Theaterzeitung #2 - welt vermessen (Beilage der NGZ)

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Die Spielzeit 2018/19 welt vermessen Das Rheinische Landestheater Neuss | www.rlt-neuss.de Intendanz: Reinar Ortmann „Welt vermessen“ haben wir uns für die Spielzeit 2018/19 am Rheinischen Landestheater Neuss vorgenommen und gerade liegen die Hälfte der Strecke und sieben Premieren hinter uns. Dabei ist die Welt sowohl als räumliche wie auch als geistige Kategorie zu fassen. Der Begriff ‚vermessen‘ erscheint in all seiner Mehrdeutigkeit: Als wissenschaftliches Tun, als Fehlerhaftigkeit im Sinne von „da habe ich mich vermessen“ und als die Hybris des Menschen fassendes Adjektiv. Nun liegen die Kontinente Elfriede Jelinek und William Shakespeare in Sichtweite vor uns: Mit Jelineks Porträt der Ikone Jacqueline Kennedy Onassis „Jackie“ und William Shakespeares ebenso turbulenter wie melancholischer Komödie „Was ihr wollt“ starten wir in das neue Jahr. Mit den drei folgenden Premieren werden wir dann eingehend und aus verschiedenen Blickwinkeln den Zustand der Welt weiter befragen: „La Línea“ nach dem Roman von Ann Jaramillo erzählt von Migrationsbewegungen auf dem amerikanischen Kontinent. Ein junges Geschwisterpaar macht sich auf den Weg quer durch Mexiko, um in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Der Gegenwartsautor Konstantin Küspert unternimmt in „Europa verteidigen“ einen irrwitzigen Trip durch die europäische Geschichte. Er führt von sonnenbeschienenen griechischen Stränden in die Eiswüste des frisch entdeckten Grönlands, auf die Schlachtfelder der Weltkriege des 20. Jahrhunderts und auf ein Patrouillenboot auf dem Mittelmeer der nächsten Zukunft. Joseph Conrad, Autor von „Herz der Finsternis“, war ein Weltenwanderer: In Polen geboren, bereiste er als Seemann auf Schiffen verschiedener Nationen die Weltmeere. Seine Erlebnisse fasste er als Schriftsteller in englischer Sprache in Romane und Erzählungen. „Herz der Finsternis“ beschreibt eine Flussfahrt auf dem Kongo und die Suche nach einem verschollenen Elfenbeinjäger. Joseph Conrads 1902 erschienener Roman ist noch immer ein zentraler Text zum Verhältnis Europas zu Afrika. Mit ihm stellen wir die Frage, ob der als überwunden behauptete Kolonialismus mit der Globalisierung einfach nur einen neuen Namen erhalten hat. Bereits in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts beschrieb der französische Dichter und Intellektuelle Paul Valery den Eindruck einer globalisierten Welt: „Da sich das Ursachensystem, das die Geschicke eines jeden von uns bestimmt, nunmehr über den ganzen Erdball erstreckt, wird dieser auch bei jeder Erschütterung als ganzer in Mitleidenschaft gezogen; Fragen, die umgrenzt blieben, weil sie auf einen Punkt begrenzt waren, gibt es nicht mehr.“ Der Zustand, der der Welt konstatiert werden kann, fordert dazu auf, Gemeinschaften zu bilden. Entsprechend haben wir uns dem „European Balcony Project“, das symbolisch eine „Europäische Republik“ ausgerufen hat, ebenso angeschlossen wie den „Vielen“, die Zeichen setzen für Freiheit, Toleranz und Vielfalt in unserer Gesellschaft. Unsere Kernkompetenz dabei ist das Theater: Spannende, lustige und traurige Geschichten zu erzählen und zu fragen, was um alle Welt der Mensch macht! Ihr Reinar Ortmann

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Wir unterstützen:

Intendant Rheinisches Landestheater Neuss

Auf den Brettern, die die Welt vermessen Ein Interview mit unseren Schauspieler*innen über unser Spielzeitmotto „welt vermessen“ Seit Beginn der Spielzeit vermessen wir die Welt. Uns hat interessiert, was unsere Schauspieler*innen zu unserem Spielzeitmotto denken. Mit sechs von Ihnen haben wir gesprochen. Christoph Bahr, Hubertus Brandt, Johanna Freyja Iacono-Sembritzki, Josia Krug, Juliane Pempelfort und Linda Riebau gaben uns interessante Einblicke in ihre ganz persönlichen Weltsichten. Im Augenblick probt ihr fast alle Shakespeares „Was ihr wollt“, das im sagenhaften Illyrien spielt. An welchem Lieblingsort würdet Ihr denn gern mal schiffbrüchig werden?

Chr. Bahr: Auf einer schwedischen Insel. Björkö zum Beispiel. Da war ich letzten Sommer. Ich mag Schweden sehr. Ich spüre da so eine Ruhe und Leichtigkeit und mag die Natur sehr. Ich mag auch die Leute dort. Die sind so unaufgeregt. Das ist ein guter Gegenpol zum oft aufgeregten Theateralltag. H. Brandt: Bei mir gibt es da viele Orte in Deutschland, die ich bisher kennengelernt habe, die mir sehr gefallen. Auch ich liebe die Natur. Ich bin ein Naturbursche. Jäger und Angler. Egal wo eigentlich: Jedes Mal, wenn ich in irgendeinem Wald bin, fühle ich mich sehr wohl. J. Krug: Irgendwo am Meer. Ich schaue gerne auf das Meer.


L. Riebau: Das Meer mag ich auch. Besonders den weiten Blick. Der macht auch innerlich ganz weit. Dann kann man auch innerlich ganz weit ein- und ausatmen. J. Krug: Das geht übrigens auch in der Stadt: Kürzlich war ich in New York. Das war gewaltig, vom 85. Stock des Empire State Buildings auf diese Stadt hinunterzuschauen. J. Pempelfort: Lieblingsort? Ich bin, ehrlich gesagt, wahnsinnig gerne zu Hause und genieße die Ruhe und bin sehr glücklich damit, für mich rumzupuzzeln oder einfach mal nur dazusitzen und die Wand anzuschauen. Ansonsten kehre ich gerne an Kindheitsorte zurück, das heißt nach Potsdam, wo ich am liebsten auf dem Ruinenberg bin, wo wir als Kinder immer gerodelt und auf der Ruine herumgeklettert sind. L. Riebau: Ja! Der Garten meiner Kindheit. Das ist ein Ort, sobald ich heute da bin, komme ich total zur Ruhe. Ich habe auch im letzten Sommer gemerkt, als es so heiß war: Nichts spendet so guten Schatten wie alte Bäume. Was heißt „Welt vermessen“ für Euch ganz persönlich in der Arbeit auf der Bühne? J. Sembritzki: „Vermessen“ ist ja ein Teekesselchen. Man „vermisst“ etwas und man ist „vermessen“. Ich frag mich da zum Beispiel: Wo bin ich und kann ich vermessen sein? Inwiefern kann ich das Publikum zwingen, diese Vermessenheit mitzumachen? Bis wohin geht das Maß der Dinge? Wo liegen die Grenzen für meine Figur? J. Pempelfort: Jedes Stück ist ja selbst immer eine ganz eigene, oft fremde, immer neue Welt, die es in der Probenarbeit, in das Hineinarbeiten in eine Figur, in eine andere Zeit, ein neues Thema, zu vermessen gilt. Chr. Bahr: „Welt vermessen“ lässt ja sehr viel Raum für Interpretationen. Für mich ergeben sich da Fragen, wie: In was für einer Welt leben wir? Wie wollen wir diese Welt gestalten? Was ist uns wichtig? Und krie- gen wir das zusammen hin, oder braucht es da starke Stimmen, die vordenken und vorangehen? J. Krug: Ich muss bei „vermessen“ an Grenzen denken. Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass wir die Welt so kennen, wie sie heute ist? Es gab Leute, die haben Orte entdeckt, und dann gab es Leute, die haben Grenzen festgelegt, Grenzen verlegt oder sogar erkämpft. Und wie ist das heute, wo Grenzen verschmelzen, wenn ich zum Beispiel an Europa denke? Und dann frage ich mich, was ist denn unser Maß, an dem wir uns messen und aus dessen Perspektive wir alles betrachten, analysieren und bewerten? H. Brandt: Ich sehe das Spielzeitmotto mehr als eine Horizonterweiterung: Die Welt neu zu vermessen, sich auf zu machen, sich neu auf die Reise zu begeben, die Dinge mit neuen Maßstäben zu betrachten. Ebenso geographisch aber auch persönlich. Wo sind die Konflikte, bei denen wir immer in den gleichen Statuten hängen – diese Prozesse aufzubrechen, um einfach zu sagen: Komm, wir machen das mal anders jetzt. L. Riebau: Ich habe ja einen ganz persönlichen Weltenwechsel hinter mir. Nach einem Jahr in Elternzeit kam die Rückkehr in die Theaterwelt ganz überraschend mit einer Übernahme in „Biedermann und die Brandstifter“. Quasi über Nacht. Da war ich sehr froh, als ich merkte, dass ich mich auch in dieser anderen Theaterwelt schnell wieder wohlgefühlt habe. – Übri-

gens: Mit „Herz der Finsternis“ reise ich nach Afrika und mit „Kirschgarten“ nach Russland. Beides Teile der Welt, in denen ich schon war. Wenn Ihr auf die Welt guckt: Was sind denn die Dinge, die Euch gerade Sorgen bereiten? J. Sembritzki: Wie immer die Religion, finde ich. H. Brandt: Das ist interessant, dass Dir das als erstes einfällt. Weil ich denke, dass die Welt schon vorher untergegangen ist. Mit fünfzig weiteren Jahren Erderwärmung, Umweltverschmutzung. J. Krug: Religionskonflikte kann man doch darauf herunterbrechen, dass es darum geht, sich zu unterscheiden. Der Mensch unterscheidet sich gern von den anderen und definiert sich darüber. Und das birgt natürlich Konfliktpotential. H. Brandt: Konfliktpotential sehe ich auch im Kapitalismus. Das Streben jedes Einzelnen, für sich das Beste herauszuholen, und dabei auch in Kauf zu nehmen, dass andere dadurch leiden. Chr. Bahr: Religion und Kapitalismus sind insofern ähnlich, weil wir in Systemen stecken und darin Sicherheit suchen. Und wenn Dinge nicht zusammenpassen gibt es immer Probleme, weil jeder Angst um seine eigene Sicherheit hat. J. Krug: Ich muss mich ja auch fragen: Was für eine Wohnung kann ich mir leisten? Reicht das Geld für mein Bio-Essen? Wie muss ich mir mein Geld einteilen, damit ich gewisse Werte, die ich vertrete, überhaupt wahrmachen kann? H. Brandt: Und die Schere, die sich zwischen Arm und Reich auftut wird ja auch immer extremer. National gesprochen. International sieht das ja noch schlimmer aus: Die Ausbeutung der armen Länder. Alles auch noch zulasten der Natur, die uns am Ende als erste einen vor den Kopf hauen und sagen wird: Feierabend. Holland, bye bye! J. Krug: Was mir Angst macht, ist die Veränderung der politischen Sprache im Augenblick. Zum Beispiel im Bundestag: Rechtsradikale im Parlament. Das gibt mir zu denken, weil dadurch manche Schranken oder Schleusen oder Grenzen so geöffnet werden, dass nicht mehr differenziert wird. Das finde ich gefährlich. L. Riebau: Vor allem denke ich da auf jeden Fall an den anhaltenden patriarchalen Backlash. Jüngstes Beispiel: die UN-Vollversammlung verabschiedet eine Resolution gegen sexuelle Gewalt, die USA stimmen dagegen – wegen Passagen zur Familienplanung und dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Sowas macht mir Sorgen. Gibt es denn Arbeiten bisher, bei denen Ihr das Gefühl hattet: Ich bin da besonders produktiv im „Welt vermessen“ oder gibt es vielleicht ein kommendes Stück, bei dem ihr Euch etwas in diesem Sinn erhofft? H. Brandt: „Europa verteidigen“ wird sich sicher ganz intensiv mit solchen Fragen auseinandersetzen. Bei „Menschen im Hotel“ hingegen fand ich interessant, sich mit den Phasen zwi-

schen den Weltkriegen auseinanderzusetzen. J. Pempelfort: Zurückblickend waren das für mich Arbeiten wie „Joseph und seine Brüder“, die „Ilias“, aber auch „Mamma Medea“. J. Sembritzki: Selbst bei „Was ihr wollt“, wo ja die Tagespolitik keine Rolle spielt, kann ich sagen: Auch hier geht es darum, inwieweit vermisst man Gefühle? Wo findet man die Grenzen seiner Gefühlswelten? Wo verliert man sich in Gefühlen? Inwiefern bin ich vermessen genug, mich in ein Gefühl hineinzusteigern? – Bei „Biedermann und die Brandstifter“ ging es für mich um die Frage: Inwieweit bin ich in der Pflicht, als Bürgerin Grenzen aufzuweisen, zum Beispiel um meine Mitmenschen zu schützen? J. Krug: „Herz der Finsternis“ möchte ich nennen. Anders als „Europa verteidigen“ befasst sich „Herz der Finsternis“ ja mit der Rolle Europas zu ganz anderen Zeiten. Da wird von den Verbrechen des Kolonialismus in Afrika erzählt. Selbst „NippleJesus“, was vielleicht nicht direkt zum Thema „Welt vermessen“ zu passen scheint, aber im Hinblick darauf, was unsere Aufgabe ist als Theater, als Schauspieler. Denn Kunst ist ja ähnlich wie Politik: Sobald man aufhört, sich mit ihr auseinanderzusetzen, dann lebt nichts mehr, dann passiert nichts mehr. Das ist einer der Akzente, die wir mit den Stücken zeigen können, so dass wir Impulse setzen, über die das Publikum nachdenken kann. Findet Ihr die politische Auseinandersetzung für Euch als Schauspieler wichtig? J. Sembritzki: Ich finde, ja! Wobei es ja nicht darum geht, meine persönliche politische Meinung dem Publikum aufzudrängen. Ich kann aber verschiedene politische Haltungen und Meinungen spielen und damit etwas bewirken. Aber ich finde die Auseinandersetzung wichtig. Noch beim letzten Publikumsgespräch zu „Biedermann und die Brandstifter“ habe ich gedacht: Ich finde es so wichtig, dass es einen Austausch mit dem Publikum gibt, gemeinsam mit den Schauspieler*innen, dem Regisseur, der Dramaturgie, dass man ins Gespräch kommen kann. J. Pempelfort: Da stimme ich zu. Ich finde, es ist nicht Aufgabe des Theaters und der Kunst, Politik zu betreiben oder zu verändern, aber Theater als Institution greift Stimmungen, Diskurse auf, kann Themen setzen. Da wünsche ich mir manchmal mehr Mut, das Publikum auch mal zu fordern, ihm etwas zuzumuten. Damit eine Auseinandersetzung stattfindet, eine Spiegelung, ein Auf-die-Spitze-treiben bestenfalls. L. Riebau: Das passiert ja manchmal auch von ganz alleine, dass etwas politisch wird. Wir hatten zum Beispiel mal eine Vorstellung von „Bella Ciao“, unserem Revolutions-Liederabend, genau am Tag der Anschläge von Paris 2015. Das Theater hatte noch überlegt, ob man diese Vorstellung absagen sollte. Wir haben gespielt. Im Stück singen wir auch die „Marseillaise“. Uns allen wurde das erst in diesem Augenblick klar, als wir da auf der Bühne standen, dass das an diesem Abend jetzt eine ganz andere Bedeutung hat. Denn da stand das in Bezug zu den Attentaten und den Menschen in Paris. Das war ein ganz besonderer Theatermoment, so dass wir danach alle den Faden verloren haben, weil wir so ergriffen waren. Auch das Publikum war ergriffen. – Eine Zuschauerin hat hinterher gesagt: Es gäbe keinen besseren Ort zu sein an diesem Abend als im Theater. H. Brandt: Toll! Das gefällt mir eben so gut an unserem Beruf, dass wir immer wieder Parallelen aufzeigen können, egal welches Stück wir gerade bearbeiten. Es gibt ja eigentlich immer Parallelen zu dem, was gerade passiert. Und das macht große Freude und ist viel wert.


Ein exklusiver Einblick in die Konzeptionsprobe von „Was ihr wollt“ Am 19. Januar 2019 feiert Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ Premiere im Schauspielhaus. Regie führt Alexander Marusch, der dem Publikum des Rheinischen Landestheaters bereits durch Arbeiten wie „The King’s Speech“ oder „Drei Mal Leben“ bekannt wurde.

Die Konzeptionsprobe ist die erste Probe mit allen Beteiligten: Das Regie-Team stellt den Schauspieler*innen das Konzept, Bühnen- und Kostümbild vor und es wird gemeinsam das Stück gelesen. Im Folgenden haben wir protokolliert, was das Regie-Team sich für unsere Shakespeare-Komödie ausgedacht hat. Anwesend sind: Reinar Ortmann (Intendant), Alexander Marusch (Regie), Achim Naumann d’Alnoncourt (Bühne/Video), Alide Büld (Kostüm), Marie Johannsen (Dramaturgie), Emilia Haag (Narr), Kathrin Berg (Viola), Richard Lingscheidt (Sebastian), Pablo Guaneme Pinilla (Orsino), Johanna Freyja Iacono-Sembritzki (Olivia), Hubertus Brandt (Malvolio), Stefan Schleue (Sir Toby), Peter Waros (Sir Andrew), Linda Riebau (Maria), Josia Krug (Fabian), Alexia Lindner (Regieassistentin), Christina Schumann (Soufflage), Victoria Gurdon (Hospitantin), Paula Wetten (FSJ Theaterpädagogik/Dramaturgie).

Zeit: 3. Dezember 2018, 17:00 Uhr, ein typisch verregneter Herbstabend. Ort: Probebühne 1, Wolberostraße. Ein langer Holztisch, viele Stühle. Ein fast fertiges Bühnenbild. Außerdem: ein Bühnenbildmodell, Figurinen, eine Kaffeemaschine, 2 Liter Tee, selbstgebackene Kekse und ein Teller mit Rohkost.

Alexander Marusch: Herzlich Willkommen zu unserer Konzeptionsprobe, liebe Freunde der Schauspielkunst. Für mich ist das tatsächlich auch eine ShakespearePremiere. Ich habe zwar mal zehn Tage vor der Premiere spontan einen „Sommernachtstraum“ übernehmen müssen und das war insofern gut, als dass ich schnell gemerkt habe: Es gibt so ein paar Regeln bei Shakespeare und wenn man sich an die hält, dann kann eigentlich gar nicht mehr so viel schief gehen. Eine wichtige Regel ist eine gewisse Sportlichkeit – das war uns auch in der Vorbereitung sehr wichtig als Prämisse für unsere Arbeit. Als Grundlage für unser Konzept haben wir uns die zwei ShakespeareStandardwerke von Harald Bloom und Jan Kott vorgenommen. Bloom findet, dass die Inszenierungen eine gewisse Hektik oder Energie brauchen und das war uns für unsere Spielweise eine gute Annährung. Aber was kann das inhaltlich auffangen? Wie ihr ja wahrscheinlich gemerkt habt, haben wir ein paar Figuren rausgestrichen und das inhaltliche Potential in den Narren gelegt: Eine Figur, die einen gewissen Schliff reinbringt, Hirn hat und nicht nur aus diffusen Emotionen heraus handelt. Der Narr ist für uns so etwas wie der Spielleiter für diese ganze Veranstaltung, der versucht, das Chaos in dieser Welt zu lichten. Dann haben wir uns zunächst an den Ort angenähert: Dieses Illyrien ist eine merkwürdige, dekadente, aufgedrehte Hölle. „Was ihr wollt“ hat ja noch einen zweiten Titel: „Die zwölfte Nacht“. Marie Johannsen: Mit dieser zwölften Nacht ist die zwölfte Nacht nach Weihnachten, also das Epiphaniasfest gemeint. Das ist eine völlig verrückte Nacht. Insbesondere im elisabethanischen Zeitalter sind damals alle völlig freigedreht. Da wurde sich mit Masken verkleidet und wild gefeiert, ein Spiel mit der eigenen Identität: Wer bin ich, wer will ich sein? Das ist auch bei „Was ihr

wollt“ ein wiederkehrendes Motiv, gerade die Verwechselungsgeschichte ist hier ja sehr präsent – insbesondere wenn man die historische Aufführungspraxis mitbedenkt: Damals haben Männer Frauen gespielt. So war Viola eigentlich ein Mann, der eine Frau spielt, die sich wieder als Mann verkleidet. Ein großer Spaß für

alle Beteiligten. Des Weiteren ist mit Illyrien hier nicht die römische Provinz gemeint, sondern eher ein fantastischer Ort. Etymologisch kann „Illyrien“ auch von „Illusion“ abstammen – ein Land also, in dem sich die Gesellschaft fernab von jeder Ehrlichkeit und Wirklichkeit bewegt. Das oberflächliche Leben in Illyrien kann sinnbildhaft für die Verrohung jeder anderen Gesellschaft stehen. Und der Narr ist eben derjenige, der diese Oberflächlichkeit von außen durchbrechen will. Alexander Marusch: Dann ging es ans Bühnenbild. Wir wollen eine fantastische Welt herstellen, die einen neben dieser ständigen Brutalität auch sinnlich packt. Wir werden auch mit Videos arbeiten, die mich als Zuschauer Sinnlichkeit erfahren lassen. Der Musiker Christian Kuzio, mit dem ich schon sehr lange arbeite, wird diesen Rausch und die Ästhetik nochmal anders betreiben und das alles in eine verrückt-fantastische Welt übertragen.

Achim Naumann d´Alnoncourt: Wie du schon angedeutet hast, der Moment des Eintritts in diese fantastische Welt hat uns länger beschäftigt. Und dann hatten wir die Idee: Was wäre, wenn dieses Boot wirklich unterginge und man plötzlich unter Wasser leben könnte? Es gibt in der Karibik Wracks, in denen man tauchen kann. Und da dachten wir: Das kann‘s sein. Ein abgesoffenes Schiff, das die Illyrier zur Festung ausstaffiert haben und wo sie jetzt ihre Feste feiern. Das Bühnenbild ist angelehnt an das Globe Theater, was viele Auftrittsmöglichkeiten schafft. Es gibt die Leinwand, da werden sich auch die Schatten von den Gerüsten abbilden, also wird es immer auch schemenhaft in diesem Stil des versunkenen Schiffs bleiben – auch Schattenspiele sind möglich. Man wird Videos oder Farben oder geometrische Figuren sehen können, mit einem Beamer projiziert, so dass auch schnelle Ortswechsel möglich sind. Alide Büld: Bei den Kostümen habe ich mich Achim angeschlossen. Die Idee mit der Unterwasserwelt fand ich sehr schön, auch die Farben. Es wird also alles in blau und grün gehalten, alles ein bisschen schimmernd und in Assoziation zu Fischen und Meerestieren: Bei Olivia habe ich direkt an einen Oktopus gedacht, bei Malvolio an einen Fischschwanz an der Jacke, Orsino trägt ein Korallengewand, während der Ritter Andrew eine Art Rüstung aus Netzen und Fransen an hat. Maria wollte ich etwas Freches verpassen: schwarze Haare, so ein bisschen sexy. Bei den Zwillingen Viola und Sebastian war die Kostümidee einfach: identische Kleidung. Der Narr dagegen wird an einen Rüpel, einen ungezogenen Jungen erinnern – und ich glaube, wir haben ihn ganz gut getroffen… Alexander Marusch: Wir wollen euch in die Lage versetzen, mit dem Text körperlich agieren zu können. Im Widerspruch zu den Kostümen, die sehr modern und fein sind, muss diese deftige Sprache des Übersetzers Thomas Brasch stehen und wir, bzw. ihr müsst eine sehr kraftvolle Spielweise dafür suchen. Auf dass es uns gelingen möge! Wir freuen uns, Sie, liebes Publikum, bald in unserem verrückt-fantastischen Illyrien begrüßen zu dürfen!

2 LERNORTE KULTURELLER BILDUNG – 1 FESTIVAL! Die Neusser Schultheatertage YOUR STAGE! sind ein Projekt des Rheinischen Landestheaters Neuss und der Gesamtschule Norf und zeigen vom 13.6.2019 bis zum 15.6.2019 beispielhafte Produktionen aus den unterschiedlichen Schulformen aus dem Rhein-Kreis Neuss. Ergänzt wird das Programm durch eine Lehrer*innenfortbildung in Form von Workshops backstage plus, den Nachgesprächen backstage und Beiträgen freier Kinder- und Jugendtheatergruppen aus dem Rhein-Kreis-Neuss. Wir freuen uns dabei besonders über die Schirmherrschaft durch unseren Bürgermeister Reiner Breuer.

AN WEN RICHTET SICH YOUR STAGE? ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––

AUFRUF AN ALLE LEHRER*INNEN DER MUSISCH-KÜNSTLERISCHEN FÄCHER

Theater bedeutet Vielfalt! Das Rheinische Landestheater und die Gesamtschule Norf laden Lehrer*innen herzlich ein, mit uns die Vielfalt des (Schul-)Theaters zu erleben. Bewerben können sich Schultheatergruppen aller Altersstufen und Schulformen bis zum 08.02.2019, um ihre Produktion auf der Bühne des RLT Neuss zu zeigen. Weitere Gruppen haben im Rahmen der Lehrer*innenfortbildung die Möglichkeit, in einer Werkschau Zwischenergebnisse oder kleine Performances von max. 10 Minuten zu präsentieren. Your Stage! ist dabei keine „Bestenschau“, sondern zeigt das breite Spektrum der Formen des (Schul-)Theaters. Hier könnt Ihr die Ergebnisse Eurer intensiven Arbeit im Rahmen des Festivals präsentieren und miteinander darüber ins Gespräch kommen. Die Besonderheit des Festivals liegt im direkten Austausch zwischen Spieler*innen, Spielleiter*innen und Zuschauer*innen. Es geht darum, über Grenzen und Chancen des (Schul-)Theaters ins Gespräch zu kommen und miteinander und voneinander zu lernen. Zudem erhoffen wir uns durch die Kommunikation und die geplante Lehrer*innenfortbildung, einen Beitrag zur Professionalisierung und Weiterentwicklung des Schultheaters zu leisten. Die Bewerbungen werden von einer Jury aus Schule und Theater gesichtet. Die Auswahl erfolgt mit dem Fokus auf der künstlerischen Idee und Umsetzung und der Repräsentation der Vielfalt kultureller Bildung.

Weitere Informationen und Auskünfte erhalten Sie bei Tanja Meurers, unserer Theaterpädagogin per E-Mail unter t.meurers@rlt-neuss.de oder telefonisch unter 02131.269932


welt vermessen die spielzeit 2018/19

Jackie – Das Leben einer Ikone Vor 25 Jahren starb Jacqueline Lee Bouvier alias Jackie Kennedy Onassis. Ihre sympathische, moderne Art, ihr selbstbewusster Umgang mit den Medien, vor allem aber ihre Schicksalsschläge, wie der Verlust dreier Kinder oder das Attentat auf ihren Mann, bleiben unvergessen. Ihr Erscheinungsbild, geprägt von einer schlanken Silhouette, kombiniert mit niedrigen Schuhabsätzen und einem Pillbox-Hütchen, prägte ein neues europäisch orientiertes Mode-Bild der 60er und machte Jackie zu einer Pop-Ikone. Ihre Medienkarriere startete spätestens am Valentinstag 1962 mit der Fernsehausstrahlung ihres „Rundgangs durch das Weiße Haus“, wo die First Lady namentlich als „Mrs. John F. Kennedy“ ein internationales Millionenpublikum begeisterte. Hier zeigte sie das Ergebnis einer von ihr initiierten Renovierung und Neueinrichtung der Präsidentenwohnung, die sie zum Wohnzimmer für eine ganze Nation machen wollte. Dies gelang ihr zweifellos. Ihr Auftritt war genreprägend. Er gilt als erstes Fernsehformat im Abendprogramm mit einer vornehmlich weiblichen Zielgruppe. Die First Lady wird mit dieser internationalen Ausstrahlung über Nacht so berühmt, dass sich kurz danach der Präsident bei seinem offiziellen Besuch in Frankreich mit den Worten vorstellt: „Ich bin übrigens der Mann, der Jackie Kennedy auf ihrer Auslandstour begleitet.“ Zu ihrem Dasein als Galionsfigur der Politprominenz tragen auch die Empfänge und Partys der First Lady bei. Ihre regelmäßigen

Einladungen ins Weiße Haus werden zu einer festen Institution. Hier beeindruckt die sprachbegabte und gebildete Jackie mit Eloquenz und Einfühlungsvermögen und wird in der regelmäßigen Berichterstattung der Medien zum Ideal der perfekten Gastgeberin. Mit dem richtigen Maß an selbstbewusster Kompetenz und weiblicher Zurückhaltung verkörpert sie das amerikanische Frauenideal der 60er. Doch der unbeschwerte Erfolg dauert nicht lang. Am 22. November 1963 wird John F. Kennedy von zwei Gewehrschüssen tödlich getroffen, während er in einer offenen Limousine bei einem Wahlkampfauftritt in Dallas durch die jubelnde Menge fährt. Im Wagen neben ihm sitzend, erlebt Jackie das blutige Verbrechen aus nächster Nähe – ein Trauma. Noch bis zur späteren Amtseinführung des Kennedy-Nachfolgers am Abend weigert Jackie sich, das blutbespritzte Chanel-Kostüm abzulegen: „Ich will, dass sie sehen, was sie getan haben“, betont sie und setzt dabei ganz auf die Kraft der Bilder. Neben dem berühmten Attentat hatte Jackie allerdings ebenso zahlreiche stille Schicksalsschläge zu erleiden: Bereits vor dem Wahlsieg ihres Mannes verlor sie ein Baby, eine weitere Tochter wurde tot geboren. Einige Monate vor dem Attentat starb auch ihr Sohn Patrick nur zwei Tage nach der Geburt. Und während Jackie in der Öffentlichkeit stets den Anschein der glücklichen Familie aufrecht hielt, so wissen wir heute, war auch das Verhältnis des Kennedy-Paares durchaus angespannt. Denn wie spätere Enthüllungen und Interviews bestätigten, war der Präsident kein treuliebender Partner, sondern ein notorischer Fremdgänger. Erst 2014 tauchten 130 Briefe auf, die Jacky als gläubige Katholikin einem vertrauten Priester schrieb. Sie zeichnen ein intimes und weitaus düsteres Bild, als die damalige Medienpräsenz es bis dahin hat vermuten lassen: „Vielleicht bin ich nur geblendet

Unsere aktuellen Schnupper-Abos Aktuell bieten wir besonders günstig ein Schnupperabo mit vier Vor­ stellungen an. Wählen Sie aus fünf verschiedenen Abo­nnements im neuen Jahr. Nähere Infos erhalten Sie an der Theater­kasse, die Sie auch ­gerne berät.

Premieren-Abo | 20:00 Uhr Samstag 19.01.19 Samstag 02.03.19

Was ihr wollt* Europa verteidigen*

Samstag 16.03.19

Herz der Finsternis*

Freitag 10.05.19 Dienstags-Abo | 20:00 Uhr 29.01.2019

Der Kirschgarten* Menschen im Hotel

30.04.2019

Herz der Finsternis*

28.05.2019

Der Kirschgarten*

18.06.2019

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Junges Abo 3 x Theater für

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Schüler*innen und Studierende

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Das Rheinische Landestheater Neuss | Oberstraße 95 | 41460 Neuss | www.rlt-neuss.de

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und sehe mich selbst in einer Glitzerwelt gekrönter Häupter - und nicht als traurige kleine Hausfrau. Es ist eine Welt, die von außen betrachtet sehr glamourös wirken dürfte, aber für Dich, wenn Du drinsteckst - und einsam bist - die Hölle sein kann.“ Mit der Inszenierung „Jackie“ widmet sich das Rheinische Landestheater dieser schillernden Persönlichkeit. Autorin des Monolog-Stücks ist Elfriede Jelinek. Ihre „Jackie“ ist damit zugleich das erste Stück, das das RLT Neuss aus der Feder der ebenso umstrittenen wie gefeierten Dramatikerin zur Aufführung bringt. Was das Publikum hier erwartet, ist allerdings keine dramatisierte Biographie der First Lady. – Jelineks „Jackie“ ist ein Gedankenspiel, eine Textfläche, die Regisseurin Nina de la Parra gemeinsam mit Schauspielerin Annette Weitzmann in einen musikalischen Kosmos von skurrilen Handlungen und grotesken Bildern auflöst. Die Autorin begibt sich auf eine Reise zu einem Blick hinter die Fassade dieser nur scheinbar unbeschwerten Präsidentengattin und zeichnet einen ebenso spannenden wie schonungslosen Gegenentwurf zum Leben der First Lady. Die Premiere ist am 11. Januar im Studio in der Oberstraße.

Einzelkarten-Preise | Schauspielhaus Oberstraße Preisgruppe

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Eintrittspreis

26,00

23,00

20,00

17,00

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Ermäßigt*

13,00

11,50

10,00

8,50

7,00

5,50

Premieren

29,00

26,00

23,00

20,00

17,00

14,00

Ermäßigt*

14,50

13,00

11,50

10,00

8,50

7,00

Silvester

41,00

37,00

33,00

29,00

24,00

19,00

Zehnerkarte**

210,00

185,00

160,00

135,00

115,00

90,00

Studio, Oberstraße auf allen Plätzen

Eintrittspreis 14,00

Ermäßigt* 7,00

Mittwochs-Abo | 20:00 Uhr 30.01.2019 06.03.2019

Was ihr wollt* Europa verteidigen*

27.03.2019

Herz der Finsternis*

auf allen Plätzen

15.05.2019

Der Kirschgarten*

Erwachsene

11,00

10,00

Kinder

5,50

5,00

Donnerstags-Abo | 20:00 Uhr 07.02.2019

Freitags-Abo | 20:00 Uhr

Menschen im Hotel

16.05.2019

Was ihr wollt*

06.06.2019

Europa verteidigen*

27.06.2019

Der Kirschgarten*

08.02.2019

Menschen im Hotel

12.04.2019

Was ihr wollt*

24.05.2019

Herz der Finsternis*

14.06.2019

Der Kirschgarten*

* Vorspiel 1/2 Stunde vor Vorstellungsbeginn: Einführung in die Hintergründe des Stücks. Preisgruppe

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Premieren Abo

97,- €

87,- €

77,- €

67,- €

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47,- €

Wochentags – Abo 87,- €

77,- €

67,- €

57,- €

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Es gelten nicht die Abobedingungen.

Kinder- und Jugendstücke (Schauspielhaus und Studio) normal

mit Familiencard****

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Gegen Vorlage eines entsprechenden Ausweises: Schüler*innen und Studierende (bis 27 Jahre), Arbeitslose, Teilnehmer*innen des Bundesfreiwilligendienstes und freiwillige Wehrdienstleistende, Sozialhilfeempfänger*innen, Schwerbehinderte ab 60 % und ausgewiesene Begleitpersonen. Ermäßigungen können nicht gewährt werden bei Gastspielen und der Silvesterveranstaltung (wenn nicht anders angegeben). ** plus Bonusgutschein mit vier Ermäßigungen zu je 3,00 €. *** Der günstige Preis für Gruppen/Betriebe gilt ab einer Gesamtanmeldung von mind. 10 Personen. **** Mehr über die Familienkarte im Rhein-Kreis Neuss erfahren Sie unter: unserefamilienkarte.de.

Das Rheinische Landestheater Neuss Oberstraße 95 41460 Neuss

Kontakt Zentrale 02131.26 99-0 Fax 02131.26 99-13 info@rlt-neuss.de

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Impressum:

Theaterbeilage des Rheinischen Landestheaters Neuss in der Neuss-Grevenbroicher Zeitung Spielzeit 2018/19, Nr. 2 Erscheinungsdatum: 11.01.2019 Intendant: Reinar Ortmann Redaktion/Texte: Dramaturgie RLT Neuss Konzeption und Gestaltung: Frank-Uwe Orbons Redaktionsschluss: 04.01.2019

Das Rheinische Landestheater Neuss – www.rlt-neuss.de


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