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DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW
GOETHE SAGT: „Grübel nicht ewig rum, sondern tu was!“
Kaum ist die Schule geschafft, kommt schon die nächste Herausforderung: Berufswahl. Welche Ausbildung wähle ich? Welchen Weg schlage ich ein? Vor diesen Fragen standen auch die Großen der Vergangenheit. Johann Wolfgang von Goethe zum Beispiel. In unserem fiktiven Interview mit dem deutschen Philosophen Christoph Quarch verrät er, wie man seine Berufung finden kann.
the red bulletin: Herr Goethe, nach der Schule haben Sie Jura studiert, dann aber als Schriftsteller Karriere gemacht. Ihr Erfolg führte Sie nach Weimar, wo Sie als Minister dienten. Und dann waren Sie auch noch Naturforscher. Was davon war nun Ihre Berufung?
goethe: Alles. Denn ich hatte nur eine Berufung: Goethe zu sein. Und das bin ich geworden, ohne dass ich mich groß gefragt hätte, was meine Berufung ist. Jurist wurde ich, weil mein alter Herr partout wollte, dass ich Jura studiere. Offen gestanden hatte ich überhaupt keinen Nerv dafür. Aber es gab mir die Chance, von zu Hause wegzukommen. Und das war gut, denn in Leipzig hatte ich dann die Freiheit, zu tun, wonach mir der Sinn stand. Und das waren Kunst und Poesie. Das wurde mir in dieser Zeit erst richtig klar.
Wollen Sie damit sagen, dass es völlig okay ist, sich nach Schulabschluss ein bisschen treiben zu lassen und zu schauen, wohin es einen zieht?
Nicht ganz. Sich treiben zu lassen ist mir zu passiv. Sie müssen schon was unternehmen, sich ausprobieren. Ich habe ja nicht in Frankfurt gesessen und vor mich hin gegrübelt, was ich tun soll. Nein. Vater sagte: „Geh studieren!“ Ich hab’s gemacht, bin ausgezogen, habe es versucht und festgestellt, dass das nicht mein Weg war. Wenn Vater gesagt hätte: „Mach erst mal eine Ausbildung zum Tischler“, hätte ich es auch JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749–1832) gilt als begemacht – zumindest wenn ich damit von zu Hause deutendster deutschsprachiger Dichter. Mit seinem Erstlingsweggekommen wäre. Was ich sagen will: Besser als rumhängen ist es, irgendetwas auszuprobieren. Und roman „Die Leiden des jungen Werther“ wurde er nicht nur europaweit zu einem der meistgelesenen Autoren, sondern schuf auch eine Romanfigur, die ein neues Lebensgefühl verwenn dir nichts einfällt, dann lass es dir von jemandem mittelte. Als Naturforscher, Künstler, Staatsmann und Weltsagen, der dich kennt und es gut mit dir meint. bürger ist Goethe für viele Menschen zum Vorbild geworden.
CHRISTOPH QUARCH, 57, ist deutscher Philosoph, Zuletzt von Aber der Schuss kann doch nach hinten losgehen. ihm erschienen: „Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Was, wenn ich etwas anfange, was nicht zu mir Antworten auf alltägliche Fragen“, legenda Q, 2021.
passt? Viele Ihrer Dichterkollegen sollten Pfarrer werden und haben schwer darunter gelitten.
Hätte ich auch … (Lacht.) Ja, da hatte ich mehr Glück, das stimmt. Aber noch wichtiger ist der Mut, sich aufs Leben einzulassen. Ein Beispiel: Als mich der Fürst nach Weimar rief, dachte ich nicht daran, bei ihm Finanzminister zu werden. Ich dachte: Das wird ein nettes Stipendium, das mir die Freiheit zum Schreiben gibt – und zum Flirten (lacht). Na ja, und dann sollte ich mich um Geld und Bergbau kümmern. Ich hatte keine Ahnung, aber ich habe ja gesagt. Und das war gut. Ohne die Erfahrung als Politiker wäre ich nie Goethe geworden. Deshalb noch mal: Nimm die Angebote an, die dir das Leben macht! So findest du deine Berufung.
Zu Ihrer Zeit war das leichter.
„Noch wichtiger Heute gibt es so viele Möglichals Glück ist der Mut, sich aufs Leben keiten. Wo soll man anfangen? Guter Punkt. Deshalb habe ich in meinem „Wilhelm Meister“ einzulassen.“ geschrieben, am besten sei es für einen jungen Menschen, „wenn er von der Natur mit mäßigem, ruhigem Sinn begabt ist, um weder unverhältnismäßige Forderungen an die Welt zu machen, noch auch von ihr sich bestimmen zu lassen“. Berufung ist das Ergebnis einer Wechselwirkung, wie bei einem Gespräch. Du fragst etwas, du bekommst Antwort. Du fragst etwas anderes … Und irgendwann hast du’s verstanden. Dann hast du rausgefunden, was für dich stimmt. Aber das geht nur, wenn du dich aufs Gespräch einlässt. Es macht nichts, sich zu verirren. Solange du im Gespräch bleibst, gibt es keine verlorene Zeit. Der einzige Fehler, den du machen kannst, ist rumsitzen, nichts tun und auf die Erleuchtung warten.