ray Sonderheft – Dr. Veit Heiduschka

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Ă–sterreichische Post AG, MZ 15Z040275 M substance media ltd., Mariahilfer Str. 76/3/31, 1070 Wien

Sonderheft des ray Filmmagazins Mai 2018

Dr. Veit Heiduschka zum 80. Geburtstag


Die Handlung: Privatdetektiv Veit „Fight“Hammer soll zusammen mit seinem Freund KatzTheCat das vermisste Haneke -Drehbuch finden. Die Spuren führen in die Wiener Filmwelt, die von verschiedenen Gangstergruppen beherrscht wird. Nach und nach verdichten sich die Hinweise, dass das Filminstitut nicht ganz das ist, was es zu sein scheint, ...

MÜLLER’S BÜRO II Müllers Büro und der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft gratulieren !

Text Inhalt frei nach Wikipedia Bild copyright Wega-Film

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Inhalt / Vorwort / Impressum

PETER ZAWREL: WIR HABEN ES TROTZDEM GEMACHT ....................................................................................................................... 08 DEN FUNKEN EINFANGEN UND FEUER MACHEN: VEIT HEIDUSCHKA IM GESPRÄCH .............................................................. 12 ICH BIN EIN GROSSER RAUSWERFER: MICHAEL HANEKE IM GESPRÄCH ....................................................................................... 26 KATJA DOR-HELMER: PROBLEME SIND DAZU DA, DASS MAN SIE LÖST ....................................................................................... 32 DINGE ERKENNEN, BEVOR SIE PASSIEREN: ULRIKE LÄSSER UND MICHAEL KATZ IM GESPRÄCH ........................................36 DIE ALLERBESTEN WÜNSCHE .......................................................................................................................................................................... 42 DIESES SPEZIELLE GESPÜR: EINE RETROSPEKTIVE DES FILMARCHIV AUSTRIA WÜRDIGT VEIT HEIDUSCHKA ............. 60 CHRONIK: ALLE FILME DER WEGA FILM ..................................................................................................................................................... 64

Ja, dieses Sonderheft des ray Filmmagazins ist eine Jubel-Broschüre. Wie sollte man auch nicht jubeln, wenn ein Mann wie Veit Heiduschka seinen 80. Geburtstag feiert? Ein Mann, der so maßgeblich an dem beteiligt war und ist, was heute als österreichischer Film international hoch angesehen ist und vielfach ausgezeichnet wurde und wird. Ein Mann, der nicht nur sehr viele Filme produziert und ko-produziert hat (siehe die umfangreiche Liste ab S. 64), nicht nur zahlreiche Karrieren angestoßen, begleitet und unterstützt hat, sondern der darüber hinaus die österreichische Filmpolitik maßgeblich mit geprägt und mit gestaltet hat – auch im eigenen Interesse, aber vor allem im Interesse aller Filmschaffenden: vom zähen Kampf um das Filmförderungsgesetz 1980 und die Gründung des Österreichischen Filminstituts über die Etablierung der Wiener Filmfinanzierung und der Austrian Film Commission bis hin zur Verwertungsgesellschaft Audiovisuelle Medien, zum Fernsehfonds Austria und zum Filmstandort Austria: Ohne ihn würde die österreichische Filmlandschaft dramatisch anders und höchstwahrscheinlich wesentlich armseliger ausschauen. Nicht nur deswegen, sondern auch wegen der vielen guten Gespräche und des stets freundlichen und respektvollen Umgangs miteinander wünschen wir Ihnen, lieber Herr Dr. Heiduschka, alles Gute zum kaum glaublichen 80. Geburtstag! Das Team des ray Filmmagazins

IMPRESSUM MEDIENINHABER UND VERLAG substance media ltd., Mariahilfer Straße 76/3/31, 1070 Wien, T +43 (0)1 920 20 08-0, F +43 (0)1 920 20 08 13, office@ray-magazin.at, www.ray-magazin.at ~ GESCHÄFTSFÜHRER UND HERAUSGEBER Andreas Ungerböck, Mitko Javritchev CHEFREDAKTION Roman Scheiber, Jörg Schiffauer; redaktion@ray-magazin.at ~ TEXTCHEF ~ Oliver Stangl ~ MITARBEIT AN DIESER AUSGABE Jakob Dibold, Katja Dor-Helmer, Gunnar Landsgesell, Günter Pscheider, Angela Sirch, Peter Zawrel ~ ART-DIREKTION Mitko Javritchev ~ FOTOS IN DIESER AUSGABE Alexander Tuma, Karin Wasner; Archiv ray, Archiv Wega Film, Fernsehanstalten, Verleiher und Produktionsfirmen ~ DRUCK Wograndl Druck GmbH, Druckweg 1, 7210 Mattersburg ERSCHEINUNGSORT: P.b.b. 1070 Wien COVER Veit Heiduschka, April 2018. Foto: Wega Film

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Mag. Gernot Blümel, MBA

Zum 80. Geburtstag von Veit Heiduschka Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Heiduschka, wie kein anderer haben Sie die Filmlandschaft Österreichs geprägt. Es ist müßig, die weit über hundert Filme und deren Regisseurinnen und Regisseure aufzuzählen, die Sie betreut haben oder Ihre unermüdliche Arbeit in Verbänden und Kammern anzuführen. Von Ihnen produzierte Filme reüssierten national wie international und wurden mit Preisen (von Goldener Palme bis Oscar) überhäuft. Was mich am meisten beeindruckt, ist die Spannweite, in der Sie schon immer agierten. Sie verbinden Kunst und Unterhaltung, arbeiten mit dem Nachwuchs, begleiten Filmemacherinnen und Filmemacher nicht nur für ein Projekt, sondern möglichst lange und engagieren sich in den verschiedenen filmpolitischen Bereichen. Als Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien möchte ich Ihnen dafür danken und Ihnen auf das allerherzlichste zu Ihrem 80. Geburtstag gratulieren!

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Mag. Gernot Blümel, MBA

Bundesminister für EU, Kunst,

Kultur und Medien

ray Special – Veit Heiduschka

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DAS FILMARCHIV AUSTRIA GRATULIERT

VEIT HEIDUSCHKA HERZLICH ZUM 80. GEBURTSTAG … … UND FREUT SICH AUF EIN WIEDERSEHEN SEINER FILME !

I N U J . 7 S 2 U S I A B H I R A U T M L . U 7 1 K VOM TRO KINO E M IM HIGHLIGHTS DER RETROSPEKTIVE DAS WEISSE BAND MÜLLERS BÜRO WILDE MAUS EIN AUGENBLICK FREIHEIT EXIT II – VERKLÄRTE NACHT WAHRE LIEBE

FUNNY GAMES CHARMS ZWISCHENFÄLLE TINTENFISCHALARM DIE KLAVIERSPIELERIN TAFELSPITZ AMOUR

filmarchiv.at

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Dr. Andreas Mailath-Pokorny, Foto: Sabine Hauswirth

Zum 80. Geburtstag von Veit Heiduschka Dem Doyen des Österreichischen Films, Prof. Dr. Veit Heiduschka, herzliche Glückwünsche zum Geburtstag! Als Drehbuchautor, Regisseur, Funktionär wichtiger Filmvereinigungen und allen voran als Produzent hat Veit Heiduschka mit der von ihm gegründeten Wega Film maßgeblich dazu beigetragen, Österreich in die internationale cineastische Landkarte einzuschreiben. Seine Produktionen haben das Filmland Österreich geprägt – vom Kultfilm „Müllers Büro“ bis zu den internationalen Erfolgen Michael Hanekes, dessen Karriere eng mit Veit Heiduschka verbunden ist. Hoher künstlerischer Anspruch und Publikumsinteresse bzw. volle Kinosäle sind für Veit Heiduschka kein Widerspruch, sondern jedes Mal aufs Neue anzustreben. Veit Heiduschka hat auch stets die Strukturen seiner Branche im Auge und die Solidarität untereinander: Kinopolitisch aktiv, war er an der Gründung der Film Austria beteiligt, um den Stimmen der Produzenten größeres Gewicht zu verleihen. Ad multos annos!

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Dr. Andreas Mailath-Pokorny

amtsf. Stadtrat für Kultur,

Wissenschaft und Sport in Wien

ray Special – Veit Heiduschka

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Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien GmbH

DIE VAM GRATULIERT VEIT HEIDUSCHKA HERZLICH ZUM GEBURTSTAG!

SERVICE FÜR FILMHERSTELLER/INNEN UND RECHTEINHABER/INNEN. Die VAM GmbH nimmt gemäß der ihr erteilten Wahrnehmungsgenehmigung die den Filmhersteller/innen und Rechteinhaber/innen zustehenden Rechte und Ansprüche an visuellen und audiovisuellen Produktionen – insbesondere Filmwerken, Lichtbildern, Video- und Computerspielen sowie Multimediaproduktionen – im In- und Ausland wahr.

Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien GmbH Neubaugasse 25, 1070 Wien Tel.: 0043 1 526 43 01 office@vam.cc www.vam.cc

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Foto: Müllers Büro

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ray Special – Veit Heiduschka


WIR HABEN ES TROTZDEM GEMACHT Veit Heiduschka: eine Erfolgsgeschichte. Text ~ Peter Zawrel

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18 ist in Österreich das Jahr des Gedenkens. Die Ausrufung der Ersten Republik im Jahr 1918 und ihre Grablegung im Jahr 1938 liefern die Eckdaten, und einige erinnern sich auch daran, dass es 1968 an den Universitäten einen Rumor gab – mehr war schon nicht, aber immerhin begann damals die geistige und politische Durchlüftung des Landes, unaufhaltsam. 2018 ist aber auch – und nicht nur in Österreich – das Jahr der Angst. Nichts scheint auf die Einwohner der reichsten Länder der Welt bedrohlicher zu wirken als jene Fremden, die ihr Leben aufs Spiel setzen, damit es ihnen woanders als in ihrer kaputten Heimat besser gehen möge. Ausgerechnet so einem Fremden, der am Vorabend des Weltkrieges in einer mittelsächsischen Kleinstadt namens Döbeln zur Welt gekommen war (just am 20. Mai 1938 wurde in der nahen Tschechoslowakei zur Mobilmachung aufgerufen), und dessen Akzent – besonders weich klingend wohl unter dem Einfluss des Sorbischen, dem sein Name entstammt – im Wien des Jahres 1959 in der Tat sehr befremdlich geklungen haben muss; so einem DDR-Flüchtling also, dem Sohn eines politisch Inhaftierten auf der Suche nach dem besseren Leben, verdankt dieses Land 60 Jahre später einen großen Teil der Erfolgsgeschichte des österreichischen Films in den vergangenen Jahrzehnten. Und damit auch einiges an Durchlüftung. Wie es ihm als Achtzehnjährigem gelungen ist, in einem Güterzug nach Westdeutschland zu flüchten, wo er eine kaufmännische Ausbildung absolvierte, bevor

er 1961 in Wien die sogenannte Externistenmatura ablegte, erzählt Veit Heiduschka gerne; auch, dass er 1959 nach Wien gekommen war, um ausgerechnet dort als freier Schriftsteller zu leben. Mit der ihm eigenen Beharrlichkeit – zweifellos eine unverzichtbare Charaktereigenschaft für einen erfolgreichen Filmproduzenten – ging er in Wien den Bildungsweg, der ihm in der DDR verwehrt geblieben wäre, was ihm als Student der Deutschen Philologie und Theaterwissenschaft zu jener ebenso gerne erzählten Begegnung mit einer bedeutend jüngeren „Kommilitonin“ namens Elfriede Jelinek verhalf. Dass einer Anfang der siebziger Jahre mit einem Doktortitel in der Tasche als Produktionsleiter in der Filmbranche anheuert, ist auch kein gängiges Curriculum-Modell. Dass die erste große Produktion dann ausgerechnet eine italienische Exploitation-Perle mit Klaus Kinski war (L’Occhio del Ragno/Im Auge der Spinne von Roberto Bianchi Montero, 1971), ist mehr als eine Arabeske im Werkverzeichnis des Jubilars, denn sie belegt eine weitere Eigenschaft, die bis zum Academy Award mit Michael Haneke geführt hat: Nichts anderes zu machen als das, was gerade erforderlich ist, und zwar widerspruchsfrei und gründlich. Auch vor dem Sprung ins kalte Wasser hat Veit Heiduschka sich nie gescheut. Als am 25. November 1980 das erste österreichische Filmförderungsgesetz in Kraft trat, hatte er die Wega Film schon gegründet. Das war ein taktisch weit vorausschauender Schachzug in einer Situation, in der es noch kaum einen Begriff von einem unabhängigen Produzen-

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Charms Zwischenfälle

ten gab, der mehr sein könnte als ein verlängerter Arm des staatlichen Fernsehens. In einem langen Gespräch im Filmwerk Vorarlberg hat Veit Heiduschka im Jahr 2014 jungen Filmschaffenden seine Version von der Erkämpfung des Filmförderungsgesetzes erzählt, und diese Erzählung sollte man sich auf YouTube keinesfalls entgehen lassen, denn so lakonisch klingt keine der vielen mir bekannten Variationen der Legende von David (die flinken Filmschaffenden) und Goliath (der träge Staat), und so überzeugend wie Veit Heiduschka hat kein anderer die Bedeutung der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter für die österreichische Filmförderung herausgearbeitet. Dass man in Österreich als Unternehmer Funktionen in Kammern, Interessensverbänden und Verwertungsgesellschaften ausüben und sich gleichzeitig gewerkschaftlich orientiert zeigen kann, mag im 21. Jahrhundert angesichts einer weitgehend herabgewirtschafteten Sozialpartnerschaft als Widerspruch ohne Sinn erscheinen. Vor dem Hintergrund eines staatsmonopolistischen Kapitalismus kakanischer Prägung, ohne den auch die Genese der Filmförderung in Österreich nicht zu verstehen ist, handelte es sich um eine zwingende Dialektik. Einen Begriff von Kulturwirtschaft gibt es erst seit rund einem Vierteljahrhundert. Davor waren Filmschaffende weder als Unternehmer noch als Werktätige erkennbar. Einen Markt für ihr Tun gab es nicht. Also musste man alles gleichzeitig sein, um sich in einer Welt, in der es außer Schwarz und Rot nichts gab, bemerkbar zu machen.

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Von seinen vielen weiteren Funktionen, die Heiduschka später noch einnehmen sollte, muss eine hervorgehoben werden, weil sie von strategischer Bedeutung für den internationalen Erfolg des österreichischen Films in seiner Gesamtheit ist: Er ist 31 Jahre später immer noch Präsident der 1987 von ihm mitgegründeten Austrian Film Commission (AFC), die einen wesentlichen Anteil an der Positionierung der seit 1989 (Der siebente Kontinent) von ihm produzierten Marke „Michael Haneke“ hat. „Das ist der Produzent von Haneke“, so wurde Dr. Heiduschka, der sich nie von selbst ins Rampenlicht rückt, wohl schon öfter vorgestellt. Gerecht wird ihm diese Reduktion jedoch nicht. Im Laufe von fast 40 Schaffensjahren als freier Produzent hat sich Heiduschka auf eine Reihe von Regisseurinnen und Regisseuren mit extrem unterschiedlichen Handschriften eingelassen. 1986 produzierte er mit Müllers Büro (Niki List) nicht nur einen Evergreen der österreichischen Popkultur, sondern landete auch einen Kassenhit, der seinesgleichen sucht: 441.000 Tickets wurden in Österreich verkauft, mehr als zwei Millionen allein in der DDR – ausgerechnet dort wurde der Film zum Kult. Was der ostdeutsche Staat seinem Sohn in jungen Jahren verweigert hat, haben seine Bürger ihm an der Kinokassa erwiesen. Erst zwölf Jahre später konnte Harald Sicheritz mit 617.000 Tickets für Hinterholz 8 (Dor Film) den Erfolg von Niki List übertrumpfen. In Zeiten, wo man schon froh sein muss, wenn wenigstens ein Film im Jahr eine sechsstellige Besucherzahl erreicht, muten solche Zahlen geradezu märchenhaft an.

ray Special – Veit Heiduschka


Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte

Ein Augenblick Freiheit

Vier Jahre nach der Herstellung von Niki Lists ikonischem Pop-Film hat derselbe Produzent seine Erfahrung einem der eigenwilligsten österreichischen Filmkünstler zur Verfügung gestellt und so einen der radikalsten Spielfilme der letzten Jahrzehnte ermöglicht, Feldberg von Michael Pilz. In den neunziger Jahren wurde Veit Heiduschka in einer sich erst ausformenden österreichischen Produktionslandschaft zum damals wichtigsten Ermöglicher eines Autorenfilms, der mit kulturellem Selbstbewusstsein auftrat („So wie wir uns Museen leisten – die spielen auch ihre Kosten nicht ein – müssen wir uns auch Filme leisten“, V.H.), sich aber auch bei jedem Drehbuch der Frage stellte: „Haben wir den Zuschauer noch oder nicht mehr?“ In diesem Spannungsfeld der Ansprüche ermöglichte Veit Heiduschka Filme von Reinhard Schwabenitzky (Ilona und Kurti, 1991), Kitty Kino (Wahre Liebe, 1992), Paulus Manker (Der Kopf des Mohren, 1995), Franz Novotny (Exit II, 1995), Michael Kreihsl (Charms Zwischenfälle, 1996), Ulrich Seidl (Spaß ohne Grenzen, 1998) und den Erstlingserfolg des späteren Erfolgsregisseurs in ganz anderen Genres, Andreas Prohaska (Die 3 Posträuber, 1998). In einem „Privatissimum der besonderen Art“, wie die Gestalter den Beitrag zum Magazin „Ohne Kohle“ zum Jahreswechsel 2005/2006 genannt haben (nachzusehen auf YouTube), hat Veit Heiduschka herausgearbeitet, worauf es ihm stets ankam: den Jungen zu helfen, Referenzfilme herzustellen, mit denen sie ihre eigene Karriere vorantreiben können, aber dabei die Arbeitsteiligkeit der Filmherstellung nicht aus den Augen zu verlieren. Mehrfach hat Heiduschka betont, dass der psychische Druck, unter dem ein Regisseur steht, mit nichts zu vergleichen ist, und dass es daher auch einen Ermöglicher braucht, so wie eine gelingende Geburt einer Hebamme bedarf. Der produzentischen Verselbständigung von Autorenfilmerinnen und -filmern in den Nuller Jahren konnte er nur ablehnend gegenüberstehen, den mutwilligen Verzicht auf Geburtshilfe nur als tolldreiste Dummheit bekämpfen. Gleichzeitig setzte sich kaum ein anderer etablierter Produzent diskursiv so sehr für die Nachwuchsförderung ein (zuletzt 2008 Ein Augenblick Freiheit von Arash T.Riahi und 2012 Kuma von Umut Dağ) und für einen Ausbau der immer noch beschämend unterdotierten Förderung des künstlerischen Films und des

Kurz- und Dokumentarfilms durch die sogenannte „kleine Filmförderung“ des Bundes. 2002 konnte endlich jener Film veröffentlicht werden, dessen Herstellungskosten alle bisherigen Rahmen gesprengt hatten und dessen sechsjährige Entstehungszeit den Produzenten im Streit mit dem Regisseur und den staatlichen Förderstellen an den Rand des Ruins gebracht hatte. Fritz Lehners Jedermanns Fest wurde von einigen Kritikern hochgelobt, erhielt aber vom Publikum eine schmerzhafte Abfuhr – nicht einmal 7.000 Tickets ausgerechnet in jenem Jahr, in dem Ulrich Seidl mit dem auf ganz andere Weise radikalen Hundstage die magische 100.000er-Grenze überschreiten konnte, waren unmissverständlich. Fritz Lehner hat seitdem mehrere Bücher geschrieben, Veit Heiduschka nach den Sternen des Filmhimmels gegriffen. Und quasi nebenbei hat er Andreas Gruber (Welcome Home, 2005) und Elisabeth Scharang (Mein Mörder 2005, Tintenfischalarm 2006, Meine liebe Republik 2007) die Umsetzung brisanter Themen ermöglicht. Das alles konnte nur gelingen, weil Veit Heiduschka, so wie in der jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit Michael Haneke als dessen „partner in crime“, auch in der Wega Film der Erkenntnis gefolgt ist: Never change a winning team, das seit 1985 von Michael Katz und seit 1991 von Ulrike Lässer geprägt wird. Mit so einem Team lassen sich Filme „trotzdem“ machen, auch wenn die Verkäufe nach der Verlautbarung des Regisseurs, Das weiße Band in Schwarzweiß zu drehen, um 80 Prozent gesunken sind, und es lässt sich auch – in einem Interview nach der Oscar-Nacht 2013 – erklären: „Die Frage lautet doch eher: Was liegt noch höher?“

Peter Zawrel Peter Zawrel (*1956) ist seit Februar 2013 Geschäftsführer im Künstlerhaus, war 1999 bis 2011 Geschäftsführer des Filmfonds Wien, 1987 bis 1999 in verschiedenen Funktionen in der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich tätig, davor als freiberuflicher (Kunst) Historiker in Wien und Rom. Seit 1996 ist er Mitglied des Präsidiums des Filmarchivs Austria und seit 2002 des Vorstandes des Österreichischen Filmmuseums. Er hat in Wien das Studium der Deutschen Philologie, Kunstgeschichte und Geschichte absolviert und ist seit 1983 Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung.

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Foto: Karin Wasner

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ray Special – Veit Heiduschka


DEN FUNKEN EINFANGEN UND FEUER MACHEN Veit Heiduschka im Gespräch.

Interview ~ Gunnar Landsgesell, Andreas Ungerböck

Fangen wir ganz am Anfang an. Sie wurden 1938 in Döbeln geboren. Wo liegt das? Zwischen Leipzig und Dresden. Ich war allerdings nur bis zu meinem sechsten Lebensjahr dort, danach zog ich mit meinem Bruder und meiner Mutter zu meinem Vater nach Dresden. Dort habe ich den großen Luftangriff 1945 miterlebt. Wir liefen aus dem brennenden Haus, vorbei an den Toten und erreichten mit Glück die Elbe und kamen so gerade noch davon. Dieses Erlebnis hat sich mir sehr eingeprägt. Immer wenn ich Tatort sehe, wo es im Vorspann diese gezeichnete Figur gibt, erinnere ich mich an eine Frau, die genauso im Rosengarten lag und an der wir vorbei mussten. Wir wurden in einer Kommandantur aufgenommen, verbrachten dort die restliche Nacht und fuhren dann in einem kleinen LKW aus Dresden heraus, denn meine Mutter hoffte, dass wir so zu ihren Eltern kommen. Über den LKW war eine Plane gespannt, durch die man nur einen kleinen, eingeschränkten Ausblick hatte. Und dieser Blick war mein erstes „Fernsehen“. Haben Sie ein Zeitgefühl, wie lange das Ganze gedauert hat? Nein. Es gab in Dresden mehrere Angriffe. Beim ersten brannte das Hinterhaus, alle Fensterscheiben waren kaputt, auch mein Fischglas. Die Fische lagen am Boden und waren alle tot. Beim zweiten Angriff gab es keine Sirene mehr, denn es gab keinen Strom. Plötzlich fielen einfach wieder Bomben, und wir rannten hinunter in den Keller. Ich kann mich erinnern, dass ich vom Keller

aus einen Blick auf die Straße hatte, also die Bomben aufschlagen sah, und ich hatte Fäustlinge an, bei denen ich den Rand abgeknabbert habe. Ich weiß noch, dass alle in diesem Keller geschrien haben. Als das erste Mal Ruhe war, ging der Luftschutzwart hinaus, um die Lage einzuschätzen. Als er zurückkam, sagte er: „Das Haus brennt, wir müssen raus.“ Es gab nur mehr alte Leute, junge Frauen und jede Menge Kinder. Wir standen im Hausflur und konnten nicht aus dem Haus hinaus. Große Holzfunken kamen auf der Straße waagrecht dahergeschossen, der Feuersturm ... Plötzlich packte einer der alten Herren einen Kinderwagen und sagte „Ich gehe jetzt!“. Meine Mutter nahm meinen Bruder und mich an die Hand und wir sind hinterher. Ich sah hinauf zu unserer Wohnung und sah, dass die Gardinen lichterloh brannten. Welche Erinnerungen haben Sie an die DDR? Ich war bis 1956 dort, wollte eigentlich schon 1955 weg. Mein Vater war damals politischer Häftling. Aber man muss sagen, die Russen sind sehr korrekt. Über fünfzig Jahre später kam ein Schreiben aus Moskau, in dem stand, dass die Verhaftung ein Versehen war und dass er rehabilitiert sei. Das konnte ich ihm dann aufs Grab legen. Er war neun Jahre lang inhaftiert, und meine Mutter sagte: „Wenn der Vater irgendwann entlassen wird, schicken sie ihn dorthin, wo wir sind. Wir gehen nach Westdeutschland. Du gehst erst mal nach Dresden und sagst den Großeltern, dass wir weggehen. Wir treffen uns dann in Berlin am Bahnhof.“ Was wir nicht

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wussten: Ost-Berlin war offensichtlich schon hermetisch abgeriegelt. Der Zug blieb mehr oder weniger auf freier Strecke stehen, dann gingen die Polizei und die russischen Soldaten – mit den Kalaschnikows – durch, die kamen zu mir und fragten, wohin ich unterwegs sei. Ich zeigte eine Einladung von Bekannten aus Berlin vor. Dann musste ich mitkommen wegen Verdachts auf Republikflucht, was ja auch stimmte, und kam für ein paar Tage ins Gefängnis. Aber da ich erst 17 war, wurde ich unter Bewachung zurückgebracht, mit der Drohung: „Noch einmal, dann Arbeitslager.“ Meiner Mutter war es gelungen, nach Westdeutschland zu fliehen. Ich schaffte es ein Jahr später, nachdem ich meinen Vater im Gefängnis besuchen durfte, wofür ich Urlaubsschein, Besuchserlaubnis und diverse andere Papiere bekommen hatte, mit deren Hilfe ich durch Berlin fahren durfte. So kam ich nach Westberlin. Übrigens: Im Westen wurde man nur aufgenommen, wenn „Gefahr für Leib und Leben“ bestand. Viele wurden einfach zurückgeschickt. Das nächste Problem war: Meine Mutter war in Bayern, und die – déjà-vu – nahmen keine Flüchtlinge auf. Es gab keine Familienzusammenführung. Dann hat man mir gesagt: „Geh nach BadenWürttemberg, das ist relativ nah an Bayern.“ Ich hatte in der DDR kein Abitur machen dürfen, weil das Elternhaus „politisch nicht tragbar“ war. Deshalb war für mich eine Lehre als Schlosser oder Maurer vorgesehen. Aber mein Großvater war 50 Jahre lang SPD-Mitglied, war im KZ gewesen und hatte den „Konsum“ mitgegründet. Er erreichte, dass ich ausnahmsweise Einzelhandelskaufmann werden konnte. In Westdeutschland kam ich schließlich nach Mannheim. Damals gab es das Wirtschaftswunder noch nicht, und ich bekam in meinem Beruf keinen Job. Dann durfte ich in einer Firma in der Registratur arbeiten. Einer der Direktoren fragte: „Du hast so einen Dialekt. Wo kommst du denn her?“ Ich antwortete: „Aus Sachsen.“ Er sagte: „Ich auch. Du bekommst pro forma einen Lehrlingsvertrag und machst abends die Handelsschule, dann bist du am Ende auch Industriekaufmann.“ Als ich den Abschluss als Industriekaufmann hatte, ging ich nach Wien. Warum fiel Ihre Wahl ausgerechnet auf Wien? Ich hatte einen ehemaligen Schulkameraden, der war am Reinhardt-Seminar und studierte auch Theaterwissenschaft. Ich schickte ihm ein aus jugendlichem Leichtsinn selbst verfasstes Drehbuch, weil ich immer schon gerne geschrieben hatte. Er schrieb: „Wir haben hier einen Professor, Studenten, das Buch wird verfilmt … Wir brauchen dich!“ Ich überlegte nicht lange und kündigte. So kam ich nach Wien, und es gab zwar den Professor und die Studenten, aber kein Geld. Mein Freund ging wieder nach Deutschland zurück, aber ich konnte nicht mehr zurück – es widerstrebte mir innerlich. Dann arbeitete ich an dem Buch „Weltmacht Film“ von Professor Börge mit, und seine Tochter meinte: „Mach doch die Externisten-Matura.“ Das war schlimmer als ein Doktorat. Ich konnte kein Wort Englisch. Ich konnte natürlich ein wenig Russisch, aber auch nicht sehr viel. Also fing ich an und musste nach einem halben Jahr eine Prüfung ablegen, bei der kleinere Texte zu übersetzen waren und ich Englisch sprechen musste.

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Und das kleine Latinum musste ich auch machen. Dazu kam, dass ich meinen Lebensunterhalt selbst verdienen musste. Nach der Matura studierte ich Philosophie, Psychologie, Deutsche Philologie und Theaterwissenschaft. Gleichzeitig arbeitete ich am Theater der Jugend als Beleuchter. Eines Tages fiel der Regie-Assistent kurz vor der Premiere aus, und ich durfte einspringen. So wurde ich Regie-Assistent und in weiterer Folge Inspizient. Manchmal spielte ich auch selbst mit, denn für jeden Auftritt gab es 30 Schilling, was damals viel Geld war. Der Direktor versprach mir eine Regie. Als ich mit dem Studium fertig war, fragte ich danach, und er antwortete: „Lass uns in einem Jahr nochmal darüber reden.“ Daraufhin kündigte ich. Ihr Doktorat haben Sie aber in Theaterwissenschaft gemacht? Ja, aber ich musste in allen vier Fächern Rigorosen machen. Das passierte innerhalb von zwei Tagen. Ich kam am Abend zum letzten Rigorosum um 19 Uhr in das Zimmer von Professor Kindermann, und er sagte zu mir: „Wissen Sie, dass Sie der letzte Prüfling in meinem Leben sind? Dass Sie meine Bücher kennen, glaube ich Ihnen – machen wir mal etwas ganz Anderes.“ Mir fiel alles runter. Er wollte von mir den Unterschied zwischen Verdi und Wagner wissen. Ich hatte aber Gott sei Dank ein Jahr vorher als Beleuchter bei den Festspielen in Bayreuth gearbeitet, kannte daher so gut wie alle Wagner-Opern und konnte gut darüber sprechen. Ich hatte nur zwei oder drei Wochen Zeit gehabt, um zusammen mit Kollegen für die Rigorosen zu lernen, weil ich dann schon wieder eine Inszenierung am Theater an der Wien hatte. Worüber haben Sie denn in Ihrer Doktorarbeit geschrieben? Ich wollte ursprünglich über den Begriff „Freiheit des Handelns“ in der griechischen Tragödie schreiben, aber ich wurde von Frau Professor Dietrich gefragt, ob ich Altgriechisch könne, was ich verneinen musste. Sie wollte nicht, dass man bei so einem Thema mit Übersetzungen arbeitet, was sicher richtig war. Sie meinte, sie hätte ein schönes Thema für mich, und zwar den Einfluss des Mysterientheaters des Mittelalters, der Renaissance und des Barocks auf das moderne Kunsttheater. Der Titel lautete dann „Alte geistliche Spiele im modernen Kunsttheater“. In den damaligen Ostblockländern wurden sehr viele Mysterienspiele bearbeitet, weil man damit versteckt politische Kritik anbringen konnte. Als DDR-Flüchtling konnte ich diese Länder jedoch nicht besuchen, um zu recherchieren. Eines Tages erfuhr ich, dass der Leiter des Polnischen Theaters in Wien war und konnte ihn endlich interviewen. Erst dann konnte ich meine Dissertation abzuschließen. Was hatten Sie denn beruflich vor? Als ich fertig war, ging ich zu einem Studienfreund, der beim ORF arbeitete, und fragte, wie man in den ORF hineinkäme. Er sagte: „Wenn du niemanden kennst, der politisch ein bisschen nachhilft, hast du keine Chance.“ Er riet mir, bei Wiener Filmproduktionen vorzusprechen. Einer der Produzenten antwortete mir: „Was sind Sie?

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Foto: Karin Wasner

Industriekaufmann und Doktor der Philosophie? Das geht nicht, Sie können ja mehr als ich.“ Einen anderen interessierte das, und er notierte immerhin meinen Namen. Dann saß ich bei meinen Eltern in Deutschland, weil ich mich auch an deutschen Theatern beworben hatte. Da kamen an einem Tag zwei Telegramme. Das eine war von Herbert Wochinz vom Stadttheater Klagenfurt, der mich als Assistenten einstellen wollte, aber um das Gehalt hätte man in Klagenfurt nicht leben können. Das andere war von der Filmfirma WDS und das Ergebnis des Bewerbungsgesprächs war: „Gut, drei Monate auf Probe.“ Ich begann am 1. März zu arbeiten und bereits Anfang Mai produzierte die Firma in Ko-Produktion den Film Mit den Augen der Spinne [L’Occhio del ragno, 1971; Regie: Roberto Bianchi Montero; mit Klaus Kinski, Anm.]. Ich hatte zuvor mit dem großen deutschen Filmverleih Cinerama einen Verleihertrag ausgehandelt. Da half mir meine kaufmännische Ausbildung. Zu Beginn der Produktion fuhr der österreichische Ko-Produzent mit seiner Frau auf Urlaub und ließ mich mit den ausgekochten italienischen Profis allein. Als der Produzent aus dem Urlaub zurückkam, meinte er: „Na, das ist ja gut gegangen, ich möchte, dass du die Geschäftsführung der Firma übernimmst.“ Dann wurde ich ein halbes Jahr später Teilhaber der Firma. Das Filmhandwerk habe ich übrigens bei einer alten Cutterin gelernt, bei Frau Diethelm. Welchen Eindruck hatten Sie von Österreich, als Sie begannen, hier zu arbeiten?

In Deutschland fragte man mich, wie Wien sei, und ich sagte: „Wien ist morbid, aber auf faulendem Holz wachsen Orchideen.“ Dazu stehe ich heute noch. Wien hat eine ungeheure kulturelle Vielfalt, wie man sie in der Form in Deutschland nicht findet. Ab dem Walserberg ist eine andere Kultur. Hier gibt es beispielsweise deutsche, ungarische, tschechische und italienische Einflüsse. Es ist ein Völkergemisch, und diese Vielfalt schlägt sich auch in der Kultur nieder. Auch das Theater hat eine große Bedeutung. Ich sehe das auch immer bei den Drehbuchautoren und den Regisseuren: Die Drehbücher von hier sind viel vielfältiger. Es ist viel bunter, viel intensiver, aber es fehlt oft die Geradlinigkeit. Ich sage den Autoren immer: „Sag mir was du erzählen willst. Das will ich aber dann auch sehen!“ Gerade bei Franz Novotny, der so viele Ideen hat, immer ausufert und dabei die Handlung vergisst, ist mir das immer wieder untergekommen. Außer bei Haneke, der seine Strenge hat. Müllers Büro war auch so ein Beispiel. Da gab es vier oder fünf verschiedene Filmenden, aber da war es bereits egal, denn wir hatten die Zuschauer bereits gepackt. Wie war denn das Leben damals in Wien? Konnte man überhaupt ausgehen? Naja, ich hatte sowieso kein Geld, um auszugehen. Abends ab 21 Uhr war die Stadt wie ausgestorben. Und später, als ich die Maturaschule Roland machte, musste ich tagsüber in die Schule und nachmittags und abends lernen.

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Wie ging es für Sie nach der italienischen Ko-Produktion weiter? Wie gesagt, das Filmhandwerk lernte ich bei Frau Diethelm, denn ich hatte ja keine Ahnung. An der Uni hatten wir einen Filmproduzenten als Professor, der immer sagte: „Schauen Sie sich den Film an, und nächstes Mal reden wir darüber.“ Das war „Film“ an der Theaterwissenschaft. Der Produzent, bei dem ich eben damals arbeitete, schickte mich immer mit den Kameraleuten los und war auch nicht immer bereit, in den Schneideraum zu gehen. Da kam immer Frau Diethelm und rief: „Ich kenne mich überhaupt nicht mehr mit dem Material aus.“ Einmal musste er ins Spital, und ich habe einen Film quasi allein fertig gestellt, für den wir dann einen Kulturpreis bekamen, der in der Urania verliehen wurde. Er meinte: „Das kann ich dir nicht zumuten, dass du dafür deinen Namen hergibst.“ Also hat er seinen Namen draufgeschrieben und auch das Geld kassiert. Das führte irgendwann dazu, dass ich innerhalb einer Stunde meinen Schreibtisch aufräumte und ging. Dann war ich eine Zeit lang Freelancer, Produktions- und Herstellungsleiter. Zuletzt arbeitete ich für die TeleMünchen-Gruppe bei Anima – Symphonie phantastique [1981; Regie: Titus Leber, Anm.], und mit dieser Gage habe ich dann die Wega Film gegründet. Was gab den Ausschlag dafür, eine eigene Firma zu gründen? Ich betreute damals Belangsendungen für die Gewerkschaft, die entstanden immer mit einer anderen Firma. Dann meinten die irgendwann: „Gründen Sie doch eine eigene Firma, dann ist das nicht immer so ein Hin und Her.“ Das war aber nicht so einfach, weil man dafür einen Gewerbeschein brauchte. Mein erster Antrag dafür wurde abgelehnt, aber ich hatte ja das Filmförderungsgesetz mit durchgeboxt, und was ich nicht wusste, war: Der Fachverband der Filmindustrie hatte mich dem Minister – ohne mein Wissen – für den Direktor-Posten des Filminstituts vorgeschlagen. Ich rief den Geschäftsführer, Herrn Prof. Brauneis, an und fragte ihn, ob er mich für den Posten vorgeschlagen habe. Er meinte, ja, und ich fragte: „Das war sicher wegen meiner Qualifikation?“, was er auch bejahte. Darauf ich: „Ich muss, glaube ich, eine Pressekonferenz abhalten, denn den Gewerbeschein geben Sie mir nicht.“ Er meinte: „Aber Herr Doktor, da können wir doch unter Nachsicht aller Taxen …“ und so bekam ich ihn. Wie kam das Filmförderungsgesetz 1980 zustande? Der Spiritus rector des Ganzen war Gerhard Schedl. Bruno Kreisky hatte ja in der Regierungserklärung eine Filmförderung versprochen. Aber nichts geschah. Ich war ja in den siebziger Jahren einer der wenigen, die Spielfilme machten, vor allem als Produktions- und Herstellungsleiter. Spielfilme waren damals ja eine Rarität. Wer hat neben Ihnen zu dieser Zeit noch Spielfilme gedreht? Peter Patzak, Wilhelm Pellert, Georg Lhotsky und noch wenige andere ... Ich habe mit Helmut Pfandler den Film Abenteuer eines Sommers [1973, Drehbuch: Veit Heiduschka, Kurt Nachmann, Anm.] gedreht, mit Matt-

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hias Habich, Franz Stoss, Fritz Muliar und Dagmar Koller. Um kontinuierlich Spielfilme zu produzieren, brauchten wir die Filmförderung. Wir liefen also von Politiker zu Politiker und waren sogar bei Anton Benya, der dachte, wir wären ’68er, und begann, gegen uns zu wettern. Wir hatten aber Peter Scheiblin dabei, dessen Vater Gewerkschaftsvorsitzender in Niederösterreich war. Einer seiner Mitarbeiter flüsterte Benya zu: „Du, das sind welche von uns.“ So entstand das erste richtige Gespräch. Wir brauchten auf jeden Fall irgendeine Organisation hinter uns, und daraufhin sprachen wir alle an, in die Gewerkschaft Kunst, Medien und Freie Berufe einzutreten, ein Aufruf, dem mehrere hundert Leute folgten. Selbst Peter Patzak und Axel Corti waren dabei. Dann gab es die Neuwahl des Vorstandes. Üblicherweise waren da 12 bis 14 Personen anwesend, und auf einmal standen da an die 400 Leute. Sie haben eine Stunde gebraucht, um den großen Saal zu öffnen. Wir waren natürlich sehr gut vorbereitet. Durch uns wurde ad hoc eine neue Wahlliste aufgestellt, durch die wir alle, außer den Präsidenten, abwählten, und auf einmal war ich im Vorstand der Gewerkschaft. Es ging aber trotzdem nichts weiter, obwohl wir im Parlament schon aus- und eingingen, ohne den Ausweis vorzeigen zu müssen. Eines Tages sagte Schedl zu mir, die Bau- und Holzarbeiter würden im Konzerthaus ihren Jahrestag abhalten. Wir gingen dorthin, Schedl trat auf und sagte: „Wir sind die kleine Gewerkschaft Kunst, Medien, Freie Berufe und brauchen Unterstützung“, woraufhin einige hundert Fäuste in die Höhe schnellten. Wir fuhren im Taxi zurück zum Parlament, da kam uns schon jemand von der SPÖ entgegen und rief: „Habt ihr gehört? Die Bau- und Holzarbeiter sind auch dafür!“ So wurde das Gesetz durchgebracht. Eigentlich war Film ja beim Handelsministerium angesiedelt, aber Minister Staribacher meinte: „Nein, ich mag den Film nicht.“ Daraufhin sagte Unterrichtsminister Fred Sinowatz: „Na, dann nehme ich euch.“ Und das war gut, denn der erste Besucher beim ÖFI war der Botschafter der USA und er verwies darauf, dass das internationale Handelsabkommen keine Wirtschaftsförderung erlaube. Schedl konnte entgegnen: „Wir haben eine Kulturförderung, keine Wirtschaftsförderung.“ Was waren denn Ihre Pläne für die Produktionsfirma? War es immer klar, dass es um Kino- und Spielfilme gehen würde? Mir blieb gar nichts anderes übrig. Anfang der Achtziger gab es meiner Meinung nach fünf große Firmen, die sämtliche ORF-Filme produzierten. Ich bekam keine Aufträge. Ich entwickelte zusammen mit einem Redakteur des ORF für die Arbeiterkammer eine Serie, in der es darum ging, wie die Leute, die auf Urlaub fahren, ihre Wohnung sichern sollen. Der Redakteur wollte den Produktionsauftrag für die Wega Film, aber wir bekamen ihn nicht. Dann hatte ich anlässlich von Tschernobyl die Idee, fünf Schulfernsehfolgen zum Thema „Risiken und Nutzen der Atomkraft“ zu machen. Auch das wurde vom ORF abgelehnt. Ich fragte bei der Gewerkschaft, für die ich die Belangsendungen produzierte, nach, wie ich denn Aufträge vom ORF bekommen könnte. Der Pressesprecher meinte, der Kaufmännische

ray Special – Veit Heiduschka


Der Kopf des Mohren

Direktor sei von ihnen dort hineingesetzt worden. Er rief ihn an und sagte ihm, ein junger Produzent, der mit ihnen zusammenarbeitete, habe dieses und jenes Problem. Ich wurde von vom Kaufmännischen Direktor eingeladen, er rief den Zuständigen in meiner Gegenwart an und sagte: „Herr Dr. Heiduschka bekommt das und das und das.“ Er legte ganz schnell wieder auf, um nichts erklären zu müssen. Das war das erste Mal, dass ich für den ORF produzieren durfte. Der erste „richtige“ Fernsehfilm war aber dann erst 1993 Michael Hanekes „Rebellion“? Ja, aber den sollte ich eigentlich auch nicht bekommen. Eines Tages kam Haneke zu mir und meinte, er hätte einmal für den ORF ein Drehbuch geschrieben, das solle jetzt verfilmt werden, und er hätte mich vorgeschlagen, da wir die Stärken und Schwächen des anderen kennen würden. Doch der ORF hatte ihm drei andere Firmen genannt, die das machen sollten. Haneke bat mich, mich darum zu kümmern, dass wir den Film gemeinsam produzieren können. Ich sage jetzt nicht, wie ich den Auftrag letztlich doch bekam. Nur so viel: Freiwillig gab man ihn mir nicht. Nochmals zurück zum Anfang. Was war der erste Kinofilm der Wega Film? Das war 1983 Zeitgenossen von Ernst Josef Lauscher. Ich hatte den Film Kopfstand gesehen, den er mit Christoph Waltz als Hauptdarsteller für die Filmakademie gemacht hatte, der hatte mir sehr gut gefallen. Ich fragte ihn nach seinen kommenden Projekten und bot ihm an, dieses zu produzieren. Er schickte mir das Drehbuch Zeitgenossen, das ich sehr gut fand. Das Problem war

nur, dass man damals noch 20 Prozent des Budgets an Eigenmitteln einbringen musste, und der Film sollte zehn Millionen Schilling kosten. Ich musste also zwei Millionen auftreiben, was fast eine Unmöglichkeit darstellte. Ich hatte aber der Tele München, dem Herrn Dr. Kloiber, ein gutes Geschäft vermittelt. Also ging ich zu ihm und bat ihn um Hilfe. Anfangs war er nicht wirklich überzeugt, aber schließlich gab er mir eine Verleihgarantie. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Ich produzierte damals kleine Industriefilme. Aus den Erlösen und aus diversen Rücklagen und durch Rückstellungen brachte ich die Vollfinanzierung zustande. War der Film erfolgreich? Es war an und für sich eine Komödie, aber Herr Lauscher schnitt am Ende alles, was an dem Film komödiantisch war, heraus. Es gab eine Szene, bei der mir die Auswahlkommission gesagt hatte: „Auf diese Szene freuen wir uns schon.“ Und was machte er daraus? Eine sozialkritische Szene. Er meinte: „Was sagen denn meine Kollegen, wenn ich eine Komödie mache?“ Ich war sprachlos. Das konnte kein Erfolg werden. Dem deutschen Verleih-Chef gefiel der Film nicht, der wollte ihn gar nicht erst zeigen. Generell hatten österreichische Produzenten Probleme, ihre Filme in die österreichischen Kinos zu bringen. Constantin Film wollte österreichische Filme in der Regel nicht. Dann gab es noch die KIBA-Kinogruppe. Dort hatte ich folgendes Erlebnis: Ein Film hätte am Freitag starten sollen, am Montag vorher wurde er bei der Kultursendung im ORF vorgestellt. An jenem Montag rief mich Herr Fischer von der KIBA an und sagte: „Am Freitag starten wir Ihren Film nicht, die Amerikaner drängen, ich

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muss zwei andere Filme reinnehmen.“ Ich sagte, wir hätten einen Vertrag, aber er meinte nur, wir könnten ihn gerne klagen, denn die Amerikaner brächten das ganze Jahr über die Filme, mit denen er den Umsatz macht. Ja, Zeitgenossen war der erste Film, der erste Flop. Die nächsten zwei Jahre haben wir die Schulden abgearbeitet, denn einen Teil hatten wir ja über die Bank finanziert. Wega Film produzierte damals Werbefilme und wir konnten uns erholen. Die Werbung war auch der Grund, weshalb ich Hanekes Filme produzieren konnte. Die Eigenmittel waren, wie gesagt, sehr hoch. Es wird ja schon länger diskutiert, ob die Eigenmittel überhaupt Sinn machen. Der Grund, dass der Prozentsatz dann doch bestehen blieb, ist, dass man sagte: Der Produzent muss hinter dem Filmprojekt stehen. In Wahrheit spielen wir oft nicht einmal die Eigenmittel ein. Es gibt nationale Filme, die das Land nie verlassen, und internationale Filme, die im eigenen Land nicht gut ankommen, aber dafür in anderen Ländern erfolgreich sind. Hinterholz 8 etwa hatte in Österreich mehr als 600.000 Zuschauer, in Deutschland hat der Verleih einen Verlust damit eingefahren. Funny Games wiederum haben bei uns in Österreich nur an die 7000 Leute gesehen, dafür wurde er in rund 50 Länder verkauft. Diese Extreme gibt es, und ich kann der Politik nur immer wieder sagen: Ohne Filmförderung gibt es keinen österreichischen oder europäischen Film. Nach „Zeitgenossen“ kam schon „Müllers Büro“. Genau. Eines Tages kam einer meiner Mitarbeiter und meinte, er arbeite mit einem jungen Mann an einer Werbung und dieser habe ein Drehbuch geschrieben, und ob ich das nicht mal lesen könnte. Das Buch hatte was. Ich lud Niki List ein, und wir gingen das Buch durch. Am Ende sagte ich: „Das verfilmen wir!“ Das war im Februar, und im August drehten wir. Das wäre heute in dieser kurzen Zeit nicht möglich. Was hatte ich denn? Geld vom ÖFI, vom Wiener Fonds und vom ORF, und wir haben selbst 1,7 Millionen Schilling Kredit von der Bank reingegeben. Wenn der Film nichts geworden wäre, hätte ich vor dem Handelsgericht den Offenbarungseid leisten müssen. Manche Regisseure sagen ja in Bezug auf Produzenten: „Naja, ihr tragt ja kein Risiko.“ Ich bin froh, dass das heute so ist. Wer könnte denn heute 20 Prozent Eigenmittel aufbringen? Ich reichte also beim ÖFI ein. Damals gab es noch keine Ersatzmitglieder für die Auswahlkommission, weshalb ich bei der Fördersitzung rausgehen musste, als über Müllers Büro gesprochen wurde. Das war eine denkwürdige Sitzung, denn es wurden drei Filme gefördert: Schmutz von Paulus Manker, der kleine Arthouse-Film, 38 – Auch das war Wien von Wolfgang Glück, der große staatstragende Film, und Müllers Büro, der komödiantische Film. Die Auswahlkommission entschied damals nur über die Förderwürdigkeit, aber nicht über die Höhe der Förderung, das machte das Kuratorium: Die haben zwar die Bücher nicht gelesen, aber das Geld verwaltet. Wir haben später politisch durchgesetzt, dass das abgeschafft wird. Gerhard Schedl erzählte mir später, dass es bei Müllers Büro fast Stimmengleichheit bei der Abstimmung gab, denn die einen meinten: „Nein, das ist ein kommerzieller Film, der darf nicht aus der Kul-

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turförderung unterstützt werden“. Die Gegenseite, die dafür war, meinte: „Film ist immer Kultur.“ Es hing an einer Stimme, das war der Vertreter der Finanzprokuratur, und der soll gesagt haben: „Jetzt habt ihr so lange über diesen Film diskutiert … den will ich jetzt sehen!“ „Müllers Büro“ lief dann sogar bei der Berlinale ... Ja, wir waren ins Panorama eingeladen. Wir hatten den Film erst am Tag vor der Premiere fertiggestellt, und Niki List und ich transportierten die Kopie als Handgepäck nach Berlin. Die erste Vorstellung wurde ausgebuht. Am nächsten Tag sagte List zu mir: „Ich war heute Abend im Kino. Heute hat er dem Publikum gefallen.“ Manfred Salzgeber, der das Panorama leitete, gab uns dann zehn Vorstellungen, die waren alle ausverkauft. Wir waren noch zu naiv, um über eine Beteiligung zu verhandeln, sahen also keine einzige D-Mark davon. Dann hatten wir in Österreich mit drei Kopien Kinostart. Sonntag früh rief mich Franz Schwartz vom Stadtkino Verleih an: „Ich brauche 15 Kopien. Seit Freitag ist jede Vorstellung ausverkauft.“ Ein Kino aus der Provinz rief an und meinte, sie würden die Hälfte der Kopie zahlen, wenn sie den Film rasch bekämen. Anton Langhammer von der Constantin Film rief mich an und erzählte, er sei in Innsbruck gewesen, hätte etwas Zeit übrig gehabt und habe sich den Film angesehen. Alle Leute im Kino hätten bei den Liedern mitgesungen. Dann meinte er: „Sie bekommen alle Kinos von Constantin Film. Alles, was Sie wollen!“ Im kleinen Residenz Kino, das es heute nicht mehr gibt, lief der Film ein Jahr lang, immer ausverkauft! In Linz gab es ein großes und ein kleines Kino, im großen lief immer ein amerikanischer Film, relativ gut besucht, und im kleinen lief Müllers Büro und war immer ausverkauft. Dann haben sie getauscht, aber kurz danach rief mich der Chef an und meinte, er müsste wieder zurücktauschen, sonst bekämen sie von dem Amerikanern nie wieder einen Film. War der Film aufgrund der Mundpropaganda so erfolgreich? Zum großen Teil. Eines hat uns geholfen. Rudolf John hatte im „Kurier“-Bericht über die Berlinale geschrieben: „Man lacht sich tot.“ Ansonsten war es reine Mundpropaganda. Wir haben ja eigentlich alles falsch gemacht. Das Filmplakat zum Beispiel konnte man aus der Ferne nicht lesen. Wir waren in Deutschland der erfolgreichste österreichische Film seit den sechziger Jahren. Nicht einmal Haneke hatte später so viele Zuschauer. In der DDR hatten wir an die DEFA verkauft und die hatten, wie man mir sagte, über zwei Millionen Zuschauer. War das Ihr größter Erfolg im Ausland? Nein, der erfolgreichste Film im Ausland war Wahre Liebe von Kitty Kino. Nach der Wende kamen die Russen zu mir und wollten meine Filme für Russland ankaufen. Ich dachte: „Warum nicht?“, und verkaufte ihnen Wahre Liebe für stolze 5.000 DM Fixpreis. Dann traf ich sie ein oder zwei Jahre später wieder in Cannes und fragte nach, wie viele Zuschauer der Film eigentlich hatte. Wenig später bekam ich eine E-Mail: 35 Millionen. Das war die Zeit, als die großen Firmen in Russland noch geschlossen ins Kino gehen mussten. Aber es war nicht

ray Special – Veit Heiduschka


Wahre Liebe

Happy End

nur das. Ich war vor fünf Jahren in Russland in einer Jury und plauderte mit meiner Dolmetscherin. Ich erzählte ihr, dass ich auch mal einen Film in Russland gezeigt hätte, nämlich Wahre Liebe. Sie meinte, dass alle ins Kino gelaufen seien, um den Film zu sehen, weil er so bunt und anders war als das Übliche, das sie kannten. 35 Millionen Zuschauer! Die haben sich aber auch überhaupt nicht an den Vertrag gehalten. Sie haben den Film nicht nur in Russland, wie ursprünglich ausgemacht, gezeigt, sondern in allen Ländern, die ursprünglich zur Sowjetunion gehörten.

an den Ästen. Eine andere Geschichte war, dass mich Haneke an einem Donnerstagabend anrief und meinte: „Herr Dr. Heiduschka, der Kameramann macht nicht, was ich will.“ Am nächsten Morgen kam ich ans Set, Haneke meinte, der Kameramann arbeite auf einmal mit Stilmitteln der Werbung, mit Gegenlicht und „Heiligenschein“. Ich sagte: „Ich weiß nicht, wer Recht hat. Heute wird jede Einstellung zwei Mal gedreht, einmal die Fassung des Kameramanns und einmal die Fassung Hanekes.“ Ich mietete mir am Sonntag das Stadtkino, sah mir alle Muster an und erkannte: Das, was Haneke wollte, passte zur Dramaturgie des Films. Ich sagte dem Kameramann, das Licht und die Einstellungen würden nun so umgesetzt wie von Haneke geplant. Ich glaube, das war es, was mir Hanekes Vertrauen einbrachte. Der Kameramann war beleidigt und kam zu keiner Mustervorführung mehr, was ich nicht verstand, denn es war ja sein Werk, und er hatte gute Arbeit geleistet. Ganz am Schluss drehte dann Walter Kindler die letzten Szenen. Auch Kindler war es nicht ganz recht, dass Haneke die Kamera selbst einrichtete und diese Einstellung auch nicht verändert werden durfte. Wir hatten Glück, dass Pierre-Henri Deleau in Cannes den Film mochte und wir ihn in der Quinzaine des Réalisateurs zeigen durften, was damals für einen österreichischen Film eine große Auszeichnung war. Voriges Jahr war ich mit Wilde Maus bei der Berlinale und mit Happy End in Cannes jeweils im Hauptwettbewerb – das gilt heute schon fast als Selbstverständlichkeit.

Wie kam es zur ersten Zusammenarbeit mit Michael Haneke bei „Der siebente Kontinent“? Die Satel Film wollte damals sein Drehbuch „Der Kopf des Mohren“ verfilmen und wollte Hamburger Filmförderung dafür. Gerhard Schedl bat mich, mit ihm gemeinsam zu Dieter Kosslick, der damals noch bei der Hamburger Filmförderung war, zu fahren, damit die Satel Film die Förderung erhält. Das ging aber laut den Statuten der Hamburger nicht. So kam ich mit Haneke erstmals in Berührung, hatte ihn aber persönlich nicht kennengelernt. Eines Tages rief mich Schedl an und meinte: „Wir haben da ein gutes Drehbuch, aber keiner will es umsetzen.“ Er schickte es mir, mir gefiel es sehr gut, und ich traf mich mit Haneke. Mit seinem Einverständnis reichte ich es zur Förderung ein. Das ÖFI wollte zwar fördern, der ORF aber nicht. Einer der drei Verantwortlichen des ORF war dagegen, und die mussten ja immer einheitlich abstimmen. Ich fand seinen den Namen heraus, rief ihn an und sagte: „Wenn dieser Film so gut wird wie das Drehbuch ist, werden wir international sehr erfolgreich sein und Sie können sich einen Orden anheften!“ Da hat er doch zugestimmt. Wie war die Arbeit mit Haneke am Set? Es war nicht einfach, denn das Team musste sich erst einmal an ihn gewöhnen – wenn man Perfektion zur Potenz erheben will, sagt man „Haneke“. Unser Aufnahmeleiter erzählte, sie hätten mit ihm einen Drehort angesehen. Als sie nach einiger Zeit zum tatsächlichen Dreh wiederkamen, war es bereits Herbst geworden, und auf dem Baum, den Haneke dort gesehen hatte, waren zu seinem Entsetzen keine Blätter mehr. Also befestigte die Crew in der Nacht vor dem Dreh künstliche Blätter

Wie war denn damals die Resonanz in Cannes? Es gab eine Pressekonferenz, da kamen der ORF und drei, vier österreichische Journalisten, und ich dachte: „Das kann ich in Österreich auch haben, dazu muss ich nicht nach Cannes fahren.“ Haneke war dann in Locarno, in Tokyo, überall auf der Welt mit dem Film. Beim zweiten Film in Cannes, Benny’s Video, hatte die internationale Presse kaum Platz im Zelt der Quinzaine des Réalisateurs. Eine Pressedame war ganz begeistert, wie druckreif Haneke spricht, daraufhin meinte ich: „Na, dann schreiben Sie es auf und drucken Sie es.“ Haneke saß von morgens bis abends in einem Kaffeehaus, um ein Interview nach dem anderen zu geben. Weil sein Englisch genauso gut war wie meines – mittlerweile ist

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Benny’s Video

Die Klavierspielerin

seines besser – saß er da mit einem Dolmetscher, der die Antworten bald schon alle selbst geben konnte, weil fast immer die gleichen Fragen gestellt wurden.

genossen. Das hat sich bis heute gehalten. Noch ein Kulturunterschied.

Stimmt es, dass für „Benny’s Video“ mehr Szenen in Ägypten gedreht wurden als jetzt im Film sind? Ja, ich bin heute noch stolz, dass Haneke diese acht oder zwölf Minuten noch rausgeschnitten hat. Wir hatten immer folgende Vorgangsweise: Ich kenne das Buch, ich bin hin und wieder beim Dreh dabei und ich kenne die Muster, aber ich komme nicht in den Schneideraum, da ich sonst keinen Abstand mehr zum Film habe. Es sei denn, es gibt Probleme, dann komme ich. Wir sahen uns dann immer im Tonstudio oder am großen Schirm den Rohschnitt an, und ich sagte ihm, wo ich Bauchweh habe. Bei Benny’s Video hatte ich bei diesen Szenen in Ägypten das Gefühl, es würde ein ganz neuer Film anfangen. Er stimmte mir zu, und er schnitt einen großen Teil raus. Ich kann irgendwann einen Producer’s Cut rausbringen von allen Filmen, denn ich habe von Frau Diethelm gelernt: Man schmeißt nichts weg. Ich habe alle Negative aufgehoben. Angeblich mussten Sie auch den Hauptdarsteller auswechseln. Wollen Sie dazu etwas sagen? Ja, wir hatten den Vater eigentlich anders besetzt, und nachdem wir schon für die Videozuspielungen eine Woche und weitere vier Tage gedreht hatten, kamen Haneke und Kameramann Christian Berger zu mir und meinten, dass es mit dieser Besetzung nicht gehe. Ich fragte, wie sie sich das denn vorstellten und wen Haneke stattdessen haben wollte. Haneke wollte Ulrich Mühe, der war aber, wie sein Agent mir sagte, gerade zum Dreh in London und keinesfalls verfügbar. Ich ließ mir trotzdem seine Nummer geben und rief Ulrich Mühe an. Er meinte: „Sie haben Glück. Die Engländer haben eben die Produktion abgesagt.“ Er kam nach Wien, begann am Montag mit den Dreharbeiten und wurde einer der Lieblingsschauspieler Hanekes. Mühe war toll, und er sagte auch: „Ich komme gerne nach Österreich, hier wird ein Schauspieler noch geschätzt.“ In Deutschland wurden Schauspieler Jahrhunderte lang immer als Vagabunden angesehen. In Österreich war es, vor allem durch das Burgtheater, eine Ehre, Schauspieler zu sein. Die feine Gesellschaft hat ihre Gegenwart in den Salons

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Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Michael Haneke beschreiben? Hat sich daran etwas verändert auf dem Weg vom unbekannten Regisseur zum Weltstar? Nein, eigentlich nicht. Am Anfang waren wir per Sie, und es war eher distanziert. Mittlerweile ist es sehr herzlich. Ich kann ihm ja nicht alle zwei Jahre einen neuen Film anbieten. Das ist auch bei anderen Spielfilm-Regisseuren so: Andreas Prochaska kam eines Tages mit dem Buch „Die drei Posträuber“ nach Christine Nöstlinger. Das sollte sein erstes Regiewerk werden. Wir haben den Film dann gemacht, waren auch in der KinderfilmSektion der Berlinale damit. Und wir hatten 50.000 Zuschauer. Danach meinte er: „Herr Heiduschka, was soll ich jetzt machen? Ich muss meine Familie ernähren.“ Ich hätte ihm erst in zwei oder drei Jahren wieder einen Spielfilm finanzieren können, also ging er nach Deutschland und arbeitete für das Fernsehen. Man diskutiert mit Regisseuren immer wieder mal, ob man dieses oder jenes anders machen kann. Ich habe immer gesagt: „Wir können hart diskutieren, aber immer so, dass wir uns nachher noch in die Augen schauen können.“ Denn es geht um eine künstlerische Reibungsfläche und darum, das Projekt besser zu machen und um nichts anderes. Ich kann mich erinnern, dass ich bei einem Film nach dem zweiten Tag den Schwenker austauschen musste. Die Cutterin und ich saßen in der Vorführung und fanden das Material furchtbar. Der Kameramann meinte, dass der Schwenker es noch lernen würde. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, dass die Leute ihr Handwerk bei uns lernen. Das muss davor passieren. Wir haben dafür keine Zeit. In dem Fall hatte ich ja schon zwei Tage verloren. Natürlich kommen zusätzliche Drehtage vor. Bei Hanekes Klavierspielerin wurde ein paar Tage nachgedreht, weil er meinte, die Szenen zwischen Isabelle Huppert und Annie Girardot würden nicht funktionieren, weil Letztere körperlich so zerbrechlich war. Ich sagte: „Dann drehe nach. Du weißt jetzt, wie du es anders machen kannst und der Film soll perfekt sein.“ Über das US-Remake von „Funny Games“ hatten Sie aber unterschiedliche Ansichten.

ray Special – Veit Heiduschka


Lieber Veit, Du kannst mit Stolz auf Dein erfolgreiches Wirken zurückblicken. Jahre, die geprägt waren von Mut, Beharrlichkeit und einer Schaffenskraft, die wir an Dir so schätzen. Bleib gesund, und möge Dir jene Vitalität erhalten bleiben, die Dich auszeichnet. Wir wünschen Dir von ganzem Herzen alles Gute. Die Kolleginnen und Kollegen von Film Austria

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Ich sagte damals: „Michael, mach den Film nicht. Entweder war der erste Film nicht gut, dann darfst du ihn nicht machen, oder er war gut, dann musst du ihn nicht machen.“ Aber es interessierte ihn, in Amerika zu arbeiten. Er sagte mir dann: „Auf dem Bergfest waren 150, 200 Leute, die alle angeblich beim Film mitgearbeitet haben, die habe ich vorher noch nie gesehen. Dabei habe ich denen gesagt, bitte gebt mir meine 35 Österreicher, und ich mache den Film.“ Wir hatten beim Originalfilm ein Budget von 21 Millionen Schilling, und die haben 15 Millionen Dollar verbraucht! Ich habe ihm auch gesagt, er müsse neue Ideen einbringen. Zum Beispiel hätte die Familie schwarz sein können, und die Eindringlinge weiß, oder umgekehrt, das hätte eine neue Fallhöhe hineingebracht. Er lehnte das ab und drehte den Film bis zur kleinsten Bewegung 1:1 nach. Wir alle, auch die französische Ko-Produzentin, haben ihm davon abgeraten. Denn egal, wie gut du als Regisseur bist, wenn ein Film ein Flop wird, musst du auf den nächsten viel länger warten. Der Einzige, der sich darüber gefreut hat, war der amerikanische Verleiher, der die österreichische Version von Funny Games vertrieben hatte, weil er den nun wieder neu verkaufen konnte. In den USA muss man als Regisseur wohl lange warten nach einem Flop, in Österreich nicht. Das stimmt, ich finde aber, dass man das durchaus auch bei uns einführen sollte. Als ich noch in der Jury der Filmförderung dabei war, sagte ich: „Wenn ein Regisseur drei Flops hintereinander liefert, sollte man ihm sagen: Such dir einen anderen Beruf.“ Das war nicht durchsetzbar. Wir saßen am Anfang, als wir die Filmförderung durchboxen wollten, am Wochenende – immer auf eigene Kosten – im Föhrenhof an der Südbahnstrecke und machten uns Gedanken über den österreichischen Film. Was ist der österreichische Film? Was ist die österreichische kulturelle Identität im Film? Wir wussten es ja nicht. Es gab keine Vorbilder mehr. Hans Moser gab es nicht mehr, die Hörbigers auch nicht. Wir mussten bei Null beginnen. Aber es gab von Anfang an das Credo: Keine Kulturzensur. Jede Art von Film muss machbar sein. Der „kleine schmutzige“ Film genauso wie der „große, staatstragende“ Film, die Komödie ebenso wie die Tragödie. Das fehlt mir momentan

Wilde Maus

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ein bisschen, denn die meisten kommen von der Uni, wo sie aus Budgetgründen immer kleine Arthouse-Filme machen müssen, und glauben, die Filmwelt besteht nur aus Arthouse. Ich sage dann: „Bitte, den Haneke gibt es schon. Wenn ihr Arthouse-Film macht, dann unterscheidet euch von ihm.“ Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Josef Hader? Vor fünf oder sechs Jahren ging ich auf Josef Hader zu, da ich immer gehört hatte, dass er dort, wo er eine Hauptrolle spielt, auch am Buch und bei der Regie mitarbeitet, und sagte zu ihm: „Herr Hader, ich verfolge ihren künstlerischen Weg und biete Ihnen eine Regie an.“ Er schrieb bereits an einem Buch und schickte es mir eines Tages. Ich las es, rief ihn an und sagte: „Ihr Buch erinnert mich an Erich Kästner, aber es ist kein Drehbuch.“ Wir arbeiteten dann einige Monate mit ihm an dem Buch, und er ist klug genug, sich bestimmte Dinge sagen zu lassen, aber wiederum auch klug genug, auf bestimmte Dinge zu bestehen. Es wurde mit ihm eine wunderbare Arbeit. Wir haben ihm natürlich sehr viel zugemutet: Buch schreiben, Regie führen und die Hauptrolle spielen. Wie macht man sowas am besten? Wir wandten eine Methode an, die ich in Hollywood kennengelernt hatte und die z.B. auch bei Spielbergs erstem Film eingesetzt wurde: Man stellt dem Regisseur ein Team zur Seite, das den Film zur Not auch alleine machen kann. Wenn sich der Regisseur künstlerisch durchsetzt und einbringt, ist alles wunderbar. Hader bekam ein tolles Team, konnte sich aber auch durchsetzen und mit dem Team gut zusammenarbeiten. Wir hatten den Rohschnitt über 20 mal unterschiedlichem Publikum vorgeführt und nach jeder Vorführung haben wir immer wieder den Schnitt leicht verändert. Es war seit Jahren der erste rein österreichische Film, keine Ko-Produktion, der im Wettbewerb in Berlin landete. Eine Komödie noch dazu. So etwas hat es lange nicht gegeben. In den Kinos in Österreich war er der Hit des Jahres. Bei der Akademie des österreichischen Films wurde Hader als bester Schauspieler nominiert, Georg Friedrich als bester Nebendarsteller. Sie haben die Notwendigkeit einer „künstlerischen Reibungsfläche“ erwähnt. Gilt das auch für „Jedermanns Fest“? Ich habe bei diesem Film einen Fehler gemacht. Ich hatte übersehen, dass Regisseur Fritz Lehner davor zwölf Jahre lang keinen Film gemacht hatte. Das fiel mir auf den Kopf. Das andere ist, dass Fritz Lehner nachweislich fast jede mündliche und schriftliche Vereinbarung, die wir vorab getroffen hatten, gebrochen hat. Er hatte davor Fernsehfilme gedreht. Ich sagte ihm, dass der Kinospielfilm einen anderen Rhythmus hat. Ich glaube, er hat diesen Hinweis nicht verstanden. Juliette Gréco wollte nach dem ersten Tag abreisen, sie meinte: „Ich habe mit so vielen Regisseuren gearbeitet, aber das ist kein Regisseur. Der sagt mir nicht, ob ich nach links oder rechts gehen soll. Er inszeniert lieber Requisiten.“ Das stimmte leider. Lehner hatte Qualitäten. Der Fernsehfilm Schöne Tage war ja hinreißend, aber bei Jedermanns Fest war er überfordert. Wir hatten das Budget bereits ordentlich überzogen und deshalb habe ich die

ray Special – Veit Heiduschka


Foto: Karin Wasner

Dreharbeiten gestoppt, nachdem bis auf eine Nebenhandlung alles abgedreht war. Ich habe Fritz Lehner gekündigt und wollte mit einem anderen Regisseur den Film schneiden. Jetzt wurde es zum Politikum. Es gab mehrere parlamentarische Anfragen, womit Druck auf die Filmförderung und den ORF ausgeübt wurde. Der ORF kam und sagte: „Sie haben den Regisseur entlassen, was Sie nach österreichischem Recht dürfen, aber Fritz Lehner zieht seinen Namen zurück, was er nach österreichischem Recht darf. Wir haben aber mit Ihnen einen Vertrag, im dem steht „Ein Film von Fritz Lehner“. Wenn das nicht im Titel steht, nehmen wir den Film nicht ab.“ Also musste ich Lehner notgedrungen wieder einstellen, und dann hat er natürlich das Budget weiter überschritten. Wir haben dafür 14 Jahre lang den Kredit an die Bank zurückbezahlt. Heute würde ich das alles anders machen. Was hätten Sie in dieser Situation anders machen können? Ich hätte den Film ohne Lehner fertiggestellt und unter Umständen das Gericht entscheiden lassen, ob die Argumentation des ORF hält. Das war mit Paulus Manker anders, mit dem konnte man kämpfen. Mit ihm habe ich Der Kopf des Mohren gedreht, nachdem er Haneke solange bearbeitet hatte, bis der ihm das Buch überließ. Auch er hat das Budget ordentlich überzogen, aber gemeinsam haben wir dafür gesorgt, dass die Überschreitungen finanziert werden konnten. Ich mochte Manker sehr, denn er ist sehr extravagant. Ein intelligenter,

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überschießender Regisseur, der mit Herz und Seele bei einem Projekt dabei ist. Das kann man an der Verfilmung von „Weiningers Nacht“ sehr gut sehen. Das war eine tolle Geschichte. Wir haben den in acht Tagen gedreht. Zum Teil schliefen die Leute im Volkstheater hinten in den Kulissen. Der Film entstand mit ganz wenig Geld. Wir waren in Berlin, und unser Film lief in einer Nebenreihe. Bei der Pressekonferenz kam die Frage, warum der Film nicht im Wettbewerb sei. Daraufhin sagte ich, dass man das nicht mich fragen soll, sondern die Festivalleitung. Ich finde, dass Manker auch mit den Schauspielern, darunter seine Mutter, etwas Tolles gelungen ist. Das war eine gute Arbeit von und mit ihm. Bei der „Klavierspielerin“ lief es dann nicht so gut … Ja, da sind wir leider auseinander gegangen. Ich wollte den Film mit Manker als Regisseur machen. Er war in Amerika und hat versucht, eine international renommierte Schauspielerin für die Hauptrolle zu gewinnen, aber alle fragten: „Who is Mr. Manker?“ Wir wussten, mit einem rein deutschen Cast geht es nicht. Der ORF wollte nicht mit Manker, da sie sicher waren, dass der Film dann pornografische Szenen bekommen würde. Das ZDF wollte bei Manker auch nicht mitgehen, ich hatte also keinen deutschsprachigen Sender, und die Finanzierung war nicht hinzukriegen. Der Film kam erst zustande, als Haneke eines Tages mit einem Brief von

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Isabelle Huppert ankam, die ihm geschrieben hatte, dass sie gern einmal mit ihm drehen möchte. Er flog dann nach London, wo sie gerade drehte und kam mit der Zusage von Isabelle Huppert zurück. Durch Huppert bekamen wir nun auch einen französischen Ko-Produzenten. Ich schickte Paulus Manker ein Fax, um ihm mitzuteilen, dass Michael Haneke statt ihm den Film machen wird. Das war möglich, denn unsere Vereinbarung war ausgelaufen. Aber Manker gefiel das nicht, und er klagte später die Wega Film und Haneke auf die Gewinne des Films. Es tut mir leid, dass das so gelaufen ist, weil ich davor sehr gut mit ihm zusammengearbeitet hatte. Sie haben immer wieder mit jungen Filmschaffenden wie Elisabeth Scharang, Arash T. Riahi oder Umut Dağ gearbeitet. Ist Ihnen das ein persönliches Anliegen? Ja, durchaus. Mit Arash machen wir dieses Jahr wieder einen neuen Film. Er hat ja seine eigene Firma, aber Spielfilme macht er gerne mit uns, weil er weiß, dass er da gut aufgehoben ist. Elisabeth Scharang kam ursprünglich zu mir und meinte, da gäbe es einen sehr guten jungen Regisseur, und ich solle doch mal sein Drehbuch lesen. Arash kam mit dem Drehbuch Ein Augenblick Freiheit und einem Brief von Sydney Pollack, dem das Buch so gut gefiel, dass er es gerne selbst verfilmen wollte. Ich las es und meinte, es sei gut, aber noch nicht sehr gut, worauf Arash auf Pollack verwies. Dann meinte ich: „Ja, möglicherweise wird Pollack das Buch so verfilmen, aber nicht ich.“ Wir arbeiteten mit Arash einige Monate an dem Buch. Es war am Ende immer noch zu lang. Ich meinte, wir könnten das drehen, aber er würde beim Schnitt Probleme bekommen, wovon er nicht überzeugt war. Wir stellten dann die Finanzierung auf, was nicht ganz einfach war. Wir konnten unsere Ko-Produzentin, Frau Ménégoz, überzeugen, eine Weltvertriebsgarantie dazu zu geben. Und natürlich war der Film in der ersten Rohfassung zu lang. Einen Film zu kürzen ist nicht einfach, das ist wie ein Torbogen, bei dem man versucht, einen Stein weg zu nehmen, ohne dass er einstürzt. Ich rief den Dramaturgen Peter Berecz zu Hilfe, der am Buch mitgearbeitet hatte und leider mittlerweile verstorben ist. Er kam, und sie arbeiteten gemeinsam lang am Schnitt. Wir haben an die 30 internationale Auszeichnungen für den Film bekommen, aber er hat nicht einmal die Eigenmittel eingespielt. Ich stehe zu dem Film, er ist sehr gut. Arash hat etwas Besonderes, er bringt immer etwas Märchenhaftes in die Geschichte hinein, wie aus „1001 Nacht“. Was reizt Sie denn, im Alter von nunmehr 80 Jahren, noch an dem Business? Gerade das, was ich eben geschildert habe. Man kann noch so viel Erfahrung haben, jeder Film ist ein neues Abenteuer. Man braucht eine Portion Herzblut, und man fragt sich, je länger man das Ganze macht, umso genauer, ob man in dieses bestimmte Projekt seine Energie stecken soll. Aber wenn man überzeugt ist, dann wendet man gerne seine Kraft für die Produktion auf. Das klingt sehr romantisch und emotional, aber so empfinde ich es. Filmproduzenten sind ja keine

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Schraubenhersteller, wo eine Schraube wie die andere ist. Wenn ich meine Arbeitsstunden zusammen zähle, komme ich auf einen geringen Stundenlohn, da wir ja immer in Bereitschaft sind, auch Samstag oder Sonntag. Aber ein Produzent macht den Film ja nicht allein. Die meisten meiner Mitarbeiter sind schon seit 30 Jahren in der WEGA-Film. Ich bin nach wie vor der Meinung, mit Freelancern allein kann man keinen großen Spielfilm machen. Durch die langjährige Zusammenarbeit habe ich vollstes Vertrauen in mein Team. Ich kann mich auf meine Mitarbeiter verlassen und nur gemeinsam können wir unsere Projekte realisieren. Wie sieht denn die Situation der Wega Film aus? Haben Sie diese schon offiziell übergeben? Ja. Als ich 70 wurde, hatten wir ein gemeinsames Essen, und da meinten meine Mitarbeiter, dass ich nun in einem Alter sei, in dem jederzeit etwas passieren könnte, was sie natürlich nicht hofften, und sie selbst seien in einem Alter, in dem sie nicht mehr in eine andere Firma wechseln können. Ich habe dann angeboten, da es sich bei Wega Film um eine GmbH handelt, dass jeder, der das möchte, von mir Anteile an der Firma erhält. Zwei Mitarbeiter haben das Angebot angenommen, und die können nun im Falle des Falles über die Geschicke der Firma verfügen. Sie haben eine gewisse Verantwortung übernommen und können in vielen Bereichen besser allein arbeiten. Sie haben aber, so wie es aussieht, nicht die Absicht, in Pension zu gehen? Nein. Gerhard Schedl scherzte einmal: „Sie wird man noch einmal auf der Bahre aus dem Büro tragen.“ Es macht mir ja immer noch Spaß. Und das ist auch das Schöne am Film, das man immer mit Neuem konfrontiert wird und mitlernen muss. Was, würden Sie sagen, macht einen guten Produzenten aus? Kann man das lernen? Manches kann man lernen. Beim Film geht es ja nicht nur um Kunst, sondern auch um Geld, und zwar um viel Geld. Ich kann Buchhaltung lernen, ebenso Urheberrecht, und ich kann mir anschauen, wie der internationale Filmmarkt funktioniert. Ich habe über 20 Jahre Vorlesungen zum Thema Filmproduktion gehalten und ich habe versucht, meinen Studenten in vier Semestern beizubringen, wie man ein Buch liest, wie man es zerlegt, wie man aufgrund des Buches einen Drehplan und eine Kalkulation erstellt und wie man eine internationale Ko-Produktion eingeht. Für all das gibt es Gesetze und Regeln. Was man nicht lernen kann, ist das gewisse Talent, das es braucht, um eine gedrehte Szene zu beurteilen oder zu sehen, ob eine Geschichte das gewisse Etwas hat. Es gibt nicht sehr viele Leute, die ein Drehbuch wirklich lesen können. Leute, die sehen, ob es da etwas gibt, das Zuschauer interessiert. Leute, die wissen, wie man ein Team zusammenstellt. Ich sehe mich nicht nur als Scheckaussteller, sondern als kreativen Produzenten und will auch im kreativen Bereich mitsprechen. Man braucht Intuition, und man muss, um es pathetisch zu sagen, den Funken einfangen und daraus Feuer machen.

ray Special – Veit Heiduschka


DER FILMLADEN GRATULIERT HERZLICH ZUM GEBURTSTAG UND BEDANKT SICH FÜR DIE GROSSARTIGE ZUSAMMEN­ ARBEIT!

UMUT DAG

Kuma Risse im Beton

WOLFGANG GLÜCK

Es war doch Liebe

JOSEF HADER

Wilde Maus

MICHAEL HANEKE

Die Klavierspielerin Wolfzeit Caché Das Schloss Das weiße Band Liebe – AMOUR Happy End

MICHAEL KREIHSL

Heimkehr der Jäger Liebe Möglicherweise

FRITZ LEHNER

Jedermanns Fest

HANS STEINBICHLER Winterreise

ARASH T. RIAHI

Ein Augenblick Freiheit


Michael Haneke 2012

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ray Special – Veit Heiduschka


ICH BIN EIN GROSSER RAUSWERFER

Meisterregisseur Michael Haneke über die gedeihliche Zusammenarbeit mit Veit Heiduschka und Michael Katz, eigene Sturheit, fremde Blödheit und über die bloß relative Kostbarkeit von Flatulenzen. Interview ~ Roman Scheiber

Herr Haneke, unter welchen Umständen sind Sie Veit Heiduschka zum ersten Mal begegnet? Die erste Begegnung hat Gerhard Schedl, der ehemalige Chef des ÖFI, eingefädelt. Er hatte mich mehrfach gefragt, warum ich mit meiner langjährigen Erfahrung beim Fernsehen nicht einmal einen Kinofilm machen möchte. Ich hatte daran durchaus Interesse, war aber immer mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt. Über das Drehbuch zu Der siebente Kontinent hat es sich dann ergeben. Das war eigentlich als Fernsehspiel für Radio Bremen gedacht, doch die Auftraggeber waren von dem Buch schwer geschockt, denn kurz zuvor hatte sich in Deutschland jemand nach einem deprimierenden Film das Leben genommen. Weil die Fernsehanstalten derart in Alarmbereitschaft waren, konnte ich Der siebente Kontinent also nicht beim Fernsehen machen. Mit den vielen Close-ups und dem Fokus auf Gesten war es aber ohnehin ein ungewöhnlicher Film fürs Fernsehen und – formal betrachtet – einer meiner radikalsten Filme. Schedl meinte, ich würde als einer der wenigen das Handwerk des Kinofilms beherrschen und solle den Stoff zu einem Kinofilm machen. Ich traf dann einige Produzenten, bei denen mir sofort klar war, dass ich mit denen sicher nicht zusammen arbeiten werde. Schließlich schlug Schedl Veit Heiduschka vor. Alles weitere hat sich so ergeben, Heiduschka war damals auch einer der wenigen Produzenten, die nicht vom Fernsehen kamen. Der Unterschied zwischen einem Fernsehfilm- und einem Kinofilmproduzenten ist ja der, dass ersterer möglichst wenig Geld in den Film investie-

ren möchte, um möglichst viel damit zu verdienen. Ein Kinofilmproduzent dagegen steckt, wenn er intelligent ist, so viel Geld wie möglich in den Film, denn nur so hat er die Chance, damit auch viel zu verdienen. Den Produzenten, mit denen ich vor Heiduschka gesprochen hatte, war das nicht klar. Wie lief dann die erste Zusammenarbeit? Mit Veit Heiduschka ist es von Anfang an gut gelaufen, was vor allem daran liegt, dass er sich nicht einmischt. Er lässt mich meine Filme machen wie ich möchte, was für ihn sicher nicht immer einfach oder angenehm ist. Er kümmert sich darum, das nötige Geld aufzutreiben – und er steht auch dazu, wenn nicht alles reibungslos über die Bühne geht. In solchen Momenten lässt er nicht den Dreh stoppen, sondern sucht mit dem Regisseur nach einer Lösung. Angeblich gab es gleich beim ersten Film Probleme mit dem Kameramann. Ich bin ja ein schwieriger Partner für einen Kameramann, denn ich sage immer: Der Regisseur macht die Bilder und der Kameramann das Licht. Der damalige Kameramann hatte schon mehrere Kinofilme gemacht und meinte deshalb offenbar, er bräuchte sich von mir nichts sagen lassen. Das war nicht immer lustig, doch letztlich blieb ihm nichts anderes übrig, als mir zu folgen. Wir hatten dann im Winter noch einen Nachdreh, den übernahm Walter Kindler, mit dem ich schön öfter beim Fernsehen zusammen gearbeitet hatte.

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Mit Emmanuelle Riva († 2017) und Jean-Louis Trintignant am Set von Amour

„Der siebente Kontinent“ ist dann in der Quinzaine des Réalisateurs in Cannes gelaufen und international ziemlich eingeschlagen, nur in Österreich kam er nicht wirklich an. Das war der klassische Fall: Der Prophet gilt am wenigsten im eigenen Land. Aber weil Sie die Quinzaine erwähnen: Die feiert heuer ihr 50-jähriges Jubiläum, also hat man mich gebeten, einen Artikel zu verfassen. Darin schreibe ich über das Verdienst von Pierre-Henri Deleau, der 1989 drei österreichische Filme nach Cannes gebracht hat und somit auf einen Schlag den österreichischen Film, der im Ausland höchstens durch die Sissi-Filme bekannt war, international ins Rampenlicht gerückt hat. Außer meinem war das Caracas von Michael Schottenberg und in der Semaine de la Critique Die toten Fische von Michael Synek. Erst als der österreichische Film außerhalb des Landes Anerkennung gefunden hat, hat man sich auch hierzulande dafür interessiert. In Österreich urteilt man ja ungern positiv in Sachen Kunst, ohne sich vorher im Ausland Orientierung zu holen. Man könnte sich ja blamieren. Hatten Sie nach diesem Erfolg das Gefühl, dass sich eine langjährige Zusammenarbeit zwischen Veit Heiduschka und Ihnen entwickeln könnte? Ja, ich bin ja auch grundsätzlich ein treuer Mensch. Ich habe in meiner gesamten Filmlaufbahn insgesamt mit drei Kameraleuten gearbeitet. Wenn ich mich mit jemandem gut verstehe, warum soll ich dann mit jemand anderem arbeiten? Bei den Schauspielern und bei

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der Produktion ist es genau dasselbe. Wenn etwas gut funktioniert, wäre man ja blöd, es zu ändern. Aber für die Produktionsleitung war es sicher anfangs nicht einfach, sich an meine Sturheit zu gewöhnen. Wenn ich mir etwas so vorstelle, dann muss es so sein. Es hat ein wenig gedauert, bis wir alle verstanden haben, wie wir miteinander funktionieren, aber seitdem läuft es tadellos. Einen besseren Produktionsleiter als Michael Katz findet man übrigens auf der ganzen Welt nicht noch einmal. Auch meine französische Produzentin Margaret Ménégoz, die schon mit sehr vielen unterschiedlichen Produzenten in der Filmbranche zusammen gearbeitet hat, sagt, er sei einzigartig. Wir hätten Das weiße Band ohne Michael Katz nie machen können. Erstens weil er für die Sache brennt. Das heißt, er arbeitet von in der Früh bis in der Früh. Und zweitens hat er einen guten Schmäh und kann mit den Leuten, denen er das Projekt verkaufen will, sehr gut umgehen. Das ist Gold wert. Der zweite Haneke-Film mit der Wega war „Benny’s Video“. Lief bei dieser Produktion alles glatt? Grundsätzlich schon, nur war es insofern schwierig, weil wir teilweise im Ausland gedreht haben und es ganz zu Beginn ein Problem mit einem der Hauptdarsteller gab. Ich habe damals einen Fehler gemacht, der mir danach nie wieder passiert ist: Ich habe einen Schauspieler engagiert, den ich nicht persönlich kannte. Ich wusste, er ist ein Theaterstar und dachte, er würde das schon hinbekommen. Dann hatten wir den ersten Drehtag, eine kleine Szene rund um die Schweineschlachtung, die zu

ray Special – Veit Heiduschka


Mit Darius Khondji am Set von Funny Games U.S.

Beginn des Films vorkommt, bei der er nur einen Satz zu sagen hat. Das war schon sehr schlecht, aber wir dachten, das können wir später beim Synchronisieren ausbessern. Wir wollten ja deswegen nicht fünf Schweine schlachten. Dann hatte er ein paar Tage Drehpause, kam aus Deutschland wieder und sollte die Szene drehen, in der Benny die Nachrichten ansieht und der Vater durch eine Schiebetür das Zimmer betritt. Nun ist es für einen Schauspieler immer schwer, durch eine Schiebetür halbwegs natürlich aufzutreten. Doch in diesem Fall mussten wir die Szene immer und immer wieder probieren, bis zum Verrücktwerden. Nach bereits drei Wochen Drehzeit gab es dann noch eine Szene mit ihm, die wieder nicht funktionierte. Heiduschka, Katz, der Kameramann und ich hatten dann eine Sichtung im Stadtkino, bei der die Bilder wackelten und wir zunächst nicht wussten, woran es liegt. Wir haben die Sichtung daraufhin in ein anderes Kino verlegt. Dort lief alles bestens, alle waren glücklich und wollten nach Hause gehen. Doch ich sagte: „Freunde, ich muss euch eine traurige Mitteilung machen. Wir müssen den Schauspieler, der den Vater spielt, umbesetzen.“ Alle sind verfallen und meinten, dass wäre unmöglich, aber ich antwortete, dass ich in diesem Fall den Film nicht weiter drehen könne. Ich habe mich dann an ein Gespräch mit Erna Baumbauer, der großen deutschen Schauspielagentin, erinnert. Sie hatte mir schon ursprünglich von jenem Schauspieler abgeraten und Ulrich Mühe für die Rolle vorgeschlagen. Ich habe sie also angerufen und daraufhin eine Stunde mit Ul-

rich Mühe telefoniert, der zu dem Zeitpunkt gerade im Ausland war und glücklicherweise Zeit und Lust hatte, obwohl er wusste, dass ich mich anfangs gegen ihn entschieden hatte. Die Produktion musste also den ersten Schauspieler ausbezahlen, Ulrich Mühe neu unter Vertrag nehmen und die drei Szenen nachdrehen lassen. Das alles hat Veit Heiduschka geschluckt. Ich habe ihm das hoch angerechnet, weil jeder andere hätte gesagt: „Da haben Sie eben Pech gehabt.“ Weil es im Grunde Ihr eigener Fehler war ... Ja, eindeutig, weil ich unter Zeitdruck einen Schauspieler engagiert habe, ohne ihn kennengelernt zu haben. Aber man kann eben nicht weiterdrehen, wenn man weiß, dass am Ende etwas Schlechtes dabei herauskommt. Dass Heiduschka diesen Schritt, der ja auch zum Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit mit Ulrich Mühe wurde, mitgegangen ist, hat mir damals sehr gut gefallen. Man darf diese Gutmütigkeit und den guten Willen von Heiduschka und Katz aber auch nicht über Gebühr ausnützen, wie es bei einem anderen Filmprojekt, das die beiden fast in den Ruin getrieben hat, der Fall war [Jedermanns Fest, Regie: Fritz Lehner, Anm.]. Ich bin sehr präzise in meinen Forderungen und habe z.B. bei Fernsehfilmprojekten abgesagt, wenn laut Produktion weniger Drehzeit möglich war, weil ich den Film dann nicht nach meiner Vorstellung umsetzen konnte. Ich sage, was ich brauche, halte mich aber in der Regel auch selbst genau an den aufgestellten Plan. Ich habe noch nie jemanden Geld gekostet aufgrund von Egomanie.

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Bei der Montage von „Benny’s Video“ wurden, laut Erzählung Veit Heiduschkas, in Ägypten gedrehte Szenen wieder herausgeschnitten. Wir hatten eine Szene mit einer Sonnenfinsternis, die wir zum Teil vor Ort und zum Teil im Studio gedreht hatten und die ich eigentlich sehr gut fand. Beim Schneiden bemerkte ich allerdings, dass vor besagter Szene eine weitere sehr lange Szene lag und die Spannung des Films dementsprechend in den Keller ging. Also musste ich die Szene, obwohl sie einiges an Geld gekostet hatte, rauswerfen. Ich habe auch bei Wolfzeit zwanzig Minuten weggeschnitten. Ich bin ein großer Rauswerfer. Anfänger neigen dazu, jeden Furz, den sie lassen, als kostbar zu erachten. Sie wollen sich von nichts trennen. Ich frage immer meine ersten Zuschauer: „An welcher Stelle ist dir langweilig?“ Denn das ist das Schlimmste was passieren kann. Ein Film darf durchaus langsam sein, aber an keiner Stelle spannungslos. Was sind aus Ihrer Sicht die Eigenschaften, die Veit Heiduschka besonders auszeichnen? Er liebt seine Arbeit und er mischt sich nicht, wie andere Produzenten das gern machen, in die Arbeit des Regisseurs ein. Ich bin ihm auch sehr dankbar für die Unterstützung, denn Der siebente Kontinent hatte nur an die fünftausend Kinobesucher in Österreich. Wobei die Besucherzahlen natürlich gestiegen sind, als meine Filme plötzlich im Wettbewerb von Cannes waren. Aber eine ähnliche Erfahrung hat wohl auch Stefan Ruzowitzky mit Die Fälscher und seinem Oscar-Gewinn gemacht. Heute werden wir dank einiger guter Leute sowohl international als auch in Österreich stärker wahrgenommen.

zusammen mit Valie Export ein Drehbuch geschrieben hatte, das aber nicht gemacht wurde. Es vergingen ein paar Jahre, eines Tages kommt Paulus Manker zu mir und meint, Elfriede Jelinek verkaufe ihm die Rechte an „Die Klavierspielerin“, ob ich nicht das Drehbuch dazu schreiben möchte. Das habe ich gemacht. Eine sehr schöne Arbeit, weil ich nicht auf meinen sonstigen Stil achten musste. Paulus Manker wollte dann zunächst mit einer amerikanischen Schauspielerin drehen, das hat aber nicht geklappt, schließlich hat auch Helen Mirren abgesagt, und Manker konnte letztlich rund zehn Jahre nichts aus dem Projekt machen. Dann ist Veit Heiduschka an mich heran getreten und ich meinte, ich würde den Film aber nur mit dem Einverständnis von Manker machen. Ich habe ihn angerufen und er meinte wiederum, er müsse es mit Jelinek besprechen. Das hat dann aber bereits Heiduschka übernommen, weil er Jelinek noch vom Studium her kannte, und für sie war es kein Problem. Manker war dann wirklich monatelang nicht zu erreichen, also haben wir irgendwann einfach mit der Produktion begonnen. Als es später hieß, Die Klavierspielerin geht nach Cannes, kam prompt am nächsten Tag eine einstweilige Verfügung von Seiten Mankers, die dann einen Rechtsstreit nach sich zog. Ich bin heute trotz allem noch mit Manker befreundet und halte ihn für einen großartigen, wirklich außergewöhnlichen Schauspieler.

„Die Klavierspielerin“ sollte ursprünglich von Paulus Manker verfilmt werden. Wie kam dieser Film zustande? Ich habe mit Paulus Manker den Film Lemminge gemacht und war von da an mit ihm befreundet. Dann kam er mit dem Stück „Die Ausgesperrten“ von Elfriede Jelinek zu mir, weil ihm darin eine Rolle angeboten wurde. Ich riet ihm, anzunehmen. Da habe ich zum ersten Mal etwas von Jelinek gelesen und kam so auf „Die Klavierspielerin“. Ich dachte mir, dass man daraus einen tollen Film machen könnte und habe Jelinek aufgesucht, doch sie hat abgelehnt, weil sie kurz davor selber

Von „Funny Games“ haben Sie 2007 ein Remake für den US-amerikanischen Markt gemacht. Veit Heiduschka soll Ihnen davon abgeraten haben. Warum haben Sie es dennoch umgesetzt? Dass Veit Heiduschka mir davon abgeraten habe, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Ich dachte mir beim ursprünglichen Funny Games, dass dieser in den USA sehr gut ankommen würde, weil es ein Thriller mit Horrorelementen ist. Diese Rechnung ging aber dann doch nicht auf, vor allem, weil Filme mit Untertiteln in den Vereinigten Staaten nun einmal sehr geringe Besucherzahlen haben. Ich war frustriert und habe mich auf meine nächsten Filme konzentriert. Dann kam eines Tages ein US-amerikanischer Produzent und schlug mir dieses Projekt vor. Ich dachte, das könnte mit den amerikanischen Stars dann funktionieren. Es war ein Irrtum –

Caché

Funny Games U.S.

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ray Special – Veit Heiduschka


Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte

nicht weil der Film schlecht war, sondern weil überall nur von der Tatsache gesprochen wurde, dass es ein Shot-for-Shot-Remake ist. Aber was war der Grund für diese rigide RemakeVariante? Der Grund war, dass ich nichts Neues zu sagen hatte, sondern den bisherigen Stoff für den US-amerikanischen Markt neu einkleiden wollte. Für mich war es zudem eine sportliche Aufgabe, denn einen Film Szene für Szene exakt nachzudrehen, ist ja unendlich viel schwerer als einen neuen zu machen. Dass man dabei mit einer ungemeinen Präzision arbeiten muss, hat mir persönlich Freude gemacht beim Drehen. Zudem hab ich dabei aufs Neue bemerkt, wie gut die Produktionsleitung seitens Heiduschka und Katz ist, denn in Österreich haben wir den Film locker in sechs Wochen gedreht, wohingegen wir in den USA mit Hängen und Würgen in acht Wochen fertig geworden sind. Dies deshalb, weil der gesamte Apparat in den USA so mühsam und schwerfällig ist. Wie fanden Sie die US-Marketing-Kampagne, die den Film als voyeuristischen Torture-Porn mit Naomi Watts verkauft hat? Das fand ich gut, denn das ist ja der Sinn des Films: Er sollte die Menschen ins Kino locken, um ihnen dann kräftig auf die Finger zu klopfen. Es ist der einzige meiner Filme, der wirklich als Provokation gedacht war. Ich wollte den Zuschauern das Vergnügen am Gewaltkonsum versauern.

Ihre Filme – z.B. auch Ihr aktuelles Werk „Happy End“ – verfügen ja mitunter über einen recht bitteren Humor. Veit Heiduschka sagte mir einmal in einem Interview, er sei der Meinung, dass Sie hervorragend eine Komödie inszenieren könnten. Das wurde mir beim Theater, wo ich ja sehr lange gearbeitet habe, auch gesagt, aber nur, weil ich im täglichen Leben recht lustig sein kann. Ich habe einmal in den frühen Siebzigern eine Komödie inszeniert, und die wurde mein einziger Flop. Damals sagte mir der Direktor, ich solle die Silvester-Inszenierung übernehmen, aber am liebsten hätte ich meine Zusage bereits nach der ersten Probe wieder zurückgezogen. Ich sage immer: Man soll vom Schuster keine Hüte verlangen. Für Komödien braucht man eine ganz eigene Kreativität, die ich leider nicht habe. Die einen können einen Witz erzählen, die anderen können es nicht. Ich gehöre zu letzteren. Wenn man die Gabe des Humors hat, ist einem das Publikum selbst bei einem anspruchsvollen Thema sicher. Die großen Erfolge sind immer Komödien, und Komödien wie z.B. von Tschechow sind auch in der Literatur immer das Größte, das es gibt. Was möchten Sie Veit Heiduschka zu seinem 80. Geburtstag sagen? Ich gratuliere ihm herzlich zu seinem Geburtstag, mögen es noch 80 weitere Jahre werden! Ebenso gratuliere ich ihm zu dem beachtlichen Werk, das er mit der Wega Film geschaffen hat. Er ist der bekannteste Filmproduzent Österreichs und hat sich auch international einen großen Namen gemacht.

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ray Special – Veit Heiduschka

Emmanuelle Riva und Veit Heiduschka bei der Wiener Premiere von Amour


PROBLEME SIND DAZU DA, DASS MAN SIE LÖST

Veit Heiduschka, ein „Universalgenie“ des österreichischen Films, widmet sein Leben der Filmbranche und hat in den vielen Jahren seiner Tätigkeit als Produzent nie seine ganz persönliche Vision für den österreichischen Film aus den Augen verloren. Text ~ Katja Dor-Helmer Fotos ~ Alexander Tuma

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ieser Text über einen der dienstältesten österreichischen Filmproduzenten beruht auf einem mehrstündigen Interview, das ich mit Veit Heiduschka unlängst geführt habe. Er war mein erster Interviewpartner für meine Forschungsarbeit über Konflikte in der Filmproduktion. Am Anfang war ich etwas nervös, aber er verstand es, wie so oft, durch seine Offenheit und sein Vertrauen sowie das Gefühl, mich ernstzunehmen, meine Unsicherheit zu überwinden. So verlief unser Gespräch sehr bald in entspannter und vertrauensvoller Atmosphäre. Wir haben einander 1987 kennengelernt, als ich einen Job in der Filmbranche suchte. Zuvor hatte ich in Paris meine Diplomarbeit über die französische Filmfinanzierung geschrieben und mich dabei mit dem „Film-Virus“ angesteckt. Veit Heiduschka hat meine Leidenschaft für den Film offenbar erkannt und gab mir den Job. Ich übernahm die Leitung der von ihm und einigen Produzentenkollegen gerade eben gegründeten Austrian Film Commission. Bald darauf vertraute mir Veit Heiduschka eine Filmkopie von Hanekes Der siebente Kontinent an, mit der im Handgepäck ich nach Paris reiste, um sie im Büro des Cannes Filmfestivals dem Leiter der Quinzaine des Réalisateurs, Pierre-Henri Deleau, zu übergeben. Wir hatten während meiner Zeit bei der Austrian Film Commission viel miteinander zu tun, und Veit wurde für mich eine Art Mentor. Er sprach oft über seine Kindheit während des Zweiten Weltkriegs und von der frühen Konfrontation mit dem Tod, als er über Leichen

klettern musste, um sich aus einem brennenden Haus zu befreien. Nach der Verhaftung seines Vaters im Jahr 1949 musste er, noch sehr jung, die Verantwortung für die Familie übernehmen. Schon als Kind musste er lernen, sich ganz alleine durchs Leben zu kämpfen. Das hat seine Persönlichkeit geprägt, denn heute ist er jemand, der Probleme einerseits nicht zu nahe an sich herankommen lässt und sie andererseits zumeist mit sich alleine ausmacht. Er machte sich auch ganz allein auf den Weg in die Bundesrepublik und von dort später nach Wien, wo er Philologie und Theaterwissenschaft studierte und Ende der sechziger Jahre zum Doktor der Philosophie promovierte. In seiner späteren Laufbahn als Produzent sollten ihm seine Philosophiekenntnisse noch von großem Nutzen sein. Er selbst sagt, dass er bei der Analyse von Drehbüchern seine philosophischen Kenntnisse einsetzt. Er ist davon überzeugt, dass sowohl Produzentinnen und Produzenten als auch Regisseurinnen und Regisseure ein Verständnis für Philosophie mitbringen sollten. Schon zu Beginn seiner produzentischen Laufbahn wurde Heiduschka ins kalte Wasser gestoßen und musste – wie schon in seiner Kindheit – plötzlich große Verantwortung übernehmen, diesmal in der eigenständigen Abwicklung aufwendiger Koproduktionen. Es war die Zeit des Learning by Doing. Seine problemlösungsorientierte Lebenseinstellung und das Talent, auch komplizierte Herausforderungen zu meistern, führten dazu, dass er bald zum Partner des Produzenten, für den er arbeitete, und zum Geschäftsführer wurde. Heiduschka

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Michael Haneke und Veit Heiduschka mit dem Golden Globe für Amour

selbst sieht seine Einstellung zu Hindernissen, die es zu überwinden gilt, in seinen Erfahrungen aus Kinder- und Jugendjahren begründet. „Probleme sind dazu da, dass man sie löst“, sagte er mir im Interview. In der Filmproduktion hält er eine derartige Lösungskompetenz für unerlässlich, um Konflikte zu vermeiden bzw. zu überwinden. Diese sind zwischen Regie und Produktion beinahe naturgegeben, müssen aber im Sinne des langfristigen Erfolgs frühzeitig erkannt und aufgearbeitet oder überhaupt vermieden werden. Für den österreichischen Film hat sich Heiduschka jedoch immer kompromisslos eingesetzt und dabei keine Konfrontation gescheut. Die Gründung der Wega Film ging nahezu einher mit dem Beschluss des Filmförderungsgesetzes, und es war Veit Heiduschka, der in weiterer Folge für eine Herabsetzung des Eigenkapitalanteils sowie für Handlungskosten und Producer’s Fee erfolgreich gekämpft hat. Der Schritt in die Selbständigkeit brachte rasch Erfolge. So blieb Müllers Büro unter der Regie von Niki List zwölf Jahre lang der erfolgreichste österreichische Film. Das eigenverantwortliche Produzieren war auch eine ausgezeichnete Schule, um die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten in der Produktion zu erwerben. Mit einem verschmitzten Lächeln hat mir Veit Heiduschka anvertraut, dass er glaubt, erfolgreiche Produzenten seien beinahe als Universalgenies zu bezeichnen. Voraussetzung muss eine Buchlese-Kompetenz sein, über die seiner Ansicht nach jedoch nur wenige verfügen. Unerlässlich sind weiters Grundkenntnisse im Rechts- und

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Vertragswesen sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit den Finanzen. Zu guter Letzt müssen Produzierende auch psychologisches Wissen mitbringen, sind sie doch diejenigen, die das Team zusammenhalten und in Konfliktsituationen das notwendige Gefühl von Einheit und Einigkeit vermitteln. Und was man auch mitbringen muss, ist ein besonders Gespür für Talent. Nachdem Michael Haneke bei anderen österreichischen Produzenten abgeblitzt war, erwies sich Heiduschka als jener, der das Talent Hanekes erkannte und 1989 Der siebente Kontinent produzierte. Haneke hielt der Wega Film bis heute die Treue. Bei Veit Heiduschka trifft die Floskel „mit dem Beruf verheiratet“ tatsächlich zu. In einer solchen mit Leidenschaft erfüllten Ehe liegen Höhen und Tiefen oft eng beieinander. Beim Filmemachen hält Heiduschka streng einzuhaltende Hierarchien für unerlässlich. Regie und Produktion vergleicht er mit zwei Pyramiden, an deren Spitze Regisseur und Produzent stehen. Die stehen zwar in unterschiedlichen Pyramiden, aber auf der gleichen Ebene, und müssen unbedingt eine Kommunikationsbasis haben. Diskussionen sind im Rahmen der Filmproduktion für Heiduschka äußerst wichtig und kein Hindernis auf dem Weg zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit im Team. Vielmehr hält er künstlerische Reibungsfläche für jenen Nährboden, aus dem die besten Filme entstehen. Als Produzent sieht er sich dabei in der Position des Vermittlers innerhalb des Teams und gleichzeitig als jene Person, die zu hundert Prozent hinter dem Projekt stehen muss. Aus dieser Position her-

ray Special – Veit Heiduschka


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Produktion von Kinder- und Jugendfilmen konzentriert. (www.mini-

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sie Geschäftsführerin und Inhaberin der Minifilm, die sich auf die

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Katja Dor-Helmer studierte Wirtschaftswissenschaften. Seit 2000 ist

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aus ist er auch derjenige, der Kritik übt, sowohl positive als auch negative. Er ist der Meinung, man dürfe dabei die Regisseure nie glauben lassen, dass sie Einschränkungen machen müssen, aber man muss als Produzent die eigene Meinung unverblümt kundtun dürfen. Gute Regisseurinnen und Regisseure sind laut Heiduschka jene, die für Kritik empfänglich sind. Er plädiert daher für eine offenere Gesprächskultur, wie er sie beispielsweise bei Drehbuchbesprechungen in den USA erlebt hat, wo die dortige Kommunikationskultur unmissverständliche Meinungsäußerungen problemlos zulässt. Außerhalb dieser internen Gespräche sieht er sich in der Rolle des Produzenten jedoch auch als Schutzschild, der sämtliche Probleme von der Regie fernhält und dieser freie Hand im künstlerischen Tun lässt. Solch eine Tätigkeit erfordert, dass alles andere dem Film untergeordnet wird. Und dies hat Veit Heiduschka in den letzten Jahrzehnten allemal getan. Er hat sich immer für den österreichischen Film eingesetzt, hat seinen Idealismus nie verloren und hält auch ein gewisses Maß an Selbstausbeutung für zulässig, um seinen Vorstellungen von Filmkunst treu bleiben zu können. Der von ihm verehrte Dichter Rainer Maria Rilke schrieb „Kunst ist Kindheit nämlich. Kunst heißt, nicht wissen, daß die Welt schon ist, und eine machen. Nicht zerstören, was man vorfindet, sondern einfach nichts Fertiges finden. Lauter Möglichkeiten, lauter Wünsche. Und plötzlich Erfüllung sein, Sommer sein, Sonne haben. Ohne daß man darüber spricht, unwillkürlich.“ Dies beschreibt den Idealismus Veit Heiduschkas sehr treffend. Er hat zwar keine neue Welt geschaffen, aber wesentlich dazu beigetragen, aus der damals kleinen österreichischen Filmwelt ein international anerkanntes und bisweilen auch von vielen anderen Ländern beneidetes Filmschaffen zu entwickeln.

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Danny Krausz, Helmut Grasser, Ulrich Seidl, Veit Heiduschka

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Herzliche Gratulation zum 80. Geburtstag! Veit Heiduschka gilt zurecht als wortgewaltiger Kämpfer für die heimische Szene. Neben seiner Leidenschaft als Produzent in seiner Wega Film bekleidet er wichtige Funktionen in zahlreichen Gremien der Filmwirtschaft. Mit unvergleichlicher Beharrlichkeit setzt er so maßgebliche Akzente zum Wohle der Branche. Er gilt als streitbarer Visionär und Unterstützer von Initiativen, die den Filmstandort Österreich national und international stärken. Als ein energischer Befürworter half er entscheidend mit, das wirtschaftlich orientierte Filmförderungsprogramm FISA des Wirtschaftsministeriums ins Leben zu rufen. Für Deinen unermüdlichen Einsatz im Auftrag der österreichischen Filmschaffenden und des österreichischen Filmstandorts dankt das Team von FISA – Filmstandort Austria und gratuliert herzlichst zum Geburtstag.

forscht derzeit zu Konflikten in der Filmproduktion.

www.filmstandort-austria.at

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ray Special – Veit Heiduschka


DINGE ERKENNEN, BEVOR SIE PASSIEREN

Sie haben für Michael Haneke Geldscheine zum Zerreißen besorgt und Arash T. Riahi intensiv beim Drehbuch begleitet. Ulrike Lässer ist in der Wega Film für Stoffentwicklung und Koordination verantwortlich, Michael Katz zudem als Herstellungsleiter und Producer. Veit Heiduschka ist für sie ein großer Humanist. Interview ~ Gunnar Landsgesell Fotos ~ Karin Wasner

Herr Katz, Sie haben viele intensive Produktionen für die Wega Film absolviert. Wie waren denn die Anfänge? Michael Katz: Ich war 1981/82 auf der Wirtschaftsuni Wien, dort sah ich in der Mensa einen kleinen handgeschriebenen Zettel, darauf stand: Arion Film sucht jemand für die Buchhaltung. Ich ging in die Schönbrunner Straße, wo die Arion neben der Wega Film in jeweils einer nicht sehr glamourösen Wohnung residierten. Der Job war schlecht bezahlt, die Wochenenden wurden durchgearbeitet, aber Gerhard Beaumont und ich haben gemeinsam große Werbe-Etats akquiriert. Nach zwei Jahren hatten wir genug und gingen in die andere Wohnung hinüber, wo Veit Heiduschkas Firma war. Ich fragte: „Wollen Sie wachsen und uns in Ihrer Firma haben?“ Er meinte: „Ja.“ So sind wir 1985 zur Wega Film gekommen. Ich realisierte dann zwei Spielfilme mit Heiduschka, er arbeitete damals auch als Produktionsleiter neben der Firma, ich selbst habe als Filmgeschäftsführer unsere ersten Filme betreut. Unser erster gemeinsamer Film in der Wega war Müllers Büro. Ich hatte damals noch keinen wirklichen Überblick über die komplexen Abläufe bei einem Kinofilm, oder wo und wie man Geld sparen kann ohne Qualitätseinbußen für die Regie. Aber ich hatte Sorge um die Zukunft der Wega Film, und so habe ich auf Niki List eingewirkt, dass wir sparen, sparen, sparen müssen. Wir haben dann tatsächlich 400.000 Schilling eingespart, was damals bei Filmproduktionen mit geringen Budgets eher ungewöhnlich war. So bin ich in die Wega Film gekommen.

„Müllers Büro“, eine österreichische Komödie mit Gesangseinlagen, wurde überraschend zur Berlinale eingeladen. Katz: Müllers Büro wurde in der ersten Vorführung ausgebuht, danach fand er in Berlin aber große Zustimmung. Ein Schlüsselerlebnis hatte ich aber, nachdem ich nach einem Jahr bei der Mungo Film, für die ich die Fernsehserie Mozart und Meisel gemacht habe, im Jänner 1987 zur Wega zurückgegangen bin. Heiduschka begrüßte mich und fragte, wie es mit meinem Studium ginge. Ich antwortete, das hätte ich aufgegeben, denn ich habe in der Branche mittlerweile gut verdient. Heiduschka aber meinte: „Machen Sie Ihr Studium fertig, ich bezahle Sie bis dahin.“ Daheim hab ich meiner Frau von dem kuriosen Vorschlag erzählt, zugleich muss ich sagen: Außer den sieben Filmen mit Haneke hat mich nie etwas so motiviert, über meine Grenzen zu gehen. Ich habe das Studium sechs Monate später abgeschlossen. Seit damals bin ich ohne Unterbrechung in der Wega. Dass ich zu einem ernsthaften Arbeiter geworden bin, habe ich neben Haneke und Heiduschka auch Uli Lässer zu verdanken. Sie war immer schon ein sehr genauer Mensch, davon habe ich in meiner Entwicklung sehr profitiert. Ich hab in der Wega viel lernen können, unter anderem auch, wie ein Viech zu hackeln, mit manchmal auch 120-Stunden-Wochen, das war für mein ganzes Leben extrem wichtig. Frau Lässer, wie sind Sie mit der Wega in Kontakt gekommen, ich glaube, das war ein paar Jahre später?

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Ulrike Lässer: Mein Weg ist ähnlich verlaufen. Ich habe Ethnologie studiert, war viel in Indonesien, weil ich dort meine Dissertation schreiben wollte, und habe Geld gebraucht. Eine Freundin hat mir von der Arion Film erzählt, deshalb wollte ich dort ein paar Monate arbeiten, um mir meine Diss in Indonesien zu finanzieren. Ich hatte mich schon für die Abreise bereit gemacht, als Peter Payer meinte, in der Wega suche man ganz dringend eine Produktionssekretärin. Das war 1990. Ich hatte das zwar noch nie gemacht, fühlte mich in der Firma aber sehr wohl. Ich betreute danach auch Filme in anderen Firmen, ging aber ganz schnell wieder in die Wega zurück. Der nächste Film war Ilona und Kurti von Reinhard Schwabenitzky, und dann schon Hanekes Benny’s Video. Und die Diss wartet heute noch. Wie empfinden Sie denn die Zusammenarbeit mit Veit Heiduschka? Lässer: Ich fand es immer sehr angenehm bei der Wega Film. Heiduschka hat uns das Gefühl gegeben, dass wir unsere Arbeit gut machen. Auch in meiner Anfangszeit reagierte er auch bei Fehlern immer sehr gelassen, das ist nicht selbstverständlich. Ich erlebe ihn als einen angenehmen, gescheiten, lustigen Menschen. Katz: Uli und ich haben, zum Teil absichtsvoll, zum Teil durch die Umstände, einen sehr großen Freiraum in der Wega Film bekommen. Heiduschka vertritt eine humanistische Haltung, er wollte nie ein Besserwisser sein, zugleich war er aber auch immer mit vielen anderen Dingen beschäftigt. Er war Präsident der VAM, des Produzentenverbandes, der Austrian Film Commission, es gibt kaum ein Amt, das er in der Filmpolitik nicht bekleidet hat. Wenn man das so ernst nimmt, wie er es getan hat, bleibt nicht viel Zeit, selbst zu produzieren: Drehbücher zu lesen, um Förderungen anzusuchen, den Film zu produzieren und fertigzustellen. Den Freiraum, der sich unweigerlich ergeben hat, haben Uli und ich gerne ausgefüllt. Nach 30 Jahren gibt es kaum etwas, das wir bei der Herstellung eines Films nicht beherrschen. Etwa seit dem Jahr 2000, seit Die Klavierspielerin, sind wir noch stärker als Produzenten aktiv. Das ist für Heiduschka okay so, er bleibt ja selbst auch Produzent und trägt als solcher auch das finanzielle Risiko mit. 30 Jahre sind in dieser Branche eine sehr lange Zeit. Haben Sie auch einmal gedacht, sich mit eigenen Produktionsfirmen unabhängig zu machen? Katz: Wir wären nie zu einer anderen Firma gegangen, da wäre ich mir grauslich vorgekommen. Das bei der Wega internalisierte Wissen einer anderen Firma anzutragen, kam für uns nie in Frage. Der große Unterschied zwischen der Wega und anderen Produktionsfirmen ist, dass wir meines Wissens die einzige Firma sind, wo zwei Menschen den Autor und Regisseur von Anfang bis zum Ende begleiten und in keiner Situation mehr allein lassen. Bei uns wird man nicht durchgereicht, muss sich nicht nach einem Erstgespräch mit einem Produzenten kurz an einen Herstellungsleiter gewöhnen, der dann meist die Kalkulation und die Durchführung der Dreharbeiten wieder an einen externen Produktionsleiter abgibt, weil er schon mit dem nächsten Projekt beschäftigt

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ist. Da Uli und ich im fiktionalen Bereich nur selten für das Fernsehen arbeiten – so gesehen ein Vorteil –, können wir uns voll und ganz dem Menschen, der zu uns kommt, und seinem Projekt widmen. Das ist die Handschrift der Wega Film. Das hat auch Michael Haneke immer sehr geschätzt. Und das werden wir in den nächsten Jahren auch nicht mehr ändern. Der Nachteil daran: Wir schaffen nicht mehr als drei Filme in zwei Jahren. Wie hat sich Ihre Position in der Firma über die Zeit verändert? Katz: Vor zehn oder zwölf Jahren meinte ich zu Uli, wir könnten uns doch selbständig machen und dann nur noch jene Projekte realisieren, die uns Spaß machen. Um sich das leisten zu können, hätten wir als Firma klein bleiben wollen. Interesse an einer Zusammenarbeit hätte es mit vielen Leuten gegeben, auch mit Haneke. Wir hatten dann darüber ein Gespräch mit Heiduschka, und er betonte, es sei ihm wichtig, dass wir bleiben. Er beteiligte uns mit 50 Prozent an der Wega Film, womit wir noch mehr Handlungsraum erhielten. Wie viel finanzielles Risiko kann man mit einer Produktion eingehen, ohne die eigene Firma zu gefährden? Gab es solche Momente? Katz: Ja – solche Momente gab es natürlich, besonders bei einem Projekt, das den Fortbestand der Wega für lange Zeit gefährdete. Die Eigenkapitaldecke der Wega Film war nie so hoch, dass man sich einen großen Misserfolg einfach so leisten konnte. Wir haben immer mit Werbung oder anderen Projekten unsere Spielfilme mitfinanziert. Das Drama beim österreichischen Film ist, dass man vielleicht mit einem von zehn Filmen wirklich Geld verdient. Viele der Filme, die wir in den vergangenen Jahren produziert haben, haben 2 bis 2,5 Millionen Euro gekostet, da stecken mindestens 125.000 Euro Eigenmittel drin. Auch Filme, die ich bis heute sehr, sehr schätze wie Ein Augenblick Freiheit haben nicht mehr als 25.000 Besucher in den österreichischen Kinos erreicht. Das entsprach einer Netto-Einnahme für die Produktion von 40.000 Euro und hinterließ bei Eigenmittel von 200.000 Euro ein deutliches Minus. Und das, obwohl der Film bei circa 30 Festivals lief und rund 20 Publikumspreise gewann. „Der siebente Kontinent“ war der erste Film, den Sie mit Michael Haneke realisierten. Wie ist der Kontakt entstanden? Katz: Die Wega Film war nicht die erste Firma, zu der Michael Haneke mit seinem Drehbuch gegangen ist. Als er damit zur Wega Film kam, meinte Heiduschka, das machen wir, obwohl es ein schwieriges Projekt für das Kino war. Derart anspruchsvolle Filme wurden damals noch eher für das Fernsehen von Leuten wie Kehlmann, Corti, Lehner und auch Haneke realisiert. Ich kam damals als Filmgeschäftsführer zum Haneke-Projekt und habe den „großen Fehler“ begangen, dass ich Probleme, die gar nicht mein Ressort betrafen, für Haneke bzw. für den Film gelöst habe. Probleme, die weder der Aufnahme- noch der Produktionsleiter lösen konnten. Nach drei Wochen ist Haneke mit vielen verschiedenen Dingen zu mir gekommen. Ich war nur noch am Set

ray Special – Veit Heiduschka


statt im Büro. Egal, ob ein Kapitän mit seinem vollbesetzten Schiff nicht mehrmals für die Dreharbeiten anlegen wollte, oder andere Probleme. Das ging soweit, dass mich Haneke eines Tages anrief und meinte: Ich brauch 500.000 bis 700.000 Schilling, wir müssen in einer Szene Geldscheine zerreißen und ins Klo hinunterspülen. Er wollte echtes Geld, weil das anders klingt, zum Beweis hat er vor mir einen Schein Spielgeld und einen echten Geldschein zerrissen. Ich hab gesagt, viel Unterschied höre ich nicht. Na gut, am nächsten Tag bin ich zu meiner Bankfiliale gegangen und habe vom Filialleiter zu meiner Überraschung tatsächlich den Kredit erhalten. Dieter Berner musste in der Szene, die wir in den Rosenhügelstudios gedreht haben, tatsächlich alle Geldscheine zerreißen und hinunterspülen. Wir haben sie danach aus unserer Klo-Konstruktion gefischt und getrocknet. Und dann meinte Haneke: Wir müssen die Scheine teilweise nochmals für den Nur-Ton zerreißen. Aber es ist alles gut gegangen, wir haben sie zusammengeklebt und sie wurden von der Bank zurückgenommen. Ab diesem Zeitpunkt wurde ich immer öfter für Michael Haneke die Ansprechperson für viele Dinge aus den verschiedensten Departments. Das waren die Momente, in denen ich am meisten für mein zukünftiges Arbeitsleben profitiert habe. Für eine komplexe Produktion wie „Das weiße Band“ ist das sicherlich auch eine Vertrauensfrage. Katz: Die Ansprüche sind tatsächlich mit jedem Film höher geworden. Die Kunst dabei ist, einen Film so zu

produzieren, dass er keinen Euro mehr kostet als geplant, und dabei eine Energie zu erzeugen, die so positiv ist, dass sie den gesamten Set erfasst. Das weiße Band war ein äußerst schwieriger Film, und das nicht nur für Michael Haneke, sondern für alle Departments: Viele Häuser und Straßen in den Dörfern mussten für 1913/14 adaptiert werden, einige wichtige Häuser wurden von unserem Ausstatter Christoph Kanter komplett für Innen- und Außendreh gebaut. Und das bei einem vergleichsweise bescheidenen Budget. Viele Kinder in sehr anspruchsvollen Rollen, mehrtägige Wetteranschlüsse bei Massenszenen, eine sehr große Abhängigkeit von der Natur bei vielen Außenszenen vor, während und nach der Ernte. Dazu kam ein sehr großes Ensemble an Schauspielern, die wegen der nicht so leicht steuerbaren Natur und weit auseinanderliegenden Motiven beinahe durchgehend Zeit haben mussten. Aber trotz all dieser Schwierigkeiten ist es uns gelungen, gemeinsam mit Michael Haneke und dem österreichischen Kernteam, mit dem Haneke meist gearbeitet hat, eine positive Grundstimmung zu erzeugen. Dabei hat es uns sicher sehr geholfen, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt von mehreren Zusammenarbeiten schon gut gekannt haben und ein großes gegenseitiges Vertrauen vorhanden war. Uli und ich sind ja schon Monate vor Drehbeginn nach Berlin gezogen, waren beinahe Tag und Nacht mit Haneke zusammen. Wir waren bei der Motivsuche dabei, haben zum österreichischen Kernteam ein deutsches Team zusammengestellt und den neuen Mitarbeitern versucht, Hanekes Arbeitsweise und

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seine Präzision zu vermitteln. Wir haben in den vergangenen Jahren bei der Wega eine Art des Produzierens entwickelt, wo wir im Idealfall Dinge erkennen, bevor sie passieren. So sind Heiduschka, Uli und ich in der Lage, extrem schnell Entscheidungen zu treffen, statt lange Besprechungen mit allen Departments zu führen. Aus diesem Grund haben wir auch nie den Regie-Assistenten unserer Filme einen Drehplan übergeben. Wir bleiben lieber selbst in jeder Phase des Produzierens für alles verantwortlich. Gibt es eine Rollenverteilung zwischen Ihnen beiden, etwa auch, was die Stoffentwicklung betrifft? Lässer: Nein, so wie Michael unsere Arbeit beschreibt, empfinde ich das auch. Es ist extrem wichtig, bei einem Film von Anfang bis zum Ende dabei zu sein. Ich könnte mir nicht vorstellen, anders zu produzieren, das geht nur so. Um die Stoffentwicklung kümmert sich aber stärker er, ich bin da mehr die Zuhörerin. Katz: Jetzt hast du untertrieben. Ich entscheide schon lange nicht mehr allein, ob ein Stoff oder ein Buch für die Wega verfilmenswert ist oder nicht. Sie haben mehrfach auch mit Erstlings-Regisseuren gearbeitet, zuletzt mit Josef Hader. Ist hier besondere Begleitung gefragt? Katz: Wichtig ist, für jeden Regisseur und Autor voll da zu sein. Das gilt auch ganz besonders für Erstlingsregisseure. Umut Dağ, der Kuma und danach Risse im Beton bei uns realisiert hat, kannten wir schon, er hatte während seines Studiums bei uns als Produktions-Assistent gearbeitet. Besonders bei Kuma hatten wir gemeinsam mit Petra Ladinigg und Umut eine sehr intensive und lange Phase der Drehbuchbearbeitung.

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Arash Riahi kam mit einem tollen Drehbuch für Ein Augenblick Freiheit, von dem Sydney Pollack bei einem Schreibseminar gesagt hatte, er würde es selbst gern verfilmen. Es war nur viel zu lang, etwa vier Stunden, und wir haben gemeinsam mit dem Dramaturgen Peter Berecz und mit Arash über ein Jahr lang an diesem Buch gearbeitet. Zum Entsetzen von vielen Förderern und dem ORF, die meinten: „Wann fangt ihr endlich zu drehen an?“, haben wir bei der Entwicklung einfach nicht locker gelassen. Aber manchen Regisseuren ist einfach nicht klar, dass sie mit einem stringenten Drehbuch oft die doppelte Drehzeit für jene Szenen hätten, die wirklich wichtig sind und nicht herausgeschnitten werden können. Manche Drehbücher sind in ihrer Entwicklung schon weiter, wenn sie zu uns kommen. Das war auch beim Drehbuch für Wilde Maus so. Aber auch bei Josef Hader haben wir einiges eingebracht, Josef war da sehr aufgeschlossen. Essenziell war, dass wir uns schon über ein Jahr vorher über diese Drehbuchgespräche angenähert haben. Die Frage ist ja, wie gut findet man in dieser Vorbereitungszeit zusammen, so dass man in Extremsituationen beim Dreh gut und richtig agieren kann. Zu Extremsituationen kommt es immer dann, wenn viel Geld in kurzer Zeit auf dem Spiel steht. Und das ist beim Film immer die Drehzeit. Hier kommt es darauf an, bereits den richtigen Draht zueinander zu haben und keine kostbare Zeit mit Missverständnissen zu vergeuden. Das hat auch viel mit gegenseitigem Vertrauen zu tun. Die Kosten bzw. deren Überschreitung sind ja keinem Regisseur egal. Diese Ebene ist enorm wichtig, ich glaube, dass alle Regisseure, mit denen wir gearbeitet haben, auch wieder gern bei uns ein Projekt realisieren würden.

ray Special – Veit Heiduschka


DR. VEIT HEIDUSCHKA


Die allerbesten Wünsche

Über die Zusammenarbeit bei den Michael-Haneke-

da hatte ich gerade als Filmkritiker zu schreiben

Projekten Das weiße Band, Amour und Happy End

begonnen. Die beiden jüngsten waren Happy End,

lernte ich Veit Heiduschka als verlässlichen und

ziemlich genau 30 Jahre später ein neuer Film von

vertrauensvollen Partner kennen und schätzen.

Michael Haneke, und Wilde Maus von Josef Hader –

Seine enorm reichhaltige Erfahrung als Filmprodu-

diese beiden Filme habe ich als Produzent gesehen,

zent war für diese doch ein wenig anspruchsvollen

als Kollege von Veit Heiduschka und als Freund.

internationalen Projekte ein wertvoller Anker. Er

Vier Filme, die in ihrer Diversität das Spektrum

ist so schlau und politisch schlitzohrig wie die

abbilden, das die Produktionen der Wega Film bis

anderen österreichischen Produzenten, aber zu-

heute auszeichnet und verbindet.

sätzlich hat er das größte und wärmste Herz aller

Es ist die Liebe und Leidenschaft zum Kino, zum

Produzenten, die ich je kennenlernte.

bewegten Laufbild, das den gemeinsamen Nenner bil-

Die ganze X-Filme- und X-Verleih-Familie wünscht

det: bei Haneke, mit dem Veit Heiduschka seit 1989

Veit Heiduschka alles Gute zu seinem 80. Geburtstag

über zehn Filme produziert hat, ist es die Suche

und vor allem von Herzen Gesundheit und weiterhin

nach dem radikalen Bild, der radikalen Erzäh-

kreativen Tatendrang für künftige Filmprojekte.

lung und die Erschütterung der gewohnten Sehwei-

Wir freuen uns auf jede weitere Zusammenarbeit!

sen – und der gelungene Versuch, österreichisches

Da werden noch einige Projekte kommen!

Kino international zu machen. Bei Niki List war

Stefan Arndt, Produzent, X-Filme Creative Pool

es der ironische Umgang mit der Geschichte des Kinos, das Spiel mit den Erwartungen des Publikums und der gelungene Versuch, internationales Kino

Lieber Veit,

österreichisch zu machen. Und das ist genau das,

was sagt man jemandem zum Achtzigsten, außer dass

was die jahrzehntelange Arbeit von Veit Heiduschka

man ihm natürlich alles Gute wünscht?

auszeichnet: das Ausloten des Spannungsverhält-

1. dass Du in meiner Erinnerung aus den frühen

nisses zwischen global relevanten Themen, starker

Achtzigern so ausschaust wie heute (na ja, fast).

Handschrift, konsequenter Arbeit mit künstlerisch

Was nicht heißt, dass Du damals alt ausgesehen

herausragenden Filmschaffenden und klarer inter-

hättest, sondern wie jung Du immer noch wirkst.

nationaler Ausrichtung.

2. oder besser 1., dass Du damals in der öster-

In diesen Zusammenhängen habe ich Veit als viel-

reichischen Produzentenlandschaft einer der ganz

seitigen Produzenten, als hochaktives „zoon (film)

Wenigen warst, der sich von Anfang an auch an ris-

politikon“ in den Ausschüssen der Film- und Musik-

kante künstlerische Projekte gewagt hat – und das

wirtschaft und als geradlinigen Menschen kennen-

bis heute tut. Unaufgeregt und beharrlich. Dafür

gelernt: ein Verfechter des künstlerischen Films,

danke ich Dir!

der zugleich an das Publikum denkt, und ein Kämp-

und 3. dass Du einen Lebensabend verbringen mö-

fer für das Kino, der keinen Konflikt scheut, wenn

gest, der Dir einen entspannten und wohlverdienten

es darum geht, sich für eine Sache – sei es ein

stolzen Blick auf Dein Lebenswerk erlaubt.

Film, eine Haltung oder die heimische Filmbranche

Das wünsche ich Dir!

an sich – einzusetzen.

Christian Berger, Director of Photography

In diesem Sinne, lieber Veit, rufe ich Dir einen französischen und einen rumänischen GeburtstagsGruß zu: Chapeau und La multi ani – auf viele

Der erste von Veit Heiduschka und der Wega Film

weitere Jahre!

produzierte Film, den ich im Kino sah, war Niki

Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Produzent, Amour

Lists Müllers Büro, da war ich Gymnasiast. Der

Fou Vienna; Vorsitzender der Fachvertretung der

zweite war Michael Hanekes Der siebente Kontinent,

Film- und Musikwirtschaft in Wien

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ray Special – Veit Heiduschka


Die allerbesten Wünsche

Lieber Veit,

Nikolaus Leytner als Regisseur produzierte, er-

es sind schon Jahrzehnte, die wir uns kennen, und

klärte sich Veit Heiduschka bereit, den damaligen

doch erscheint diese Zahl, die sich nun vor deinen

Anforderungen des Österreichischen Filminstituts

Geburtstag stellt, völlig unangemessen.

entsprechend, als erfahrener Senior-Koproduzent

Angemessen nur, wenn ich mich an all die Vorha-

unser Partner zu sein.

ben und Projekte, für die Du Dich im Laufe dieser

Diese Partnerschaft erlebte ich als hilfreich.

Zeit eingesetzt hast, erinnere ... Von schul-

Veit ließ uns inhaltlich frei arbeiten, gab uns

pädagogischen Projekten zur Unterstützung junger

aber wertvolle Hilfestellung in den kaufmännischen

Filmemacher*innen, von der Stärkung des Urheber-

Bereichen. Die Filmgeschäftsführung lag bei der

rechts zu Film-Agenden auf der europäischen Ebene,

Wega Film, und ich lernte einiges auch über die

vom Einsatz für den innovativen Film bis zum Lob-

Erstellung von Kostenständen für die Fördergeld-

bying in den jeweils aktuellen Fragen. Und dies,

geber.

ohne die großen Ko-Produktionen zu erwähnen, deren

Während meine Generation gerade mal eigene Firmen

Titel und Regisseur*innen international mehr als

gründete, um mehr frischen Wind in die starren

bekannt sind.

Strukturen und Abhängigkeiten zu bringen, begann

Dein Engagement hat wesentlich zum Erfolg des

Veit Heiduschka bereits seine langjährige Zusam-

österreichischen Films beigetragen, dafür gebührt

menarbeit mit Michael Haneke. 1989 entstand Der

Dir unendlicher Dank! Möge die Neugier auf das

siebente Kontinent. Wenige kannten Haneke, Hei-

Neue Dir weiterhin erhalten bleiben und Freude

duschka glaubte an ihn. Es folgten Benny’s Video

bereiten!

und Funny Games.

Barbara Fränzen, Abteilungsleiterin Film,

Mit der Jelinek-Verfilmung Die Klavierspielerin

Bundeskanzleramt Österreich / Sektion Kunst

erreichte die Zusammenarbeit der beiden 2001 einen

und Kultur

Höhepunkt. Es folgten weitere große internationale Erfolge wie Das weiße Band und Amour, um nur zwei davon zu nennen. Von Veit Heiduschka produ-

Veit Heiduschka ist den meisten von uns voraus.

zierte Filme und darin wirkende Filmschaffende

Als er 1961, aus Deutschland kommend, in Wien

wurden mehrmals mit der Goldenen Palme, dem Deut-

die Matura nachmachte, um dann in weiterer Folge

schen und auch dem Europäischen Filmpreis oder dem

an der Uni Wien zu studieren, kam meinereins zum

César ausgezeichnet. Die Krönung dieser Erfolgs-

Beispiel gerade erst mal auf die Welt.

geschichte war bis dato Amour mit einer Goldenen

Es sind jedoch nicht nur die Lebensjahre. Mit der

Palme, einem Golden Globe und einem Oscar.

Gründung der Wega Film im Jahr 1980 war er uns

Was mich jedoch am meisten berührt, ist, dass

sowieso, aber auch seiner Generation um einige

dieser Veit Heiduschka, der Grandseigneur des ös-

Nasenlängen voraus. Er war damals der einzige, der

terreichischen Films, der mit den ganz Großen wie

erfolgreich in Österreich Kinofilme produzierte.

Isabelle Huppert und Juliette Binoche gearbeitet

Mit Müllers Büro legte er 1986 die Latte ziemlich

hat, so ein umgänglicher und bescheidener Mensch

hoch: Der Film hatte 441.135 Kinobesucher und

geblieben ist.

spielte ein Mehrfaches seiner Produktionskosten

Sein Herz ist nach wie vor offen für die Jungen.

ein. Erst 1998 verdrängte ihn der (von der 1988

Umut Dag durfte bei ihm seinen Debütfilm machen,

gegründeten Dor Film produzierte) Kassenschlager

ebenso Arash T. Riahi.

Hinterholz 8 auf Rang zwei im Ranking der erfolg-

Während so manch anderer sich in eine Komfortzone

reichsten heimischen Filme.

zurückzieht, privatisiert, oder schlicht und ein-

Als ich 1989 die Allegro Film gründete und den

fach in Pension geht, ist Veit Heiduschkas Leben

Kinodokumentarfilm Schatten im Rampenlicht mit

nach wie vor dem Filmschaffen gewidmet. Lange Jahre

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Die allerbesten Wünsche

war er der Präsident der Film Austria, ist nach wie

Kreihsl, Peter Patzak, Peter Sämann, Elisabeth

vor Geschäftsführer der VAM, wo er mit Hartnäckig-

Scharang ... um nur einige zu nennen.

keit und einem enormen Fachwissen und Erfahrungs-

Was ich gar nicht glauben kann: dass er demnächst

schatz Wichtiges durchgesetzt hat. Die Vergabe der

80 Jahre alt wird. Unglaublich! Umso mehr wünsche

Mittel, die für kulturelle und soziale Zwecke ge-

ich Dir, lieber Veit, noch viele Jahre des Schaf-

widmet sind, ist ihm ein besonderes Anliegen. Der

fens und dies bei bester Gesundheit!!

Fachverband in der Wirtschaftskammer ist schwer

Alfred Grinschgl, langjähriger Geschäftsführer

ohne ihn vorzustellen. Er hat keine Scheu, sich mit

der RTR GmbH, der auch der Fernsehfonds Austria

langweiligen, zermürbenden Themen zu beschäftigen,

angehört

wo andere schon längst das Handtuch werfen. Veit ist unermüdlich. Und ein Gentleman. Helmut Grasser, Produzent, Allegro Film

Stereotype sind natürlich Vorurteile. Und trotzdem gibt es sie. Ganz nahe an der Wirklichkeit. So etwa das Stereotyp des österreichischen Filmpro-

Er ist ein besonders liebenswerter „Migrant“, einer,

duzenten in den vergangenen 40 Jahren.

der als Sohn eines politischen Häftlings bereits

Meine Hochachtung gilt Veit Heiduschka zu aller-

1956 die DDR verlassen hat, zuerst in Richtung

erst, weil er mit seiner offenen Art – auch wenn

Bundesrepublik Deutschland, dann übersiedelte er

er durchaus sehr bestimmt auftreten konnte –, in

im Jahr 1959 nach Wien: Veit Heiduschka.

seiner Arbeit mit Filmschaffenden und mit sei-

Einzelhandelskaufmann in der DDR, dann Industrie-

ner Risikobereitschaft alle gängigen Stereotype

kaufmann, später in Wien Dr.phil. nach dem Studium

konterkariert hat. Damit hatte er schon vor 40

der deutschen Philologie und der Theaterwissen-

Jahren als Avantgarde eine Haltung gegenüber Film

schaft. Also ein Wissender zum Thema Geld und ein

an sich, aber auch ein Verständnis von Kommunika-

Könner für Kunst und Kultur. Kommt selten vor,

tion und Kooperation zwischen dem Produzenten, den

dass einer beides kann.

Regisseurinnen und Regisseuren und allen Gewer-

Ein besonderer Lobbyist im Interesse der Kino- und

ken geprägt, die sich schön langsam durchzusetzen

TV-Landschaft: Er war schon beim Filmförderungs-

beginnt: risikobereit für junge Talente und neue

gesetz 1980 dabei, erkannte sehr früh die Notwen-

Formen, offen über Grenzen schauend, auch inter-

digkeit von Koproduktionen, war ebenso unter jenen

national, aber vor allem mit einem großen Respekt

Experten, die schon bei Franz Morak die Sinnhaf-

und Freiraum gegenüber der Arbeit der Kreativen,

tigkeit einer österreichischen Fernsehförderung

wohl wissend, dass diese Freiheiten viel Geld

mit dem Fernsehfonds Austria promoteten und bis

kosten können und sich künstlerisch nicht immer

heute begleiten.

einlösen. Für mich persönlich ist Veit ein großer

Er hat für Theater, Film und Fernsehen alles ge-

Ermöglicher, also durch und durch konstruktiv.

lernt, was notwendig ist: vom Beleuchter über

Ganz herzlichen Dank dafür und alles Gute!

Regieassistenz, Produktionsleiter, Drehbuchautor,

Andreas Gruber, Filmemacher

Regie bis zum Geschäftsführer. Vor bald 40 Jahren, im Jahr 1980, hat er „seine“ Wega Film, damals noch im 5. Bezirk angesiedelt, gegründet, inzwi-

Veit Heiduschka ist etwas sehr Seltenes. Er hat

schen arbeitet seine Tochter dort und ein höchst

drei Eigenschaften, die normalerweise nie gleich-

effizientes, kleines Team. Ja, und diese Firma

zeitig in einem Menschen vorkommen.

leitet er auch heute noch!

Er ist großzügig, erfolgreich und Filmproduzent.

Große Namen aus Österreich haben mit ihm pro-

Das ist praktisch unmöglich. Entweder man ist

duziert: Michael Haneke, Josef Hader, Michael

Filmproduzent und erfolgreich, dann kann man nicht

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ray Special – Veit Heiduschka


DER ÖSTERREICHISCHE FILM Edition dEr Standard

71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls

Benny’s Video

Caché

Charms Zwischenfälle

Das weisse Band - eine deutsche Kindergeschichte

Der Kopf des Mohren

Der siebente Kontinent

Die Klavierspielerin

Ein Augenblick Freiheit

Exit II

Funny Games

Heimkehr der Jäger

Jedermanns Fest

Kopfstand

Liebe

Meine liebe Republik

Müllers Büro

Risse im Beton

Weiningers Nacht

Kult. Klassiker. Kostbarkeiten. HOANZL gratuliert Veit Heiduschka zum 80. Geburtstag! Alle Filme auf DVD in der Edition „Der Österreichische Film“ auf www.hoanzl.at


Die allerbesten Wünsche

großzügig sein. Oder man ist großzügig und Film-

den Mut, sich rückhaltlos für höchste Qualitäts-

produzent, dann ist man sicher nicht erfolgreich.

ansprüche einzusetzen. Ein „alter Hase“? In Bezug

Es gibt sogar Menschen, die sind erfolgreich und

auf seinen unvergleichlichen Erfahrungsschatz be-

großzügig, dann sind sie aber keine österrei-

stimmt. In seiner Begeisterung für den Film aber

chischen Filmproduzenten.

immer wieder auch draufgängerisch wie ein Jung-

Außer Veit Heiduschka. Der hat alle drei Eigen-

produzent. Jedes Mal aufs Neue Feuer und Flamme

schaften. Und ein paar gute andere auch noch.

für den Film, den es gerade zu produzieren gilt.

Herzliche Grüße,

Von Veit kann man sich immer wieder Anekdoten er-

Josef Hader, Schauspieler, Autor, Filmemacher

zählen lassen, die einen in Staunen versetzen, man kann sich von ihm restlos begeistern lassen, mit ihm sehr gut diskutieren, ja, auch gut streiten,

Veit Heiduschkas Eleganz, Vitalität und inhalt-

man kann dann aber auch wieder von Herzen mit ihm

liche Ausrichtung sind ebenso beeindruckend für

lachen. Sein Fachwissen ist überragend und dennoch

mich wie seine Fähigkeit, sich für die Interes-

nie Selbstzweck. Gerne setzt er es nicht nur für

sen des Films über viele Hindernisse hinweg zu-

seine Projekte, sondern für seine ganze Branche

kunftsweisend einzusetzen. Sein Wissen ist so um-

ein. Einer wie er hat, wenn es denn wirklich sein

fangreich wie seine Erfolge vielfältig. In jeder

muss – und wenn’s ihm um seine Filmbranche geht,

unserer Besprechungen erfahre ich durch ihn ein-

dann muss es für ihn halt auch mal sein –, dann

zigartig Neues.

keine Scheu, sich auch mit Weltkonzernen anzule-

Wenn wir daran denken, woher er kommt und was er

gen. Und dann gewinnt er auch noch!

im Laufe seines Lebens alles getan hat, verstehen

Bravo Veit, für Deine Filme und alles andere! Und

wir umso besser, wieso er sich mit solcher Kraft

Danke! Wir haben bis jetzt schon viel von Dir ge-

für seine Filme, seine Regisseure, seine Firma und

lernt. Bitte, mach weiter so!

in vielen Funktionen für unsere gesamte Branche

Enrico Jakob, Generalsekretär, Cinestyria

– und damit für unsere Gesellschaft – einsetzt. Er ist bereit, für seine und unsere Anliegen aufzustehen und sich mutig über Grenzen hinweg in

Veit Heiduschka ist ein Phänomen, das ich aus an-

Bewegung zu setzen. Danke dafür und für alles

deren europäischen Ländern kenne. Es gibt solche

Kommende!

Menschen, vermutlich pro Land jeweils nur einen.

Georg Hoanzl, Geschäftsführer, Hoanzl Vertrieb

Diese nahezu unerschütterliche Hingabe zur Branche und dem Filmschaffen muss man erst einmal mit dieser Ausdauer und Beharrlichkeit an den Tag

Mit Veit Heiduschka kann man alles erleben – nur

legen können, ganz zu schweigen davon, sie nach-

keine Oberflächlichkeiten. Ein Mann, den jeder

machen zu wollen.

in der Filmbranche nicht nur kennt sondern auch

Veit habe ich zu einer Zeit kennengelernt, als die

schätzt. Der Mensch gewordene beste sächsische

österreichische Filmförderung noch jung und sein

Film­ import Österreichs. Nicht nur die schiere Un-

Büro in der Gemeindebau-Architektur der Schön-

menge an Werken, die Veit als filmischer Geburts-

brunnerstraße zu finden war.

helfer in die Welt gebracht hat, ist es, was an

Voll mit Drehbüchern war sein Büro. Gestapelt vom

seinem Schaffen beeindruckt. Nein, auch die unprä-

Boden weg, in die Ecke platziert, so dass sie

tenziöse Breite und beeindruckende Tiefe seiner

nicht aus konnten: So wirkte das.

Arbeit fordert jedem, der davon weiß, Respekt ab.

„Ich lese die alle noch“, meinte er. Ich hatte mich

Veit scheut sich nicht, auch das sogenannte breite

damals nur einmal in sein Büro vorgewagt und

Publikum zu bedienen, und er hat auch immer wieder

wollte wissen, wie er seine Sachen so macht. Das

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ray Special – Veit Heiduschka


Lieber Veit Heiduschka, wir wünschen alles Gute zum 80sten!

Müllers Büro (1986) Regie: Niki List Produktion: Veit Heiduschka

Happy Birthday zum unglaublichen 80er, lieber Dr. Heiduschka! Alles Liebe und Gute und insbesonders viel Gesundheit wünschen wir. Bitte bleiben Sie weiterhin so engagiert, freundlich, kritisch, humorvoll, kämpferisch, wachsam, temperamentvoll. Allerbeste Wünsche, Ihre Akademie des Österreichischen Films


Die allerbesten Wünsche

war lange bevor ich mich selbständig machte, und

ein pragmatisches Effizienzdenken. Er ist kein

unser Gespräch hatte eher abwartende Gedanken bei

Produzent, der „alles mögliche“ produziert, also

mir hervorgerufen.

Filme, in denen nichts Persönliches, nichts Eigen-

Wollte ich das wirklich sehen, was er da machte,

williges und Unverwechselbares passiert. Er ist

oder gar selbst tun? Ich bin damals jedenfalls

ein Mann, der etwas (im besten Sinn) ermöglicht.

beeindruckt und nachdenklich von seinem Büro weg-

Veit Heiduschka lebt für den Film, lebt für Filme,

gegangen.

die sich mit Menschen und deren Geschichten be-

Jahre später haben sich unsere Wege dann immer

schäftigen, die sich mit dem Ringen ums „Menschwer-

öfter gekreuzt, und in den meisten Fällen standen

den“ beschäftigen, und das macht ihn außergewöhn-

wir Seite an Seite, kämpferisch für die Branche

lich und besonders.

unterwegs. Das ist auch heute noch so, und seine

Michael Kreihsl, Filmemacher

Energie dabei ist grandios. Veit, was machst Du in deiner Freizeit, könnte man ihn einmal fragen. Ich weiß, er ist gern im Süden

Lieber Herr Dr. Heiduschka,

unseres Landes – aber was er da tut? Keine Ahnung,

unsere Zusammenarbeit, die ich Ihnen zu verdanken

gebe ich offen zu.

hatte, fiel in eine persönliche Schaffenskrise,

Er soll ruhig auch seine Geheimnisse haben, ich

die für alles verantwortlich war, was mein künst-

gönne sie ihm. Zu seinem Runden gratuliere ich

lerisches Leben später bestimmen sollte. Insofern

herzlich mit anerkennendem Respekt, nicht vor dem

war unsere Zusammenarbeit eine besondere, eine

Alter womöglich – nein, vor seinen Leistungen!

außergewöhnliche, eine wegweisende. Sie hatten

Hut ab und oft noch gerne auch - Film ab!

erkannt, dass Kopfstand ein besonderer Film war

Danny Krausz, Produzent, Dor Film; Obmann des

und boten mir an, meinen nächsten zu produzieren.

Fachverbandes der Film- und Musikwirtschaft der

Sinnigerweise hieß er Zeitgenossen.

Wirtschaftskammer Österreich

Ich war dankbar, denn es gab damals wie heute keinen Produzenten, dem ich wirklich vertraut hätte, und dass es ausgerechnet Sie waren, ein Deutscher

Mein allererster Kinofilm Charms Zwischenfälle,

und eben kein Österreicher aus der Clique der be-

1995 (Caligari Preis bei der Berlinale 1996), wäre

kannten „Verschworenen“, die das Filmgeschäft als

ohne Veit Heiduschkas Unterstützung, Betreuung und

Selbstbedienungsladen (und Freunderlwirtschaft)

Hilfe nie entstanden. Er war sozusagen mein Steig-

verstanden, war kein Zufall und gefiel mir. Sie

bügelhalter als Filmregisseur. Seine Haltung und

waren der erste Produzent, dem Filmkultur tatsäch-

die Haltung der Wega Film war und ist getragen von

lich etwas bedeutete, ein Engagierter, einer, der

gegenseitigem Respekt und Vertrauen. In diesem von

etwas bewegen und erreichen wollte. Und das war

ihm geprägten Klima konnten Werke entstehen, die

notwendig, denn es herrschte Anfang der achtziger

eine Kraft und eine Seele haben. Auch seine durch-

Jahre uns Regisseuren gegenüber eine Wurstigkeit,

aus positive Streitlust hat mich immer angespornt

die kaum zu beschreiben war.

und auch weitergebracht.

Vor allem Sie und in der Folge die nachrückende

Die Arbeit an meinen ersten Filmen mit Ulrich

Produzenten-Generation, der sie bestes Beispiel

Tukur hat mich weiter an Heiduschka und die Wega

und Vorbild waren, haben dem österreichischen Film

Film gebunden, und so ist auch Jahre später, 2016,

nationale und internationale Bedeutung zu geben

mein Kinofilm Liebe möglicherweise dort entstan-

gewusst.

den und produziert worden. Veit Heiduschka geht

Dafür gebührt Ihnen mein herzlicher Dank.

es nie um eine Beherrschung oder gar Unterwerfung

Ich wünsche Ihnen alle Gute.

kreativer Prozesse und Ideen, sondern er steht für

Ernst Josef Lauscher, Filmemacher

48

ray Special – Veit Heiduschka


Die Filmakademie Wien gratuliert

Dr. Veit Heiduschka ganz herzlich zum

80. Geburtstag !


Die allerbesten Wünsche

Veit Heiduschka ist ein ehrenwerter Mann!

Films beigetragen. Er soll bis zum Umfallen – Gott

Ohne ihn gäbe es wahrscheinlich keine Filmförde-

bewahre! – weitermachen.

rung, keine Austrian Film Commission, wahrschein-

Franz Novotny, Produzent und Filmemacher

lich kein „The Best of Michael Haneke“ und mit Sicherheit kein Müllers Büro. Er ist mit Recht Oscarpreisträger für seine produzentische Lei-

Der Filmtitel könnte sein: „Ein Produzent und

stung, weil produzentische Leistung eben immer

Gentleman“. Geschätzt und geehrt – und dennoch

auch Kreativleistung ist und ohne diese schöpfe-

manchmal allein gelassen – hat Dr. Veit Heiduschka

rische Leistung viele Filmproduktionen gar nicht

Besonderes für den europäischen Film bewirkt und

erst entstehen würden. Er hat dafür einen Groß-

sein Leben auch durch seine Produktionen gelebt.

teil seines Berufslebens ökonomische Unsicherheit

Jedes Gespräch mit Veit ist um vieles dimensio-

erdulden müssen und hat sicher manchen Regisseur

naler als die Frage, die ein Film stellt. Die Über-

diesbezüglich ganz besonders ins Herz geschlos-

raschung seiner Antworten bestimmt sein Schaffen.

sen.

Ich bedaure, dass unsere Gespräche und unser Ver-

Veit Heiduschka ist ein gefährlicher Mann!

ständnis, die meist außerhalb der „Filmschaffen-

Wer einmal gesehen hat, wie sich ein distinguier-

den-Veranstaltungen“ stattgefunden haben, nicht

ter Sir in Lichtgeschwindigkeit in einen Zornaus-

mehr Zusammenarbeit entstehen ließen. Fremdange-

bruch gegen die Unbilden des Förderwesens, die

sagte Baustellen und Umleitungen erlaubten uns

Ahnungslosigkeit der Mitmenschen in Allgemeinen

nicht, gemeinsam besondere Ziele zu erreichen.

oder Widrigkeiten der Filmpolitik im Besonderen

Lieber Veit, ein Dankeschön für deine Liebe, Klug-

hineinsteigern kann – das kann er auch. Mit dem

heit, Ausdauer und Tatkraft und alles Gute zu

Einleitungssatz „Nein, so geht das gar nicht!“

deinem Jubiläum.

bis zur Androhung rechtlicher Schritte vor allen

Peter Patzak, Filmemacher

weltlichen Gerichten dieses Planeten. Um dann – als wäre nichts gewesen – ansatzlos zur leisen Sachlichkeit zurückzukehren. Mangelnde Empathie

Lieber Herr Dr. Heiduschka,

ist ihm ebenso wenig vorzuwerfen wie mangelndes

Alles Gute zum Geburtstag!

Temperament.

Unsere erste Begegnung war irgendwann in den acht-

Veit Heiduschka ist unentbehrlich!

ziger Jahren, die Wega Film „residierte“ damals

Er ist überall und jederzeit, interveniert, wo

noch in der Schönbrunner Straße, das Büro hatte

notwendig, und ist 25 Stunden am Tag Produzent.

die Größe einer Gemeindebau-Wohnung. Das ist der

Ohne mit dem Wort Freundschaft inflationär um-

Produzent von Müllers Büro, dachte ich voller

zugehen: Veit Heiduschka ist ein Freund! Er hat

Ehrfurcht. Dass hinter diesem Erfolg ein unglaub-

mir vor 15 Jahren als Rookie der Filmpolitik das

lich höflicher, gebildeter, netter und engagier-

Geschäft erklärt und tut das bis heute. Das werde

ter Mann steht, war aus meiner jugendlichen Per-

ich ihm nicht vergessen!

spektive kaum zu glauben – ich hatte als junger

Werner Müller, Geschäftsführer des Fachverbandes

Mann vom Land eine völlig andere Vorstellung von

der Film- und Musikwirtschaft der Wirtschafts-

Filmproduzenten.

kammer Österreich

Unsere Wege haben sich das nächste Mal bei Benny’s Video gekreuzt, bei dem ich als Schnitt-Assistent dabei sein konnte. Es entwickelte sich ein Ar-

Ungeachtet der Knüppel, die ihm zwischen die Bei-

beitsverhältnis, ohne das meine Laufbahn als Re-

ne geworfen wurden und die ihn oft beinahe die

gisseur so nicht stattgefunden hätte.

Existenz gekostet haben, hat Veit Heiduschka seit

Sie haben mich bei meinem ersten Kurzfilm unter-

Jahrzehnten wesentlich zur Qualitätsexplosion des

stützt, mir meinen ersten Job als Cutter anver-

50

ray Special – Veit Heiduschka


51


Die allerbesten Wünsche

traut, und so war es auch naheliegend, den ersten

Nie werde ich vergessen, dass ich Veit Heiduschka

großen Schritt als Regisseur mit der Wega Film zu

anno 1989 zu Michael Hanekes Der siebente Konti-

versuchen.

nent einen Korb geben musste, weil mir die Arbeit

Sie haben mir Ihr Vertrauen geschenkt und mich

(damals noch im Ein-Frau-Betrieb) über den Kopf

gemeinsam mit Michael Katz durch diesen Film „ge-

wuchs. Dass Veit drei Jahre später mit Benny’s

tragen“.

Video trotzdem wieder bei mir anklopfte, werde ich

Eine bessere Unterstützung kann man als Debütant

ihm nie vergessen.

nicht haben, und dafür danke ich Ihnen!

Vom ersten Tag an war unsere Zusammenarbeit von

Andreas Prochaska, Filmemacher

gegenseitigem Respekt und von Vertrauen geprägt. Veit hatte immer ein offenes Ohr für die Anliegen des Weltvertriebes. Wenn ein Haneke-Film von der

Ich kann mich noch gut erinnern, als ich vor ca.

Postproduktion in die Phase „Festival“ (mit PR,

zehn Jahren einen Produzenten für meinen Spielfilm

Marketing etc.) wechselte und dann, an der Hand

Ein Augenblick Freiheit suchte. Das Buch galt als

der Verleiher, den Weg um die Welt antrat, ver-

unverfilmbar für einen ersten Spielfilm, weil es

schmolzen Veits wunderbare Leute in Wien und mei-

zu teuer war und logistisch zu kompliziert und

ne Mitarbeiter in Zürich ganz organisch zu einem

riskant für einen Erstlingsfilmer. Damals sagte

Team. Und das hat sich über die vielen Jahre immer

mir Antonin Svoboda von der Coop99, es gebe seiner

wiederholt, auch wenn es darum ging, technische

Meinung nach nur einen der großen Produzenten, der

und vielerlei andere Probleme zu lösen.

so etwas doch hinbekommen könne und auch ehrlich

Es gibt keinen besseren Produzenten als den, der

und nicht von oben herab mit einem umgehe.

sich um seine Filme kümmert, auch lange nachdem

Genau so war es dann auch. Veit Heiduschka be-

sie das Licht der Welt erblickt haben. Es gibt

gegnete mir auf Augenhöhe, schätzte das Buch, und

keine bessere Gelegenheit als einen solchen Ge-

obwohl ich bis dahin nur eine lange Doku gemacht

burtstag, um meinem lieben Veit noch einmal Dan-

hatte, vertraute er mir, dass ich den Film fer-

keschön zu sagen und Respekt auszudrücken. Dass

tigbekommen könne. Ich verdanke ihm und seinem

er über so viele Jahre Großartiges geleistet hat

Partner Michael Katz sehr viel und werde ihnen

und noch immer aktiv unterwegs ist, ist mehr als

immer dankbar sein für die Chance, die sie mir

bewundernswert.

gegeben haben. Wenn Veit für einen Film brennt,

Christa Saredi, World-Sales-Agentin

dann sorgt er dafür, dass die Wega Film alles Erdenkliche macht, um den Film zu realisieren. Was ich auch sehr an Veit Heiduschka schätze, ist sein

Das Büro von Veit Heiduschka in der schönen al-

menschlicher Zugang und seine Freundlichkeit. Er

ten Fabrik im 14. Bezirk in Wien, das seit vielen

ist immer hilfsbereit und steht jüngeren Produzen-

Jahren das Zuhause der Wega Film ist, liegt im

tinnen und Produzenten jederzeit mit Rat und Un-

obersten Stock. Als ich Ende der neunziger Jah-

terstützung zur Seite. Das ist in Zeiten, in denen

re begonnen habe, TV-Dokumentarfilme mit der Wega

Konkurrenzdenken und Egoismus in allen Bereichen

Film zu produzieren, habe ich im ersten Stock ge-

Überhand nehmen, sehr selten und zeichnet Veit

schnitten. Dort war auch das Produktionsbüro von

Heiduschka als Mann mit Haltung aus. Ich danke

Peter Thomsen, der die Dokumentar-Abteilung der

Veit für alles, was er für mich getan hat, und ich

Firma betreut. Mit den Spielfilm-Menschen Veit

verehre sein Werk, das Filmgeschichte geschrieben

Heiduschka, Michael Katz, Ulrike Lässer im oberen

hat. Ich wünsche ihm noch viele Jahrzehnte Gesund-

Stock hatte ich vorerst wenig zu tun. Außer wenn

heit und Freude am Filmemachen.

gemeinsam Mittag gegessen wurde. Veit Heiduschka

Arash T. Riahi, Produzent und Filmemacher

betrat jeden Mittag den imposanten Sitzungsraum

52

ray Special – Veit Heiduschka


Die Filmabteilung im Bundeskanzleramt gratuliert Prof. Dr.

VEIT HEIDUSCHKA ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG

herzlich zum 80. Geburtstag! Das Bundeskanzleramt unterstützt innovative Projekte im Bereich Spiel-, Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilm, fördert den Nachwuchs und finanziert filmkulturelle Institutionen wie Programmkinos, Filmfestivals und Archive. www.kunstkultur.bka.gv.at innovative film austria

80 Herzlichen Glückwunsch

Veit Heiduschka Zu Ihrem

80 Geburtstag !

LES FILMS DU LOSANGE


Die allerbesten Wünsche

mit einem Holztisch, der bis zu 20 Filmschaffen-

bis zu den künstlerisch anspruchsvollen Arthouse-

de für Besprechungen beherbergen kann, und setzte

filmen wie Liebe (Michael Haneke).

sich zu der Kernmannschaft. Die Wega Film ist eine

Lieber Veit Heiduschka, zu Deinem runden Geburts-

Filmfamilie mit allem was dazu gehört: der Zu-

tag wünsche ich Dir alles erdenklich Gute, vor

sammenhalt nach außen, die Richtungsstreits nach

allem Gesundheit, dann kommt alles andere von

innen, Loyalität, Ablösungskämpfe, Kontinuität und

selbst. Danke für Deinen unermüdlichen Einsatz für

eben das gemeinsame Essen, das nicht vom Liefer-

die Filmbranche. Es war sicher nicht immer leicht

service gebracht, sondern selbst gekocht wurde.

und auch nicht immer erfolgreich, aber ohne Deine

Anfang der Nuller Jahre habe ich meinen Kinodo-

Mitwirkung wäre manches Wichtige nicht verwirkli-

kumentarfilm Tintenfischalarm und die Regie für

cht worden. Auf viele weitere gute Jahre.

meinen ersten Spielfilm Mein Mörder bei der Wega

Gerhard Schedl, langjähriger Direktor des

Film gemacht. Auch wenn ich in den letzten Jahren

Österreichischen Filminstituts

mit anderen Firmen produziert habe, so bin ich wesentlich von dem Wega-Spirit, den Veit Heiduschka stets hochgehalten hat, beeinflusst: Film ist kei-

Ich habe Dr. Heiduschka kennengelernt, als seine

ne Wegwerfware, und Filmproduzentinnen sind keine

Wega Film gerade Niki Lists Müllers Büro produ-

Gebrauchtwagenhändlerinnen. Der gelebte Respekt

zierte. Ich hatte Nikis Debut, die 16mm-Produktion

gegenüber der Filmkunst macht diese Filmfamilie so

Malaria mit dem Stadtkino-Filmverleih ins Kino ge-

stark; und mich dankbar, ein Teil davon zu sein.

bracht, für Niki und Dr. Heiduschka war es selbst-

Elisabeth Scharang, Filmemacherin

verständlich, uns die Treue zu halten – mit einem äußerst fairen Vertrag. Mit dem Gewinn aus Müllers Büro sparte das Stadt-

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre hat ei-

kino 90 Prozent einer Jahressubvention ein, ein

ne Gruppe von Filmschaffenden ernsthaft versucht,

Umstand, der dem Stadtkino in den Folgejahren sehr

auch in Österreich eine Filmförderung zu etablie-

zugute kam. Man könnte sagen, Dr. Heiduschka war

ren. Seit Jahren von der Politik versprochen,

in besagtem Jahr der größte private Sponsor des

unter den Filmschaffenden sehr kontroversiell

Stadtkinos.

diskutiert, war eine Lösung nicht in Aussicht. Un-

Er räumte uns in der Folge auch ein First-Look-

ter den Aktivisten waren überwiegend Kameraleute,

Recht ein. Das Besondere daran: Wenn wir uns gegen

aber auch ein Produktionsleiter, Veit Heiduschka.

einen Film entschieden, reagierte Dr. Heiduschka

Die Suche nach wichtigen Mitstreitern war schließ-

fair und professionell und bewies Respekt für

lich so erfolgreich, dass der Nationalrat 1980

unsere Entscheidung. Besser hätten wir es nicht

das Filmförderungsgesetz einstimmig beschloss.

treffen können.

Der Rest ist allseits bekannte Geschichte.

Dasselbe galt auch Jahre später, als ich zusammen

Einer der ersten Produzenten, der die neuen Finan-

mit Andreas Wirth-Purtscheller im Jahr 1992 die

zierungsmöglichkeiten für Kinofilme genutzt hat,

TITRA-Film Laseruntertitelung gründete. Da fanden

war Veit Heiduschka mit seiner Wega Film. Bei

wir in Dr. Heiduschka einen aufgeschlossenen und

der Auswahl der eigenproduzierten Projekte hatte

entgegenkommenden Vermieter, in dessen Räumlich-

er über die Jahre zweifellos besonderes Geschick

keiten in der Hägelingasse sich das Unternehmen

bewiesen: Von publikumsnahen Filmen, wie Müllers

ungehindert – ja sogar begünstigt – erfolgreich

Büro (Niki List), über die Kino-Debütfilme von

entfalten konnte.

Andreas Prochaska (Die drei Posträuber), Josef

Und dann waren da noch ein paar sehr gute gemein-

Hader (Wilde Maus), Arash T. Riahi (Ein Augenblick

same und erfolgreiche Jahre in der Auswahlkommis-

Freiheit), Michael Kreihsl (Charms Zwischenfälle)

sion des Österreichischen Filminstituts.

54

Ve ge Fi Ge

Co So of Au

ray Special – Veit Heiduschka

Vdfs


Wir gratulieren Veit Heiduschka ganz besonders herzlich zum runden Geburtstag und danken für lange, bewegte und erfolgreiche Jahre unserer Zusammenarbeit Stiftgasse 6, 1070 Vienna, Austria tel +43 1 526 33 23, office@afc.at

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Die VdFS wünscht alles Gute zum 80er!

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05.04.18 10:38


Die allerbesten Wünsche

Wann immer sich also mein Lebensweg mit dem von

etwas finden, worüber wir herzlich lachen können.

Veit Heiduschka gekreuzt hat, erwies er sich als

In diesem Sinne: Alles erdenklich Gute!

verlässlicher, integrer Partner, als Freund, der

Martin Schweighofer, Geschäftsführer, Austrian

uneigennützig für Projekte kämpfte, für seine ei-

Film Commission

genen genauso wie für die der anderen. Wegen seiner Zurückhaltung und Bescheidenheit blieb das allzu oft unbemerkt und unbedankt. Es war daher

Seit nunmehr 40 Jahren steht sein Name für großes

eine große Genugtuung und Freude, als der von Dr.

Kino aus Österreich und hochwertigen Autorenfilm:

Heiduschka und seiner Wega Film produzierte Film

Angefangen mit dem Kultklassiker Müllers Büro über

Amour von Michael Haneke die Goldene Palme, den

Die Klavierspielerin, der in den 2000ern neuen

Oscar und viele weitere Preise gewann und ihm da-

Schwung ins europäische Arthousekino brachte, bis

mit die längst verdiente Würdigung zuteil wurde.

hin zu Wilde Maus, dem heimischen Publikumsfavo-

All die Klischees, die man gemeinhin mit einem

riten des letzten Jahres. Nicht zu vergessen der

Filmproduzenten verbindet, sie alle treffen auf

Erfolg und Auszeichnungsregen für Liebe, der ihn

Dr. Heiduschka nicht zu. Wahrscheinlich ist das

zum Oscar-Produzenten machte. Qualität und ein

das Geheimnis seines Erfolges.

Gespür für den richtigen Stoff zur richtigen Zeit,

Franz Schwartz, ehemaliger Geschäftsführer des

das zeichnet das produzentische Schaffen Veit Hei-

Stadtkinos und des Stadtkino Filmverleihs

duschkas aus. Vielen Dank, lieber Veit Heiduschka, für die vielen wichtigen Beiträge zum österreichischen Film!

Das internationale Ansehen des österreichischen

Herzlichen Glückwunsch!

Films hat viel mit Veit Heiduschkas Wirken zu

Gerlinde Seitner, Geschäftsführerin des Film-

tun – mit glänzenden Palmen, strammen Oscars und

fonds Wien

wilden Mäusen. In den vergangenen Jahren einer seiner Weggefährten gewesen zu sein, war und ist mir eine Ehre.

Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Umso er-

Ich habe dabei gelernt, aber auch gelacht.

staunlicher also, dass sich vorrangig nur ein Name

Eine beispielhafte Vignette: Ich bin mit der

aufdrängt, wenn es um die Pionierzeiten unseres

pressfrischen Kopie von Funny Games in Paris;

aktuellen Filmschaffens geht. Veit Heiduschka

nach der Sichtung gilt es, einen Platz im Cannes-

stand in der ersten Reihe, als es vor fast 40

Programm zu verhandeln. Der Wettbewerb ist das

Jahren darum ging, mit Gewitztheit, Ausdauer und

erklärte Ziel. Eine halbe Stunde später gibt mir

Know-how der österreichischen Politik ein Film-

Festivaldirektor Gilles Jacob die Hand drauf: Mit

förderungsgesetz abzutrotzen. Und er war einer der

Hanekes Funny Games – einer Produktion von Hei-

ersten, die dieses Gesetz sehr schnell mit Leben

duschkas Wega Film – wird erstmals ein österrei-

erfüllten. Mit Müllers Büro produzierte er einen

chischer Film im Wettbewerb von Cannes gezeigt

stilbildenden Hit, der eine ganze Epoche prägte.

werden. Bei erster Gelegenheit rufe ich in Wien

Und Michael Hanekes Filme hat er auch in jenen

an: Veit, sage ich, stell den Champagner kalt!

frühen Jahren konsequent produziert, in denen die

Anstelle des erwarteten Freudenschreis antwortet

Zuschauerzahlen karg blieben und ein internatio-

er mit einer langen Pause – und dann: Ich glaube,

naler Erfolg nicht absehbar war.

wir haben nur Sekt im Haus ...

Wie alle guten Produzenten ist er ein begnadeter

So Veit, so gut. Ich freue mich schon, im Mai in

Menschenfischer und hat eine großartiges Team, an-

Cannes mit Dir auf Deinen runden Geburtstag an-

geführt von Michael Katz und Ulli Lässer, um sich

zustoßen. Ich bin sicher, wir werden auch diesmal

geschart. Die der Professionalität verschworene

56

ray Special – Veit Heiduschka


austrian editors association

ÖSTERREICHISCHER VERBAND FILMSCHNITT

Wir gratulieren Veit Heiduschka zu seinem 80. Geburtstag, wünschen ihm alles Gute und weiterhin viel Schaffensfreude!

Die EditorInnen des Verbandes Filmschnitt 40 Jahre Austrian Editors Association aea - EditorInnen von Format: www.editors.at


Die allerbesten Wünsche

Gemeinschaft der Wega Film fördert mit derselben

mit „komplizierten“ Künstlern meidend, klug, mit

Leidenschaft junge Talente, wie sie etablierten

großem künstlerischen Einfühlungsvermögen und mit

Regisseuren eine hoch geschätzte Heimat bietet.

einem Blick über die kleine deutschsprachige Welt

Veit Heiduschka ist in all den Jahren unermüdlich

hinaus. Dazu gehören Mut und Vertrauen in die

geblieben, als Produzent wie als Kämpfer für die

Künstler. Beides ist nicht selbstverständlich.

gerechte Sache. Vom Urheberrecht über die aktuelle

Die vielen Auszeichnungen und Preise bis zum Os-

Förderpolitik bis zum ORF ist das ein weites Be-

car sprechen für sich.

tätigungsfeld. Konsequent in seinem Wollen, per-

Lieber Veit, von mir bekommst Du den Oscar fürs

sönlich integer und mit einem inneren Feuer, das

Lebenswerk! Alles Gute!

staunen macht, wirft er sich für die Anliegen der

Haide Tenner, ehemalige Leiterin der Filmabtei-

Filmwirtschaft in die Bresche. So jung kann man

lung des ORF

mit 80 Jahren sein! Michael Stejskal, Geschäftsführer, Filmladen Filmverleih, Luna Film, Votiv Kino

Lieber Veit, uns verbindet eine jahrzehntelange nicht nur berufliche, sondern vor allem persönliche Freund-

Veit Heiduschka ist für mich schlicht der Grand-

schaft, was in unserem Metier gar nicht so selbst-

seigneur der österreichischen Filmproduzenten! Er

verständlich ist.

hat nicht nur mehrfach Filmgeschichte geschrie-

Du hast Großartiges geleistet und durch Deine in-

ben, ohne ihn wären der österreichische Film und

ternationalen Erfolge wesentlich zum Ansehen des

die Filmförderung (!) definitiv nicht dort, wo

österreichischen Films in der Welt beigetragen,

sie heute sind! Lieber Veit, ich danke Dir auf-

aber auch bravourös manchen Dir zugefügten Tief-

richtig und herzlich für die gute Zusammenarbeit

schlag überwunden.

und dafür, dass Du all Deine immense Erfahrung

Neben aller Deiner beruflichen Tätigkeit fandest

immer wieder mit mir teilst. Du bist ein wahrer

Du jedoch immer die Zeit, Dich für die Belan-

und rarer Idealist!

ge unserer Branche zu engagieren. Du hast dabei

Liebe Grüße,

nie gedacht, ob es Dir schaden könnte, vehement

Roland Teichmann, Direktor, Österreichisches

unseren Standpunkt zu vertreten, und tust dies

Filminstitut

auch heute noch mit deutlichen Worten. Auch beim Entstehen vieler für die Filmwirtschaft wichtiger Einrichtungen, wie zum Beispiel der Österrei-

Als Studienanfängerin setzte ich mich in der er-

chischen Filmförderung und des ÖFI, der Austrian

sten Vorlesung neben den bestaussehenden jungen

Film Commission AFC oder der Verwertungsgesell-

Mann im Hörsaal. So lernte ich Veit Heiduschka

schaft für audiovisuelle Medien VAM warst Du von

kennen. Viele Jahre später wurde ich Leiterin der

Anbeginn dabei.

Filmabteilung im ORF, freute mich, den Kollegen

Es verbinden mich mit Dir viele gemeinsame Unter-

wiederzusehen und wurde Zeugin der großartigen

nehmungen, und es sei nur eine kleine erwähnt wie

Entwicklung eines Mannes und seiner Firma. Veit

das eigenhändige Aufhängen von Plakaten bei der

Heiduschka ging seinen Weg unbeirrt, immer nur der

ersten Festivalteilnahme, nachdem uns öffentliche

Qualität verpflichtet, niemals die Zusammenarbeit

Stellen im letzten Augenblick die Unterstützung

58

ray Special – Veit Heiduschka


Die allerbesten Wünsche

verweigerten und wir beide schließlich selbst alle

„Die Jugend ist die Zeit, die Weisheit zu lernen.

Kosten übernehmen mussten.

Das Alter ist die Zeit, sie auszuüben.“

Lieber Veit, ich wünsche Dir zum „Runden“ viel

Diese „Weisheit“ borge ich mir vom Jean-Jacques

Glück, Erfolg und viele gesunde Jahre.

Rousseau – würdig, meine Gedanken zum 80er eines

Michael Wolkenstein, Produzent, Satel Film

außergewöhnlichen Menschen einzutakten. Bestimmt und klar in der Sache, aber auch bestimmt und konsequent in der Form. Das ist Veit

Was für ein Œuvre! Veit Heiduschka hat in sei-

Heiduschka.

nem Leben beispiellose Preisregen für seine Werke

Diese seine „sächsisch-preußische“ Klarheit hat

erhalten, und das völlig zu Recht. Sein Schaffen

Veit zum Türöffner für und zum erfolgreichen Part-

zeichnet sich aus durch couragiertes Eintreten

ner herausfordernder, vieldekorierter Regisseure

auch für unkonventionelle Produktionen, Beharr-

wie Michael Haneke oder Umut Dag und Josef Hader

lichkeit und eine unendliche Leidenschaft für den

gemacht. Diese Pionierleistungen und der Glaube

österreichischen Film. Im Zuge dieser leiden-

an die Perfektion des Produkts ringen mir Respekt

schaftlichen Arbeit waren wir nicht immer meiner

und Anerkennung ab.

Meinung, haben manchmal auch, das will ich nicht

Unsere Begegnungen haben immer den Respekt vor

verschweigen, gestritten. Aber unser Ziel – die

dem gemeinsamen Ziel in sich: dem beiderseitigen

heimische Filmwirtschaft zu stärken – war dassel-

Wunsch, dem kreativen österreichischen Filmschaf-

be. Dabei hat Veit Heiduschka immer gewusst, dass

fen zu dienen.

dafür ein starker ORF notwendig ist. Weil nur ein

Ich zolle Dir Respekt für Dein Schaffen, lieber

starker ORF sicherstellt, dass österreichische

Veit – „Danke“ für gemeinsames Werken!!

Programmproduktionen auf die Beine gestellt wer-

Alles Gute zum Geburtstag!!

den können. Und trotz all seiner auch scharfen

Kathrin Zechner, Fernsehdirektorin des ORF

Kritik am ORF habe ich immer enormen Respekt vor Veit Heiduschkas Einsatz empfunden. Ja, wir brauchen auch in der Filmwirtschaft österreichische Arbeitsplätze und damit heimische Wertschöpfung, und dazu bekenne ich mich. Der ORF wird in jedem Fall und im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten ein verlässlicher und fairer Partner bleiben. Das verspreche ich Veit Heiduschka an dieser Stelle. Ihm, der als Produzent durch diverse Hochglanzproduktionen und wertvolle Film- und Fernsehfilme, die regelrecht Euphorie ausgelöst haben, den Standort Österreich als Filmland gestärkt hat. Deshalb halte ich Veit Heiduschka für einen ganz großen Mann in Österreich, in Europa und in der Welt. Und wünsche ihm weiter ein gelingendes Leben in jeder Beziehung. Alexander Wrabetz, Generaldirektor des ORF

59


DIESES SPEZIELLE GESPÜR

Das Filmarchiv Austria widmet Veit Heiduschka zum 80. Geburtstag eine umfassende Retrospektive – von „Zeitgenossen“ bis „Happy End“. Text ~ Günter Pscheider

W

enn man die Liste der von Veit Heiduschka produzierten Filme durchsieht, fällt einem als erstes die enorme Bandbreite, die Vielseitigkeit der Werke aus den gut 35 Jahren der Wega Film auf. Aber trotz der offensichtlichen Unterschiede zwischen einem Michael Haneke und einem Reinhard Schwabenitzky, was die grundsätzliche Ausrichtung der Filme betrifft, haben alle Regisseurinnen und Regisseure, mit denen Veit Heiduschka zusammengearbeitet hat, doch eine klare formale und inhaltliche Vision ihrer Geschichten. Diese neben der Finanzierung maßgebliche Eigenschaft eines guten Produzenten, nämlich die Vorstellungen der Regisseure und/oder Drehbuchautoren rückhaltlos zu unterstützen, sobald man ihnen einmal vertraut, besitzt Veit Heiduschka offensichtlich, sonst würden die meisten namhaften Filmschaffenden

60

nicht immer wieder mit ihm arbeiten. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des anhaltenden Erfolgs der Wega Film ist die Gabe, Talente zu entdecken und zu fördern. Im Rahmen der großen Filmarchiv-Retrospektive zu seinem Geburtstag kann man also nicht nur sämtliche HanekeKinofilme (statt Funny Games U.S. wird der Fernsehfilm Das Schloss gezeigt) sehen, sondern auch erstaunlich viele frühe Arbeiten von Leuten sehen, die das österreichische Filmschaffen maßgeblich mitgestaltet haben, darunter Niki List, Paulus Manker, Michael Kreihsl, Andreas Prochaska, Andreas Gruber, Arash T. Riahi oder auch Josef Hader, der sein Regiedebüt Wilde Maus ebenfalls Veit Heiduschka anvertraute. Heutzutage ist Michael Haneke dank unzähliger Auszeichnungen wie Oscar oder Goldener Palme ein international anerkannter Regiestar, aber als der damals

ray Special – Veit Heiduschka


Das Schloss

47-jährige Fernsehregisseur seinen ersten Kinofilm realisieren wollte, brauchte es jemanden wie Veit Heiduschka mit seinem Gespür für das Besondere, um das als schwierig geltende Projekt erfolgreich umzusetzen. Der siebente Kontinent wirkt bereits wie eine Blaupause für Hanekes spätere Welterfolge in seiner unsentimentalen Analyse der Entfremdung in der bürgerlichen kapitalistischen Gesellschaft: Nüchtern zeigt der Film die Arbeitsabläufe seines Protagonisten, eines Überwachungstechnikers, auch das Familienleben von Vater, Mutter, Kind läuft nach ähnlichen Ritualen ab, bis die Risse in dieser mechanisierten Welt immer deutlicher werden und die Familie sich zu einem radikalen Schritt entschließt. Die Zuschauerzahlen waren nicht übermä-

Sternberg – Shooting Star

ßig hoch, aber bei der Kritik und im internationalen Festivalzirkus erregte der Film Aufsehen. Bei Haneke hat sich die Geduld von Veit Heiduschka zweifellos ausgezahlt, doch natürlich kann nicht aus jedem Talent ein international gefeierter Regisseur werden. Ernst Josef Lauscher ist heute nur mehr Insidern ein Begriff, dabei spiegelt sein heute kaum mehr gezeigter Film Zeitgenossen (1983) – die erste offizielle Wega-Produktion – perfekt das Lebensgefühl der frühen achtziger Jahre mit seinen ständigen Umwälzungen, den latenten Aggressionen und den Prä-Aids-amourösen Verstrickungen wider. Auch Niki Lists zum Kultfilm avanciertes Müllers Büro war damals ein Wagnis, doch die schräge Krimi-Musical-Komödie nach Motiven von Dashiell Hammett mit Christian Schmidt, Andreas Vitasek und Barbara Rudnik – gedreht u.a. in der legendären Blue Box – sprengte mit 440.000 Zuschauern alle österreichischen Kassenrekorde und wurde auch im Ausland (mehr als 2 Millionen Besucher in der DDR, in Japan als VHS-Video mit Untertiteln herausgebracht) ein Riesenerfolg. Humorvolle Filme wurden trotzdem nicht das Markenzeichen der Wega Film, auch wenn 1991 mit Ilona und Kurti von „Mundl“-Regisseur Reinhard Schwabenitzky eine Multikulti-Farce mit Tiefgang produziert wurde. Hanno Pöschl überzeugt als windiger Erbschleicher, der zusammen mit seiner Mutter (Louise Martini) mittels gefälschter Unterschrift das Geld einer Nachbarin an sich reißen will. Als plötzlich deren Tochter Ilona aus Südosteuropa auftaucht, muss der liebe Kurti all seinen Charme spielen lassen, damit das Komplott

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Fil

Weiningers Nacht

nicht auffliegt. Die Musik steuerte übrigens kein Geringer als Ennio Morricone bei. Generell haben Veit Heiduschka immer Herausforderungen jeglicher Art gereizt. Wenn Regisseure als schwierige Charaktere galten, wie etwa Paulus Manker, war das kein Hindernis, ehrgeizige Projekte wie Weiningers Nacht in Angriff zu nehmen. Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Joshua Sobol spielt Manker selbst den radikalen jüdischen Philosophen und Schriftsteller Otto Weininger, der Anfang des 20. Jahrhunderts zum Protestantismus konvertierte und als Antisemit und Frauenhasser im Alter von 23 Jahren im Sterbehaus Beethovens Selbstmord beging. Dass die Wega Film aber nicht auf das Arthouse-Label reduziert werden kann, belegen viele Filme für ein spezielles Zielpublikum, egal ob im Fernsehen oder im Kino. Den jüngeren Zuschauern sei Andreas Prochaskas Nöstlinger-Verfilmung Die 3 Posträuber ans Herz gelegt, der mit viel Schwung und Wiener Schmäh auch erwachsene Begleitpersonen garantiert nicht langweilt. Mit seinem Regiedebüt bewies der ehemalige Haneke-Cutter, dass er auch das Regiehandwerk beherrscht und schuf so die Basis für spätere Arbeiten wie In 3 Tagen bist du tot oder Das finstere Tal. Dieses spezielle Gespür für Talente hat Veit Heiduschka bis heute nicht verlassen. In den vergangenen zehn Jahren hat er u.a. die Karriere von Arash T. Riahi durch die aufwändige Produktion von dessen erstem Spielfilm Ein Augenblick Freiheit befördert. Arash, der selbst als Zehnjähriger mit seinen Eltern über die Türkei nach Österreich gelangte, schafft mit diesem kraftvollen,

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aber immer realistischen Drama um drei Flüchtlingsschicksale den schwierigen Spagat zwischen Information über die Zustände in der Türkei (was den Film auch heute sehr aktuell macht) und purer Emotion. Auch Umut Dağs Kuma beschäftigt sich auf sehr subtile Weise mit dem Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen. In diesem Familienkammerspiel werden die Risse innerhalb einer türkischen Familie in Wien, ohne zu werten, bildgewaltig auf den Punkt gebracht. Visuell beeindruckend ist auch der Film, der Wega Film Ende der neunziger Jahre finanziell alles abverlangte: Fritz Lehners Jedermanns Fest war weder beim Publikum noch bei den Kritikern ein durchschlagender Erfolg, doch mit etwas zeitlichem Abstand kann man Lehners stilisierter Bearbeitung des Jedermann-Stoffes einiges abgewinnen. Nicht nur Klaus Maria Brandauers Wucht, die gerade durch sein unterkühltes Spiel noch deutlicher hervortritt, auch die detailverliebten Dekors und die melancholische Grundstimmung machen den Film zu einem veritablen Kinoerlebnis. Veit Heiduschka hat seine Kinofilme eben für die große Leinwand produziert, deshalb sollte man diese Retro­ spektive nicht verpassen. Viele der Filme werden so bald nicht wieder im Kino zu erleben sein. 17. Mai bis 27. Juni Metro Kinokulturhaus, Wien Eröffnung am 17. Mai in Anwesenheit von Veit Heiduschka. Werkstattgespräch mit Veit Heiduschka am 22. Mai um 19 Uhr (siehe auch Seite rechts). www.filmarchiv.at

ray Special – Veit Heiduschka


Fil

ray Filmmagazin und Filmarchiv Austria präsentieren

Werkstattgespräch Veit Heiduschka + Müllers Büro Max Müller, unterbeschäftigter Privatdetektiv, erhält von der schönen, aber geheimnisvollen Klientin Ingrid Bergmann den Auftrag, ihren verschwundenen Verlobten zu suchen. Mit seinem Assistenten recherchiert Müller in der Unterwelt und stößt auf eine attraktive, aber lebensgefährliche Bandenchefin und entdeckt, dass auch der Vater seiner Klientin in den Fall verwickelt ist. Es gibt auch geheimnisvolle, eine wichtige Persönlichkeit kompromittierende Fotos, Morde, und Fräulein Schick, Müllers Sekretärin, die in ihn verliebt ist. Müller löst den Fall, obwohl die ganze Unterwelt hinter ihm her ist. 19 Uhr: Werkstattgespräch Veit Heiduschka 21 Uhr: Müllers Büro, Österreich 1986, Regie: Niki List Mit: Christian Schmidt, Andreas Vitásek, Barbara Rudnik, I Stangl, Sue Tauber, Jochen Brockmann, Ferdinand Stahl 104 Minuten

Dienstag

22.05.

19 Uhr + 21 Uhr

Metro Kinokulturhaus Johannesgasse 4, 1010 Wien

ray Filmmagazin verlost 20 x 2 Karten Schicken Sie bis 18. Mai eine Mail mit dem Betreff „Heiduschka“ an gewinnspiel@ray-magazin.at

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CHRONIK: ALLE FILME DER WEGA FILM Kinospielfilme, sofern nicht anders angegeben

TITEL

REGIE

JAHR

PARADISE GES.M.B.H Nikolaus Leytner ZEITGENOSSEN Ernst Josef Lauscher MÜLLERS BÜRO Niki List STERNBERG – SHOOTING STAR Niki List DER SIEBENTE KONTINENT Michael Haneke WEININGERS NACHT Paulus Manker WAHRE LIEBE Kitty Kino FELDBERG Michael Pilz SPITZEN DER GESELLSCHAFT Franz Novotny ACH, BORIS Niki List ILONA UND KURTI Reinhard Schwabenitzky DAS TÄTOWIERTE HERZ Ernst Josef Lauscher KINDER DER LANDSTRASSE Urs Egger DEAD FLOWERS Peter Ily Huemer BENNY’S VIDEO Michael Haneke TOD IM SEICHTEN WASSER Barna Kabay & Imre Gyöngyössy TAFELSPITZ Xaver Schwarzenberger MUTTERS COURAGE Michael Verhoeven DER FALL LUCONA Jack Gold LA TRIPLE CARPATE – DIE DREIFACHE LOCKE Jean-Michel Ribes DAS AUGE DES TAIFUN Paulus Manker DIE REBELLION Michael Haneke 71 FRAGMENTE EINER CHRONOLOGIE DES ZUFALLS Michael Haneke SCHWARZE TAGE Nikolaus Leytner ETWAS AM HERZEN Michael Cencig EXIT II – VERKLÄRTE NACHT Franz Novotny DER KOPF DES MOHREN Paulus Manker ES WAR DOCH LIEBE Wolfgang Glück CHARMS ZWISCHENFÄLLE Michael Kreihsl DREAMLAND Susi Graf DIE SCHULD DER LIEBE Andreas Gruber FUNNY GAMES Michael Haneke DAS SCHLOSS Michael Haneke ALLES BOB! Otto Alexander Jahrreis DIE 3 POSTRÄUBER Andreas Prochaska DAS JAHR DER WENDE (L’ANNÉE DU CAPRICORNE) Jean-Luc Wey LIESELOTTE Johannes Fabrick SPASS OHNE GRENZEN Ulrich Seidl GEFÄHRLICHES SPIEL – WENN SPIELEN ZUR SUCHT WIRD Peter Thomsen GAUMENKITZEL – DIE NEUE LUST AM ESSEN Peter Thomsen BÖHMERWALD – WILDNIS IM HERZEN EUROPAS Alfred Vendl JEDERMANNS FEST Fritz Lehner HEIMKEHR DER JÄGER Michael Kreishl BALKAN BAROQUE Pierre Coulibeuf DAS MÄRCHEN VON DER POWERFRAU Pedro Chlanda DONAUABWÄRTS – EINE REISE INS UNBEKANNTE EUROPA (3Teile) Trautl Brandstaller BODENSEE – BLAUE SEELE EUROPAS Alfred Vendl DIE KLAVIERSPIELERIN Michael Haneke NICHTS WIE WEG Peter Patzak

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1983 1983 1986 1988 1989 1990 1990 1990 1990 1990 1991 1991 1992 1992 1992 1993 1993 1993 1993 1993 1993 1993, TV 1994 1994, TV 1994, TV 1995 1995 1996 1996 1996 1997 1997 1997, TV 1998 1998 1998 1998, TV 1998, TV-Doku 1999, TV-Doku 1999, TV-Doku 1999, TV-Doku 2000 2000 2000 2000, TV-Doku 2000, TV-Doku 2000, TV-Doku 2001 2001, TV

ray Special – Veit Heiduschka


CHRONIK: ALLE FILME DER WEGA FILM

TITEL

DIE GROSSEN VERFÜHRER – DIE GEHEIMNISSE DER MARKENARTIKEL-INDUSTRIE IM SCHATTEN DES RUHMS – ERFOLGREICHE FRAUEN UND IHRE MÄNNER DEN SCHÖNEN GEHÖRT DIE WELT SPURENSUCHE (MÉLYEN ÖRZÖTT TITKOK) WELCOME HOME LASS DAS SEIN! (NE FAIS PAS CA!) WOLFZEIT SIND KINDER LUXUS? – ÜBER DIE LUST UND LAST, ELTERN ZU SEIN IRAN – AUFBRUCH IN DEN UNBEKANNTEN ORIENT KÖNIG DER DIEBE GEIERWALLY DIE LANDÄRZTIN DIE HENGSTPARADE LEBEN MIT DER NATUR – AUS DEM ALLTAG EINES BIOBAUERN CACHÉ TINTENFISCHALARM DIE LANDÄRZTIN II: DIAGNOSE TOLLWUT IM TAL DES SCHWEIGENS II – DER ERBHOF FÜNF STERNE – KERLE INKLUSIVE MEIN MÖRDER SEHNSUCHT DORF WINTERREISE DEEP FROZEN DIE LANDÄRZTIN III – AUS HEITEREM HIMMEL KÖNIG OTTO IM TAL DES SCHWEIGENS III – DER WILDSCHÜTZ ASPHALT-COWBOYS IM GROSSSTADT-DSCHUNGEL ZUGSPITZE – BERG DER GEGENSÄTZE WENN DAS SAMENKORN NICHT STIRBT MEINE LIEBE REPUBLIK DIE LANDÄRZTIN V – EIN NEUES LEBEN IM TAL DES SCHWEIGENS IV – DER ZWEITE FRÜHLING TREE OF LIFE MESSNERS ALPEN DIE FELLNER+HELMER-STORY MYTHEN DER ALPEN EIN AUGENBLICK FREIHEIT DIE LANDÄRZTIN VI – SCHLEICHENDES GIFT DER BESUCH DER ALTEN DAME DAS WEISSE BAND – EINE DEUTSCHE KINDERGESCHICHTE DIE LANDÄRZTIN VII – UM LEBEN UND TOD DER KLANG HOLLYWOODS – MAX STEINER UND SEINE ERBEN HAYDNS KOPF CHARLIE CHAPLIN – DER MANN, DER EUROPÄER BLEIBEN WOLLTE HENRY IV HABERMANN

REGIE

JAHR

Elisabeth Scharang

2001, TV-Doku

Elisabeth Scharang Elisabeth Scharang Zsuzsa Böszörményi Andreas Gruber Luc Bondy Michael Haneke

2002, TV-Doku 2002, TV-Doku 2003 2003 2003 2003

Elisabeth Scharang Wolfgang Thaler Ivan Fila Peter Sämann Peter Sämann Michael Kreindl Manfred Corrine Michael Haneke Elisabeth Scharang Peter Sämann Peter Sämann Vivian Naefe Elisabeth Scharang Manfred Corrine Hans Steinbichler Andy Bausch Peter Sämann Zoltan Spirandelli Peter Sämann Manfred Corrine Wolfgang Thaler Sinisa Dragin Elisabeth Scharang Erhard Riedlsperger Peter Sämann Maria Magdalena Koller Herbert Habersack Ute Gebhardt Manfred Corrine Arash T. Riahi Thomas Nennstiel Nikolaus Leytner Michael Haneke Erhard Riedlsperger Jacob Groll Ute Gebhard Herbert Krill Jo Baier Juraj Herz

2003, TV-Doku 2003, TV-Doku 2004 2004, TV 2004, TV 2004, TV 2004, TV-Doku 2005 2005, Doku 2005, TV 2005, TV 2005, TV 2005, TV 2005, TV-Doku 2006 2006 2006, TV 2006, TV 2006, TV 2006, TV-Doku 2006, Doku TV-Doku 2007, Doku 2007, TV 2007, TV 2007, TV-Doku 2007, TV-Doku 2007, TV-Doku 2007, TV-Doku 2008 2008, TV 2008, TV 2009 2009, TV 2009, TV-Doku 2009, TV-Doku 2009, TV-Doku 2010, Kino und TV 2010

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CHRONIK: ALLE FILME DER WEGA FILM

TITEL

REGIE

DER WINZERKRIEG DIE LANDÄRZTIN VIII – SCHICKSALSWEGE HANNAS ENTSCHEIDUNG GUT GELANDET – DEUTSCHE IN WIEN ALS DER WEIHNACHTSMANN VOM HIMMEL FIEL

Peter Sämann Peter Sämann Friedemann Fromm Katrin Mackowski Oliver Dieckmann

DIE LANDÄRZTIN IX – ENTSCHEIDUNG DES HERZENS ÖSTERREICHS VERGESSENER VISIONÄR – DER FRIEDENSNOBELPREISTRÄGER ALFRED H. FRIED KUMA LOCAL HEROES LIEBE DIE LANDÄRZTIN X – VERGISSMEINNICHT NESTFLÜCHTLINGE – ÖSTERREICHER IN BERLIN JAGDKUMPANE – MENSCH • HUND • JAGD – EINE ERFOLGSGESCHICHTE DIE GELIEBTEN SCHWESTERN RISSE IM BETON HANGOVER IN HIGH HEELS BODENSEE – WILDNIS AM GROSSEN WASSER VALIE EXPORT – IKONE UND REBELLIN DIE RATTENLINIE – NAZIS AUF DER FLUCHT DURCH SÜDTIROL LIEBE MÖGLICHERWEISE LIEBESG’SCHICHTEN UND HEIRATSSACHEN – 18., 19., 20. & 21. STAFFEL DU KUNST MICH MAL – 1. STAFFEL DAS GEHEIMNIS DES ERFOLGES – 20 JAHRE LIEBESG’SCHICHTEN UND HEIRATSSACHEN ELIZABETH T. SPIRA – ICH BIN NICHT WICHTIG HAPPY END WILDE MAUS WILDSCHWEINE – THE COMEBACK

Sigi Rothemund

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JAHR

2010, TV 2010, TV 2010, TV 2010, TV-Doku 2011 2011, TV

Ute Gebhardt Umut Dağ Henning Backhaus Michael Haneke Michael Kreihsl Burgl Czeitschner

2011, TV-Doku 2012 2012 2012 2012, TV 2012, TV-Doku

Ute Gebhardt Dominik Graf Umut Dağ Sven Bohse Klaus T. Steindl Claudia Müller Karin Duregger Michael Kreihsl

2013, TV-Doku 2014 2014 2015, TV 2015, TV-Doku 2015, TV-Doku 2015, TV-Doku 2016

Elizabeth T. Spira Tanja Lesowsky, Jennifer Rezny

2016, TV-Doku 2016, TV-Doku

Tanja Lesowsky, Jennifer Rezny Robert Neumüller Michael Haneke Josef Hader Astrid Mille

2016, TV-Doku 2016, TV-Doku 2017 2017 2017, TV-Doku

ray Special – Veit Heiduschka


Die Handlung: Privatdetektiv Veit „Fight“Hammer soll zusammen mit seinem Freund KatzTheCat das vermisste Haneke -Drehbuch finden. Die Spuren führen in die Wiener Filmwelt, die von verschiedenen Gangstergruppen beherrscht wird. Nach und nach verdichten sich die Hinweise, dass das Filminstitut nicht ganz das ist, was es zu sein scheint, ...

MÜLLER’S BÜRO II Müllers Büro und der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft gratulieren !

Text Inhalt frei nach Wikipedia Bild copyright Wega-Film

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Sonderheft des ray Filmmagazins Mai 2018

Dr. Veit Heiduschka zum 80. Geburtstag


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