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Cari Cari und das Tarantino-Prinzip

Stephanie Widmer und Alexander Köck, das sind Cari Cari. Sie spielt u.a. Schlagzeug und Didgeridoo und kommt aus der Steiermark, er ist Gitarrist und aus dem Burgenland. Singen tun sie beide.

Sie saugen auf, was sie selbst begeistert, und schaffen so gegen alle Regeln aufregend neue Welten: Damit hat das heimische Indie-Rock-Duo Cari Cari eine riesige Fanbase gewonnen und spielt schon mal mit den Ärzten vor 60.000 Fans.

Und du weißt, wie die einen Quarter Pounder mit Käse nennen?“, fragt Vincent, gespielt von John Travolta. „Die nennen ihn nicht Quarter Pounder mit Käse?“, antwortet Jules (Samuel L. Jackson). „Nein, Mann, die haben das metrische System. Die wissen gar nicht, was ein Viertelpfünder ist.“ Jules schüttelt verständnislos den Kopf und dreht das Autoradio an. Die Fast-Food-Kultszene aus „Pulp Fiction“ fadet mit einem Song von Cari Cari aus.

Seit Stephanie Widmer und Alexander Köck 2011 die Indie-Rock-Band Cari Cari gründeten, geistert dieser Traum in ihren Köpfen herum. Einmal im Soundtrack eines Tarantino-Films vorzukommen: Das ist für sie seit Tag eins halb Insider-Joke, halb Karriere-Fernziel. In die US-Serien „Shameless“ und „The Magicians“ schafften es ihre Songs bereits. Doch mit dem Kult-Regisseur verbindet sie so etwas wie eine Seelenverwandtschaft. „Wir machen Musik wie Quentin Tarantino Filme“, sagen sie regelmäßig in Interviews. Was meinen die gebürtige Steirerin und der gebürtige Burgenländer damit?

Am Boden geblieben. Stephanie und Alex – hier in ihrem Heimstudio in Baden – finden Authentizität wichtiger als Charterfolge.

„Wir haben einen extrem vielseitigen Musikgeschmack“, sagt Alex, „uns gefällt Metal und Elektronik genauso wie das, was man Weltmusik nennt. Manchmal inspiriert uns ein Riff oder ein Beat. Und manchmal ein Mensch, ein Ort oder ein Sonnenuntergang. Was wir geil finden, tragen wir zusammen, ohne zu hinterfragen, warum wir das jetzt geil finden. Und dann machen wir daraus unser ganz eigenes Ding. Brechen Songstrukturen auf. Oder hängen noch einen Loop an, wo es uns gefällt. Meistens ist etwas dann besonders Cari Cari, wenn es uns im ersten Moment selbst irritiert.“ So wie das Didgeridoo, das Stephanie irgendwann aus einer Laune heraus mit ins Studio brachte, als Erinnerung an ihr Auslandsjahr in Australien. Heute ist es ein Markenzeichen der Band.

Inglourious Bauchgefühl

Wie Quentin Tarantino saugen Cari Cari auf, was sie selbst begeistert. Und verwandeln es in etwas unverwechselbar Eigenes. Die ironischen, mit Film-Nerd-­Wissen gespickten Gewaltorgien von Tarantino, der voller Überraschungen steckende moderne Vintage­-Sound von Cari Cari: Sie haben beide nichts mit den üblichen Regeln der Unterhaltungsindustrie zu tun. Doch genau das gefällt in beiden Fällen einer riesigen Fangemeinde. So manchen Experten ist das nicht geheuer. „Wir bekommen regelmäßig unverlangtes Feedback von einflussreichen Leuten aus der Musikindustrie, die uns zu unserem Erfolg gratulieren. Und uns im selben Atemzug erklären, dass wir noch viel erfolgreicher sein könnten, wenn wir alles ändern, was uns ausmacht“, sagt Stephanie. „Natürlich zweifelt man dann manchmal am eigenen Urteilsvermögen“, ergänzt Alex, „aber wir haben eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Die anderen haben auch nicht mehr Ahnung als man selbst. Also kann man gleich das machen, was sich für einen selbst richtig anfühlt. Meistens gibt es da draußen nämlich eine Handvoll Leute, die den gleichen Geschmack haben wie du. Leute, die spüren, dass du etwas aus vollem Herzen machst und nicht aus Berechnung.“

Das kickt, und das seit 13 Jahren: Im Frühjahr gehen Cari Cari auf US-Tour.
Einfach machen

Cari Cari (bekannteste Songs: „Summer Sun“ und „Nothing’s Older Than Yesterday“) haben inzwischen mehr als eine Handvoll Gleichgesinnter zusammengetrommelt. Ein paar Tage vor unserem Interview spielten sie mit ihren Freunden, Den Ärzten, vor 60.000 Fans am Flughafen Tempelhof, nächstes Frühjahr geht „das uneheliche Kind von The Kills und The xx“ (so der Blog „Indie Shufle“) auf US­-Tour.

Schade, dass man ihr Erfolgsrezept nicht auch in anderen Lebensbereichen anwenden kann – zum Beispiel für das eigene Start­up oder für das neue Jobprojekt, für neue Ziele im Sport oder für ein erfüllteres Privatleben. Doch, kann man, widerspricht Alexander Köck. Wie man aus den Fußstapfen anderer heraus ganz neue, individuelle Wege geht – das leben Cari Cari nämlich nicht nur mit ihren Songs vor, sondern in allen Aspekten ihres Bandlebens. „Wir versuchen generell, so viel wie möglich selbst zu machen und uns so wenig wie nötig dreinreden zu lassen“, sagt Alexander, „wir lassen uns dabei aber von allem inspirieren, was wir hören, sehen oder lesen.“ So entwirft Stephanie auch die Covers, gestaltet das Merchandising und das Bühnenbild, während sich Alex um die Business­-Seite der Band kümmert. Ihr unkonventioneller Zugang führt manchmal zu überraschenden Ergebnissen: „An manchen Abenden verdienen wir am Merchandising­Stand mehr als in einem ganzen Monat auf Spotify, obwohl wir da durchaus respektable Zahlen haben“, sagt Alex. Und lacht über den Satz, den sie als Band am häufigsten hören: „‚So macht man das nicht.‘ Dann machen wir’s nämlich erst recht so.“

Die Dinge nicht so zu machen, wie man sie machen soll, steckt tief in der DNA von Cari Cari. Statt in der österreichischen Musik­Bubble Kontakte zu knüpfen, bauten sie sich zuerst eine Fanbase im Ausland auf („Mein erstes Konzert war in Eisenstadt, mein zweites in Australien“, so Stephanie). Statt sich rarzumachen, spielen sie 100 Konzerte im Jahr („An einem Tag vor 60.000 Leuten, am nächsten in einer veganen Pizzeria“). Und statt sich im Elfenbeinturm vom Alltagskram fernzuhalten, feuerten sie im Sommer ihren Manager und organisieren seitdem ihr Leben selbst („So bleiben wir unabhängiger“).

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