal angeschaut.
Informationen zu lesen.“ Des-
Auch auf dem Sweetcamp wurde eifrig getwittert: Die Tweets wurden live auf die Twitter-Wall im Saal übertragen.
halb sei die Kampagne des Süßstoff-Verbandes „So süß wie Du“ genau der richtige Schritt für eine unterhaltsame, prägnante und transparente Aufklärung. Thomas Fiege vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) zeigt in der Barcampsession, dass die Kommunikation über soziale Netzwerke wie Facebook immer wichtiger wird: „Wir vom BLL versuchen über Facebook und Co. die Verbraucher zu erreichen und falsche Bericht-
Süßstoff-Verband – Standpunkt
So sehen Verbraucher Süße https://vimeo.com/305505622 Alle Videos auch auf sweetcamp.de
Im Sinne eines wirkungsvollen
der Süßstoff-Verband eine ver-
Vorgehens gegen Übergewicht
ständliche und unterhaltsame
kann es nicht um eine generelle
Möglichkeit, sich mit Vorurteilen
Reduzierung von „Süße“ gehen.
zum Thema Süßstoff auseinander-
Der Weg zu einer verbesserten
zusetzen. Der Verbraucher erhält
Kalorienbilanz führt nicht über
ein Werkzeug, das es ihm erleich-
Verbote oder Einschränkungen,
tern soll, eine fundierte Meinung
sondern über aufgeklärte Ver-
bezüglich der Verwendung von
braucherinnen und Verbraucher,
Süßstoffen zu entwickeln und
die wir dabei unterstützen, sich
diese in die tägliche Ernährung
individuell gesünder zu ernäh-
einfließen zu lassen.
ren. Mit dem Mythen-Checker auf www.so-suess-wie-du.de bietet
14 Sweetcamp | Zuckersteuer
Weniger Süße weniger Übergewicht Hilft eine Zucker- bzw. Süßesteuer beim Abnehmen? Eine so genannte Zuckersteuer wurde unter anderem bereits in Großbritannien, Frankreich und Mexico eingeführt. Einige Hersteller reduzierten daraufhin den Zuckergehalt ihrer Speisen oder Getränke. Belastbare Zahlen, ob diese Zuckerreduktion tatsächlich zu weniger Übergewicht führt, liegen noch nicht vor. Unabhängig davon werden auch hierzulande erste Forderungen nach einer generellen Süßesteuer laut – also auch auf Produkte, die kalorienfrei mit Süßstoffen gesüßt wurden. Das Ziel dahinter ist klar: Es geht nicht mehr um eine Reduzierung der Kalorienaufnahme, sondern um eine Veränderung des Verbrauchergeschmacks.
Sweetcamp | Zuckersteuer 15
Übergewicht ist ein ernst zu
rungen nicht an die große Glocke
abgestimmt werden. Das Ergeb-
nehmendes Problem und Zu-
hängt“, fasst es Harald Seitz vom
nis: 45,02 Prozent aller Teilneh-
ckerreduktion ein oft genanntes
Bundeszentrum für Ernährung
mer stimmten für den Pudding
Gegenmittel: Die Bundesregie-
zusammen.
mit 30 Prozent weniger Zucker –
rung arbeitet mit einer groß be-
Ein viel diskutiertes Beispiel ist
genau der Prozentwert, ab dem
setzten Expertenkommission an
in diesem Zusammenhang die
ein Produkt im Supermarkt als
der Reformulierungsstrategie für
Aktion „Wie viel Zucker brauchst
zuckerreduziert gekennzeichnet
Zucker und Salz, die die Lebens-
du noch?“ der Supermarktket-
werden darf.
mittelproduktion insgesamt zu-
te Rewe. Die Rewe Group ließ
cker- und salzärmer machen soll.
Verbraucher Anfang des Jahres
Verwunderlich, dass in keinem
Gleichzeitig ist die Angst vieler
abstimmen, wie viel Zucker sie
weiteren Eigenprodukt von Rewe
Unternehmen groß, Kunden zu
in ihrem Schokopudding haben
der Zucker so stark reduziert wur-
verlieren, wenn sie den Süßanteil
möchten. Neben der Original-Re-
de. Joghurts, Müslis und Eis sind
vermindern. „Aktuell ist es der
zeptur gab es Pudding mit 20, 30
bis jetzt nur mit 8–12 Prozent we-
Handel, der lautstark vorangeht,
und 40 Prozent weniger Zucker
niger Zucker auf dem Markt.
während die Industrie Verände-
zu probieren. Online konnte dann
Kleine Senkungen bleiben unsichtbar Die kleinen Senkungen bleiben
Das Gegenargument der Industrie:
jedoch die Rezepturänderung.
auf der Verpackung unsichtbar.
Werbung mit Zuckerreduktion
Bricht das Zugpferd der Marke
„Ich frage mich an dieser Stelle,
könnte den Verbraucher abschre-
weg, kommt das ganze Unter-
ob es nicht sinnvoller wäre, dass
cken. Tests zeigten, dass Produkte
nehmen ins Wanken. So werden
auch eine geringere Senkung des
mit weniger Zucker dann besser
zuckerreduzierte Produkte eher als
Zuckergehalts ausgelobt werden
akzeptiert werden, wenn die Zu-
zweites Standbein in die Regale
dürfte“, so Julia Icking, Oecotrop-
ckerreduktion im Versuchsaufbau
gebracht. Unbeantwortet bleibt
hologin. Der Geschmacksunter-
nicht kommuniziert wird. Weiß die
dabei die Frage, ob sich die Ver-
schied wäre geringer, die Werbe-
Testperson über die Reduktion
braucher vielleicht an weniger
wirkung unter Umständen groß.
Bescheid, beurteilt sie das gleiche
Süße gewöhnen würden, wenn
Produkt oft schlechter.
sie länger im Handel wäre.
Trotzdem bringen viele Herstel-
Antworten von Rewe und anderen
ler zuckerreduzierte Produkte auf
Handelsketten blieben in Bonn
den Markt. Große Marken fürchten
aus: „Wir hoffen, dass sie unsere Einladung zum Dialog beim Sweetcamp 2019 annehmen werden“, so Danny Gandert, Vorsitzender des Süßstoff-Verbands.
16 Sweetcamp | Zuckersteuer
Zucker raus, andere Kalorien rein? Oft zitiert wurde auch die Bemer-
Die Kalorienzahl verringert sich so
kung des Einkaufschefs Hans-Jür-
kaum: 100 Gramm Originalpud-
gen Moog: Der fehlende Zucker
ding haben 163 Kilokalorien, der
werde bei der Rewe-Eigenmarke
zuckerreduzierte immer noch 153
nicht durch Süßstoffe ersetzt. Im
Kilokalorien. „Was nützt mir das,
Schokopudding ist also ledig-
wenn ich den Zucker wegnehme
lich der Zuckeranteil reduziert –
und dafür andere kalorienreiche
von 14 Gramm (Original) auf bis
Sachen hineinpacke“, war die Fra-
zu 9,8 Gramm je 100 Gramm
ge, die sich den Teilnehmern des
(Minus-30-Prozent-Variante). Der
Sweetcamps immer wieder stell-
fehlende Zucker wird durch mehr
te. Mit einer Zuckersteuer würde
von den übrigen Zutaten ersetzt,
aber möglicherweise genau das
zum Beispiel durch mehr Fett.
passieren.
Zuckersteuer in Deutschland Was kann man also von einer Zu-
hersteller ihre Rezepte verändert
in einen Gewissenskonflikt“,
ckersteuer erwarten? Um diese
haben“, betont Gerhard Fuchs von
macht Burkhard Lawrenz vom
Frage zu beantworten, schweift
der Beneo GmbH Mannheim. Ob
Berufsverband der Kinder- und
der Blick oft nach Großbritannien.
die Reduzierung einen nachhal-
Jugendärzte aufmerksam. Ähn-
Seit April 2018 gilt dort eine Zu-
tigen Effekt auf die Gesundheit
lich wie beim Rauchen profitiert
ckersteuer für zuckerhaltige Ge-
haben wird, bleibe abzuwarten.
der Staat durch die Steuer von
tränke mit Ausnahme von Frucht-
„Es gab die Zuckersteuer auch
der Nikotinsucht. Die Folge: Der
säften, Getränken auf Milchbasis
schon mal in Deutschland“, so
Staat hat kein Interesse mehr da-
Fuchs weiter. Die
ran beispielsweise Tabakwerbung
Verbrauchsteuer
zu verbieten.
und den Produkten sehr kleiner Unternehmen. Getränke mit mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter werden mit einer Abgabe von 18 Pence pro Liter belegt. Softdrinks mit mehr als
Der Staat kommt in einen Gewissenskonflikt. Dr. Burkhard Lawrenz, Berufsverband der Kinderund Jugendärzte
acht Gramm Zucker pro
auf Zucker musste im Hinblick auf den EG-Binnenmarkt zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zum 1. Januar 1993 abgeschafft
100 Milliliter werden mit 24 Pence
wurde. In dieser wirtschaftlichen
pro Liter besteuert. „Die Steuer
Betrachtungsweise zeigt sich ein
hat dazu geführt, dass Getränke-
weiterer Effekt: „Der Staat kommt
Süßstoff-Verband – Standpunkt Maßnahmen wie beispielsweise
getränke – allein wegen ihres sü-
eine Zuckersteuer mögen viel-
ßen Geschmacks – einschließen
leicht kurzf ristig die eine oder
würden.
andere Kundenentscheidung
Erfolg versprechend hingegen
im Supermarkt beeinflussen, sie
ist es, Verbraucherinnen und Ver-
bieten aber keine Lösung für die
braucher für eine (ernährungs-
eingangs geschilderten Ursachen
physiologisch und geschmack-
von Übergewicht. Erst recht gilt
lich) individuell an den Bedarf
diese Einschätzung im Hinblick
angepasste Ernährung zu gewin-
auf etwaige Softdrinksteuern, die
nen.
auch kalorienfreie Erfrischungs-
18 Sweetcamp | Barcamp
Das Barcamp ist wie dafür geschaffen, um über die Zukunft der Süße zu diskutieren. Jeder kann das sagen, was er für wichtig und richtig hält. Die Themen werden von den Teilnehmern frei ausgewählt und dann gemeinsam und offen diskutiert. Für uns war es das ideale Format. Danny Gandert, Vorsitzender des Süßstoff-Verbandes
Barcamp Das richtige Format?
Ja!
So lautet das nahezu einstimmige Urteil aller Teil-
nehmer des Sweetcamps. Dabei war das Barcamp bei Weitem nicht jedem bekannt. Knapp 70 Prozent der Teilnehmenden wa-
Haben Sie vor dem Sweetcamp bereits einmal an einem Barcamp teilgenommen?
10,5 % Ja, ein Mal
ren zum ersten Mal Teil dieses freien Eventformats. Nur etwas über ein Viertel brachte Barcamperfahrung mit.
21,1 % Ja, mehrfach
68,4 %
Nein, es war mein erstes
Sweetcamp | Barcamp 19
26,3 % Vielleicht
Trotz vieler Skeptiker waren am Ende des Tages fast alle überzeugt: „Ich war skeptisch und hab überlegt, ob sich die Zeit wirklich lohnt, herzufahren“, so Burkhard Lawrenz, Sprecher des Verbandes Kinder- und Jugendärzte. Doch
Würden Sie an einem möglichen Sweetcamp 2019 teilnehmen?
die interdisziplinären Dialoge überzeugten den Mediziner. „Es ist gut, wenn Verbände solche Veranstaltungen organisieren“, schloss Lawrenz und sprach sich für ein weiteres Sweetcamp 2019
73,7 % Ja
aus.
Ich nehme auf jeden Fall viel mit, zum Beispiel, was die Diätologen denken und was aus dem Diabetiker-Verband kommt, das hört man normalerweise nicht so. Corinna Scherrer, Süßstoff-Verband Österreich
5% Nein
Konnten Sie neue Erkenntnisse oder Denkanstöße vom Sweetcamp mitnehmen?
So fanden die Teilnehmer das Barcamp https://vimeo.com/305504977 Alle Videos auch auf sweetcamp.de
95 % Ja
Herausgeber Süßstoff-Verband e.V. Kontakt in Deutschland Dipl. oec. troph. Anja Krumbe Telefon: +49 (0)2203 20 89 45 www.suessstoff-verband.info info@suessstoff-verband.de Kontakt in Österreich Mag. Uta Mueller-Carstanjen Telefon: +43 (0)664 515 30 40 www.suessstoff-verband.info info@suessstoff-verband.at Kontakt in der Schweiz Mag. Uta Mueller-Carstanjen Telefon: +41 (0)31 311 03 08 www.suessstoff-verband.info info@suessstoff-verband.ch Text und Redaktion Dipl. oec. troph. Anja Krumbe rheinland relations GmbH Konzept, Gestaltung und Bildmaterial rheinland relations GmbH www.rr-pr.com
Eine Informationsbroschüre des Süßstoff-Verbandes e.V.
Verbraucherkampagne www.so-suess-wie-du.de